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Das Glück

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31.01.2004
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Das Glück

Das Glück ist ein Rindvieh...

Das Glück...

ist ein Rindvieh und sucht seinesgleichen...

Das fällt mir spontan ein... zum Thema "Glück"

Es war einer der Lieblingssprüche meiner Oma. Und meine Oma war eine sehr lustige Frau. Und meine Oma hatte viele sinnige und unsinnige Sprüche drauf. Und ich mag diese sinnigen und unsinnigen Sprüche. Zugegeben, die unsinnigen mag ich mehr, weil diese kleinen lustigen Dinger so schöne Lückenfüller für unangenehme, ernste und peinliche Situationen sein können.

Ich möchte nun nicht an den allseits bekannten und immer wieder gerne diskutierten Allerweltsthemen festhalten. Ich möchte nicht über den nicht vorhandenen Weltfrieden nachdenken, an das Elend in den Entwicklungsländern, nicht an unsere Atomkraftwerke und erst recht nicht an unsere verlogenen und verfressenen Politiker. Nicht an unsere tollen Benzinpreise und an unsere verseuchten Lebensmittel dreimal nicht. Nein, nein, nein, ich will in meiner kleinen Kiste sitzen und mich über mein kleines unwichtiges Leben freuen!

Auf unserem Globus gab es schon immer Probleme und die wird es auch weiterhin geben. Gäbe es diese nicht, könnten wir keine Geschichten mehr über das GLÜCK schreiben... und mit etwas Glück...
wildfremde Leute dazu zu bringen, diese zu lesen.

Würde mich freuen, wenn ich ein kleines Schmunzeln auf deren Gesichter zaubern kann. Da käme sogar so eine kleine Glücksinsel in mir auf, auf dieser ich in der Sonne liege, den Kopf natürlich im Schatten, im Schatten einer schön gewachsenen Palme, die sich sanft und raschelnd über mir im warmen Sommerwind bewegt. So ein kleiner leckerer Cocktail mit Kirsche und Zuckerrand am Glas, würde das ganze noch abrunden... *träum...

Ich lebe bewusst und erfreue mich an meinen lieben kleinen Glücklichmachern, die mich in meinem Alltag begleiten.
Das beginnt schon am frühen Morgen, sobald mein Wecker klingelt. Ich freue mich sehr, wenn ich diesen lieblichen Klang höre und es schaffe ihn auszuschalten ohne mich mürrisch umzudrehen und wieder einmal gnadenlos zu verpennen. Wenn dann noch die Sonne scheint und ich am Vorabend daran gedacht habe die Zeitschaltuhr an meiner Kaffeemaschine zu aktivieren, so dass ich mir den frisch aufgebrühten Kaffee nur einzuschenken brauche und mir dann noch unerwartet einfällt: Hoppla, heute ist ja Freitag, da kann ich ein echtes Plus auf meinem kleinen Glückskonto verbuchen.
Na ja wie schon erwähnt, was jucken mich die Allerweltsprobleme... ich liebe meine kleine Kiste...

Die Definition vom Glück sei jedem selbst überlassen. Ich werde es mir nicht herausnehmen den dicken Mercedes meiner Nachbarn auf deren Glückskonto zu verbuchen. Der Mann lacht nicht wenn er morgens in das Auto einsteigt. Vielleicht ist er sogar sehr unglücklich darüber das er alle zwei Jahre so ein Teil von seiner Firma bekommt. Manche Leute haben aber auch ein Pech...

Aber wie jetzt schon zweimal erwähnt, was juckt es mich? Ich bin glücklich über meine kleine Kiste und mache es mir darin gemütlich...und denke ein wenig über mein eigenes, geheimes, kleines und großes Glück nach...


Ich war ein sehr lebhaftes Kind und meine Erziehung muss für meine Eltern eine echte Herausforderung gewesen sein. Ich redete und handelte oft unaufgefordert. Wurde ich
jedoch gebeten etwas zu sagen oder zu tun, hatte ich meistens keine Lust dazu. Ich stand gerne im Mittelpunkt und um meinem Drang entgegenzukommen machten mir
meine Eltern an irgendeinem Weihnachtsfest spontan den Vorschlag, etwas auf meiner Flöte vorzutragen. Solche Mittelpunkte konnte ich aber überhaupt nicht leiden und dieser Unmut wurde sofort durch eindeutige Gesten und Augenaufschläge zum Ausdruck gebracht. Ich quälte genervt eine halbe Strophe aus dem Instrument und man verzichtete schnell und enttäuscht auf den Rest. Eine große Erleichterung überkam mich und ich konnte mich endlich auf das auspacken der bunten Päckchen konzentrieren. Mein kleinkindliches Glück war wieder perfekt.

