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Das Haus hinter der Fabrik
Eine Zeit, in einem Haus an einer alten Fabrik, mit merkwürdigen Menschen und zwei Besuchern aus unbekannter Richtung.
Ein Haus am Ende der Straße, neben der alten Zuckerfabrik, brennt noch an einem Fenster unterhalb des Daches Licht. Die Bewohner der Stadt meinen, ein Gespenst lebe im Haus, weil man noch niemanden gesehen hat, und man weiß, dass alle Bewohner schon seit Jahrzehnten verstorben oder weggezogen sind, aus dem Haus. Gerade wegen der Fabrik, diese schreckliche Fabrik, mit dem Heroin der Neuzeit. Aber das war damals, vor langer Zeit. Die Leute meinen, sie würden Stimmen aus dem Hause hören. In der Stadt fragt man sich immer wieder, wer da wohnen mag. Oder ist es einfach nur falsches Gerede, denn dazu neigen Menschen in kleinen Städten. Auch Anfragen an die Stadt und an die Bürgermeisterin persönlich konnten bis jetzt zu keiner Antwort führen. Es weiß keiner, was in dem Haus vor sich geht. Nur reden alle davon.
Unter den Bewohnern der Stadt gibt es immer mal eine Mutprobe, das ist am Tag der Blüten. Die mutigste Frau muss dort hin und klingeln. Einige kamen einfach nicht zurück. Es gab mal Zeiten, wo ein Wettstreit lief, wer als Erstes ein Foto schießt mit den Bewohnern, der bekäme viel Geld. Doch es gelang niemandem. Ja, einige versuchten es mit Bildmontagen, um an das Geld zu kommen. Diese wurden auch immer wieder entlarvt. Und die Betrüger mussten an einen Pfahl mitten auf dem Markt angebunden werden und sich den Spott der anderen Betrüger über sich ergehen lassen.
Im Sommer kann man immer mal erkennen, dass zwei Fenster offen sind. Es ist merkwürdig. Denn im Herbst, Winter und Frühling sind sie immer zu. Vielleicht schauen die Leute nicht richtig hin, das machen sie gerne mal.
Heute Abend, als alle Leute zu Bett gehen und sich den ewigen Träumen begeben, hält ein Bus an dem besagten Haus. Es ist der Bus, der einmal im Monat kommt. Es ist dieser Bus, der nur einmal hält in seiner Fahrt, aus unbekannter Richtung. Der Bus hält mit einem Quietschen an. Man hört das Zischen der Bustür. Der Bus hat keine Scheiben, alles ist umkleidet mit Metall. Der Bus wartet. Nach einer Weile hört man wieder das Zischen der Tür, der Motor heult auf und der Bus fährt weg.
Vor dem Haus steht eine Gestalt, mit einem Koffer. Es ist nicht zu erkennen, wer es ist. Nur dass die Gestalt hochgewachsen ist, einen Mantel trägt und in seiner rechten Hand einen großen Koffer trägt. Die Gestalt blickt zu einer der Laternen und bleibt andächtig stehen. Als würde es das Licht anbeten wollen. Die Gestalt blickt sich um und geht von der Bushaltestelle weg. Sie läuft an den dunkeln, schlafenden Häusern entlang. Es wird immer kühler. Die Gestalt nimmt den Weg zur Spielbarggasse, sie läuft immer langsamer und bleibt stehen.
Es ist ruhig wie im Universum, nicht viel zu sehen, doch voller unentdeckter Gefahren. Doch die Stille wird durchbrochen von einem Bellen von einem Hund. Das Bellen wird immer lauter, es ist nicht nur ein Hund, es bellen mehrerer Hunde. Sie kommen auf die Gestalt zu, es wird immer lauter. Doch kein Hund ist zu sehen, auch nicht ein Rudel. Das Gebell hört nicht auf, aber es wird leiser. Stimmengewirr ist zu hören, Rufe von Menschen sind zu hören, die immer intensiver kommen.
Eigentlich müssten sie ganz nah bei der Gestalt sein, doch nichts ist zu sehen. Das Schreien, Rufen und Brüllen wird immer wieder stärker. Jetzt kann man einige Wortfetzen hören. Es klingt wie, als würden sie etwas jagen. Die Rufe kommen jetzt aus jeder Richtung. Doch die Gasse ist leer und auch sonst ist nichts von Menschen zu sehen. Keine Lichtkegel oder Ähnliches ist zu vernehmen.
Doch auf einmal, als die Gestalt weitergehen will, ist es wieder still, es ist nichts zu hören. Die Gestalt läuft weiter in Richtung Markt. Als diese den Markt erreicht, ist hier nur der Brunnen zu sehen, das Wasser ist nicht da. Es ist, als ob es nie da gewesen ist und der Brunnen eine andere Bestimmung hat. Es ist ein kleiner Markt, man kann ein paar Geschäfte erkennen.
Ein Bäcker, ein Schuster, ein Gemüseladen, der Fleischer und eine Apotheke. Nichts, was außergewöhnlich ist. Doch eines ist merkwürdig, denn am hinteren Teil des Marktes ist ein Laden. Die Rollläden sind heruntergelassen. Auf denen ist ein Stern und unter dem Stern ein Totenkopf. Es ist eigenartig.
Die Gestalt dreht sich mehrmals um ihre eigene Achse und seufzt. Es atmet tief ein. Es setzt seinen Koffer ab und setzt sich darauf.
In einem anderen Teil der Stadt, nahe am Park der Nibelungen, steht eine andere Gestalt und schaut in den Himmel, der aber nicht zu erkennen ist. Die Luft ist erdrückend und das Atmen der Gestalt fällt ihr schwer. Ascheregen fällt auf der Gestalt. Einen Moment senkt diese den Kopf und verharrt eine gewisse Zeit.
Ein leises Murmeln gibt diese von sich und richtet seinen Kopf und Schulter wieder auf. Die Gestalt läuft langsam aus dem Park, der ein Teil der Stadt ist und ein Teil niemanden gehört. Doch der Park ist gestorben, nichts mehr, was einmal hier gepflanzt wurde, lebt noch. Alles ist mit einer weißgrauen Schicht bedeckt. Die Schritte der Gestalt werden immer schneller. Der Park wird hinter sich gelassen.
