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Das Haus am Tümpel

GKL

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11.10.2001
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Das Haus am Tümpel

Er wurde auf das Haus aufmerksam, weil es genau seinen Wünschen entsprach: Ein solides altes Walmdachhaus.
In den letzten Jahren hatte er erfolgreich an der Börse spekuliert, nun endlich reichte das Geld für einen sorglosen Lebensabend. Aber ihm behagte das Leben in der Großstadt nicht und er hasste das Gedränge in den Straßen. Der Gestank der Auspuffgase und des Qualms, mit dem die Fabriken die Luft verpesteten, bereitete ihm Übelkeit.
Deshalb war er von der ursprünglichen Landschaft, die das Haus umgab, begeistert und er erkundigte sich im nächsten Dorf, ob das Anwesen zu erwerben sei. Dabei erfuhr er, dass das Haus schon seit geraumer Zeit nicht mehr bewohnt wurde, die Gemeinde bisher vergeblich versucht hatte den Besitz wieder zu vermieten oder zu verkaufen. Und nach kurzem Briefwechsel mit dem Makler, der den Besitz verwaltete, beschloss er, das Haus so bald wie möglich zu besichtigen.

Er stellte seinen Daimler auf dem Parkplatz des Dorfgasthofes ab, öffnete das Handschuhfach und fischte den Schlüssel heraus, den ihm der Makler zugesandt hatte. Das Anwesen konnte man nur über einen von Unkraut und Sträuchern überwucherten Trampelpfad erreichen, der früher als Abkürzung zwischen den Dörfern H... und W... gedient hatte.
Nach zehnminütigem Fußmarsch erreichte er schließlich sein Ziel und blickte sich um: Der Jungwald hatte begonnen seine Schösslinge zwischen die alterskrummen Obstbäume zu streuen. Hinter dem Haus lag eine Wiese, an deren Rand sich hinter Schilf und Kalmus ein brackiger Tümpel verbarg. Hier neigten sich zwei Weiden, wie unter einer schweren Last, über die mit Algen bedeckte Wasseroberfläche. Einige Birken dagegen schienen mit allen Ästen davon fort zu streben, als wollten sie sich um keinen Preis der Welt in diesem Wasser spiegeln.
Er merkte, dass sich hier nichts regte, keinerlei Leben war zu spüren. Weder eine Amsel, noch irgendeinen Sumpfvogel konnte er entdecken, nicht einmal Schmetterlinge, traten sie in dieser Zeit sonst auch überall in Scharen auf.

Er hatte das Haus inzwischen zum zweiten Mal umrundet und näherte sich wieder der Wiese. Trotz des faulig-schlammigen Wassers zog ihn der Tümpel irgendwie an. Er watete durch das Gras bis an das morastige Ufer und sah, dass Bläschen wie Perlen durch die Schleimschicht quollen und sich an der Wasseroberfläche zu phantastischen Gebilden vereinigten. Eine Stelle entdeckte er, an der ein Fetzen aus der Algendecke herausgerissen war, in dem das Wasser den mit schweren Gewitterwolken beladenen Himmel spiegelte.
Es war merklich kühler geworden. Aus der Ferne ließ sich dumpfes Grollen vernehmen, während der Wind die Wipfel der Bäume schüttelte und singend über das Gras strich. Schon erleuchteten Blitze den Himmel, begleitet von rollendem Donner, und der Wind brauste immer mehr auf.
Plötzlich durchzuckte ein Lichtblitz die Luft, worauf ein ohrenbetäubender Donnerschlag folgte. Vom Wald herüber erklang langgezogenes Stöhnen, unterbrochen vom Geräusch brechender Äste.
Er wich erschrocken einige Schritte vom Tümpel zurück und blickte schaudernd auf die Wasseroberfläche. Im Schein des Blitzes war ihm, als tauche eine knotige Hand aus den Fluten, so, als treibe es den Körper eines Ertrunkenen an die Oberfläche.
Fröstelnd eilte er über die Wiese dem Hause zu. Es begann in schweren Tropfen zu regnen.

