Mitglied
- Beitritt
- 14.03.2005
- Beiträge
- 215
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Das Kapitalistenschwein
Das Kapitalistenschwein
Hach, was ist das schön, wenn aus zwei plötzlich drei werden. Vater sein ist schon was ganz genaues. Die Kehrseite der Medaille kommt spätestens nach der Geburt, wenn sich die bucklige Verwandtschaft anschickt, Strampelanzüge in allen Farben, Größen und Ausführungen zu schicken oder vorbeizubringen. Sollte meine Tochter mich fragen „Papi ist Verwandtschaft was zum Essen?“, dann werde ich sagen „Nein, Verwandtschaft ist was zum Kotzen!“
Es geschah am Tag nach der Geburt. Den Anfang machte die Haugemeinschaft, welche uns unter ständigen Entschuldigungen wegen Nichtabsprache mit den restlichen Mieter ein absolut niedlich verschnürtes Paket mit 19 rosa Strampelanzügen in Größe 56 überreichte.
(Merke: Beim nächsten Mal darauf verzichten, das Geschlecht des Kindes vor der Geburt zu verraten!)
Die Verwandtschaft, die sich wie die Pest hasste, tat natürlich den Teufel sich in irgendeiner Weise abzusprechen. Da ich eines von sieben Geschwistern war und ganze vier Onkel und Tanten hatte, kam das Ergebnis in Form einer VW-Transporter-Ladung rosa Strampler vor das Haus gefahren.
Dem folgten die Freunde, die Arbeitskollegen. Selbst der Vermieter ließ sich nicht lumpen, bei seinen Mitarbeitern eine Sammlung zu machen. Das Ergebnis all dieser Freundlichkeit war zu wenig Platz, neue Wohnung, größere Schränke, Kredit aufnehmen, finanzielles Chaos, Garage zum Stramplerlager umbauen, gefolgt von finanziellem Ruin. Wir hatten wirklich eine Menge Probleme.
Wie das ganze Zeug nur loswerden? Über ein Internetauktionshaus konnte ich das Meiste verscherbeln. Es kam doch ein ganz hübsches Sümmchen zusammen. Als ich noch so den Kontoauszug betrachtete, machte es „Klick“.
Ich begab mich umgehend zum Geldautomaten und hob den Gewinn ab. Als erstes musste der Textiliendiscounter um die Ecke dran glauben. Ich kaufte alles auf, was ich kriegen konnte. Die Beschwerden von werdenden Eltern, Großeltern, schenkwütigen verwandten und Arbeitskollegen vor dem Laden ließ ich eiskalt an mir abtropfen. Stattdessen bot ich ihnen Rabatte an, die absolut nicht zu schlagen waren. Mit einem Schlag verlor der Textildiscounter drei Viertel seiner Kundschaft. Ein Glück, dass ich die Garage umgebaut habe. Die gab wirklich ein prima Lagerhaus ab. Allerdings reichte der Platz bald nicht mehr aus.
Zwei Wochen später stand das Gelände des Textildiscounters zur Vermietung frei. Auf Grund meiner Geschäftsidee und einer versprochenen Gewinnbeteiligung konnte ich einen super Preis mit dem Vermieter des Geländes aushandeln.
Das Geschäft lief blendend. Kein Textildiscounter in der Gegend wagte es, rosa Strampelanzüge anzubieten. Diejenigen, die es dennoch wagten erlitten alle das gleiche Schicksal.
Weitere zwei Wochen später waren alle Babyausstatter, Textildiscounter, der Großhandel für Babybekleidung und sämtliche werdenden Eltern, Großeltern, schenkwütigen Verwandten und Arbeitskollegen im meiner Hand. Die Villa am Starnberger See bezahlte ich aus der Portokasse und ließ sie babygerecht umbauen mit vergoldeter Wickelkommode, bestückt mit einhundert 13-karätigen Diamanten. Nur das Beste für mein Kind! Es sollte ja nicht wie bei armen Leuten sein. Mit rosa Strampelanzügen gab sich meine Tochter selbstverständlich nicht mehr zufrieden, deshalb war es dem großen Karl Lagerfeld eine Ehre, mir bei diesem Problem zur Seite zu stehen.
Mittlerweile ist auch der asiatische Markt für rosa Strampelanzüge völlig zusammen gebrochen. Streiks, Straßenkämpfe in den großen Metropolen des fernen Ostens ließen mich allerdings völlig kalt. Mit meinen Gedanken war ich bereits im großen Amerika. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht auch diesen Markt in die Bedeutungslosigkeit drängen könnte.
Ich habe heute keine Probleme mehr. Nur die Tatsache, dass die Geburtenrate bei männlichen Babys am Ansteigen ist, bereitet mir etwas Sorgen.