Mit noch schnelleren Schritten schreitet diese bergauf in Richtung Markt. Es ist anstrengend, denn das Atmen fällt immer schwerer. Am Markt angekommen, erkennt die Gestalt jemanden auf einem Koffer sitzend. Zögerlich bewegt es sich hin. Die sitzende Gestalt bemerkt dies und richtet ihren Kopf auf.
Eine gewisse Anspannung spüren beide. Als die Gestalt vor den auf den Koffer sitzenden stehen bleibt. Überkommt über der ganzen Stadt ein starker Regen von Asche.
Es riecht sehr süßlich, verbrannt. Ein Geruch, der einen erbrechen lässt. Doch die beiden Gestalten blicken sich an. Es scheint ihnen nichts auszumachen, dieser erbärmliche Geruch. Beide nicken sich zu. Als würden sie sich kennen. Beide stehen wortlos da. Nach einigen Minuten erhebt sich die Gestalt von ihren Koffer und beide laufen zurück in die Spielbarggasse.
Teil II
Ich bin das, was euch beobachtet, ich sehe und erlebe Dinge, die ihr Menschen vergessen wollt. Ich sehe die Welt in euren Augen. Ich fliege über die Städte und bringe den Tod.
Ich bin der Überbringer von Leid und Hoffnungslosigkeit. Ich werfe Bomben auf euch herab und lasse Felder verdorren. Ich nehme eure Kinder aus den Wiegen und lasse sie ersticken unter schlafenden Katzen. Ich laufe über die Zinnen der Häuser und sprühe euch das Leid der anderen auf eure Augen.
Ich schaue durch eure Fenster und blicke in eure kalten Herzen, wenn ihr stumm vor euren Fernseher sitzt. Ich lege euch, Zwietracht und Intoleranz in eure Hände und lasse eure Gehirne verwelken. Ich bin nicht das Schlechte, nur labe ich mich an euren bösen Gedanken. Ich beobachte, wie ihr euch liebt und es doch nicht tut. Ihr seid meine Komparsen, des Elenden dieser Zeit.
Ich, ich, ich. Ich bin das Einzige, was euch noch am Leben hält.
Beide schweigen sich an, sie laufen an den schlafenden Häusern entlang. Der Wind nimmt stetig zu. Das Rieseln der Asche benetzt die alten Kopfsteinpflaster. Sie kommen an dem Haus mit der Haltestelle an. Beide geben sich die Hand und treten durch die unscheinbare Haustür durch.
Eine weitere Person steht im Dunklen verborgen an der gegenüberliegenden Toreinfahrt. Sie schaut um sich und läuft langsam über die Straße. Die Person ist in einem dunklen Mantel eingehüllt. Das Klacken der Schuhe wird durch die Asche gedämpft. Es ist eine Frau, die bei näherer Betrachtung unscheinbar wirkt. Ihr Gesicht ist leicht oval und die Nase klein, die Augen sind zwei ovale Gebilde, die ineinander zusammenlaufen. Der Mund läuft spitz zueinander und ist umgeben von nekrotischen Gewebe. Und so schön zum Küssen nahe. Die Haare sind blond zu einem strengen Zopf geflochten.
Mehr kann man nicht sehen. In ihren Armen trägt sie etwas, was aber verborgen bleibt. Sie geht zu der Tür, wo schon die zwei Gestalten diese betreten haben. Sie geht herein und ein Licht am Fenster neben der Tür geht an. Drei Silhouetten sind zu sehen, wie zusammenstehen.
Nehmt mich in meine Arme und nährt euch von meinem bitteren Blut. Ich gebe euch ein Messer, damit ihr mich aufschneiden könnt. Jeder Schnitt, so tief, solang und so schmerzhaft, versetzt mich in Ekstase und ich gebäre euch aus meiner schmerzhaften Freude ein Tropfen der Einsicht eures Handels.
Am Haus gehen im ersten und dritten Stock das Licht an. Eine Gestalt öffnet das Fenster und blickt zur Straße. Die Frau kommt dazu, sie schaut in den dunklen Himmel und atmet tief durch.
Hunde bellen wieder, das Schreien und Rufen von Menschen sind zu hören.
Man hört, wie sie rufen, macht schneller, macht schneller, nein sie zur linken und du zur Rechten. Die Nacht verbirgt etwas, es ist nicht die Stadt und die Taten, sie verbirgt den Zorn, seine zornige Seite. Drei Fenster im Haus sind beleuchtet, alle drei sind im Haus, doch ihr Weg in dieses Haus ist nicht der Zorn der Stadt. Sie alle drei, wer sie auch sind, tragen in sich, das Bühnenstück, das heute beginnen soll.
Teil III
Sie träumen von einer einfachen Welt, fernab von möglichen Konstellationen der Humanität? Schauen Sie mich an, ich kann in ihren Augen die Farbe aufsaugen und diese auf ein Blatt schwarzes Papier verreiben. Es ist egal, ob ich ein Blatt beschmiere oder alle, die es gibt. Es ist eine Farbe der Blindheit. Ich nehme ihre Nase ab und erblicke einen tiefen, nicht endeten Schacht nach oben, der eine unendliche Leere darstellt. Ich reise aus eure Zähne und werfe diese auf eine heiße Herdplatte, damit sie zerfließen.
Ich bin ihr Spiegel und blicke hindurch, ich sehe deine Kälte und Boshaftigkeit. Ich sehe ein Gesicht, das langsam zerbröckelt wie ein Pilz in der Hand. Du bist nicht mehr da, nur noch eine Hülle. Die empfänglich ist, die Narrenbotschaften und das Verlangen, geführt zu werden, in sich verinnerlichen.
Die Frau betrachtet sich im Spiegel und nimmt gar nicht so richtig wahr, dass die beiden Gestalten sich angeregt unterhalten. Sie geht näher an ihr Spiegelbild, betrachtet ihre Lippen und berührt diese. Ein Stück Fleisch zieht sie sich von der Oberlippe ab und neues Fleisch wächst nach.
Sie ist eine schöne Frau, eine Frau voller Schmerzen im Laib. Ihre Schönheit ist der Wunsch nach schmerzen, nach unendlichen Schmerzen im Laib. Sie sieht ihren Körper vor sich, wie er sich langsam zerreißt, die Muskelfaser werden gestreckt, die Knochen brechen nach und nach.