Er kämpfte eine Weile mit dem widerspenstigen Türschloss, ehe die Eichentür leise knarrend aufsprang. Vor ihm nichts als Finsternis, die auch das durch die offene Tür einsickernde Dämmerlicht nicht zu durchdringen vermochte. Er tastete nach dem Lichtschalter und atmete erleichtert auf, als er ihn gleich neben der Tür entdeckte. Klicken begleitete das Drehen des Schalters, es geschah jedoch nichts, der Raum blieb dunkel. Er trat unsicher einige Schritte vor.
Draußen hatte der Wind fast die Stärke eines Orkans erreicht und peitschte den Regen vor sich her. Plötzlich wurde die Tür von einem Windstoß erfasst und fiel ächzend ins Schloss. Der Hall wurde gellend von den leeren Räumen zurückgeworfen, bis auf einmal kein Laut mehr zu vernehmen war. Stille, er wurde von rabenschwarzer Nacht umgeben. Er begann schnell nach einem Zündholz zu suchen, dann jedoch entsann er sich der Taschenlampe, die in seiner Jackentasche steckte.

Der Strahl der Taschenlampe durchdrang die Finsternis und erleuchtete den vor ihm liegenden Raum. Er sah in eine Diele, an deren Wänden sich die Rahmen einiger Türen abzeichneten. In der Mitte war eine Treppe zu erkennen, die sich in ein höher gelegenes Stockwerk empor wand.
Er stieg die Stufen nach oben. Nachdem er das Obergeschoss flüchtig untersucht hatte, entdeckte er eine kleine Kammer, durch deren Gaubenfenster man auf die Wiese und den Tümpel blicken konnte. In der Kammer stand eine Liege, die bequem zu sein schien. An der Wand, gegenüber dem Fenster, entdeckte er einen Kamin, davor, am Boden, lagen verstreut staubige Bücher.
Um ein wenig auszuruhen warf er sich auf die Liege, lag einige Minuten still da und lauschte dem Heulen des Windes und dem Scharren der Äste am Dach des Hauses. Ohne es recht zu merken, döste er ein und fiel bald in einen tiefen Schlaf.

Er war sehr abrupt erwacht, sein Herz schlug heftig. Irgendein Geräusch hatte ihn geweckt. Er erhob sich und blickte aus dem Fenster. Der Mond war zwischen den Wolken hervorgekommen und tauchte die Landschaft in weißes Licht. Er erkannte den Tümpel. Die Birken schienen noch enger zusammengerückt zu sein, wie ein Rudel Rehe bei drohender Gefahr. Da gewahrte er eine Bewegung am Ufer des Tümpels, als ob irgendetwas aus dem Wasser ins Trockene gelangen wollte. Nun begann es klare Konturen anzunehmen und er sah eine Gestalt, die sich vom Ufer entfernte und sich schleppend dem Hause näherte. Dann war sie verschwunden und er begann angstvoll zu lauschen.
Es herrschte Stille, eine unheimliche Stille in dem schlafenden Haus, bis auf einmal leise, kaum vernehmbare Laute an sein Ohr drangen. Sie kamen offenbar von unten aus der Diele. Es dauerte eine Weile, ehe sie deutlicher wurden, dann jedoch hörte er ein Geräusch, als drücke jemand einen Schwamm aus. Gleichzeitig vernahm er, wie etwas Stufe um Stufe erklomm.
Furcht schnürte ihm die Kehle zu. Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und ein entsetzlicher Gestank drang in das Zimmer, eine schauderhafte Fäulniswolke hüllte ihn ein.
Er war so betäubt, dass er nicht mehr fliehen konnte. Irgend etwas lauerte dort in der Dunkelheit auf ihn. Er hörte schlurfende Schritte und dann gewahrte er im Licht des Mondes eine gekrümmte Gestalt suchend umhertasten, ein Bündel zerfressener Knochen.
In diesem Moment wich die Lähmung von ihm und er stürmte von Panik getrieben vorwärts. Er hatte schon fast die Tür erreicht, als er über eines der herumliegenden Bücher stolperte, mit dem Kopf gegen die Wand schlug und bewusstlos liegen blieb.

