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- 01.07.2006
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Das Holzkästchen
Als Maxi erwachte, hörte er den Kuckuck rufen. Sofort fasste er unter das Kissen, zog einen kleinen, blauen Beutel aus Samt hervor und schüttelte ihn kräftig. Die erste wichtige Aufgabe des Tages war erfüllt. Mit einem fetten Plumps ließ er sich wieder auf das Kissen zurückfallen und setzte sich den Beutel auf die Nase. Durch den weichen Stoff nahm er den metallischen Geruch der Münzen wahr, bald schon würden es mehr sein, wenn es stimmte, was Vater über den Ruf des Kuckucks gesagt hatte. Dann öffnete er den Beutel, holte eine Münze nach der anderen hervor und legte sie in einer Reihe auf das weiße Leintuch. Noch nie hatte er so viele besessen, er kam sich wichtig vor. Ihm wurde auf angenehme Weise schwindlig bei dem Gedanken, was er sich dafür alles kaufen könnte. Schließlich begann er, einen Fingermann über die Münzen laufen zu lassen, immer schneller, bis sich dem ein anderer Fingermann in den Weg stellte und beide miteinander zu kämpfen begannen.
Für einen Augenblick streckte sich Maxi nochmals aus, atmete tief ein, und als ihm endlich bewusst wurde, wo er sich befand, hielt er kurz vor Aufregung die Luft an. Alles um ihn herum war neu und lockte ihn. Ein roter Engelskopf wuchs über ihm aus der Wand, links hing ein Bild, auf dem ein Hirsch vor grellblauem Himmel und schneebedeckten Bergen majestätisch in die Gegend schaute. Die unruhige Holzmaserung der Kommode neben der Tür gaukelte ihm Gesichter vor, hunderte Augen schienen ihn anzustarren. Aber das Verlockendste war der rauschende Garten, goldgrün prangte es beim Fenster herein. Er sprang aus dem Bett, lief zur Tür, riss sie auf und wollte schon als laut heulender Formel1-Bolide durch den Gang stürmen, als ihm gerade noch rechtzeitig einfiel: „Der Tante geht es nicht gut, du musst hier oben leise sein!“ Dann eben auf Indianerart, absolut geräuschlos, wie er meinte, schlich er auf Zehenspitzen bis zur Treppe. Dunkles, glänzendes Holz führte in einem kühnen Schwung ins Erdgeschoß. Am Treppenabsatz war auf Kniehöhe ein Fenster eingelassen, davor, aufgrund der Dicke der Mauer, ein breites Fensterbrett, auf dem im Halbdunkel vielerlei stand. Maxi hockte sich hin und besah sich alles. Bunte Figuren mit dicken Bäuchen gab es da, eine elegante Tänzerin, die ein Bein in die Höhe streckte, zwei schmale Schiffchen mit winzigen goldenen Stühlchen auf rotem Samt, eine Vase aus rohem Ton, in der eine lange, staubige Feder steckte, die Lokomotive einer Modelleisenbahn und vieles mehr. Noch kauerte Maxi mit zwischen den Knien eingezwängten Händen, er wollte nichts berühren. „Das hier gehört alles der Tante Mizzi!“ Inmitten all der Pracht stand ein Holzkästchen. Mit einem Stoßseufzer streckte er vorsichtig eine Hand aus und nahm es an sich. Zuerst sah er nur, dass die Oberfläche aus verschiedenen Holzstückchen zusammengefügt war, hellen und dunklen, dann erkannte er allmählich einiges: Tiere, Blumen, menschliche Figuren. Die Linien waren so ineinander verschlungen, es wurde ihm schwummerig im Kopf davon, immer neue Bilder entstanden und wichen wieder anderen Bildern, wenn man einer Linie beharrlich mit den Augen folgte.
„Maxi, komm frühstücken!“
Hastig stellte er das Kästchen zurück auf seinen Platz und lief die Stufen hinunter.