Ihre Haut löst sich zu einer Masse Brei auf, der auf dem Boden klatscht. Trotzdem ist es eine schöne Frau, ein Wesen von gestern. Das hätte nie leiden sollen.
Die dreht sich um, nimmt Platz auf einem Stuhl, der sich an einem runden Tisch befindet. Die beiden Gestalten blicken zu ihr hinüber. Der Tisch ist das Zentrum des Raumes, an den Wänden hängen Schuhe über Schuhe. An der Decke ragen Koffer über Koffer. Über dem Tisch ist eine kleine rote Lampe, die kleine grüne Flamme wird von Petroleum genährt.
Alle drei haben ihre Hände auf die Tischplatte gelegt. Die Handflächen liegen auf. Die Frau betrachtet ihre Narben an ihren Händen. Es überkommt ihr ein wohliges Gefühl. Sie mag diese, auch wenn es nicht mehr ihre sind, so ist sie glücklich über diese unzählige Narbe. Sie ist glücklich über das tägliche Aufplatzen ihres Fleisches und das Verschließen im Sekundenbruchteilen der Wunden, die zu schönen Narben werden.
Eine der Gestalten hebt einen Koffer hoch, legt ihn auf dem Tisch und öffnet diesen. Ein kurzes Durchwühlen bringt einen Gegenstand hervor. Dieser wird auf die Tischplatte gelegt und der Koffer wieder auf dem Boden unter den Tisch gestellt.
Die zweite Gestalt nimmt den Gegenstand und betrachtet diesen sehr genau. Sie legt ihn wieder auf den Tisch und deutet mit einem Fingerzeig auf die Frau. Sie nimmt den Gegenstand und begutachtet ihn intensiv. Ein leises, heftiges Atmen kommt aus ihrem Mund. Ihre toten Zähne werden von ihrer Zunge beleckt. Die Gestalten beobachten die Frau genau.
Die Frau durchbricht den Gegenstand und ein Gefäß mit Asche kommt hervor. Es ist nicht dieselbe Asche, wie auf den Boden oder vom Himmel fällt. Sie schüttet die Asche auf die Erde.
Mitte des Tisches aus und macht mit ihren Fingern, welche blutig verkrustet sind, einige Kreise.
Sie macht immer mehr anmutige Bewegungen mit ihren Fingern. Dann sagt sie: „Es waren viele, es waren heute viele.“ Die zwei Gestalten schauen sich an und kommunizieren miteinander in einer unverständlichen Sprache. Einer der Gestalten macht sein Mundähnliches Gebilde auf und es ragt eine lange spitze Zunge hervor. Diese ist mit blauen und grünen Adern überseht. Die Zunge geht mit ihrer Länge durch die Asche und fährt wieder in das Mundgebilde rein.
Andächtige Ruhe im Raum. Die Gestalt spricht wieder zu den anderen und beide stehen vom Tisch auf. Sie gehen um den Tisch herum, stellen sich hinter die Frau und eine Gestalt zur linken, die andere zur rechten.
Sie beugen sich herunter und kommen mit ihren deformierten Gesichtern an die Ohren der Frau. Sie flüstern ihr zwei Dinge in verständlicher Sprache zu. „Keine Vergebung.“ Sie setzen sich wieder hin, die Frau steht auf, nimmt die Asche vom Tisch mit einer ruckartigen Bewegung. Geht zum Fenster, öffnet dieses und bläst dieses in den Himmel.
Teil IV
Familie Bremer sitzen wie jeden Abend vor dem Fernseher und schauen die Nachrichten. Es sind Nachrichten aus einer Zeit, die es gab. Herr Bremer sitzt mit seiner Flasche Bier und der Zigarette in der Hand auf dem Sessel. Seine Frau, Frau Bremer schaut nebenher, sitzend auf dem Sofa. Die Kinder Klaus und Barbie sind schon im Bett. Es folgen im Fernseher Berichte über ein fernes afrikanisches Land, das in seine Unabhängigkeit entlassen wird. Herr Bremer zieht an seiner Zigarette und sagt: „Diese Nigger, die werden mit ihrer Freiheit nichts anfangen können.“ „Ich habe es immer gesagt, wir sind denen überlegen.“ Frau Bremer zupft an ihrer Schürze und schaut ihn an, als ob sie nicht versteht, was er meint.
Sie geht zum Fenster. Zieht vorsichtig die Gardinen zurück. Sie kann nichts sehen, denn die Fenster sind zugenagelt mit Holzbrettern. Trotzdem starrt sie auf das Fenster. Sie kann in der Spiegelung den Fernseher sehen. Es läuft gerade ein Bericht über die Prozesse, die keiner haben will. Herr Bremer ist wieder erregt und schimpft leise vor sich hin.
Je mehr sie den Fernseher in der Spiegelung sieht und ihren Mann hört, umso angewidert ist sie von allem. Den Kindern, dem Fernseher, ihrem Mann und auch ihrer unterdrückten Sexualität.
Sie da nichts empfinden, das hat man ihr immer gesagt. Sei folgsam, Mädchen, sei treu und sauber. Bekomme viele Kinder und mache deinen Mann immer glücklich.
Sie stößt einen leisen Seufzer aus und schiebt die Gardinen zurück. Ihr Mann betrachtet sie kurz und sieht sie an, voller Abscheu.
Sie geht in die Küche, kramt in einer Schublade. Macht den Herd aus, auf dem ein Bräter mit den Braten für morgen da steht. Sie geht in die Stube und setzt sich wieder auf das Sofa.
Das Wetter wird angesagt und Herr Bremer schimpft wieder. „Diese Klimaterroristen, die hätten wir früher in einen Haufen voller Asche gesteckt.“
Herr Bremer setzt die Flasche an und trinkt ganz langsam den Rest aus. Er verspürt einen heftigen Schlag am Hals. Ein starker Druck lässt ihn nach unten schauen. Er bemerkt, wie Blut auf sein Unterhemd tropft. Er kann nicht schreien, irgendetwas hält ihn ab. Er versucht zu atmen, doch bei dem Versuch, Luft zu holen, wird er von hinten am Kopf festgehalten. Jetzt spürt er, wie es in seinem Körper kribbelt, und sein Blick geht auf die Zimmerdecke. Er spürt, was in seinem Hals steckt.
