Das italienische Dorf
Vor einiger Zeit kam ich auf meiner langen Wanderschaft in ein kleines Tal in den südlichen Alpen. Die Sonne schien schon den ganzen Tag mit voller Wucht auf mein Haupt und bräunte meine Haut. Vom Pfade aus erblicke ich ein kleines Dorf im mediterranen Stil und zu dem Zwecke meiner trockenen Kehle Abhilfe zu verschaffen, begab ich mich den staubigen Pfade folgend in diese Richtung. Ein Blick in meine Wanderkarte verriet mir nicht, wie das Dorf hieß, ja weniger noch , es war nicht einmal in dieser vorhanden. An der Stelle, wo dieses kleine Dorf sich befand, war nur ein See eingezeichnet. In diesem See selbst schwamm ein Wal und darunter stand in schwarzer Schrift, Milan Verlag. So denn sollte ich mich wohl überraschen lassen. Viele italienische Dörfer in dieser Gegend wurden nicht im Kartenwerk geführt, so dass mich dies nicht weiter wundern sollte. An den ersten Häusern angekommen überfiel mich geradezu eine übertriebene Ruhe. Kein Mensch war auf den Straßen, keine Vögel zwitscherten, nicht einmal die Bienen und Fliegen erfüllten die Luft mit ihrem gesummse. Ich setzte mich in das einzige Café und wartete auf die Bedienung, doch niemand kam. Ich saß dort eine Stunde, dann zwei. Aus Höflichkeit wollte ich nicht an die Tür klopfen, es mag nun sein, dass sich das Personal von meiner aufdringlichen Art gestört fühlen könnte. Also wartete ich weiter. Ich wartete bis es dunkel wurde. Durch die mich umgebenden Berge verbarg sich die Sonne bald weite Schatten ins Tal werfend. Alsdann trat auch das erste lebende Wesen, dass ich in dieser Ortschaft erblickte aus einer dunklen Ecke. Es war ein kleiner, weißer Hund, der freudig, geradezu begierig die Straße herab sauste. Direkt auf mich zu. Seine Freude erschien mir so schon übertrieben, dass ich davon ausging der Hund erwarte von mir eine schmackhafte, fleischige Zuwendung in Form von kleinen Würstchen konditioniert durch früher Besucher des Dorfes. Freudig sprang er an mir hoch, größer als eine halbe Katze war er jedoch nicht und schaffte es somit nur bis zu meinem Knie. So hob ich ihn denn auf meinen Arm hoch, um ihn zu streicheln. Sogleich fing er an begierig nach meinen Hals zu schnappen. Seine Eckzähne schienen mir viel zu lang für einen Hund seiner Größe. Erschrocken durch seine übertriebene Affinität zu meiner Kehle ließ ich den armen Köter auf den Boden plumpsen. Winselnd lag der arme Wurm nun auf dem Boden und als ich ihn trösten wollte, begann er sofort wieder nach meinen Hals zu schnappen. Mir ist dieser jedoch zu wertvoll und so unterließ ich jeglichen Tröstungsversuch beim Hunde, schaute mich stattdessen nach einer Bedienung um, die ja immer noch auf sich warten ließ.
Hinter dem Fenster des Lokals konnte ich nun ein Gesicht ausmachen, welches sich sofort hinter der Gardine versteckte, als sich unsere Blicke trafen. Etwas elektrisierendes lag in ihrem Blick. Kurze Zeit darauf erschien eine Frau an der Tür. Wie alle Italienerinnen auf dieser Welt, hatte sie rabenschwarzes Haar. Ihre Augen schauten mich dunkel und geheimnisvoll an. Wie sonst keine Italienerin auf dieser Welt jedoch, war sie blass, ja geradezu weiß wie die Wand des Hauses aus dem sie kam. In einem freundlichen Ton fragte sie mich, was es denn sein dürfte. Ihr Blick während sie mit mir sprach, schien unerlässlich auf meinen Hals gerichtet zu sein. Ich schaffte es erst jetzt die Augen von ihren zauberhaften Gesicht abzuwenden, nach unten wandernd, folgte ich den Kurven ihres schlanken, in absolut schwarzer Kleidung gehüllten Körpers bis hinab zu den ledernen Stiefeln. Einen Latte Macchiatto bestellte ich und eine Pizza Aglio, wenn dies zu dieser vorgerückten Stunde keine Probleme mehr mache.
