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Das Herz Gaias (Bearbeitung)
Das Herz Gaias
Der Wind wehte durch mein Haar. Allmählich hörte ich eine Stimme. Sie sang. Wie wunderschön sie sang. Vor meinen Augen leuchtete eine kleine Truhe, inmitten des Sonnenstrahls der durch das Fenster des Tempels strahlte.
Die Truhe war in lilafarbene Seide gehüllt und barg bunte Kristalle in sich, die plötzlich den ganzen Raum mit ihrem glitzern durchfluteten. Ich kniete mich nieder und berührte die Truhe - ein Strom von Wärme durchzog meinen Körper. Dann öffnete ich sie und ein tobendes Lichtergeschwirr umrang mich. Alles glitzerte und funkelte in meinen Augen. Ich musste blinzeln und als ich meine Augen wieder aufschlug, sah ich eine Blumenwiese. Alles war voller Veilchen, Rosmarin und Lavendel duftete in meiner Nase. Ich trug ein zartes, mit Spitzen verziertes Kleid. Es war so sanft als würde jemand mit einer Blume über meine Haut streicheln.
Mein Blick führte mich weiter und entdeckte eine alte Frau inmitten der Blumenpracht. Sie saß auf einem Stein, der genau so groß war, dass sie bequem sitzen konnte - als wäre er für sie gemacht. In ihren Händen hielt sie eine Spieluhr. Als ich näher trat, sah mich die alte Frau an. Ihre Augen hatten einen unberührten Schimmer, als wäre sie gerade erst geboren worden und an ihrem runzeligen Gesicht sah man an, dass sie schon viele Male in ihrem Leben gelacht hatte. Doch an diesem Tag lachte sie nicht. Sie sah mich an als würde sie um Hilfe bitten und dann hielt sie mir die Spieluhr entgegen.
Ich nahm sie und wieder hörte ich diese Stimme mit dem wunderbaren Gesang und der Wind wehte wieder, durchflog mein Haar mit Leichtigkeit. Und plötzlich begann die Spieluhr zu spielen und die Zeiger sich zu bewegen. Doch ich sah dass die Uhr sich nicht vorwärts drehte, sondern rückwärts. Als würde sie auf ein Ereignis herab zählen.
Das Lied der Spieluhr war dieselbe Musik, dieselbe Melodie die, die Stimme sang. Sie waren eins, gehörten zusammen - die Stimme und das Lied.
Jedoch erklang dieses Lied nicht mehr in dieser wunderbaren Fröhlichkeit wie vorher.
Es wurde traurig.
Ich gab die Spieluhr wieder der alten Frau und ihre Aufmerksamkeit befasste sich wieder mit der Uhr. Sie hielt sie ganz sanft und streichelte sie. Dann entdeckte ich eine Träne auf der Wange der alten Dame. Sie weinte und ich spürte wie ihr Herz zu schmerzen begann.
Dann sah sie hinauf - auf den Himmel - inmitten hindurch - als würde sie etwas entdecken.
Mein Blick folgte ihrem und dort war ein Fenster durch das die Sonne ihre Strahlen schickte. Ich blickte wieder auf die alte Dame, doch sie war verschwunden. An ihrer Stelle lag die Kiste. Ich war wieder im Tempel.
Ein Mönch sah mich an. Es schien als würde er mich schon lange so betrachten. Er erzählte mir die Geschichte der großen Gaia, die uns Menschen einen Ort zum Leben gab und die über uns wacht. "... Man erzählt sich, dass sie in einem Paradies voller Blumen lebe und dass sie in dieser Kiste ein Geheimnis bewahre. Bis heute weiß niemand was sich in dieser Kiste befindet. Wir Mönche haben zu großen Respekt vor ihr, der großen Gaia, um sie zu entweihen. Andererseits erzählt man sich, dass alle die, die Kiste öffneten kurz daraufhin sich das Leben nahmen. Alle behaupteten etwas gesehen zu haben, jedoch keiner von ihnen wollte es aussprechen ...“
Seine Stimme trat in den Hintergrund. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Kiste.
Eine eigenartige, mysteriöse Kiste – und doch so wunderschön.