Nach dem Frühstück rannte Maxi sofort hinaus, den letzten Bissen Brot noch im Mund. Die Sonne empfing ihn mit offenen Armen, der Garten erstreckte sich in unendlichem Grün. Es gab einen weißen Kiesweg, der zwischen Bäumen verschwand, ein kleines Beet, auf dem riesige Blumen wucherten, die weichen Stachelköpfe zum Himmel gerichtet, einen Bach hinter einem halb verfallenen Holzzaun. Es gab büscheliges Gras, in dem schwarze Kirschen lagen, einen Steinhaufen, auf dem sich Eidechsen sonnten. Sie verschwanden sofort, als Maxi näher kam, und er fragte sich, wie viele wohl zwischen den Steinen wohnten. Es gab Buchsbaumhecken, in denen man sich verstecken konnte. Es gab einen Holzschuppen mit vielen brauchbaren Dingen darin: Latten, Schaufeln, Kisten. Und es gab ein paar Hühner, die er sofort vor sich her jagte. Maxi war im Paradies gelandet, er schlug ein paar Purzelbäume im weichen Gras. Die Mutter lachte vom Küchenfenster herüber.
Atemlos erzählte Maxi seiner Mutter, als sie ihn ins Bett brachte, was er den Tag über alles erlebt, entdeckt und gesehen hatte. Oft verhaspelte er sich oder fing einen neuen Satz an, bevor er den alten zu Ende gesprochen hatte. Die Aufgeregtheit pendelte aber immer träger hin und her und sachte glitt er schließlich in den Schlaf. Etwas drehte sich weiter und änderte sich, plötzlich erwachte er. Im ersten Moment glaubte er, noch den Kuss seiner Mutter auf der Stirn zu spüren. Er schlug die Augen auf, der Engel war nun ein finsterer Klotz über seinem Kopf, das Bild an der Wand eine wirre Ansammlung von helleren und sehr dunklen Flecken, die Augen der Kommode blickten so tiefschwarz, dass sie ihn anzusaugen schienen. Und die wispelnden Blätter vor dem Fenster schickten unruhige Schatten über die Wand. Da war ein langgezogenes, jammervolles Stöhnen, das schließlich in Laute überging, die er aber nicht verstehen konnte. Ein trockenes Keuchen, dann zornige kleine Schreie. Ein Kratzen an der Tür. Maxi rollte sich ganz eng in seine Decke, der Engel hatte ein Einsehen und zog ihm endlich wieder die weiche Maske des Schlafes übers Gesicht.
Wieder kam am Morgen das Grün und das Gold in sein Zimmer gekrochen, und Maxi erinnerte sich nur noch vage an die Angst der Nacht. Leise schlich er sich hinaus, bei der Tür zögerte er und blickte zaghaft den Gang hinunter. Dort irgendwo lag die Tante krank in ihrem Bett, deswegen waren sie hierher gekommen. Er beugte sich vor und stellte die Ohren auf, aber er hörte nur den Morgengesang der Vögel im Garten. Er machte ein paar Schritte, es gab vier weitere Türen hier, eine davon stand einen Spalt offen. Ohne lange zu überlegen, schlüpfte er hinein, es roch säuerlich, dicke Vorhänge sperrten den Morgen aus. Im gelben Schein der Nachttischlampe sah Maxi zuerst die riesige Katze, die hochbeinig auf dem Bett stand und ihm nun, wie eine Königin, die großen blauen Augen zuwandte. Archgggkk, archgggkk, begrüßte sie ihn. Es klang zornig, herrschsüchtig, fordernd. Erst jetzt bemerkte er, dass die Katze auf einem dünnen Bündel Mensch stand, zu dem ein Kopf mit wirr abstehenden, weißen Haaren gehörte. Der drehte sich jetzt ihm zu, noch nie hatte Maxi ein abstoßenderes Gesicht gesehen. Die Augen steckten tief in braunen Höhlen, die Nasenhaut spannte sich über einen messerscharfen Knochen, von der Stirn zogen sich Linien bis zu den Wangen, wie schwarze Bäche mündeten sie dort in dunklen Teichen. Das Schrecklichste aber war der Mund: Die Lippen waren bereits so stark zurückgezogen, dass sie sich nicht mehr über den wenigen Zähnen schlossen. Als ob etwas von innen das ganze Fleisch weggesaugt hätte. Der Mund schien gleichzeitig böse zu lachen und sich zum gierigen Fressen bereit zu machen. Rasselnd sog er nun Luft und Speichel ein.