Natürlich mache es keine, wie sie mir immer noch meine kopfstützende Säule anstarrend versicherte, Knoblauch sei jedoch heute schon aus, könne es nicht Funghi sein, fragte sie mich, ihre Lippen leckend. Freundlich lehnte ich ab, dann nehme ich eben nur mit Käse sagte ich. Nahezu schwebend kehrte sie wieder ins Haus zurück.
Indes wurde ich von den umliegenden Häusern der Straße beobachtet. In jedem Fenster konnte ich mindestens ein Gesicht, mich beobachtende, ausfindig machen. Aus Gründen der Ehrerbietung fremder Sitten gegenüber ließ ich es mir nicht anmerken. Die freundliche Dame brachte mir mein warmes Getränk, würdigte mich jedoch keines Blickes, außer meinem Hals. Ich gestehe, ich fing an mich ein wenig zu wundern, ob ich mich vielleicht aus Versehen bei meiner Wanderung besudelte, mit irgend etwas leckerem wohl, was auch Hunde betört. Ich konnte mich jedoch nicht erinnern mit Kadavern oder ähnlichen auseinander gesetzt zu haben, jedoch war der Tag lang und gesetzt dem Falle ich könnte hier auch eine Unterkunft für die Nacht in Anspruch nehmen, wollte ich mir meinen Hals auch mal genauer anschauen. Gerade dies gedacht kam mir ein Vogel entgegen geflogen, ließ sich auf der Lehne des Stuhls gegenüber nieder. Ein prächtiger Milan, wie sie in dieser Gegend häufiger vorkommen, sah mich nun gierig an und als er seinen charakteristischen Schrei ausstieß, entblößte er zwei spitze Eckzähne, die mir doch ein wenig befremdlich schienen im Maul eines Vogels. Allerdings bin ich auch kein Ornithologe und in anderen Ländern können die Tiere, auch Vögel, etwas anders ausschauen, wie es mir sonst bekannt.
Ich aß meine Pizza in aller Ruhe. Die Luft kühlte ein wenig ab, was ich nur als angenehm empfinden konnte. Danach begab ich mich auf mein Zimmer, welches mir nach erfragen einer Übernachtungsmöglichkeit von der reizenden Italienerin zugewiesen wurde. Sofort entkleidete ich mich und schlüpfte unter das Leinentuch, wobei mir die Bezeichnung Leichentuch besser gefallen hätte, Stoff und Färbung nach, wäre es eher ein solches Gewesen. Gerade hingelegt, klopfte es an meiner Türe und bevor ich reagieren konnte schaute die bleiche Dame hinein und fragte, ob sie herein dürfe. Wieder wartete sie keine Antwort ab und setzte sich auf mein Bett. Umständlich erklärte ich ihr, dass die Situation peinlich werden könnte, weniger für mich, eher noch für sie. Sollten die Nachbarn davon erfahren, so könnten sie nur allzu leicht unsittlichen Gedanken nachhängen. Sie lächelte mich nur an. Ihre langen, spitzen Eckzähne überragten die Unterlippe und schienen gar noch zu wachsen. So wollte ich sie ob dieses Umstandes ansprechen, nicht das sie dies vielleicht gar nicht mitbekam, schon vergrub sie ihr Gesicht tief in meinem Hals. Jetzt verstand ich auch warum sie gerade gelächelt hatte, bei meiner umständlichen Erklärung, da ich jetzt sah, wie sämtliche Nachbarn an der Tür standen samt Hund und Vogel. Ich grüßte sie in gebrochenen