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Das Glas der Erinnerung

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14.02.2018
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Das Glas der Erinnerung

Du kannst dich noch genau an den ersten Besuch des Professors erinnern. Er stand mit seinem weißen Schnurrbart, der grauen Tweedjacke und mit Keksen und Kaffee in seiner Hand vor der Tür deiner kleinen Studentenwohnung und bat um ein Gespräch. Etwas verwirrt bist du zur Seite getreten, während er sich an dir vorbeidrängte und auf deinem unaufgeräumten Tisch Platz schaffte, um seine Sachen abzustellen. Du hast dich zu ihm gesetzt und zugehört. Dein erster Fehler.
Er erzählte dir, dass er für ein Projekt, das ihm von der Regierung aufgetragen worden war, nach Assistenten suchte und Kollegen dich empfohlen hatten. Sofort sagtest du zu. Du hattest dich so geehrt gefühlt, dass er ausgerechnet dich um Hilfe bat. Noch bevor du wusstest, worum es sich genau bei dem Projekt handelte, hattest du allen deinen Freunden und deiner Familie von dieser riesigen Chance erzählt und konntest die wissenschaftliche Arbeit kaum erwarten. Seit Jahren hattest du von der Teilnahme an solchen Versuchsreihen geträumt. Du wolltest die Welt verändern, neue Entdeckungen machen, Leben retten. Du warst bereit, alles dafür zu geben. Dein zweiter Fehler.
Das Projekt begeisterte dich sofort. Ihr würdet die Wissenschaft revolutionieren und als Pioniere in die Geschichte eingehen. Fast jeden Tag verbrachtest du mit dem Professor und vier anderen Assistenten im Labor. Der Rest deines Lebens verschwimmt zu dieser Zeit in deiner Erinnerung. Da ist nur die Arbeit und die Faszination, mit der du dein Ziel verfolgt hast. Nichts im Leben schien dir mehr wichtig. Du wolltest schließlich Geschichte schreiben. Dein dritter Fehler.
Als der Professor euch Assistenten gefragt hat, ob einer von euch den Versuch beenden wollte, war die Luft im Raum von Bedeutsamkeit erfüllt. An diesen Moment würde sich die Menschheit noch in Jahrhunderten erinnern, hattest du damals gedacht. Jeder von euch bat darum, ausgewählt zu werden. Aber der Professor trug euch auf, die Entscheidung untereinander zu treffen. Also spieltet ihr Poker. Der Einsatz? Euer Leben. Nach einer langen Nacht im Labor warst du schließlich der Sieger. Dein vierter Fehler.
Deine Familie und deine Freunde flehten dich damals verzweifelt an, es nicht zu tun. „Genau so gut könntest du dich umbringen!“, hat deine Mutter dir eines Nachts verzweifelt entgegengeschrien. Bis heute verfolgt dich der Anblick deiner kleinen Schwester, die zusammengebrochen war, als sie das Ausmaß deiner Worte verstanden hatte, ihr fast noch kindliches Gesicht, verzerrt von Schmerz. Für Wochen durftest du sie danach nicht einmal in den Arm nehmen. Du weißt, sie hat dir verziehen. Bei jedem ihrer Besuche hat sie mit dir gesprochen und nach einigen Monaten war die Wut aus ihrer Stimme gewichen und ihre Gesichtszüge weicher geworden. Aber trotzdem hast du ihr den Menschen genommen, dessen Aufgabe es eigentlich war, auf sie aufzupassen.