Pünktlich mit sechs Jahren wurde ich eingeschult. Ich freute mich sehr über meine supertolle, bunte, prall gefüllte Schultüte und war voller guter Vorsätze. Stolz und glücklich schenkte ich dem Fotografen mein schönstes Zahnlückenlächeln.

Meine Lehrerin war eigentlich ganz nett, aber es gab Dinge die sie nicht mochte und ich hatte das Glück diese schnell herauszufinden. Mir fiel es schwer still zu sitzen und nicht mit meinem Stuhl zu schaukeln. Ich saß direkt neben einem der vielen Fenster und konnte bequem die Spatzen beobachten, die sich eifrig um mein Pausenbrot stritten, welches ich ihnen ab und zu hinlegte. Meine Lehrerin ermahnte mich freundlich an die Tafel zu schauen und bat mich, die von ihr aufgemalten Äpfel zu addieren. Ich hatte es irgendwie geahnt und konnte die Aufgabe schnell, anhand der Anzahl der Spatzen ausrechnen. So war ich in der Lage, ihr sofort das Ergebnis mitzuteilen, ohne auf die Tafel zu schauen. Sie war verblüfft über meine korrekte Antwort und ich muss heute noch über meinen damaligen Glückstreffer schmunzeln.

Die Grundschulzeit ging ohne größere Pannen vorüber, meine Leistungen lagen im oberen Bereich und meine Lehrerin empfahl mich für die Realschule. Meine Vorliebe für Schaukelstühle und mein Spatzenbeobachtungszwang ersparten mir anscheinend das Gymnasium, was mich nicht unglücklich machte. Meine Eltern machten auch einen ausgeglichenen Eindruck, somit war mein damaliges Schulkindglück perfekt.

Gleich am ersten Tag hatte ich das Gefühl in einer Schule für humorlose gelandet zu sein. Ich sehe heute noch den Direktor vor mir, seine Eltern haben bestimmt eine Fabrik für Sauerkonserven.

Ich habe den Mann nie lachen sehen. Der gefiel mir nicht und ich beschloss, ihm in den nächsten 6 Jahren, so gut es ging aus dem Weg zu gehen.

Am zweiten Tag war mir klar das hier stillsitzen und nicht laut lachen angesagt war. Einen Fensterplatz hatte ich zu allem Elend auch nicht. Somit war ich gezwungen anstatt der Spatzen meine Mitschüler zu beobachten. Einige kannte ich ja schon und der Rest schien mir auch ganz nett zu sein.

Ich interessierte mich fortan sehr für meine Mitschüler und meine Neugierde konnte in den viel zu kurzen Pausen, keinesfalls befriedigt werden. Meine Nachforschungen und Privatgespräche wurden teilweise zum Inhalt meiner Unterrichtsstunden. Das ging nicht spurlos an meinen Lehrern vorbei und ich wurde erwischt als ich gerade ein mir zugeworfenes Zettelchen lesen wollte. Das lesen des Inhaltes übernahm freundlicherweise mein damaliger Klassen- und Mathematiklehrer, dessen Name ich hier aus taktvoller Rücksichtnahme weglasse. An den genauen Wortlaut der Luftpost kann ich mich nicht mehr erinnern aber einen mathematischen Inhalt hatte sie auf keinen Fall.
Ich habe allen Ernstes meinem Lehrer erklärt das einige Mitschüler diverse Probleme haben, deren Inhalt ich natürlich vertraulich behandeln muss und ich mich in einer misslichen Lage befinde, die es mir schwer macht mich auf meinen Unterrichtsstoff zu konzentrieren.
Der Lehrer hatte Stil. Ich weiß bis heute nicht ob er mir diese Ausrede geglaubt hat oder ob er mich durchschaute und mir eins auswischen wollte. Er ernannte mich zur Klassensprecherin und Vertrauensschülerin. Diese Beförderung verursachte einen enormen Glücksrausch in mir.
Ich sah mich in Gedanken in einem nett möblierten Büro sitzen mit einem Sprechzeitenschild an der Tür. Aber jeder Glücksrausch geht vorbei und es wurde beschlossen das ich meinen neu erworbenen Posten ehrenamtlich und in meiner Freizeit ausüben soll. Mein Lehrer merkte dann noch an, das ich wohl besonders religiös sei...
Ich weiß auch in diesem Fall, bis heute nicht, wie er das gemeint haben könnte. Ich interpretierte diese Aussage dahingehend das eine gewisse Scheinheiligkeit zu der Ausübung meines neuen Amtes kein Nachteil ist.
Ich konnte seine ironische Art überhaupt nicht leiden.
Egal, ich hatte nun eine sinnvolle Aufgabe und das machte mich glücklich.

