Das Haus
Er rannte. Es war Nacht. Paul wusste nicht, wie lang er schon auf der Flucht war, doch daran konnte er jetzt nicht denken.
Er rannte. Irgendetwas war geschehen. Doch die pure Angst, die sich in seinem Kopf ausgebreitet hatte, ließ ihn keinen klaren Gedanken fassen. Er wußte nur, dass er laufen musste. Und das tat er. Hinter ihm breitete sich ein unendlich lang schienender Schwall aus Nebel aus. Er konnte es fühlen, jedoch traute er sich nicht, sich umzudrehen, um sich davon zu überzeugen. Er lief noch einige Meilen weiter bis seine Beine immer schwerer wurden und er dem hohen Tempo, dass er gelaufen war, Tribut zollen musste. Er sakte zu Boden. Paul wusste nicht, wie lang er mittlerweile schon gerannt war, doch es musste eine lange Zeit gewesen sein. Immerhin war das Einzige für das er Talent hatte, das Laufen - und das konnte er richtig gut. Sein Puls raste. Er atmete schnell ein und aus. Er versuchte, seine Gedanken zu sammeln.
Wieso nur war er weggerannt ? Er lag noch einige Sekunden, oder waren es Minuten, in dem feucht grünen Gras, dass jedoch durch die Schwärze der Nacht dunkel und beängstigend wirkte. Eine Spinne kämpfte sich in der Nähe von ihm durch das Gras um schließlich in einem Loch zu verschwinden.
Sein Puls und seine Atmung hatten sich nun wieder stabilisiert und er versuchte sich voll auf das gerade Geschehene zu konzentrieren. Auf einmal erinnerte er sich wieder. Da war ein Haus. Ein Haus voll von Dunkelheit umhüllt. Er war allein. Das Haus beeindruckte ihn. Eigentlich war es wie jedes andere Haus, doch irgendwie auch nicht. Es strahlte etwas Bedrohliches aus. Etwas Böses. Doch was genau, vermochte Paul nicht zu sagen. Er wohnte nur einige Meilen weiter weg und hörte nicht wenige Legenden über das Haus. In einer hieß es, dass dort ein Geist spucken sollte. In einer anderen hieß es, dass in diesem Haus einst im frühen 20.Jahrhundert ein brutaler Kindermörder gewohnt haben soll, der sich selbst als den "Alptraummörder" bezeichnete und dort immer noch lebte. Doch daran glaubte Paul nicht. Er war nun fast schon volljährig und vertraute seinen Augen und seinem Verstand und nicht irgendwelchen dahingesagten Märchen. Dennoch ging von diesem Haus eine gewisse Faszination auf ihn aus. Doch was nur war geschehen ? Paul versuchte, sich wieder voll darauf zu konzentrieren. Er war in das Haus hineingegangen. Soviel stand fest. Aber was hatte er darin gesehen, dass in ihm so eine Angst auslöste ? Er konnte sich daran erinnern, wie er die Treppen hinaufgegangen war und...
Plötzlich ertönte ein lautes Klopfen. Paul erschrak. Es schien von der Richtung zu kommen, aus der er flüchtete. Der Nebel kam näher. Und wieder das Klopfen, das einen bestimmten Rhythmus verfolgte. Zweimal leiser, dann laut. bum, bum, BUM. Paul schauderte. Das Klopfen wiederholte sich. Dann: Stille. Er zitterte. Er ruhte nun schon zu lange. Von wem - oder von was ? - er flüchtete, es kam unaufhaltsam näher und er wusste, dass es ihn fassen würde, wenn er nicht schleunigst weiter lief. Er sprang auf - doch es war schon zu spät...Der Nebel umhüllte ihn, er versuchte zu atmen, aber der düstere Schleier der Nacht schnürte ihm die Kehle zu. Bewusstlos fiel Paul zu Boden.
"Nein", stöhnte Paul. Sich selber betteln hörend, entkam Paul der Bewusstlosigkeit wieder. Was war geschehen ? Er fühlte sich wieder so anders, so normal. War alles nur ein Traum ?! Ein Traum, ja! Schweißgebadet atmete Paul tief durch. "Das war wohl einer dieser Träume, in denen man rennt, rennt und rennt und letzendlich als Held hervorgeht", erleichtert atmete er nocheinmal durch. "Naja, der Held war ich ja nicht wirklich", ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Dann öffnete Paul seine Augen. Er konnte gerade noch die groben Konturen eines großen Etwas, einer Waffe, vielleicht einer Axt, über seinem Kopf wahrnehmen. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, aber er hatte nicht mehr die Zeit, nur einen einzigen aufzugreifen.