Es kam mir vor als würde mich das, was in der Kiste war zu sich rufen. Eine unerklärliche Anziehungskraft durchzog meinen Körper. Ich sah wie meine Hand langsam zu der Kiste griff. Meine Finger umschlossen das Schloss - öffneten es. Der Mönch der noch neben mir stand wurde nun blass und verschwand allmählich.
Ich sah ihn mit ruhigen Augen an. Plötzlich spürte ich eine sanfte Böe auf meinem Gesicht. Ich schloss die Augen und atmete tief ein, als würde ich auf einer Wiese stehen voller Veilchen, Rosmarin und Lavendel.
So spürte ich wie meine Finger die Kiste öffneten.
Ein wahnsinniges Gefühl durchzog mich. Mir wurde Heiß und Kalt. Und plötzlich fühlte ich keinen Grund mehr unter meinen Füßen.
Denn er war nicht mehr da. Ich schwebte über der Wiese die ich vor noch wenigen Minuten gesehen hatte. Gegenüber von mir schwebte die alte Dame. Sie hielt mich an meinen Händen und so flogen wir beide weit hinauf und über den Himmel hinaus.
Wir befanden uns nun an einen Ort den keiner sehen konnte. Außerhalb von Raum und Zeit. Von hier aus konnte ich die Erde betrachten.
Ich sah zu der alten Dame und da war keine alte Dame mehr. An ihrer Stelle stand nun eine alte Greisin. Ihr Haar war lang und schneeweiß. Ihr Gesicht war halb eingefallen. Ihre Backenknochen standen bereits weit heraus. Sie hob ihren Arm und zeigte auf die Erde.
Mein Blick folgte ihrem Arm und dort war nicht mehr der „blaue Planet“, denn an seiner Stelle war ein Planet voll Dreck und Schmutz. Dem Himmel sah man kaum noch an dass er blau war. An der Oberfläche türmten sich riesige Berge von Tierkadaver. Von diesen Orten aus flossen rote Ströme in das Meer und ließen das Meer bluten. Auf der Wasseroberfläche schwammen tausende von Behälter um denen sich grüne Algen wie Parasiten tummelten. Ein großer Teil der Erdoberfläche war verbaut durch Städte. Städte die leer waren. Es gab dort keine Menschen mehr, denn dort konnte kein Mensch, kein Tier, kein Insekt mehr leben.
An wenigen Orten entdeckte ich Menschen. Es waren alte kranke Greise, Kinder die weinten und daneben, da standen Personen in Schutzanzügen und knipsten die Alten und Schwachen mit ihren Kameras.
Mit Tränen in meinen Augen hob ich meinen Blick und sah noch einmal zu der alten Dame.
Ihre Augen waren schwach und sie sah aus als würde sie auf ihrem Sterbebett liegen.
Dann löste sie sich auf.
Ich sah zurück auf den Planeten. Doch dort war kein Planet mehr. Dort befand sich ein großer Haufen Elend.
Ein Schrei ertönte. Er tat in den Ohren weh.
Er hörte nicht auf. Ich begann zu weinen, krümmte mich zusammen, begann zu schreien. „Halt! Hört auf damit. Es tut so weh!“ Mein Weinen wurde zu einem klaghalsigen Schluchzen. Ich presste meine Augen zusammen, es konnte nicht wahr sein was ich da sah.
Nach einer geraumen Weile öffnete ich wieder meine Augen. Es war still geworden. Vor mir lag eine Kiste.
Zuerst begriff ich nicht was das für eine Kiste war, doch dann realisierte ich, dass ich mich im Tempel befand.
Ein Tempel den ich nie betreten wollte. Der mich jedoch magisch anzog.
Es war doch nur eine Geschäftsreise.
Es war Dunkel. Es war Nacht. Vor mir eine Mauer aus Stein. Dahinter eine tiefe Schlucht.
Ich stieg auf diese Mauer, bedauerte dass ich jemals gelebt hatte.
Und sprang.
„ … Gaia bot uns einen Ort an auf dem wir Menschen leben durften. Doch nie hatte sie gesagt dass dieser Ort ihr eigener Körper war!“