Der Tag unserer jährlichen Klassenfahrt rückte näher und ich wurde an der Planung beteiligt. Ich durfte das Geld für den Ausflug einsammeln was sich als gar nicht so einfach herauskristallisierte. Einige meiner Mitschüler klagten über finanzielle Engpässe in der Familie. Mir taten die Klassenkameraden leid und ich hatte ein schlechtes Gewissen den vollen Betrag zu kassieren.
Die von meinem Lehrer geforderte Summe stimmte natürlich nicht mit meiner Sammlung überein und ich informierte ihn ganz beiläufig über meine spontan getroffene Entscheidung: ...Jeder zahlt nur das was er kann...

Seinem Gesichtsausdruck entnahm ich das wir da unterschiedliche Ansichten hatten. Ich wurde angewiesen die fehlenden Beträge nachzukassieren. Ich war aber so schlau mir nicht zu notieren wer mir welchen Betrag wann bezahlt hatte. Ich habe in Anbetracht meiner Schussligkeit, damit gerechnet diesen Zettel zu verlieren. Weiter wollte ich auch die Anonymität meiner minderbemittelten Mitschüler wahren. Trotz mathematischer Höchstleistungen kam ich nicht auf die geforderte Summe. Ich musste feststellen das ich mir ein sattes Eigentor geschossen hatte und die ganze Aktion ließ mich in den nächsten Nächten nicht sonderlich gut schlafen. Mir war es äußerst unangenehm meinen Mitschülern zu erklären das sie mir nun doch den vollen Betrag bezahlen müssten. Erschwerend kam noch hinzu das ich von meinen angeblichen Freunden anscheinend übers Ohr gehauen wurde. Ich hatte immer noch eine Differenz. Diese würde ich wohl oder übel von meinem nicht gerade üppigen Taschengeld ausgleichen müssen.

Enttäuscht beschloss ich meine kurze Amtszeit zu beenden und gab öffentlich meinen Rücktritt bekannt. Die Erkenntnis das man durch solche Pannen nicht blöder wird und die Freude, endlich wieder ruhig schlafen zu können, machte mich sehr glücklich.

Allerdings sollte dieser Zustand nur von ganz kurzer Dauer sein. Mein Notenschnitt lag irgendwo zwischen ausreichend und mangelhaft und nun raubte mir diese Tatsache meine wohlverdiente Nachtruhe. Meine Einträge im Klassenbuch die ich für diverse freche verbale Höchstleistungen meinen Lehrern gegenüber erworben hatte, sind fast Schulrekordverdächtig . Ein paar Wochen vor den Ferien wurde mir schmerzlich bewusst das ich das Klassenziel nicht erreichen werde. Ich blieb sitzen und war trotz allem glücklich darüber, den ironischen Klassenlehrer fürs nächste Jahr abhaken zu dürfen. Er bestimmt auch, er machte jedenfalls einen erleichterten Eindruck.

Meine Eltern hingegen belastete es doch sehr das Ihre älteste Tochter das alles nicht so ernst nehmen wollte. Ich wies vorsichtig darauf hin das die bereits vorhandenen Schulbücher nochmals in den Einsatz kommen und meine Faulheit zumindest keine Kosten verursacht hat.