Deine beste Freundin hat dich an jenem 9. November 2018 in deiner Wohnung eingeschlossen. Aber du bist einfach aus dem Fenster gestiegen. Auch sie hast du damals weinend zurückgelassen, als du sie endlich davon überzeugt hattest, von deiner Autohaube herunter zu steigen. Egal, wer sich dir in den Weg stellte und egal, wie sehr du diese Menschen mitnehmen wolltest in dein Abenteuer, nur um sie nicht verlassen zu müssen, du hattest deine Entscheidung getroffen. Sie alle wussten, dass du dabei warst, dein Leben zu beenden. Du dachtest, du würdest bloß auf die Pausetaste drücken. Überzeugt davon, das Richtige zu tun, bist du ins Labor gefahren. Du hast das mulmige Gefühl in deinem Magen ignoriert und dich in die gläserne Röhre gelegt, an der du so lange gearbeitet hattest. Dein letzter Fehler.
Und jetzt liegst du immer noch hier. Du weißt nicht mehr, wie lange schon. Aber du glaubst, dass es Jahrzehnte her ist, dass sich zuletzt ein bekanntes Gesicht über dich gebeugt hat. Vielleicht noch 150 Jahre, hoffst du.
Nachdem der Professor die von dir zurechtgelegten Spritzen in deine Haut gebohrt hatte, bekamst du immer noch alles um dich herum mit. Aber du hast dir keine Sorgen gemacht. Das wird schon noch kommen, hast du dir gesagt. Die Spritzen wirken sicher bloß langsamer als erwartet.
Als sie dich mit der glasklaren Flüssigkeit, die deinem Körper ewige Jugend schenken sollten, übergossen und du immer noch bei vollem Bewusstsein warst, hast du begonnen, dir Sorgen zu machen. Du hast gehofft, dass du vielleicht erst einschlafen musstest, aber tief in dir wusstest du schon damals, was sich in den folgenden Tagen bestätigte: Ihr hattet einen Fehler gemacht.
Ja, du wirst der erste Mensch sein, den die Wissenschaft für 250 Jahre konservieren konnte. Aber wenn du aus deinem gläsernen Gefängnis befreit werden wirst, wenn Wissenschaftler einer neuen Welt die Spritzen, die neben dir in deiner Röhre liegen, in deine Stirn stechen, wenn du endlich aus diesem Albtraum aufwachen darfst - dann wirst du kein Mensch mehr sein.
Sicher, deine menschliche Hülle mag bestehen - wenn auch als Überbleibsel einer anderen Zeit. Aber in dir herrscht Chaos. Du hast jegliche Maßstäbe verloren. Zeit scheint dir ein abstraktes Konzept zu sein. Namen, Beziehungen und Moral hast du schon lange vergessen. Du weißt nicht mehr, was Gefühle sind. Du bist kein Teil der Gesellschaft mehr. Außer dir selbst hat seit Jahren niemand mehr das Wort an dich gerichtet. Die Besuche von Wissenschaftlern, Nachfahren und sonstigen Interessenten werden weniger. Da bist nur du, allein im ewigen Nichts. Und was wirst du sein, wenn du aufwachst?
Kein Pionier, kein Held, keiner, durch dessen Adern die Zukunft fließt.
Ein Verrückter, ein unzivilisiertes Überbleibsel längst überholter Wissenschaften.
Nichts anderes als ein gescheitertes Experiment.