„Komm her, ich will dich mal genauer anschaun!“ Ein ledriger Arm winkte matt.
Mit angehaltenem Atem kam Maxi näher.
„Wieso bist du so hässlich?“
Die Tante kicherte heiser.
„Und wieso bist du so hübsch?“
„Ist doch egal, ich bin doch kein Mädchen!“ Maxi schob trotzig das Kinn vor und strich demonstrativ die etwas zu langen blonden Locken glatt.
„Ich bin auch keines mehr.“ Wieder kicherte sie und dabei troff Speichel aus ihrem linken Mundwinkel. Hastig wischte sie ihn mit dem Handrücken ab. Dort wurde die feuchte Spur sofort von der rissigen Haut aufgesogen.
„So eine Katze hab ich noch nie gesehen!“
„Das ist eine Siamkatze, die haben eine ganz eigene Persönlichkeit. Sie wärmt mir die Füße, und passt auf …“
„Meine Mama und mein Papa passen doch auf dich auf!“
„Manchmal, in der Nacht, kommt dieser dunkle Bursche und will mich holen, und dann ist sie da und faucht ihn an, dann geht er wieder.“
„Ein dunkler Bursche?“
Die Tante legte ihm die Hand auf den Kopf.
„Davon musst du noch nichts wissen! Schau doch mal in die oberste Lade da, da ist etwas für dich drinnen!“ Sie zwinkerte ihm zu.
In der Lade lag eine kleine Tafel Schokolade, eine Sorte, die er noch nicht kannte. Daneben eine riesige, gelb glänzende Münze, die in einer Plastikhülle steckte.
„Die Schokolade?“
„Ja, gibst du mir ein Bussi dafür?“
„Nein!“ Maxi schauderte bei dem Gedanken und er schlug die Augen nieder.
„Na, nimm sie schon!“
Wieder ließ sie ihr trockenes Kichern hören und dann seufzte sie.
„Was machst du denn hier, Maxi?“ Die Mutter war ins Zimmer gekommen. „Die Tante braucht doch Ruhe! Geh hinaus spielen!“
Maxi stürmte befreit hinaus auf den Gang, die Schokolade hielt er fest umklammert. Später nahm ihm die Mutter die Tafel ab und warf sie in den Mistkübel. „Die ist doch schon uralt!“
Jedes Mal, wenn nun Maxi über die Treppe ging, schimmerte ihm das Holzkästchen geheimnisvoll entgegen, er blieb stehen, nahm es in die Hand und drehte es hin und her. Und jedes Mal entdeckte er neue Bilder darauf, neue Linien, je nachdem, wie das wechselnde Tageslicht darauf fiel. Er hätte Tante Mizzi gerne danach gefragt, aber die Tür war jetzt immer verschlossen. Mit der Zeit schien es ihm, als wolle ihm das Kästchen eine Geschichte erzählen, er müsste nur die einzelnen Szenen richtig aneinanderfügen. Da war etwas Süßes und etwas Bitteres in der Geschichte, und auch etwas unglaublich Fremdes. In den dunklen Linien des Kästchens, die irgendwo auftauchten und dann wieder verschwanden, verlor sich Maxis einfältige Energie und er begann von anderen Möglichkeiten zu träumen, Möglichkeiten, die jenseits von Spielen und Herumlaufen im Garten lagen. Im Zentrum dieser Möglichkeiten leuchtete die Münze, die er in der Schublade gesehen hatte.
Einmal überraschte ihn der Vater, als er mit dem Kästchen in der Hand am Boden kauerte. „Stell das wieder hin, das ist zerbrechlich, es gehört der Tante!“ Die Stimme des Vaters duldete keinen Widerspruch.
Maxi gehorchte. Er hatte schon früher ein paar Mal versucht, das Kästchen zu öffnen, aber seine kleinen Finger hatten zu wenig Kraft für den klemmenden Deckel gehabt. Nun war er froh, es nicht geschafft zu haben, denn niemals hätte er es kaputt machen wollen. Vorher hatte er daran gedacht, seine Münzsammlung hineinzugeben, er berauschte sich an der Vorstellung, dass er unter den vielen silbernen Groschen die eine goldene Münze verstecken würde.