Er erwachte mit brummendem Schädel. Die Morgensonne blinkte durch das Gaubenfenster, so dass er geblendet die Augen zusammenkneifen musste. Weshalb nur lag er am Boden? Langsam kam die Erinnerung und er sah sich in der Kammer um. Hatte er geträumt? Kein Zeichen deutete auf einen nächtlichen Besucher hin. Dann bemerkte er die Wasserlache auf dem Treppenabsatz vor der Tür. Er schüttelte benommen den Kopf, raffte sich auf und taumelte die Treppe hinunter ins Freie. Sein Entschluss stand fest: Er würde sich nach einem anderen Haus umsehen.

Da die Bemühungen, das Walmdachhaus zu verkaufen, gescheitert waren, beschloss der Gemeindevorstand von U..., das Gebäude abreißen zu lassen. Das Grundstück sollte entwässert und der Tümpel trockengelegt werden.
Beim Auspumpen des Tümpels aber stießen die Arbeiter auf eine Leiche. Durch die lange Zeit, die der Tote - wohl durch Schlingpflanzen am Auftauchen gehindert - im Wasser gelegen hatte, bot er einen schaurigen Anblick.
Einer der Arbeiter berichtete später, er hätte gesehen, wie der Leichnam wild gezuckt habe, als die ersten Sonnenstrahlen auf ihn fielen. Aber ein kräftiger Schluck aus der Schnapsflasche überzeugten den Mann, dass er sich wohl getäuscht haben musste.

[ 07.05.2002, 14:12: Beitrag editiert von: GKL ]

 

Hi GKL!
Um es gleich mal am Anfang zu sagen:
Deine Geschichte hat mir nicht so gut gefallen.

Dein Schreibstil gefällt mir zwar sehr gut, aber die Handlung ist an jedem Punkt vorhersehbar.

Ihm kam das Geschwätz des Alten wieder in den Sinn, mit dem er während seiner Erkundungen eine Weile geplaudert hatte. Neben dem üblichen Dorfklatsch hatte er dabei erfahren, dass der letzte Mieter des Walmdachhauses, ein eigenbrötlerischer Sonderling, auf recht mysteriöse Weise verschwunden war. Es ging das Gerücht um, der Mann hätte sich das Leben genommen, Selbstmord begangen, obwohl seine Leiche nie gefunden wurde.
Das mit dem Alten ist das Klischee schlechthin. Außerdem ist es merkwürdig, dass dieser nicht schon vorher erwähnt wird.
Diesen Teil würde ich ganz rausnehmen, da der weitere Verlauf der Geschichte ab da an sehr offentsichtlich wird.

Was mich auch noch irritiert hat, war das der Mann erstmal das Grundstück erkundet. Würde ich mir ein Haus kaufen, wäre ich erstmal damit beschäftig dieses auch zu erforschen.
Auch dass er ohne Gepäck dort übernachten will, erscheint mir etwas unwahrscheinlich.

Genauso verhält es sich mit dem Verkauf. Er ist sich sicher, dass es nur ein Traum war und will trotzdem sofort verkaufen?

Durch ihre Vorhersehbarkeit lässt die Geschichte bei mir keine Spannung, geschweige denn Grusel aufkommen.
Die Idee ist zwar gut, aber einfach zu offentsichtlich umgesetzt.

Sorry GKL, aber Deine anderen Geschichten haben mir besser gefallen.

Ugh

P.S. Hast Du die Story schonmal woanders veröffentlicht? Kommt mir so bekannt vor.

 

Hi GKL,

an und für sich hat mir deine Geschichte schon gut gefallen. Der Stil ist sicher und flüssig, aber ich muß mich, was den Verlauf der Geschichte angeht, Bib. anschließen.

Nichts desto Trotz habe ich sie gern gelesen.

Gruß
Rub.

 

Hi GKL,
trotz der berechtigten Einwände, dass die Handlung deiner Geschichte zu vorhersehbar ist, finde ich sie doch sehr gelungen. Vor allem deine Naturschilderungen haben mir gut gefallen. Du solltest einfach besser darauf achten, dass die Handlung nicht gänzlich der Atmosphäre geopfert wird.