 

Hallo, Alicia12

Deine Idee finde ich eigentlich richtig gut. Du konservierst einen Menschen über Jahrhunderte, lässt ihn aber am Leben bleiben und machst Dir Gedanken, was aus ihm werden wird, wenn er erwacht.

Ein Verrückter, ein unzivilisiertes Überbleibsel längst überholter Wissenschaften. Nichts anderes als ein gescheitertes Experiment.

Gerade diese Stelle fand ich außergewöhnlich erhellend. Das ist ein origineller Gedanke. Alles, was wir weit für die Zukunft planen, muss in dieser Zukunft veraltet sein, nicht wahr?

Aber ... Darüber schreibst Du fast gar nicht. Das ist der letzte Absatz. Eigentlich geht es um einen Menschen, der sich auf ein verrücktes Experiment einlässt, weil er glaubt, unsterblich werden zu können. Du beschreibst, wie er sich allen Konflikten mit seinen verzweifelten Mitmenschen wiedersetzt. Was das Problem ist? Dein Prot bleibt mir völlig fremd.

Das mag an der eigenwilligen Du-Perspektive liegen. Mir persönlich gefällt das ja überhaupt nicht. Es kann sein, dass Du das den Umständen entsprechend gut umgesetzt hast, aber ich mag es nicht, wenn mir ein Erzähler irgendwelche Erfahrungen aufdrängt - weil ich mich vielleicht völlig anders verhalten hätte.

Was aber ein wesentliches Problem ist, ist, dass Dein Prot überhaupt keine Emotionen hat. Es passiert alles Mögliche:

Nachdem er dir erzählt hatte, das er für ein Projekt, dass ihm von der Regierung aufgetragen worden war, nach Assistenten suchte und auf Empfehlung von Kollegen hin, gerne mit dir zusammenarbeiten wollte, sagtest du sofort begeistert zu. Noch bevor du wusstest, worum es sich bei dem Projekt handelte, hattest du deiner Familie allen deinen Freunden und deiner Familie begeistert von dieser riesigen Chance erzählt und konntest die wissenschaftliche Arbeit kaum erwarten. Du liebtest die Biologie und warst bereit, alles dafür zu tun.

An dieser Stelle kann ich das Problem, das ich habe, ganz gut verdeutlichen, denke ich. Erstmal ist "begeistert" natürlich eine Wortwiederholung. Zweitens sagst Du das einfach nur. Ich fühle dabei überhaupt nichts. Dein Charakter tut alles Mögliche, aber er fühlt dabei nicht wirklich was. Zeig uns mehr Begeisterung: Wie sprudelnd schnell gesprochen wird, wie er nachts nicht schlafen kann, wie er sich nur noch damit beschäftigt, wie seine Gedanken nur noch um dieses Thema kreisen. So handelst Du das blitzschnell ab. Und was soll das heißen, dein Prot liebt die Biologie? Ich hasse Biologie, aber das sagt überhaupt nichts darüber aus, inwieweit ich für das Projekt qualifiziert wäre. Hat Dein Prot studiert? "Liebe" klingt so ein bisschen nach Hobby. Was genau macht die Liebe Deines Prots aus? Liebe ist ein starkes Gefühl, aber das zieht hier so vorbei.

Deine Familie und deine Freunde flehten dich damals regelrecht an, es nicht zu tun. „Genau so gut könntest du dich umbringen.“ hat deine Mutter dir eines Nachts verzweifelt entgegengeschrien. Bis heute verfolgt dich der Anblick deiner kleinen Schwester, die zusammengebrochen ist, als sie das Ausmaß deiner Worte verstanden hat, ihr fast noch kindliches Gesicht, verzerrt von Schmerz. Für Wochen durftest du sie danach nicht einmal berühren. Du weißt, sie hat dir verziehen. Bei jedem ihrer Besuche hat sie mit dir gesprochen und nach einigen Jahren war die Wut aus ihrer Stimme gewichen und ihre Gewichtszüge weicher geworden. Aber hast du ihr den Menschen genommen, dessen Aufgabe es eigentlich war, auf sie aufzupassen.

Diesen Absatz finde ich gar nicht schlecht, aber hier zeigt sich ein anderes Problem. Erstmal hat sich hier natürlich ein Fehler eingeschlichen. Nach wörtlicher Rede werden innerhalb von ihr keine Punkte gesetzt, und es folgt ein Komma vor dem Begleitsatz:

"Genauso gut könntest du dich umbringen", hat deine Mutter ...

Hier zeigst Du die Verzweiflung der Verwandtschaft. Das erste Problem: Ich habe keine Ahnung, wie der Prot sich dabei fühlt. Ich fühle schon alles Mögliche, wenn mein Vater nur sagt: "Diesen unbezahlten, lausigen Kino-Job solltest du nicht machen." Wenn er dabei heult und schreit, ich würde sterben ... Holla! Da wäre doch auch bei mir emotional einiges los. Bei Deinem Prot aber gar nicht. Komisch.