„Das Kästchen ist schon sehr alt, deine Tante hat es von ihrer Großmutter bekommen, und diese wiederum von ihrer, man weiß nicht mehr genau, woher es stammt und wann es in die Familie gekommen ist. Sicher ist es sehr wertvoll.“ Der Vater nahm es selbst in die Hand und strich mit den Fingerspitzen darüber.
„Niemand weiß, was darin ist. Es muss aber etwas sehr Wichtiges sein. Mir wurde als Kind verboten, es zu öffnen. Mein Vater sagte mir, dass es sofort zerfallen würde, wenn man es aufmacht, und dass man es dann nicht mehr zusammenbauen könnte. Wer weiß, vielleicht stimmt das ja.“ Der Vater zwinkerte Max zu.
„Vielleicht ist auch ein böser Geist darin, der spukt dann im Haus herum, falls du es öffnest.“ Aber der Vater lachte jetzt.
„Geh schlafen!“
Wieder erwachte Maxi in der Nacht. Nun war er schon an den Anblick des Zimmers im Dunklen gewöhnt und es ängstigte ihn nicht mehr. Schon wollte er wieder in den weichen Schlaf hinüberschlüpfen, als er etwas draußen vor der Tür hörte. Dieses rasselnde Atmen kannte er. Er lief hinaus. Er hielt seine Schultern an die Wand gepresst, starrte das Ding vor ihm an. Etwas schnitt eine Linie in seinen Kopf, bis tief in den Hals hinein. Ein süßlicher Gestank würgte ihn. Er wollte wieder zurück, zurück in sein Zimmer, zu dem Engel, zurück zu den Eidechsen und der heimlichen, sonnendurchglühten Mulde im Buchsbaum. Aber er konnte sich nicht rühren. Das Ding stützte sich mit einer Hand an der gegenüberliegenden Wand, langsam tastend kam es näher. Die Katze lief klagend durch den Gang, hin und her.
„Hilf mir, Bub, er kommt, er kommt, hilf mir, gib mir deine Hand, muss hinunter, hinunter zum Telefon, der Arzt …“ Die Tante stieß diese Worte unter großer Anstrengung zwischen blutigen Zähnen hervor, von den Mundwinkeln tropfte es rot- und weißblasig, auch die Vorderseite des Nachthemdes war nass von Blut. Der Stoff klebte am Körper, ein rotes Gerippe kam da auf ihn zu. Die Zehen mit den viel zu langen, gelblichen Nägeln krallten sich bei jedem Schritt in den filzigen Läufer, Unterschenkel und Knöchel waren streifig braun.
„Er kommt, … er kommt, ich will nicht, … ich bin noch nicht fertig, … ich muss noch … Bub, wo bist du, gib mir deine Hand! “
Da löste sich Maxi von der Wand, stolperte in sein Zimmer zurück und schloss die Tür fest hinter sich. Er lag schon wieder im Bett, als er das Poltern hörte. Es klang wie die Holzscheite, die der Vater im Sommer von der Gasse aus in den Keller warf, um sie für den Winter einzulagern. Maxi hatte seinen Teil zur Genüge bekommen, es pochte in seinen Ohren, als er sie mit den Zeigefingern stopfte, aber es gab jetzt ohnehin nichts mehr zu hören im Haus.
Maxi wollte nicht aufwachen. Er hatte sich ganz eingerollt, die Knie zum Kopf gezogen lag er da und fühlte zum ersten Mal in seinem Leben nichts. Es ging etwas vor im Haus, da waren feste Schritte und fremde Stimmen. Er strampelte die Decke weg, die ihm heute viel zu warm war. Die Bärchen auf seiner Pyjamahose lachten ihn blöde an und er nahm eines nach dem anderen zwischen die Finger, zerknüllte den Stoff. Niemand kam ihn holen. Schließlich wälzte er sich doch aus dem Bett, vor der Tür saß die Katze, als hätte sie die ganze Nacht dort auf ihn gewartete. Er stieß sie mit dem Fuß weg, öffnete vorsichtig die Tür. Drinnen war es dunkel, nur auf dem Nachttisch leuchtete eine Kerze. Beruhigt stellte er fest, dass die Tante wieder in ihrem Bett lag. Sie trug ein sauberes Nachthemd, Mund und Augen waren fest geschlossen. Der Greisinnenkopf wirkte inmitten der weißen Rüschen des Ausschnittes wie das Innere einer Blüte, die bereits zu faulen beginnt. Maxi trat schnell zum Nachttisch, zog die Schublade auf, einmal wollte er sich die Münze noch ansehen, mild glänzte sie im Kerzenlicht … Als er die Stufen hinunterlief, schlug ihm die Plastikhülle samt Inhalt, die er in seine Hosentasche gesteckt hatte, schwer gegen seinen Oberschenkel.