Italienisch. Meine Stimme versagte gerade ein wenig. Einer nach dem anderen kamen sie herein, fast wie Engländer immer schön der Reihe nach, und nährten sich an meinem Hals. Pikiert musste ich mit ansehen, wie mein Blut das Bett besudelte. Mehrmals entschuldigte ich mich dafür, doch hörte dies von den Anwesenden keiner, oder wollte es nicht hören. Am Ende als sich der letzte Dorfbewohner an meinem Blut labte, näherten sich sämtliche Tiere des Dorfes. Freudig sprang der kleine weiße Hund auf mein Bett und auch der Milan war zur Stelle. Es kamen die Gossenkatzen zu mir und die Schweine und Kühe aus dem Stall. Sie alle taten sich gütlich. Als nun die meisten gesättigt ihrer Wege gingen fühlte ich mich ein wenig blass um die Nasenspitze herum, konnte aber mit Freuden feststellen, dass meine Gastgeberin, die hübsche Italienerin, wieder eine leicht rötliche Farbe im Gesicht bekommen hatte, was sie meines Erachtens noch eine Spur niedlicher machte. Ich wurde mit diesem Ritual in den erlauchten Kreis des Dorfes aufgenommen. Nicht wenig Stolz war ich dabei, so schnell in einem fremden Dorf, noch dazu im Ausland, als der ihre akzeptiert zu werden.
Leider muss ich sagen blieb mir dieses Glück nicht lange gewährt. Schon am nächsten Morgen machte ich meinen ersten kulturellen Fehler. Die Bewohner waren schon längst wieder Schlafen gegangen, einzig der Hund ist bei mir geblieben, schien mich richtig lieb gewonnen zu haben. Er tollte neben mir her, unter meine Füße durch, als ich die Gardine öffnete, um die frühe Morgensonne zu begrüßen. Kaum trafen ihre Strahlen auf den kleinen Flohsack, verbrannte dieser zu einem kleinen Häufchen Asche. Nun wollte auch noch meine Gastgeberin das Zimmer betreten. Sie schrie so lange vor der Tür, bis ich die Gardinen wieder zuzog. Erst dann wagte sie es die Tür zu öffnen. Sogleich durfte ich mir eine Standpauke anhören, den armen kleinen Peppino verbrannt zu haben. Das ich es nicht mit Absicht getan, schien nicht zu zählen. So ging es denn gleich beim Frühstück weiter. (Das rasieren ließ ich an diesem Tag ausfallen, da ich übersät mit Bissspuren am Hals Angst hatte mich dabei zu verletzen.) Ich sollte keinen Hunger haben, außer auf Blut quäkte die Frau bei der ich wohnte, noch immer sauer, wegen ihrem Hund. Typisch Frauen, dachte ich bei mir, kaum lässt man sie nachts in sein Zimmer, fängt der typische Beziehungsalltag an. Daran scheint sich nie etwas zu ändern. Ich ignorierte sie so gut es ging, die Schränke nach einem Müsli oder etwas anderem essbaren durchsuchend. Hinter einem halben Laib verschimmelten Brot, dass ich hervorzog fand ich zu meinem Glück, noch eine alte Knoblauchzehe. Alt und verschrumpelt, wie sie war verschlang ich sie sofort. Ich sage zu meinem Glück, denn sobald ich die scharfe Knolle hinunterschluckte flüchtete das zickige Weib und ließ sich nicht mehr blicken. Ich konnte nur hoffen, das sie lange genug wegbleibt, dass ich ein paar Stunden des Tages genießen kann.