Ich hatte mich relativ schnell mit dieser Niederlage abgefunden und genoss in vollen Zügen meine Sommerferien. Das Wetter war herrlich, mein Vater ging jeden Tag mit mir und meiner Schwester schwimmen und ich war glücklich und zufrieden, wodurch ich ein wenig zum Übermut neigte.

Wir wohnten damals in einem Neubaugebiet und das erworbene Häuschen meiner Eltern war eines der ersten in dem Viertel welches bezugsfertig war. Wir hatten noch keine Nachbarn und ich genoss es sehr, ungestört in den Baustellen herumzustrolchen.
Meine Schwester wollte immer das ich sie mitnehme. Das war mir nicht recht, ich war der Meinung sie sei dafür noch zu klein. Meine Erklärungen fruchteten nicht und wir zankten uns. Ich beschloss ihr eins auszuwischen. Ich schlug ihr ein Wettrennen vor. Sie ist viereinhalb Jahre jünger und schon aufgrund dieser Tatsache war für mich von vornherein schon absehbar wie dieses Rennen ausgeht. Ich war stets bemüht meinen kleinen Glücksmomenten auf die Sprünge zu helfen und ging ihrer Bitte, das Rennen per Fahrrad auszutragen gerne nach. Sie hatte seit wenigen Tagen von unserem Vater die Stützräder abmontiert bekommen und dementsprechend unsicher wackelte sie auf ihrem Rad umher.
Wir gingen auf die Straße und machten unsere Startaufstellung. Ich kannte die Straßenverhältnisse und vermutete Sand in der Kurve. Ich hatte ein komisches Gefühl, welches ich aber fast erfolgreich verdrängen konnte und so fuhren wir los. Ich brüllte schon in Siegeslaune wodurch die Kleine wohl fürchterlich erschrocken sein muss. Sie rutschte in der Kurve aus und stürzte. Ich wusste, wenn jetzt das Gebrüll anfängt bin ich fällig und mir drehte sich sofort der Magen um. Ich bin die Ältere und habe auf gröbste Weise meine "Aufsichtspflicht" verletzt. Als ich dann sehen musste das sie sich beim Sturz ihren vorderen Schneidezahn um die Hälfte gekürzt hatte, waren meine Magenkrämpfe allgegenwärtig. Ich bereitete mich sofort auf die nun unumgänglichen Rechtfertigungen gegenüber meiner Mutter vor. Meine liebe Schwester hatte einen Schock und sicherlich große Schmerzen, was sie daran hinderte unserer Mutti einen genauen Petzbericht zu erstatten.
Auch hier wurde mir wieder bewusst welch ein Glück ich da gerade hatte.
Meine Schwester tat mir sehr leid und ich schämte mich für meine beschissene Racheaktion.
Ein paar Tage nach dem Sturz, als die Schwellung zurückgegangen war, wurde ihr in einer mehrstündigen Operation ein neuer Schneidezahn eingesetzt. Den Ärzten ist da ein kleines Meisterwerk gelungen und ich war bemüht, ihr in den schmerzvollen Stunden meine aufrichtige Anteilnahme zukommen zu lassen. Ich habe ihr vorgeschwärmt um wie vieles hübscher der neue Zahn gegenüber dem alten ist.
Sie war bestimmt glücklich darüber, soviel Beistand von mir zu bekommen.