Das zweite Problem: Du hast Geheimnisse vor Deinem Leser. Der Sinn des Experiments und der Grund, aus dem alle so ausrasten, wird erst ganz am Ende klar. Das würde ich lassen. Meine Involviertheit war deutlich erhöht, als ich die Geschichte zum zweiten Mal gelesen habe, weil ich wusste, worum es geht. Durch Geheimnisse raubst Du Dir immer Teile der Inszenierung.

Also, ich denke, Du musst Dich entscheiden, ob Du über die Überwindung entgegen den Sorgen anderer schreiben willst - und dann mehr Emotionen rausstellen - oder über das Herumliegen im Kasten. Auch das könnte interessant sein. Momentan machst Du beides, aber das ist mehr so nichts Halbes und nichts Ganzes. An beiden Enden fehlt etwas, das wichtig wäre, damit ich mit Deinem Prot mitfiebern kann.

Ich hoffe, ich habe Dich nicht abgeschreckt. Generell sehe ich hier großes Potential. Du hast eine gute Idee, und wie Du die Emotionen der Familie beschreibst, lässt mich glauben, dass Du dies auch für Deinen Prot machen könntest. Der braucht einfach noch etwas mehr Aufmerksamkeit. Wie gesagt, ich glaube, das ist ein bisschen symptomatisch für die Du-Perspektive. Davon würde ich an Deiner Stelle mich befreien. Nicht lockerlassen!

Hau in die Tasten!

Viele Grüße,
Maria

 
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Hallo Alicia12

Willkommen bei den Wortkriegern!

Er stand mit einer Thermoskanne Kaffe, seinem weißen Schnurrbart und einer grauen Tweedjacke vor der Tür deiner kleinen Wohnung und bat um ein Gespräch.

Kaffee. Der Satz klingt seltsam, als würde der Professor seinen Schnurrbart in der Hand tragen. Ist es wichtig, dass die Wohnung klein ist? Das ist ein ziemlich nichtssagendes Adjektiv.

Nachdem er dir erzählt hatte, das er für ein Projekt, dass ihm von der Regierung aufgetragen worden war, nach Assistenten suchte und auf Empfehlung von Kollegen hin, gerne mit dir zusammenarbeiten wollte, sagtest du sofort begeistert zu.

Dass, das. Der Satz ist etwas lang geraten, das liest sich zäh und sperrig. Vorschlag: Er erzählte dir, er arbeite für ein Projekt, das ihm von der Regierung aufgetragen worden sei. Nun suche er nach Assistenten und du seist ihm empfohlen worden. Du warst geschmeichelt und hast sofort zugesagt. Dein erster Fehler.

Noch bevor du wusstest, worum es sich bei dem Projekt handelte, hattest du deiner Familie allen deinen Freunden und deiner Familie begeistert von dieser riesigen Chance erzählt

Zweimal Familie.

Deine Familie und deine Freunde flehten dich damals regelrecht an, es nicht zu tun.

Achte auf Füllwörter. Weder «damals» noch « regelrecht» bieten dem Leser hier eine neue Information.

Wut aus ihrer Stimme gewichen und ihre Gewichtszüge weicher geworden. Aber hast du ihr den Menschen genommen, dessen Aufgabe es eigentlich war, auf sie aufzupassen.

Gesichtszüge. Du hast.

Deine beste Freundin hat dich an jenem 9. November 2018 in deiner Wohnung eingeschlossen. Aber du hast einfach ein Seil aus dem Fenster im ersten Stock gehangen und bist hinunter geklettert.

Weshalb ist das Datum wichtig? Gehängt.

Als du, nachdem der Professor die Spritzen, die du vorher zurechtgelegt hattest, in deine Haut gebohrt hatte und merktest, dass du dich nicht mehr bewegen konntest, aber noch alles um dich herum mitbekommen hast, hast du dir zuerst keine Sorgen gemacht.

Wenn man alle Nebensätze entfernt, bleibt: «Als du hast du dir keine Sorgen gemacht» übrig. Auch in der Mitte stimmt was nicht («und merktest», da fehlt ein «du»).