 

@Bibliothekar
Vielen Dank für deine konstruktive Kritik. Du hast recht, die Geschichte ist einfach zu vorhersehbar. Wie du mir geraten hast, hab ich jetzt den Absatz mit dem Alten ganz entfernt. Außerdem habe ich versucht, es nicht mehr so aussehen zu lassen, als wollte der Protagonist von vornherein in dem Haus übernachten.
Dass dir die Geschichte bekannt vorkommt liegt wohl daran, dass sie schon einige Jahre auf dem Buckel hat und in leicht veränderter Form bereits im Internet zu lesen war (z.B. auf www.seelenqual.de).

@Rub.
Danke für deine aufmunternden Worte. Ich hab die Geschichte schon öfter rausgekramt und umzuschreiben versucht. Dabei ist sie zwar jedes Mal kürzer geworden, aber leider nicht besser.

@Elis
Auch dir vielen Dank für deine Kritik. Dass dir die Naturschilderungen gefallen haben, freut mich natürlich. Ich neige tatsächlich bei den meisten meiner Kurzgeschichten dazu, die Atmosphäre der Handlung vorzuziehen. Aber ich versuche mich zu bessern und arbeite daran.

Günter

 

Hi GKL!
Die Geschichte gefällt mir jetzt schon vieeel besser.
Allerdings habe ich noch immer, bzw. wieder was zu meckern :shy: :
Warum läuft der Protagonist zu seinem neu erworbenen Haus? Anhand der vorangegangenen Beschreibungen kann man davon ausgehen, dass er eigentlich ein Stück weiter wegwohnt, die Strecke ergo zu weit zum Laufen ist.
Durch eine Erklärung, dass der Weg durch das jahrelange Leerstehen so verwuchert ist, dass man nicht mit dem Auto durchkommt, würde das Ganze klarer.

Und noch immer verwundert es mich, dass er sofort verkaufen will, obwohl er sicher ist, dass es nur ein Traum war.
Lass ihn doch in dem Moment, wenn er sich sicher ist, einen getrockneten Klumpen Ton entdecken, wobei er sich nicht sicher ist, ob er von seinen Schuhen abgefallen ist oder..
Naja, auf jeden Fall so etwas in der Art.

Aber jetzt bekommst Du von mir erstmal das hier: :thumbsup:
Achja: Und es freut mich, dass Du was mit meiner Kritik anfangen konntest.

Ugh

 

Also atmosphärisch kann der Text fast alles, woran es ihm inhaltlich mangelt. Die (Natur-)Eindrücke die du so ausführlich beschreibst machen aus den Buchstaben Bilder, die vor dem geistigen Auge ablaufen. Spannend hätte ich es gefunden, wenn du der Geschichte noch einen unerwarteten Drill verpasst hättest. Aber ich weiß aus eigenen Versuchen, dass ist schwer. Nichstdestotrotz eine gute Lagerfeuer-Story. :baddevil:

 

@ Bibliothekar
Wie kommst du darauf, dass er das Haus sofort wieder verkaufen will? Er hatte es doch noch nicht einmal gekauft, sondern wollte es nur besichtigen.
Ich habe versucht, dieses klarer rüberzubringen.
Das mit dem Tonklumpen ist keine schlechte Idee, ich hab daraus eine Wasserlache gemacht, obwohl........, so richtig gefällt mir das auch nicht.
Zur Zeit bin ich beruflich ziemlich angespannt: 14 Stunden/Tag usw. Aber bald ist ja Urlaubzeit und dann hoffe ich die Muße zu finden, meine Geschichten noch einmal in aller Ruhe überarbeiten zu können.

@theunknownstarman2

Die (Natur-) Eindrücke, die du so ausführlich beschreibst machen aus den Buchstaben Bilder, die vor dem geistigen Auge ablaufen
Ein größeres Kompliment hättest du mir nicht machen können, denn genau das war meine Absicht. :engel:

Ich danke dir dafür

Gruß

Günter

 

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