Als sie am Nachmittag noch nicht auftauchte tat sie mir Leid, und ich versuchte sie zu überreden wieder herauszukommen, so sehr bekam ich ein schlechtes Gewissen. Es ist verdammt schwer sich in einem Haus in dem sämtliche Fenster verdunkelt sind zurechtzufinden. Ich fand den Weg zurück in mein Zimmer und holte meine Kette mit einem kleinen silbernen Kruzifix aus dem Koffer, wusste ich doch wie streng katholisch die südländischen Menschen sind. Jedoch tat ich ihr auch damit keinen gefallen. Sie weigerte sich ihr Geschenk auch nur anzuschauen, nahezu krampfhaft starrte sie woanders hin. Als ich es ihr anlegen wollte verbrannte ich ihr damit auch noch ihre makellos weiße Haut. Beschämt alles nur noch schlimmer gemacht zu haben, ließ ich sie den Rest des Tages allein, in ihrer Kammer.
Abends sobald es dunkel wurde kam sie aus ihrer Kammer heraus. Zornig funkelte sie mich an, traurig blickte ich zurück. Es kamen alsbald zwei Freundinnen von ihr vorbei. Sie hatten Blutkonserven in ihren Handtaschen und verzogen sich allesamt ins Wohnzimmer, wo sie dann sofort über mich zu lästern anfingen. Ich saß in der Lounge nebenan und hörte bei einer Flasche Rotwein zu, wie sie über mich herzogen. Die Brandwunde, so meinte sie, gehe nie wieder raus, das verwächst sich ja nicht mehr, wie schaut das denn aus, etc. etc.. Auf ewig so entstellt. Die zwei Freundinnen redeten ihr gut zu, ich hätte es wohl nicht besser gewusst und bin ja noch nicht lange Untot und ähnliches.
Mich selbst der ich heimlich Lauschte vermochten sie nicht zu trösten. Ich stand auf und schlurfte zum Spiegel, ob ich denn jedenfalls Untot ausschaue, wenn ich mich schon nicht so zu benehmen weiß, aber ich fand ich sah eigentlich ganz vital aus. Rote Wangen vom Wein, auch sonst hatte ich viel Farbe im Gesicht, von der Sonne am Tag meiner Ankunft. Ich wurde des Zuhörens müde, es erschien mir als drifte das Gespräch in typischen Weiberklatsch um. Der gutaussehende Graf Dracula wolle nach Paris kommen (hier kreischten alle drei hysterisch), wenn sie ihn nur persönlich kennenlernen könnten. Über den Spiegel versuchte ich die drei unauffällig zu beobachten, doch fand ich nur drei leere Stühle am Tisch, die sich ab und zu bewegten. Langeweile überkam mich und so beschloss ich ein Stück spazieren zu gehen.
Die Luft, welche diese Nacht erfüllte, roch herrlich und die Gassen waren von Leben erfüllt. Die Leute schienen diese Dunkelheit zu genießen und nickten mir freundlich zu immer wenn ich an jemanden vorbeikam. Sie hatten noch nicht von meinem Problem mit der Wirtin gehört, so schien mir. In einer kleinen Seitenstraße kam ein wenig Tumult auf, da ein alter Mann eine noch nicht bekehrte Eidechse gefunden hatte, doch war sie schnell leergesaugt und genauso bleich wie alle in diesem Dorf. Selbst dieses einfältige Tier, wusste sich zu benehmen. Mir hingegen gelang es nicht mich zu integrieren, doch scheint dass meine Hauswirtin nicht zu interessieren. Vielleicht kann sie es einfach nicht verstehen. Ich scheine zu Ungeschickt zu sein für diesen ganzen Kram.
Der Milan von gestern Nacht hatte mich wieder ausgemacht und setzte sich auf meine Schulter. Er sah mich mit einem Hundeblick, den ich einem Vogel gar nicht zugetraut hätte an, und ich ließ ihn wieder von meinem Blut trinken. Ich nannte meinen neuen Freund Aswang, er nickte anerkennend, wie um zu zeigen, dass ihm dieser Name gefällt.