Ich finde die Idee ganz hübsch, ja auch ein wenig gruselig. Blöd ist halt, dass es ja reale Fälle gibt (Locked-In-Syndrom, beschrieben z.B. in «Schmetterling und Taucherglocke»), auch Fälle, wo die Aussenstehenden nicht begriffen haben, dass der vermeintliche Koma-Patient bei Bewusstsein ist. Also die Realität hat deinen Science-Fiction-Text quasi längst eingeholt. In deiner Variante ist aber die Dauer länger, das macht die Sache zumindest etwas dramatischer.

Ich habe nicht ganz verstanden, weshalb du die Du-Form wählst. Falls der Grund der ist, dass sich der Leser eher identifiziert, dann behaupte ich mal, dass genau das Gegenteil der Fall ist – interessanterweise. Leser identifizieren sich eher mit einer Figur als wenn sie in eine Geschichte «gestossen werden», von der sie wissen, dass es nicht ihre ist.
Zusätzlich stellt sich bei dieser Geschichte das Problem, das nicht klar ist, wer überhaupt spricht. Die kleine Schwester?

Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass etwa zwei Drittel des Textes davon handeln, wie ich endlich in diesen Tank komme. Ich weiss bloss, die anderen sind dagegen, es wird von «Fehlern» gesprochen, das wirkt alles etwas obskur. [Edit: Ich habe jetzt noch Marias Kommentar gelesen und ich finde die Formulierung: «Vor dem Leser Geheimnisse haben» bringt es gut auf den Punkt.]
Ich ahne zwar, worauf die Sache hinausläuft, aber so richtig konfliktträchtig ist das nicht. Als Leser bin ich ziemlich ungeduldig geworden.

Und dann, wenn es richtig spannend wird, im Tank, da bleibst du in der Beschreibung oberflächlich. Ist halt auch eine grosse Herausforderung, die Hauptfigur liegt im Tank und kann nicht handeln. Figuren, die alleine sind und nicht interagieren können, sind unglaublich schwierig darzustellen. Ich würde mir nicht zutrauen, über so etwas zu schreiben, ohne es selbst erlebt zu haben.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Liebe Maria,

erstmal ein riesiges Dankeschön für diese lange Kritik, megacool!
Viele von den Sachen, die du erwähnt hast, konnte ich auf jeden Fall wirklich gut einarbeiten, was unheimlich hilfreich war.
Und ich glaube, einige der Fragen hätten sich von selbst geklärt, wäre ich mal so schlau gewesen, sofort die aktuelle Version anstatt der ersten hochzuladen, sorry...
Erstmal die Struktur, weil ich den Aufbau über Geheimnisse eigentlich unheimlich gerne nutze und mich deswegen (also natürlich, falls du Lust hast, zu antworten, du warst ja schon unheimlich hilfreich) frage, ob du meinst, dass dich das in anderer Form mehr ansprechen würde, weil ich eigentlich versucht habe, hier einen Spannungsbogen darüber aufzubauen, der aber offensichtlich nicht funktioniert wie geplant - ist es grundsätzlich das Geheimnis oder meinst du, es würde dich in anderer Form vielleicht auch ansprechen?
Die Du-Perspektive habe ich halt gewählt, weil er mit sich selbst redet, weil er längst verrückt geworden ist, darum würde ich dabei bleiben. Und auch die Emotionslosigkeit würde ich eigentlich ebenfalls beibehalten, weil er ja sagt, dass er Gefühle, Emotionen, ... vergessen hat und ich darum versuche, ihm genau diese menschliche Komponente zu nehmen, aber zumindest teilweise habe ich das jetzt nochmal eingestreut und leere Wörter gelöscht, vielleicht funktioniert das so besser.
Beim Aufbau werde ich auf jeden Fall nochmal überlegen, weil ich das halt mit dem Weg zur aktuellen Situation und dann die Situation inklusive Ahamoment strukturiert hatte, aber das scheint nicht ganz rüberzukommen, da schaue ich mich mal nach einer Alternative um :)
Vielen, vielen Dank auf jeden Fall!