Er lässt die Flasche fallen und versucht aufzustehen.
Doch er verliert immer mehr den Halt. Er fällt zurück in seinen Sessel. Es wird ihm schlecht. Das Blut spritzt jetzt noch mehr aus seinem Hals. Mit der Flasche in der Hand will er nach hinten schlagen. Es kommt langsam ein brennender Schmerz. Dieser wird immer stärker. Aus seinen Augen schießen Tränen. Er kann sich nicht wehren. Er weiß, das Wetter war das Letzte, was er sah. Er sagt in sich zusammen. Ein leichtes Röcheln ist zu vernehmen. Nach einigen Minuten verstummt er für immer. Du toter Gott der Seligkeit, denkt sich Frau Bremer.
Sie geht in das Kinderzimmer und überschüttet die Kinder, welche schlafen, mit einer Flüssigkeit. Sie schlafen immer noch. Sie schaut diese an. Bei Barbi zieht sie die Bettdecke gerade. Sie nimmt ein Feuerzeug und zündet beides an. Sie stellt sich an den Türrahmen und beobachtet, wie beide Kinder schreiend aufwachen. Sie strampeln wild um sich, ein fürchterliches Quieken erschallt aus den Flammen. Frau Bremer dreht sich um und muss weinen. Sie weint und ist doch erlöst, so empfindet sie es. Die Schreie nehmen ab, das Feuer lodert schon im Zimmer. Sie schließt die Tür zieht ihren Mantel an. Sie nimmt eine Tasche und verlässt die Wohnung.
Sie tritt auf die Straße und sieht Rauch aus dem Kinderzimmer hervorkommen. Sie läuft auf den Markt zu, in Richtung Bahnhof. Es ist kühl und sie weint immer noch. Leise weint sie, leise. Am Bahnhof wartet der Zug, der Sie zu den Aschenbergen bringen wird. So wie Herr Bremer es ihr immer gesagt hat.
Teil V
Im Haus an der alten Zuckerfabrik ist es still. Nur ein zaghaftes Licht schimmert durch das obere Fenster. Es ist auch das Haus, wo die Fenster nicht vernagelt sind. So wie alle Fenster in der Stadt es sind.
Das weibliche Wesen blickt um sich herum, sie betrachtet die Inneneinrichtung. Vinyltapeten kleiden die alten Wände, in einem schönen floralen karminroten Druck.
An der längsten durchgehenden Wand des Raumes steht ein Sofa, in einem grünen Bezug, und auf denen sind gestickte goldfarbene Punkte und parallel laufende Linien, die durchbrochen werden von roten Punkten.
Daneben steht ein Bestelltisch mit orientalischen Verzierungen. Das Holz ist schon abgegriffen. Darüber ist ein großes Bild hängend, mit der Darstellung von Menschen, die verängstigend den Betrachter anschauen. Es ist eine Gruppe von Menschen, die in zerlumpter Kleidung angezogen sind. Ihre Haut ist grünlich grau, die Wangen eingefallen. Die Augen stehen hervor. Über dieser Gruppe von Menschen, die man nicht zählen kann, weil es der Maler nicht zugelassen hat, ist ein gutaussehender Mann, der gütig auf diese Gruppe herabieht.
Das weibliche Wesen betrachtet das Bild eine Zeitlang an und fängt an leise vor sich hinzulachen. Die beiden anderen Gestalten, die am Tisch sitzen, schauen zu ihr und schütteln den Kopf, doch sie schauen wieder weg, um weiter miteinander zu reden. Die kürzere Wand gegenüber des Bildes, ist ein Buffet, das sehr hoch ist, das Holz ist aus Kirsche. Die Frontseite besteht aus verschiedenen Kassetten aus Glas, die alle unterschiedliche Farben haben.
Unterhalb ist ein länglicher Streifen auf der Breite des Buffets, in der Mitte hat er ein Loch. Sonst ist nichts weiterzusehen. Was alle Möbelstücke haben, so unterschiedlich ihrer Bedeutung ist: Sie schweben ca. zehn Zentimeter über dem Boden. Dieser Boden ist mit getrocknetem schwarzem Blut, welches viele Wellenformen an Oberflächenstruktur hat. Die in der Mitte ist der große Tisch mit vier Stühlen. Rechts und links sind keine Wände, es sind plasmaartige Flächengebilde, wie Glasscheiben, die etwas abhalten wollen, die in verschiedenen Farben schillern.
Sie sehen aus, als könnte man durchgehen. Beide sind so hoch und breit wie eine Tür. Doch es sind keine Türen, es sind Sperren. Das weibliche Wesen stellt sich vor die zwei Gestalten und legt ihre von einem pilzartigen Gebilden überwucherteten Hände auf dem Tisch. Alle drei starren sie an.
Das Pfeifen einer Lokomotive ist zu hören. Einer der Gestalten steht auf und holt ein Foto aus seiner Manteltasche heraus. Es ist ein Foto, eine Woche eine Gruppe von Menschen, die Betrachter abschaut. Sie sind alle grün und rot im Gesicht, die Wangen eingefallen und über ihnen, mit ausgebreiteten Armen, ist ein gesichtsloser Mann zu sehen, der seinen nackten zerschundenen Körperzeigt. Dieser ist mit blutenden Wunden übersät. Sein Bauch ist aufgerissen, daraus quillt ein schwarzer großer Opal.
Das weibliche Wesen geht zu dem Buffet, sie stellt sich davor und taucht mit einer Hand in eines der bunten Glasscheiben. Sie holt einen Riemen, es ist ein Gürtel mit einem Koppelschloss, hervor und legt es zu den Beiden auf dem Tisch.
Das ist er, heute werden wir seinen Besitzer empfangen.“ Während die Frau es so sagt, nimmt sie den Gürtel und leckt mit ihrer Zunge, welche einen unausstehlichen Gestank ausströmt, den Gürtel intensiv ab. Sie hält inne, sie legt den Kopf nach hinten und stöhnt leise. „Was gedenkt ihr zu tun, wenn er kommt?“, fragt das weibliche Wesen. Die beiden anderen reden wieder in einer Sprache miteinander und zeigen auf ein eben auf dem Tisch aufgetautes Objekt. Es ist ein Ball aus Metall, er ist Titanfarben. Eine Linie unterbricht den Ball, in der Mitte des Balls ist ein Loch, wie das am Buffet. Das weibliche Wesen legt den Gürtel beiseite, nimmt diesen Ball und trägt ihn zum Fenster. Sie öffnet es und hebt den Ball mit ihrer linken Hand nach oben, als würde sie ein Opfer darbringen wollen. Der Ball hebt sich aus ihrer Hand und fliegt davon.