Aswang wurde zu meinem treuesten Gefährten in diesem Dorf. Sobald es dunkel wurde setzte er sich auf meine Schulter, indem er sich aus einem nahegelegenen Baum herniederschwang. Natürlich wussten die meisten der Dorfbewohner schon in der nächsten Nacht von meiner Diskrepanz mit der Wirtin. Getuschelt wurde hinter vorgehaltener Hand, überall wo ich vorbeikam. Es war klar, dass ich als Zugereister mich nie richtig hätte integrieren können, aber so war ich natürlich, ohne dass es für jemanden ein Zweifel geben könnte, der Schuldige an unserem häuslichen Dilemma. An jeder Ecke ließen sie es mich spüren, jeder Blick bezeugte Verachtung mir gegenüber. Einzig Aswang den ich großzügig von mir trinken ließ, war mein Freund. Tiere fragen nicht nach dem, was jemand getan oder nicht. Sie mögen einen oder sie lassen es bleiben. Dafür war ich ihm dankbar und ich war froh, ein solch treuen Begleiter in diesem Exil zu haben.
Das Verhältnis zwischen mir und meiner Hauswirtin kam auch in nächster Zeit nicht mehr in geregelte Bahnen. Ich fing an zu trinken. Alkohol in jeder Form und egal wie billig. Das schlechte Gewissen, dass mich plagte schien sich in Ethanol zu lösen, doch sobald sich der Stoff aus meinem Körper wieder verflüchtigte kristallisierten die schlechten Gefühle direkt in meiner Seele aus. Bildete spitze Kanten, wuchs, sich nach allen Seiten schmerzhaft ausbreitend. Hinzu kam, dass ich als Untoter unvorstellbare Mengen der teuflischen Substanz zu mir nehmen musste, um den Zustand der Vergessenheit zu erreichen. Ich schlief an dem Ort an dem ich mich gerade Befand, ein Gebüsch am Wegesrand, eine Parkbank oder in der örtlichen Kapelle die von allen gemieden wurde.
In meinen klaren Momenten versteckte ich mich in der Nähe vom Café und beobachtete meine Dame der Nacht, wie ich sie in Gedanken gerne nannte, mit schmerzhaft, sehnsüchtigen Blicken, doch traute ich mich niemals sie anzusprechen. Sie schien in solchen Momenten schöner denn je. Ihr schwebender Gang, mit den sie sich um die kleinen Tische und Stühle wand, eine Kobra gleich die ihre Beute zu hypnotisieren versucht. Ihre dunklen Augen ließen mich Träumen an Zeiten die so kurz und weit entfernt schienen und so tief in mein Gedächtnis sich brannten.
Mit der Zeit verlor ich in dem tranceartigen Zustand, der meines Geists stetiger Begleiter war, jegliches Zeitgefühl, doch mehrere Jahre zogen so durch das Land. Inzwischen wurden zwei neue in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Ähnlich wie ich Wanderer auf der Durchreise, doch schienen sie sich den dörflichen Sitten anzupassen. Ihre Haut wurde blass und ihre Zähne spitz und lang, wie es sich in diesem Dorf durchgesetzt hatte. Ja mehr noch: an den großen Festtagen, machten sie sich sehr beliebt durch ihr Engagement bei den Vorbereitungen und der ausgelassenen Stimmung, die sie anzuheizen wussten. Zum Fest der Wintersonnenwende, der längsten Nacht des Jahres, führten sie eine Horde Wildschweine die Hauptstraße herab. Eines der größten Festmähler für Jung und Alt fand in dieser Nacht statt. Selbst der mürrische, alte Giovanni wusste seitdem nichts schlechtes mehr über sie zu berichten. Wie schafften es zwei von außerhalb sich so beliebt zu machen. Immer mehr grämte sich mein Herz. Ich zog mich weiter in mich selbst zurück. Mich mit eifersüchtigen Gedanken plagend. Wie kamen diese zwei neuen, die auf mich einen sehr eingebildeten Eindruck machten, in unser Dorf? War es wie bei mir, das meine dunkle Schönheit sie umgarnte, als es sie nach ihrer Wanderschaft etwas dürstete? Hatte sie alles vergessen was damals war, oder bedeutete es ihr nichts. Sie ist die erste Anlaufstelle für müde Wanderer. Es wäre das naheliegendste, wenn diese zwei Herren auch von ihr umgarnt wurden. Aber verübeln kann ich es ihr nicht. Die Jahre haben mich hässlich und grob gemacht, Jahrzehnte bin ich gealtert, ohne dass ich wirklich älter geworden bin. Die Haut wurde grau vom Alkohol und Falten zierten meinen heruntergezogenen Mundwinkel. Aswang, mein getreuer Vogel, war mein einziger Lichtblick in diesen herben Zeiten, ja der einzige der mir ab und an ein schwaches Lächeln abringen konnte.