Alicia

 

Hallo, Alicia12

Ich sehe ehrlich gesagt keinen großen Unterschied der neuen Version zur zweiten. Deshalb möchte ich auf Deinen Kommentar nochmal antworten. Ich mag es ja zu sehen, wie Texte wachsen. :)

ist es grundsätzlich das Geheimnis oder meinst du, es würde dich in anderer Form vielleicht auch ansprechen?

Das Problem ist, dass ich wirklich gar nicht weiß, worum es geht. Viel besser wäre es, Du würdest mir eine Idee geben, mich rätseln lassen. Letztens habe ich hier eine Geschichte lesen, wo ich plötzlich total überzeugt davon war, dass demnächst eine Bombe hochgeht - nicht sprichwörtlich. Das hat mich am Ball bleiben lassen und mich sehr begeistert, als dann doch etwas anderes passiert ist.

Das Geheimnis brauchst Du eigentlich nur für eine plötzliche Wendung. Das Problem ist, dass wir uns nicht wenden können, wenn wir vorher in gar keine Richtung unterwegs waren. Bestenfalls führst Du mich in eine Richtung, auf die ich voll gespannt bin, und dann zeigst Du plötzlich ganz woanders hin. Momentan trete ich so ein bisschen auf die Stelle, weiß nicht, wohin, und am Ende sagst Du mir dann, wohin. Das ist nicht überraschend, nur lahm.

Das Geheimnis vor dem Leser hat auch zur Folge, dass man häufig um den heißen Brei herumreden muss, Dinge nicht genau aussprechen kann - und ich mich deshalb nicht in die Situation hineinversetzen kann. Weil ich die Situation überhaupt nicht kenne. Um es mit Deiner Struktur auszudrücken: Das ist der erste Stein, den Du Dir selbst in den Weg legst.

Die Du-Perspektive habe ich halt gewählt, weil er mit sich selbst redet, weil er längst verrückt geworden ist, darum würde ich dabei bleiben.

Schwierig, aber möglich. Peeperkorn meinte ja, dass die Du-Perspektive schwierig ist, weil unklar ist, wer erzählt. Du sagst hier, dass der Du-Erzähler selbst erzählt. Das geht aus der Geschichte aber nicht hervor. Das musst Du irgendwie deutlich machen. Einfacher wäre es, der Prot würde in Ich-Form mit sich selbst reden - so wie jeder normale Mensch. Das ist der zweite Stein, den Du Dir in den Weg legst.

Und auch die Emotionslosigkeit würde ich eigentlich ebenfalls beibehalten, weil er ja sagt, dass er Gefühle, Emotionen, ... vergessen hat und ich darum versuche, ihm genau diese menschliche Komponente zu nehmen,

Hui. Hui. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Wie soll ich mit jemandem mitfühlen, der nicht fühlt? Menschen, die innerlich leer sind, empfinden am Ende meistens auch extremes Leid - dies ist ein häufiges Phänomen bei Depressionen. Wenn Du Deine Emotionen verlierst, wirst Du Dich quälen. Aus rein menschlicher Sicht finde ich es deshalb fragwürdig. Aus erzählerischer Sicht noch viel fragwürdiger, weil es so noch schwieriger wird, Deinen Leser zu involvieren. Das ist der dritte Stein, den Du Dir in den Weg legst.

Du machst es Dir verdammt schwer. Ich glaube eigentlich nicht, dass das notwendig ist, um eine gute Geschichte zu schreiben. Ich sehe, dass Du Dir viele Gedanken auch ums Handwerkszeug machst, und deshalb tut es mir auch leid, das zu sagen. Es so hinzukriegen, wie Du es Dir wünschst, wird schwierig - nicht unmöglich! Du könntest die Geschichte deutlich besser machen, wenn Du ein paar Dinge erstmal über Bord wirfst. Wäre meine ausdrückliche Empfehlung.