Im Gestöber des Ascheregens fliegt der Ball durch die Straßen der Stadt, er fliegt hoch und runter, dabei dreht er sich um die eigene Achse. Er trifft auf eines der Kreuze, die sich auf dem Kirchturm befinden, und zerstört dieses. So wie einst die Erde. Nur in verkehrter Richtung. Der Ball wird immer schneller, er nimmt immer mehr an Geschwindigkeit an, er rast in einer Geschwindigkeit, welche nicht mehr messbar scheint. Mit einem lauten Fiepen bleibt er stehen und wartet vor einem Haus, in dem es brannte. Der Ball schwebt, ohne sich anders zu bewegen, nur ein Fiepen ist zu hören.
Das weibliche Wesen macht wieder das Fenster zu und setzt sich zu den zwei anderen. Alle drei schauen sich in ihre verdorrten Augen und lachen leise miteinander.
Der Ball ist da und der Ball wird heute Nacht bleiben, heute Nacht wird es erzählt, das Schicksal der rechtschaffenen Menschen in dieser kleinen Stadt.
Teil VI
Kinderlachen ist zu hören. Es kommt aus dem Kirchturm, der als einziger nach der langen Nacht übrig geblieben ist. Kinder erscheinen auf dem Markt mit Faschingskostümen. Es sind ungefähr sechs Kinder, die miteinander spielen. Eines der Kinder spielt auf einer Flöte. Es ist das Lied der vergessenen Eltern.
Die Fenster der Häuser, die den Markt umschließen, sind alle dunkel. Einige Fenster sind mit Brettern vernagelt. Der Wind bläst kräftig aus Norden. Doch das stört die Kinder nicht. Sie spielen Fange. In der Zwischenzeit schwebt der Ball auf eines der Fenster, wo Qualm hervortritt. Er fliegt etwa bis zum oberen Fenster und bleibt stehen. Ein leichtes Summen ist zu hören.
Nachdem er einige Zeit vor den Fenstern schwebt und sich um seine Achse dreht, kommen die spielenden Kinder auf das Haus zu, was langsam immer mehr Qualm herausdrückt. Sie bemerken den Ball und winken fröhlich zu.
Der Ball fliegt ein wenig zurück und nimmt Anlauf, der durchbricht einige Holzlatten und gelangt in das Haus. Die Kinder jubeln und das Flötenspiel eines Kindes wird immer lauter.
Im Haus mit der alten Zuckerfabrik sitzen die zwei männlichen Gestalten am Tisch. Sie bewegen sich nicht. Wie in einer Starre sitzen sie da und blicken sich in ihre schwarzen Augen. Die weibliche Gestalt nimmt ihren Mantel und verlässt das Zimmer. Sie verlässt das Haus und geht in Richtung Markt.
Sie folgt dem Flötenspiel. Die männlichen Gestalten verharren immer noch in ihrer Starre, doch je länger sie sich in die Augen sehen, ertönt langsam ein gleichmäßiges Brummen in tiefen Frequenzen. Von der Zimmerdecke schwebt ein Engel herab und setzt sich langsam auf die Mitte des Tisches. Der Engel ist nicht größer als zwanzig Zentimeter groß.
Sein Körper ist stark deformiert. Nur seine Flügel sind in majestätischer Form. So wohlstrukturiert, im reinen Weiß. Jede Feder der Flügel ist perfekt geordnet. Der Engel hat einen länglichen Kopf und eine lange Nase. Doch keine Augen, keine Haare und keine Ohren sind zu erkennen. Der Mund ist ein Loch, das aussieht, als hätte eine große Energie in dessen Mund sich seinen Weg nach draußen gesucht.
Der Engel setzt sich auf den in der Mitte des Tisches befindlichen Aschenbecher, breitet seine Flügel kurz aus und schüttelt sich.
Eines der menschlichen Gestalten erwacht aus der Starre und blickt den Engel an. Er nimmt seine Hand und versucht, ihn zu berühren. Doch der Engel kontert diesen Schritt mit einem lauten, ohrenbetäubenden Schrei, sodass das bunte Glas am Buffet zerplatzt.
Der Ball bahnt sich den Weg durch die Wohnung, in der es qualmt und brennt. Eines der Kinder geht in die Hocke und hüpft hoch und steigt in das Fenster, welches der Ball zerstört hatte. Das Kind in seinem Narrenkostüm sieht den Ball, geht auf ihn zu und nimmt ihn in die Hand. Wieder ertönt ein starkes Brummen. Das Kind schmiegt den Ball an seine linke Wange.
Einen Moment hört es auf, zu brennen und zu qualmen. Die Zeit steht still. Der Raum, in dem sich beide befinden, dreht sich langsam, die Decke wird zu Boden, die Wände zu Decke und der Boden löst sich auf. Dort, wo keine Wand mehr ist, kann man in das Weltall sehen. Das Kind blickt zur Seite und sieht Herrn in seinem Sessel sitzend.
Sein Körper ist voller Blut, seine Augen weit aufgerissen und aus seinem Mund schaut eine Ranke von Efeu heraus. Seine Arme sind zerschnitten und aus den Wunden fließt Wasser heraus, Tropfen für Tropfen. Das Kind lässt den Ball los. Der Ball fliegt in das Zimmer von Klaus und Barbi. Er schwebt über die Kinderbetten, welche in Flammen stehen. Das Schreien der Kinder klingt wie ein unendlich langgezogenes Weinen. Das Narrenkind betrachtet das Zimmer und nimmt sich vom Boden ein Buch. Es ist ein Buch über Öfen.
Es ist ein Katalog von Öfen für Bäcker und die, die etwas verbergen wollen. Das Kind geht zu Klaus und legt seine Hand auf dessen Mund, der weit aufgerissen ist. Eine Handbewegung verschließt den Mund. Das Gleiche passiert bei Barbi.