Es regnete ein wenig in der Nacht, als ich meine Geliebte das letzte Mal bewundern durfte. Sie schien mir in dieser Nacht schöner denn je. Ihr Haar hing strähnig über eine Hälfte ihres Gesichts. Das andere Auge schaute somit geheimnisvoll umher, da sich das andere unterm Haar verbarg. Über ihre Wange liefen glitzernde Regentropfen, wie Tränen hinab und ich bildete mir ein, wie sie ab und an stehenblieb, leise meinen Namen in die Finsternis seufzend. Flehend ich soll doch wieder nach Hause kommen. Sie fuhr sich mit ihren Fingern leicht über die Narbe, welche ihr mit meinem unachtsamen Geschenk zugefügt, während sie verträumt zu den Sternen aufblickte, die ab und an durch die Wolkendecke brachen. Ich erhob mich leicht, noch mit mir ringend aus mein Versteck zu schreiten und um Vergebung flehen, dass sie mir Verzeihen mag, was ich alles getan. Ich bin kein richtiger Untoter, aber ich bin auch nicht mehr lebendig, dank ihr. Die Minuten verstrichen, als ich so im Gebüsch stand, mich selbst zu überzeugen suchte. Doch kam mir im diesem Augenblick mein Freund Aswang in die Quere. Er erhob sich von dem Ast des Baumes in dem er saß und kam auf mich zugeflogen. Entlarvt von diesem Milan blickte mich die Wirtin stumm an. Keiner von uns sprach ein Wort, doch konnte ich sehen wie der Schmerz und mit ihm der Zorn in ihr hochstieg. Sie hatte mir nicht verziehen. Triaden italienischer Schimpfwörter durfte ich mir anhören, sie schmiss ihr Kaffeegeschirr hinter mir her. Im Gebüsch versteckt, wie widerlich ich nur sei. Das halbe Dorf eilte herbei und verächtlich blickte mich jedes einzelne Augenpaar an. Sie tuschelten Worte die ich nicht verstand. Traurig schaute ich zum Boden mit den schwersten Entschluss in meinen Herzen den mein langes Leben zu treffen hatte. Ich zog an der Gemeinschaft vorbei, immer nur auf den Boden starrend. Um jemanden anzuschauen fehlte mir die Kraft.
Ich verließ dieses Dorf in dieser Nacht für immer und mit mir mein einziger Freund Aswang. Wie sollte ich ihm Böse sein. Er ist nur ein Vogel, der keine Schuld trägt an meinen Unzulänglichkeiten. Damit ich ihn nicht auch noch verliere, laufe ich nur nachts durch die staubigen Straßen Norditaliens. Viel Zeit habe ich damit zugebracht über all dies nachzudenken, doch klüger bin ich nicht geworden. Mein Zustand zwischen Tod und Untot konnte ich mir nie erklären, auch habe ich in der ganzen Zeit, seit ich dieses Dorf verließ, keine Möglichkeit gefunden mich selbst umzubringen. So wandel ich umher, ohne zu wissen, wo ich hingehöre. Ein ausgestoßener, einsamer Wanderer zwischen dem Licht und dem Dunkel, die mich beide nicht aufnehmen wollen und im Herzen der quälende Schmerz der Liebe der selbst fern der Zeit und des Ortes nicht abzuklingen vermag.