Ich hoffe, ich konnte Dir helfen.

Viele Grüße,
Maria

 
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Seit Jahren hattest du von der Teilnahme an solchen Versuchsreihen geträumt. Du wolltest die Welt verändern, neue Entdeckungen machen, Leben retten. Du warst bereit, alles dafür zu geben. Dein zweiter Fehler.

Schön geschrieben

Hallo Alicia12,

auch ich heiße dich hier im Forum willkommen.

Zu allererst möchte ich dir sagen, dass mir deine kleine Geschichte wirklich gut gefallen hat. Du hattest eine gute Idee und bist alles Andere als unfähig im Formulieren von Texten. Eine gute Basis auf der du aufbauen kannst.

Im Gegensatz zu den anderen Kommentatoren dort oben, gefiel mir die Erzählperspektive ganz gut. Zum einen, wie ich vermute, weil ich mich nicht erinnern kann hier einen Text in diesem Stil gelesen zu haben - ergo ist es mal etwas Anderes - zum anderen, weil ich mich sofort damit abgefunden habe, dass es eine Art "innere Stimme" ist, die mit deinem Prota redet. Mir kam es so vor, als wäre es das eigene Gewissen, dass deiner Figur in der langen Zeit des "Vegetierens" die eigenen Fehler vorwirft, ihr vor Augen führt, wie katastrophal sich ihr Verhalten auf sie selbst und vor allem auf das Leben ihrer Liebsten ausgewirkt hat. Nichts als eine logische Konsequenz, die sich ergibt, wenn ein Mensch zu viel Zeit mit seinen eigenen Gedanken in alleiniger Abschottung verbringt. Man beginnt automatisch an seinen Zweifeln zu nagen.

Wobei ich meinen Vorrednern jedoch zustimmen muss, ist die fehlende Emotionalität in deiner Geschichte. Du beschreibst zwar oberflächlich was passiert, lässt deine Figur aber Gefühle, die in solchen Situationen entstehen, nicht ausleben. So kann ich als Leser zwar erahnen, wie die Figur gerade fühlen muss, aber es dringt nicht nah genug zu mir durch, weil mir keine Zeit bleibt mich mit Vermutungen auseinander zu setzen, die nicht in deinem Text stehen. Dazu werde ich zu schnell in die nächste Szene weiter getrieben. Würdest du die Gefühlsausbrüche jedoch ausführlicher beschreiben, hätte der Leser die Möglichkeit sich mit der Situation besser zu identifizieren.

Aber: Von mir bekommst du erstmal ein Lob, denn ich hab deine Geschichte gerne gelesen und wurde gut unterhalten. Danke dafür.


Gruß

Dave

 

Hallo Alicia12,

Deine Geschichte ist auf jeden Fall spannend und mir gefallen das Bild mit der Freundin, die verzweifelt auf der Motorhaube sitzt. Sehr schön.

Ich würde mir das Feedback von TeddyMaria und Peeperkorn auf jeden Fall zu Herzen nehmen. Ähnliches habe ich auch gedacht.

Zu der verwendeten zweiten Person habe ich folgende Meinung: Die ganze Geschichte wird sehr lebendig dadurch, das ist schön, aber ehrlich gesagt klingt es nach einem erhobenen Zeigefinger von woher auch immer, der dem Protagonisten gerade erzählt, was er für ein Piepenheini er doch ist und was er nicht alles falsch gemacht hat und ihm schlechtes Gewissen einreden will. Ich bin ehrlich gesagt nicht darauf gekommen, daß er zu sich selber spricht, aber spannend fand ich es schon.

Dann stört mich ein bißchen, daß von fünf Fehlern gesprochen wird. Im Prinzip macht er bei all diesen Fehlern nur eines: Seinen Lebenstraum verwirklichen. Daß er die Verfolgung dieses fragwürdigen Traumes antritt, ist sicherlich ein Fehler. Daß er bei der Verfolgung seines Zieles sein soziales Umfeld vernichtigt, ist sicher auch ein Fehler. Auch, daß er sich als Versuchskaninchen preisgibt, ist ein Fehler. Aber die einzelnen Arbeitsschritte sind eigentlich nur die praktische Verfolgung seines Traumes und separat nicht als Fehler zu betrachten.