Das langgezogene Weinen hat aufgehört, und auch das Feuer ist erloschen. Der Ball saugt den Qualm auf. Barbi und Klaus erwachen und bemerken, dass sie alleine im Zimmer sind. Sie haben beide dasselbe geträumt. Sie stehen auf und erblicken eine Tür, die Sie vorher nicht gesehen haben. Barbi geht als Erster an die Tür und hört leise Stimmen. Er blickt zu Klaus, der ängstlich ihn anschaut. Seine Augen sagen ihm, dass er Angst hat.
Der Engel Engel breitet seinen Flügel aus und bewegt seinen deformierten Körper in rhythmischen Bewegungen. Die männlichen Gestalten sehen zu und der Engel tanzt, kriecht und stößt Schmerzenslaute von sich. Der Raum formt sich wieder zu seiner alten Gestalt. Das Zimmer wird immer dunkler, es ist kaum Licht vorhanden. Die männlichen Gestalten erwachen langsam, und ihre Blicke auf den Engel wendet sich ab.
Sie drehen sich um. Der Engel fährt seine Flügel noch weiter aus und schlägt mit diesen auf die beiden Gestalten ein. Der Engel dreht sich immer weiter um seine eigene Achse und mit jeder Drehung fügt er den Gestalten Schnittwunden zu. Je mehr dies passiert, desto mehr wechselt sich Dunkelheit mit grellem, weißem Licht im Raum ab. Der Engel fliegt hoch und greift sich die beiden Gestalten an deren Köpfen. Die Flügel umschlingen sie und zerdrücken diese. Eine schwarze, zähflüssige Masse strömt durch das Federkleid. Die männlichen Gestalten versuchen, sich zu wehren.
Doch es ist zu Ende. Der Engel hat die Oberhand und den Willen, es zu tun, was zu tun gedacht ist. Die beiden sacken nach einer Weile zusammen und fallen zu Boden. Der Engel lässt an. Er streckt seinen Körper und wächst langsam. Der deformierte Körper entwickelt sich zu einem schönen, modellierten Körper, der Liebkost werden muss. Das Gesicht verwandelt sich zu einem unbeschreiblich schönen Gesicht, das man nicht beschreiben darf. Die Flügel fallen vom neuen Körper ab und landen auf den leblosen Körper der Männer, die jetzt keine Gestalten mehr sind. Sondern nur noch leblose Männer.
Der Engel schaut sich um, das Licht ist wieder angenehm. Der Engel packt die beiden leblosen Körper in den Koffer, der noch auf dem Boden steht. Stellt den Koffer auf den Tisch. Verlässt den Raum und geht die Treppen herunter. Tritt auf die Straße und blickt nach links und rechts.
Das weibliche Wesen ist am Bahnhof angekommen und sieht Frau Bremmer auf einer Bank sitzend. Es ist still. Auch wenn die Lokomotive mit den vielen Hängern schnauft, ist kein Ton zu hören. Die Frau setzt sich zu Frau Bremmer und schaut sie aber nicht an. Beide sitzen da und blicken über die Gleise des Bahnhofes. Eltern.
Die Fenster der Häuser, die den Markt umschließen, sind alle dunkel. Einige Fenster sind mit Brettern vernagelt.
Der Wind bläst kräftig aus Norden. Doch das stört die Kinder nicht. Sie spielen Fange. In der Zwischenzeit schwebt der Ball auf eines der Fenster, wo Qualm hervortritt. Er fliegt etwa bis zum oberen Fenster und bleibt stehen. Ein leichtes Summen ist zu hören. Nachdem er einige Zeit vor den Fenstern schwebt und sich um seine Axe dreht, kommen die spielenden Kinder auf das Haus zu, was langsam immer mehr Qualm herausdrückt. Sie bemerken den Ball und winken fröhlich zu.
Der Ball fliegt ein wenig zurück und nimmt Anlauf, der durchbricht einige Holzlatten und gelangt in das Haus. Die Kinder jubeln und das Flötenspiel eines Kindes wird immer lauter.
Im Haus mit der alten Zuckerfabrik sitzen die zwei männlichen Gestalten am Tisch. Sie bewegen sich nicht. Wie in einer Starre sitzen sie da und blicken sich in ihre schwarzen Augen. Die weibliche Gestalt nimmt ihren Mantel und verlässt das Zimmer. Sie verlässt das Haus und geht in Richtung Markt.
Sie folgt dem Flötenspiel. Die männlichen Gestalten verharren immer noch in ihrer Starre, doch je länger sie sich in die Augen sehen, ertönt langsam ein gleichmäßiges Brummen in tiefen Frequenzen. Von der Zimmerdecke schwebt ein Engel herab und setzt sich langsam auf die Mitte des Tischen. Der Engel ist nicht größer als zwanzig Zentimeter groß.
Sein Körper ist stark deformiert. Nur seine Flügel sind in majestätischer Form. So wohlstrukturiert, im reinen Weiß. Jede Feder der Flügel ist perfekt geordnet. Der Engel hat einen länglichen Kopf und eine lange Nase. Doch keine Augen, keine Haare und keine Ohren sind zu erkennen. Der Mund ist ein Loch, das aussieht, als hätte eine große Energie in dessen Mund sich seinen Weg nach draußen gesucht.
Der Engel setzt sich auf den in der Mitte des Tisches befindlichen Aschenbecher, breitet seine Flügel kurz aus und schüttelt sich. Eines der menschlichen Gestalten erwacht aus der Starre und blickt den Engel an. Er nimmt seine Hand und versucht, ihn zu berühren. Doch der Engel kontert diesen Schritt mit einem lauten, ohrenbetäubenden Schrei, sodass das bunte Glas am Buffet zerplatzt. Der Ball bahnt sich den Weg durch die Wohnung, in der es qualmt und brennt. Eines der Kinder geht in die Hocke und hüpft hoch und steigt in das Fenster, welches der Ball zerstört hatte.
Das Kind in seinem Narrenkostüm sieht den Ball, geht auf ihn zu und nimmt ihn in die Hand. Wieder ertönt ein starkes Brummen. Das Kind schmiegt den Ball an seine linke Wange. Einen Moment hört es auf, zu brennen und zu qualmen. Die Zeit steht still. Der Raum, in dem sich beide befinden, dreht sich langsam, die Decke wird zu Boden, die Wände zu Decke und der Boden löst sich auf. Dort, wo keine Wand mehr ist, kann man in den Weltraum sehen.