So vergingen die Ferien wie im Flug. Ich kam in meine neue Klasse und lebte mich schnell in meiner neuen Klassengemeinschaft ein. Ich hatte einen angenehmen Sitzplatz in der ersten Reihe und war durch die mir eigentlich schon bekannte Thematik des Unterrichtsstoffes etwas gelangweilt. Ich konnte der Situation Abhilfe schaffen indem ich meine neue Tischnachbarin erfolgreich vom Unterricht ablenkte. Ich hatte den Eindruck dass sie mir sehr dankbar war über die kleinen Aufmunterungen und ich spürte diese schöne kleine Glückswelle in meinem Bauch. Die Lehrerin bemerkte mein Ablenkungsmanöver gleichfalls und wir wurden aufgefordert uns sofort an getrennte Tische zu setzen. Ich hatte den Eindruck das die Kollegin meines ehemaligen Klassenlehrers diesen an Ironie und Boshaftigkeit noch übertreffen wird und mein Gefühl sollte mich da nicht täuschen. Ich konnte mich aber auch unter diesen erschwerten Bedingungen, weiterhin mit meiner neuen Freundin verständigen.
Ich war sofort wieder glücklich, denn ich mochte
diesen Zusammenhalt der sich zwischen mir und Angela da anbahnte. Wir sollten im Laufe des Schuljahres dicke Komplizinnen werden. Wir hatten sehr viel Spaß miteinander und unsere Klasse auch mit uns.
Die Schule der humorlosen Lehrer und deren Unterrichtsinhalte wurden mir immer unsympathischer. Ich merkte wie ich immer unglücklicher wurde und diesen Zustand mochte ich nicht. Ich wunderte mich darüber wie schnell die Zeit verging und ich wusste was meine Oma jetzt sagen würde:
“Je älter man ist, hat man das Gefühl, dass die Zeit schneller vergeht“. Ich machte mir auf dem Heimweg meine Gedanken darüber und die Erkenntnis "ich werde älter“ machte mich irgendwie stolz und dadurch wiederum glücklich.

Ich traf mich fast jeden Nachmittag mit Angela, ihre Eltern waren beide berufstätig und wir hatten sturmfreie Bude. Das war toll. Bei schönem Wetter gingen wir in die Innenstadt und streiften durch die Kaufhäuser. Bald trafen wir gleichaltrige Teenager, die wie wir, ebenfalls in der glücklichen Lage waren, ihre Freizeit nicht mit lernen verplempern zu müssen.
Wir verstanden uns prächtig und trafen uns von da an täglich. Unser Einfallsreichtum kannte keine Grenzen und langsam aber sicher wurde mir bewusst das mir meine Aktivitäten früher oder später zum Verhängnis werden würden.
Ich nahm meine Freunde vorsichtshalber nicht mit zu mir nach Hause. Ich wusste das nur der etwas verwahrloste äußerliche Eindruck bei meinen Eltern sämtliche Alarmglocken zum läuten bringen würde und man mir den weiteren Kontakt untersagt hätte.
Ich erreichte so langsam aber sicher wieder diesen Zustand des allgegenwärtigen schlechten Gewissens. Auf der einen Seite reizte mich dieses Kribbeln das mir unsere selbst zusammengestellten Mutproben bescherte. Aber das schlechte Gewissengefühl wurde immer stärker. Ob ich im Kaufhaus beim stehlen erwischt werde oder nicht, war eine prickelnde Herausforderung die aber nur während des Tatvorgangs anhielt. Irgendwie konnte ich mir gar nicht vorstellen erwischt zu werden. Ich war ja sooo schlau. Ich wusste alles besser und war eine der besten in meinem Hauptfach, dem Unsinn.
Ich war tatsächlich die einzige die nicht erwischt wurde, was mir natürlich enormen Respekt bei meinen Kumpels einbrachte. Aber wirklich glücklich war ich keineswegs darüber, ganz im Gegenteil. Ich habe mich insgeheim geschämt und hatte ein saumäßig schlechtes Gewissen meiner Familie und
der netten Bäckersfrau gegenüber. Schließlich kannte diese mich schon von klein auf und hätte niemals von mir angenommen, dass ich mich fast täglich an den Süßwaren in ihrem Laden vergreife.
Ich wusste ganz genau das die Grenze der Streiche und Spielereien längst überschritten war. Ich wollte dieser Situation entfliehen, aber wie??
Kneifen vor den anderen wollte ich aber auch nicht.
In diesem Zwiespalt gefangen, wurden meine Nächte bisweilen
wieder äußerst unruhig.

Das Problem löste sich glücklicherweise von alleine. Ich bekam es fertig ein zweites Mal in der siebten Klasse das Klassenziel nicht zu erreichen. Schlimmer noch, ich hatte einen schlechteren Notendurchschnitt wie das Jahr zuvor. Ich war todunglücklich, meine kleine Kiste begann gewaltig zu wackeln und ich wusste das ich damit aufhöre muss,
andere für meinen Müll den ich nun fabriziert hatte,
verantwortlich zu machen. Ich hatte massiven Ärger daheim, meine Eltern waren enttäuscht und mit Recht stinkesauer.