In der Küche standen viele Leute herum, die sich leise miteinander unterhielten. Die Mutter lief mit Gläsern und Flaschen geschäftig hin und her. Auf dem Tisch standen Teller mit Mehlspeise: Nusspotitze, dick mit Staubzucker bestreut. Ob er auch ein Stück haben durfte?
„Die Tante schläft noch!“, verkündete Maxi wichtig. Auf einmal war es still.
„Der liebe Bub!“, seufzte eine dicke, ältere Frau.
„Maxi, komm her!“, sagte die Mutter. Er ging zögernd zu ihr hin, denn jetzt sah er, dass sie geweint hatte. Sie kniete sich vor ihn hin, umarmte ihn.
„Du, die Tante schläft nicht, sie ist jetzt im Himmel!“
„Aber sie liegt doch in ihrem Bett!“
Statt einer Antwort drückte die Mutter Maxi noch enger an sich, küsste ihn auf die Wange, er spürte ihren feuchten Wimpernschlag.
Auf einmal konnte er es nicht mehr ertragen, ihren süßen Geruch und die Wärme, die von ihren Brüsten aufstieg, er bog sich nach hinten, wand sich in ihren Armen.
„Lass mich los!“
Die Mutter gab ihn frei, die harte Plastikhülle stach ihm durch den Stoff seines Pyjamas ins Bein, er musste die Münze verstecken.
Er rannte hinauf in sein Zimmer, holte den blauen Beutel, am Weg zurück blickte er scheu auf das Holzkästchen … es stand unverändert dort, fest verschlossen, kein böser Geist war in der Nacht befreit worden und hatte die Tante aus ihrem Bett gescheucht. Entschlossen packte er es, mit vollen Händen huschte er durch die Hintertür in den Garten und schlüpfte in den Buchsbaum.
Nach einiger Zeit hörte er die Mutter rufen, aber er antwortete nicht. Er lag ganz still inmitten seiner Schätze in der sandigen Mulde. Der Buchsbaum roch. Gegen den blauen Himmel sahen die dicht beblätterten Zweige schwarz aus, in Bodennähe hellgrün glänzend. Maxi beobachtete die Tierchen am Boden, Ameisen, Asseln und Käfer schienen genau zu wissen, welchen Bahnen sie folgen mussten, er zeichnete diese Bahnen nach und am Ende hatte er ein Gewirr von Linien, die keinen Sinn und keine Antwort ergaben. Er verwischte die Linien wieder, stellte das Kästchen auf den glatten Sand. Die Bilder auf der Oberseite interessierten ihn nicht mehr, er wollte endlich wissen, was drinnen war. Das Holz schien dünn zu sein, wenn er mit dem Finger auf die Oberseite drückte, gab es nach. Er nahm einen spitzen Stein vom Boden, setzte ihn am Spalt an, der Deckel zersplitterte. Das Kästchen war leer, das Holz innen roh und unbehandelt. Nicht einmal Staub war darin.
Max stand auf, holte sich einen Hammer aus dem Schuppen und schlug dann auf das Kästchen ein. Nichts zerfiel hier von allein, er musste sich anstrengen, um die Bilder vollständig zu zerstören. Schließlich grub er mit den Händen ein Loch in den lockeren, sandigen Boden und warf alles hinein: Die große goldene Münze, die vielen kleinen silbernen Groschen, die Holzsplitter. Zum Schluss stampfte er den Sand über diesem Grab fest, klopfte sich den Schmutz von der Hose und ging langsam zum Haus zurück. Sein Gesicht fühlte sich anders an, nein, zum ersten Mal wurde er sich seines Gesichtes überhaupt bewusst, die Linien darin würden ab nun alles über ihn erzählen.