Das Haus der vergeudeten Zuneigung
Er schaute sich noch einmal um, ja, hier war es gewesen, vor dieser Tür hatte er jeden Nachmittag gestanden, gewartet, bis ihm seine Mutter öffnete. Er hatte nie einen eigenen Schlüssel für das Haus bekommen, dies war auch nicht nötig gewesen, es war schließlich immer jemand zu Hause. Die Tür erinnerte ihn an irgend etwas beängstigendes, er wusste nicht genau was. Es war bereits dunkel, so schaute er noch einmal zur Straße, die Laternen erleuchteten die klare Nacht. Er schloß auf, die Tür machte ein fürchterliches Geräusch, als er sie öffnete. So sah er den dunklen Flur, überall Spinnweben. Er drückte auf den Lichtschalter, es passierte jedoch nichts. Zum Glück hatte er vorgesorgt, er holte seine Taschenlampe hervor. Sich umguckend ging er in Richtung Küche. Die ganze Zeit schwebte ihm das Bild von damals vor. Einen Moment lang sah er seine Mutter am Küchentisch sitzen. Sie sagte: „Setzt dich, Tim, es gibt heute Spaghetti. Wie war es in der Schule?“ Dann guckte er genauer hin –niemand. Der ganze Raum war zu einer düsteren Quelle geworden. Der Mann starrte noch einige Momente auf den leeren Stuhl, dann ging er weiter. Im Wohnzimmer stand noch immer der Fernseher, sonst war es genauso vom Zahn der Zeit mitgenommen, wie alles andere. Er setzte sich auf das staubige Sofa. Seine Mutter hatte ihn immer daran erinnert, ja nicht zu viel fern zu schauen und mehr an die Schule zu denken. Damals hatte er es nicht eingesehen und sie laut angebrüllt, sie solle endlich leise sein. Trotzdem hatte sich am nächsten Tag die gleiche Szene wiederholt. Er stand auf, ging weiter. Er kam an der Besenkammer vorbei. „Tim, kannst du mir heute mal im Haushalt helfen, ich habe so viel zu tun, ohne deine Hilfe schaff ich das nicht.“ Das hatte sie ihn damals gefragt, seine Antwort war, „leck mich doch am Arsch, ich hab eigene Probleme“. „Ich war so grausam“, dachte er. Er kam zu seinem Zimmer, sein Bett stand immer noch dort. Er sah seine Sparbüchse, seine Mutter hatte ihm jede Woche sein Taschengeld gegeben. Er dachte an die gelbe Jacke seiner Mutter. In der rechten Seitentasche hatte sie ihr Portemonnaie. Er hatte so oft Geld daraus gestohlen. Das Geld hatte er für Süßigkeiten ausgegeben, während Mutter als Putzfrau jeden Pfennig erkämpfen musste. Der Mann kochte innerlich, seine Wut auf sich selbst wuchs und wuchs. Er dachte an den Tag, an dem er auf seinem Handy angerufen wurde Erst jetzt hatte er begriffen.