Seit Jahren hattest du von der Teilnahme an solchen Versuchsreihen geträumt. Du wolltest die Welt verändern, neue Entdeckungen machen, Leben retten. Du warst bereit, alles dafür zu geben.

Des Weiteren hat offenbar eine Hundertachtziggradwendung der Persönlichkeit des Protagonisten, während er im Glasrohr herumliegt. Vorher nämlich ist er bereit „alles dafür zu geben“, doch als er merkt, daß irgendwas nicht so ganz gefluppt hat, ist er auf einmal in einen Zustand der Reue gekommen und ist im nachhinein doch nicht bereit „alles dafür zu geben.“ Diese Charakterwandlung ist leider nicht sehr deutlich hervorgekommen und wäre auf jeden Fall sehr interessant als Leser zu erfahren. Daß bei der ganzen Geschichte ein gewisses Risiko dabei ist, war ihm sicher bewußt und das ist er auch eingegangen, aber was brachte ihn dazu, doch nicht mehr bereit zu sein einen „Heldentod“ für die Menschheit zu sterben?

Also spieltet ihr Poker. Der Einsatz? Euer Leben.

Würde das nicht bedeuten, daß wenn jemand seinen ganzen Einsatz verlor, auch sein Leben verlor, es aber eigentlich ja andersherum ist? Wenn jemand seinen Einsatz verliert darf er nicht sterben, oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Zu guter Letzt verstehe ich den Titel nicht. Klar er sitzt im Glas und erinnert sich, aber macht es das zu einem Glas der Erinnerung? Er ist doch in der ganzen Geschichte in sich versunken und das Glas ist nicht wirklich entscheidend, es ist einfach nur sein Lebensraum. Ob er sich jetzt in einer Glas- oder Aluminiumhülle oder gar in gar keiner befindet, ist doch Jacke wie Hose, oder nicht?

Puh! Das war jetzt aber viel Kritik. Was Du mir aber glauben kannst ist, daß es mir viel Spaß gemacht hat, Deine Geschichte zu lesen.

Viele Grüße,
Theodor

 

Hallo Alicia12,

Mir hat die Geschichte gut gefallen. Besonders die Erzählperspektive finde ich interessant.
Am Anfang wirkt sie etwas ungewöhnlich, aber zum Ende erklärt sich wieso.

Eine Ich-Perspektive ist hinderlich, weil die Person mit niemanden anderen sprechen kann. Durch die Du-Perspektive wird der Eindruck eines Selbstgespräches erweckt, was nach 100+ Jahren völliger Einsamkeit nicht so selten sein sollte. Außerdem wird der Leser in eine Rolle innerhalb der Geschichte gelenkt. Das mag ich.

Zwei Dinge würde ich evt. ändern.
Zum einen:

Als der Professor euch Assistenten gefragt hat, ob einer von euch den Versuch beenden wollte, war die Luft im Raum von Bedeutsamkeit erfüllt.

Es mag eine Kleinigkeit sein, aber beginnt der eigentliche Versuch nicht erst mit diesem Schritt?

Ansonsten wist du zum Ende sehr schnell mti deinen Erklärungen. Ich hätte versucht mir mehr Zeit zu nehmen zu erklären, was zweihundertfünfzig Jahre völlige Einsamkeit bedeuten bei klaren Verstand bedeuten. Die psychischen und emotionalen Qualen, die man dabei entwickelt, der Wahnsninn, das Gefühl sich zu Tode zu Denken und dabei völlig allein zu sein.

So lässt du den Höhepunkt der Geschichte etwas verstreichen.

Ansonsten gute Arbeit

Mit Gruß
Nikopolidis

 

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