Die Vorstellung meines Vaters ich wäre eine Prinzessin,
fiel in sich zusammen wie ein morsches Kartenhaus. Wer ihm diesen Prinzessinnenfloh ins Ohr gesetzt hat würde mich auch mal interessieren. Mit dieser Aussage wollte er mich sicherlich nur ärgern. Ich hatte doch bereits mit fünf Jahren schon eindeutig bewiesen das ich keinesfalls adliger Abstammung sein konnte. Prinzessinnen zerreißen sicherlich nicht schon im November ihren Adventskalender, um die ganze Schokolade rauszufressen.

Ich hatte in diesem Jahr keine allzu grosse Freude an meinen Sommerferien. Ich musste meine bisherige Schule verlassen und beschwerte mich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig beim lieben Gott, der ja meiner Meinung nach gar nicht lieb war. Wer hatte diesen Mist eigentlich erfunden?
Ich hockte wie ein Häufchen Elend auf meinem Bett und motzte wütend vor mich hin, bis ich ziemlich schnell den Drang verspürte zu laufen, weg zu laufen, frische Luft einzuatmen, die Sonne zu spüren.

Ich eilte zielstrebig an meinen Lieblingsplatz. Über die Autobahnbrücke, durch die Felder, vorbei an den Kleingärtneranlagen. Auf der rechten Seite, hinter dem kleinen Waldstück war ein großer Bauernhof. Dieser wurde von Nonnen bewirtschaftet. Ich habe mich manchmal angeschlichen und das Treiben beobachtet. Wie die Frauen mit den Milchkannen über den großen Hof schlenderten.
Das wackeln der schwarzen Kutten und diese großen glänzenden Blechkannen. Die
von der Anstrengung geröteten Wangen und der ewig lächelnde, friedliche Gesichtsausdruck dieser Frauen wird mir immer in Erinnerung bleiben.
An diesem Tag stimmte mich dieser Anblick gar nicht fröhlich. Im Gegenteil. Ich war immer noch wütend auf den „lieben“ Gott. Und das da, waren seine Weiber, die ihm gehorchten ohne zu murren. Der Anblick, mit welcher Ruhe, Ausgeglichenheit und inneren Freude diese Frauen ihre Arbeit verrichteten, machte mich an diesem Tag richtig zornig. Da konnte auch der leichte Wind der das Wackeln der Kutten heute noch hervorragend betonte, mich keinesfalls fröhlicher stimmen.
Ich ging zurück auf den Weg wo ich hergekommen war und lief noch ein Stückchen weiter, bis ich an den winzigen Garten kam in welchem ein ganz kleines
Kapellchen stand, gerade goss genug für die ein wenig zu kräftig geratene Madonna. Der Anblick ihrer strammen, beinahe knallenden Gesichtsbacken, den fromm
gefalteten Händen und die trottelige Neigung ihres Hauptes machten mich schier rasend. Ich fand diesen Ausdruck in ihrem Gesicht unerträglich und dieser lächerliche Versuch einem Betrachter das Gefühl von Glückseeligkeit vermitteln zu wollen fand ich äußerst frech und anmaßend.
Unter der Figur standen wie immer frisch gepflückte Blumen. Ich lief jedes Mal zu diesen Blumen hin um sie anzufassen, um mich davon zu überzeugen ob sie echt waren. Sie hatten immer so einen strengen, künstlichen Glanz und sie erinnerten mich an diese Jahrmarktschiessbudenblumen.
Komischerweise hatte ich an diesem Tag überhaupt nicht das Bedürfnis sie anzufassen. Ich war mir sicher das sie unecht sind. Davon konnte mich auch der penetrante Blumengestank nicht abhalten.

Ich motzte die Madonna an und streckte ihr die Zunge heraus. Aber eine Genugtuung hatte ich immer noch nicht.