Das Kind blickt zur Seite und sieht Herrn Bremmer in seinem Sessel sitzend. Sein Körper ist voller Blut, seine Augen weit aufgerissen und aus seinem Mund schaut eine Ranke von Efeu heraus. Seine Arme sind zerschnitten und aus den Wunden fließt Wasser heraus, Tropfen für Tropfen. Das Kind lässt den Ball los. Der Ball fliegt in das Zimmer von Klaus und Barbi. Er schwebt über die Kinderbetten, welche in Flammen stehen. Das Schreien der Kinder klingt wie ein unendlich langgezogenes Weinen.
Das Narrenkind betrachtet das Zimmer und nimmt sich vom Boden ein Buch. Es ist ein Buch über Öfen. Es ist ein Katalog von Öfen für Bäcker und die, die etwas verbergen wollen. Das Kind geht zu Klaus und legt seine Hand auf seinen Mund, der weit aufgerissen ist. Eine Handbewegung verschließt den Mund. Das Gleiche passiert bei Barbi. Das langgezogene Weinen hat aufgehört, und auch das Feuer ist erloschen.
Der Ball saugt den Qualm auf. Barbi und Klaus erwachen und bemerken, dass sie alleine im Zimmer sind. Sie haben beide dasselbe geträumt. Sie stehen auf und erblicken eine Tür, die Sie vorher nicht gesehen haben. Barbi geht als Erster an die Tür und hört leise Stimmen. Er blickt zu Klaus, der ängstlich ihn anschaut. Seine Augen sagen ihm, dass er Angst hat.
Der Engel Engel breitet seinen Flügel aus und bewegt seinen deformierten Körper in rhythmischen Bewegungen. Die männlichen Gestalten sehen zu und der Engel tanzt, kriecht und stößt Schmerzenslaute von sich. Der Raum formt sich wieder zu seiner alten Gestalt. Das Zimmer wird immer dunkler, es ist kaum noch Licht vorhanden. Die männlichen Gestalten erwachen langsam, und ihre Blicke auf den Engel wendet sich ab. Sie drehen sich um. Der Engel fährt seine Flügel noch weiter aus und schlägt mit diesen auf die beiden Gestalten ein. Der Engel dreht sich immer weiter um seine eigene Achse und mit jeder Drehung fügt er den Gestalten Schnittwunden zu. Je mehr dies passiert, desto mehr wechselt sich Dunkelheit mit grellem, weißem Licht im Raum ab.
Der Engel fliegt hoch, greift sich die beiden Gestalten an deren Köpfen. Die Flügel umschlingen sie und zerdrücken diese. Eine schwarze, zähflüssige Masse strömt durch das Federkleid. Die männlichen Gestalten versuchen, sich zu wehren.
Doch es ist zu Ende. Der Engel hat die Oberhand und den Willen, es zu tun, was zu tun gedacht ist. Die beiden sacken nach einer Weile zusammen und fallen zu Boden. Der Engel lässt an. Er streckt seinen Körper und wächst langsam. Der deformierte Körper entwickelt sich zu einem schönen, modellierten Körper, der Liebkost werden muss.
Das Gesicht verwandelt sich zu einem unbeschreiblich schönen Gesicht, das man nicht beschreiben darf. Die Flügel fallen vom neuen Körper ab und landen auf den leblosen Körper der Männer, die jetzt keine Gestalten mehr sind. Sondern nur noch leblose Männer.
Der Engel schaut sich um, das Licht ist wieder angenehm. Der Engel packt die beiden leblosen Körper in den Koffer, der noch auf dem Boden steht. Stellt den Koffer auf den Tisch. Verlässt den Raum und geht die Treppen herunter. Tritt auf die Straße und blickt nach links und rechts.
Das weibliche Wesen ist am Bahnhof angekommen und sieht Frau Bremmer auf einer Bank sitzend. Es ist still. Auch wenn die Lokomotive mit den vielen Hängern schnauft, ist kein Ton zu hören. Die Frau setzt sich zu Frau Bremmer und schaut sie aber nicht an. Beide sitzen da und blicken über die Gleise des Bahnhofes.
Teil VII
Frau Bremmer sitzt auf der Bank am Bahnsteig. Sie hält ihre gefalteten Hände auf den Schoss. Das weibliche Wesen betrachtet sie von der Seite.
Frau Bremmer fängt an zu weinen. Sie senkt ihren Kopf und betrachtet ihre Hände, welche noch blutverschmiert sind. Das weibliche Wesen steht auf, stellt sich vor Frau Bremmer und kniet nieder. Sie schaut in ihren glasigen Augen und betrachtet die schön geformten Lippen von Frau Bremmer.
Das Wesen fährt mit seinen Händen über ihr Gesicht und führt seine blassgrünen Lippen an dieser verzweifelten Frau zum Mund. Frau Bremmer schließt die Augen und sackt in sich zusammen. Sie berührt das weibliche Wesen an seinen Brüsten. Doch sie zieht ihre Hand weg und entfernt sich rückartig von dem weiblichen Wesen.
Das Wesen steht auf, schaut Frau Bremmer an. Es reicht ihr seine Hand und gibt ihr mit einer Handbewegung Frau Bremmer zu verstehen, dass sie aufstehen soll. Beide laufen zum wartenden Zug und Frau Bremmer steigt in einen der braunen Waggons ein. Das weibliche Wesen gibt zum Abschied ein kleines Säckchen in die Hand. Frau Bremmer schaut das Stoffsäckchen an und ist sich nicht sicher, was es sein soll.
„Es sind deine Kinder, sie sollen dich immer begleiten.“ Nachdem das weibliche Wesen den Satz ausgesprochen hatte, zieht der Zug an und fährt langsam los, in Richtung Osten. Das weibliche Wesen winkt Frau Bremmer nach, doch Frau Bremmer ist schon mit ihren Gedanken woanders. Weg von der Stadt, weg von der Familie, weg vom Leiden.
Die spielenden Kinder sind außer sich vor Freude. Sie bemerken gar nicht, wie das Haus, in dem die Bremmers sich lange versteckt hatten, sich von einer fremden Macht langsam entfernt. Das Haus wird immer mehr nach hinten gezogen. Die Kinder beobachten das Verschwinden des Hauses andächtig. Je mehr das Haus verschwindet und eine Lücke in dem Häuserensemble sich bildet, spielt eines der Kinder sehr leise und langsam auf seiner Flöte.
Klaus und Barbi stehen hinter den Kindern. Sie sind umgeben von einer sphärischen Gestalt. Beide Jungen beobachten die Kinder, wie ausgelassen sie spielen und sich freuen. Barbi will zu den Kindern, doch eine fremde Macht hält ihn fest. Klaus nimmt Barbi in die Hand und entfernt sich von den Kindern. Sie wissen: Es ist alles anders und so nah. Auch wenn das Haus nicht mehr da ist. Sie schauen sich an und umarmen sich.
So wie es Geschwister tun. Sie halten sich fest und bemerken gar nicht, dass Sie in einer fremden Umgebung angekommen sind. Es schneit. Es ist echter Schnee, der auch sehr hoch den Boden verdeckt. Lautes Hundegebell ist zu hören. Barbi und Klaus stehen hinter einem Gebäude, welches einen riesigen Schornstein festhält. Er ist so groß, dass Klaus beim Hinsehen schwindelig wird. Die Luft ist trotz der Kälte durchzogen von verbranntem, tranigem Geruch. Beide nehmen sich in die Hände und laufen langsam durch eine Gasse. Sie sehen einen Platz in der Mitte. Es ist eine große Grube, aus der Flammen lodern. Sie sehen auch das Haus mit diesem riesigen Schornstein.
Doch das Haus hat keine Fenster und Türen. Es ist ein gemauertes Haus mit rotbraunen Ziegeln. Es macht den Eindruck, dass es etwas festhält, was nicht nach draußen gelangen darf. Beide stehen vor dem Gebäude und blicken eine Weile das Gebilde, welches sehr sonderbar wirkt, andächtig an.
Hinter ihnen bekommen sie eine wohlige Wärme des Feuers auf ihren Rücken ausgestrahlt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lassen sie ab und drehen sich zu der Grube. Sie gehen langsam heran, sie blicken herab, beide halten sich noch fester in ihren Händen. Mutter und Vater stehen an der gegenüberliegenden Seite der Grube und halten sich Hand in Hand. So als würden sie sich lieben. Sie betrachten die Kinder. Nach einer Weile drehen Sie sich um und laufen rückwärts in die Grube. Die beiden Kinder stehen wie gelähmt, und sie können es nicht einordnen, was sie gesehen haben.
Barbi schluchzt leise vor sich hin und bemerkt zu Klaus: „Jetzt sind sie in ihrer Strafe von uns gegangen, der Kommandant und seine gierige Frau.“ Geht fort für immer, ihr habt Unrecht in euren Herzen, ihr seid voller Hass. „Lebt auch in den Flammen und nehmt eure Strafe an.“ Nachdem Barbi den Satz beendet hatte, geht das Feuer aus und die Grube verschließt sich. Es bildet sich eine Wiese mit hochgewachsenen Pflanzen. Diese leuchten in grellen Farben, die die Dunkelheit durchbrechen. Millionenfacher Dünger unter der Erde. Denkt sich Klaus.
Die beiden drehen sich wieder zu dem Haus. Es hat sich verändert. Die Mauern sind durchbrochen, der Schornstein liegt zerfallen in der Mitte des Hauses. Das Haus ist sich gefallen und der Schornstein hat alles vergraben. Sie laufen auf einen sich gerade bildenden Weg, der durch ein großes Tor geht. Die Jungs verschwinden in die Nacht.
Es ist so friedlich und schön. Es war nie etwas gewesen. Die anderen sind weg, eure Schuld ist meine Schuld. Ihr leugnet, wir zeigen es euch immer wieder.
Das weibliche Wesen kommt in das Haus vor und hinter der Zuckerfabrik. Es setzt sich in den Raum, in dem die männlichen Wesen gesessen haben. Es nimmt eine Tasse in die Hand und trinkt langsam eine zähe rote Masse, die dem weiblichen Wesen rechts und links des Mundes herunterfließt. Es setzt die Tasse ab.
Der Engel erscheint und das Wesen nimmt diesen auf seine linke Handfläche. Das weibliche Wesen führt den Engel an ihre rechte Brust und der Engel löst sich darin auf. Ein tiefes Seufzen ist vom weiblichen Wesen zu hören. Es steht auf, öffnet das Fenster. Während sie noch das Flötenspiel hört, klettert es aus dem Fenster und springt in einen schwarzen See, der sich plötzlich aufgetan hat. Mit einem grellen Schrei verschwindet das weibliche Wesen.
Es ist so schön, ich fühle mich hier wohl, hier ist mein Zuhause. Hier sind alle meine Freunde. Hier kann ich sein, was ich bin. Ich kann mich freuen, lachen und lieben. Ich bin eines von euch. Ich sehe in Eure Gedanken und lecke euren Scham weg. Ich bin gerne bei Euch. Ihr seid so naiv und brutal. Ich bin gerne bei Euch. Ich liebe euch. Seit meinem Ich. Nehmt mich, wie ich es mir wünsche. Ich bin kein Teil von euch. Ich bin das Doppelte von allem, was euch Schlechtes widerfährt. Jede Nacht sende ich euch Freunde aus, die euch mitnehmen in unsere Welt, die ihr auf grausame Weise geschaffen habt. Jede Nacht hole ich mir einen von euch. So, wie Ihr es mit uns getan hattet. Wir konnten euch nicht fangen und richten. Doch wir dringen in eure Träume ein und zerstören eure Gedanken und Glückseligkeit.
In einer Toreinfahrt steht jemand geschützt in der Dunkelheit. Ein Bus fährt vor und jemand steigt aus. Vom Markt her läuft eine andere Gestalt herunter. Beide treffen aufeinander und geben sich die Hand. Sie gehen in das alte Haus rein. Dort, wo niemand wohnt, und die Leute sich immer fragen, ob doch nicht jemand darin wohnt. Die Wette wurde nie gewonnen. Warum auch. Eine Gestalt geht aus einer dunklen Ecke heraus und stellt sich vor das Haus, in dem gerade ein Licht an einem Fenster im Erdgeschoss aufgeht. Wieder ein Licht, diesmal niedriger. Es ist eine so schöne Nacht.
ENDE