Ich drehte mich abrupt um und lief weiter zu meinem zweiten Lieblingsplatz. Ein riesengroßer Hochspannungsmast. So einer aus Metall mit so Kreuzen und Querverstrebungen diese man
sicher prima hochklettern konnte. Ich habe mir das immer vorgestellt, einmal da hoch zu klettern, hatte mich aber nie getraut.
Der Strommast zog mich magisch an und ich überlegte beim hinlaufen, wo ich anfangen würde zu klettern.
So weit wie möglich wollte ich da hinauf. Ich stand direkt unter dem Mast und hörte das Summen der Leitungen. Ich fasste an das Metall und kletterte ohne zu zögern hoch. Och das war ganz einfach. Ich stellte mich gar nicht so blöd an. Nicht wie in der Schule im Sportunterricht, wo ich durch meine Steifheit regelmäßig zur Belustigung der Allgemeinheit beitrug.
Ich merkte mal wieder diesen Unterschied, zwischen: "wennichwilldannkannichdas“ und diesem „wozusollichdastunichmussdochkeinemwasbeweisen“.
Ich musste schmunzeln über meine kleine bescheuerte Feigheit und meine Fertigkeit,
diese Feigheiten mit Worten zu umwickeln, bis daraus ganz tolle mir einleuchtende, logische Erklärungen zustande kamen. Ich musste lachen. Ich kletterte weiter, jetzt wollte ich es wissen.
Als ich ungefähr die Mitte des Turmes erreicht hatte setzte ich mich auf eine der Metallverstrebungen und genoss den Ausblick über die Felder. Ich ließ die Beine baumeln und merkte wie mein Zorn langsam verrauchte.

Ich neige zum berühmten „letzten“ Wort und auf dieses wollte ich, trotz
der mich so allmählich überkommenden inneren Ruhe,
auf keinen Fall verzichten. Ich bemühte mich um einen letzten, ganz wütenden Blick, diesen ich hoch in den Himmel
schickte. Die wütenden Worte auszusprechen, welche ich mir vorgenommen hatte auszusprechen, traute ich mich nicht. Ich war mir sicher, "ER" hatte diesen
Blick gesehen und wollte es mal besser nicht übertreiben.

Ich weiß nicht wie lange ich so da saß und in den Himmel starrte. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden und
spürte auf einmal, die so sehnlichst erhoffte Leichtigkeit in mir. Dieses schöne Gefühl des reinen Gewissens. Ich hatte auf einmal gar kein Problem mehr damit, mir einzugestehen das ich an meinem kleinen Elend die alleinige Schuld habe. Ich wusste das noch nicht alles verloren ist und ich wusste das ich mich nun anstrengen würde. Ich würde einen anständigen Schulabschluss machen und trotzdem weiterhin meinen Spaß haben, dessen war ich mir ganz sicher. Je länger ich in den herrlich blauen Himmel starrte, desto zuversichtlicher wurde ich. Ich bekam eine Gänsehaut. Das war er, mein erster allmächtiger Glücksmoment. Ich hatte das Gefühl zu schweben und wollte nie mehr von diesem Turm runter...

Plötzlich rissen mich Stimmen aus meinen Gedanken. Ich schaute hinunter und sah zwei aufgeregt wedelnde Gestalten mit ganz fürchterlich wackelnden Kutten. Zwei Nonnen hatten mich entdeckt und waren anscheinend schrecklich aufgeregt und riefen mir zu, sofort von dem Turm zu steigen.

Sie kreischten und fuchtelten und ihre Kutten flatterten
wie Herbstdrachen.
Ich ertappte mich ja schon wieder bei übermütigen Gedanken, meine blühende Phantasie schlug schon wieder Purzelbäume.
Ich konnte nicht mehr an mich halten und fing an zu lachen,
bis mir die Tränen über die Wangen kullerten.

Ich konnte mir sehr gut vorstellen wie ich im ersten Herbststurm wieder herkommen würde...mit einer langen Schnur...

...ich würde ihnen sooo gerne zeigen dürfen, wie prima es sich bestimmt mit diesen Kutten fliegt...

Ach ist das Leben schön...

Ich war unglaublich glücklich!

 

Hallo Gummistiefele, ich find die Geschicht wunderbar.
Du hast in deine Seele geschaut, oder eben in eine andere Seele und das Gefühl Glück gut beschrieben. Die Einleitung ist sehr gut gelungen, sie passt sogar zu einem richtigen Roman finde ich. Der Schluss gefällt mir auch sehr gut. Zudem die teilweise naive kindliche Sichtweise. Stillistisch gibt es bis auf ein paar Sachen auch nichts zu bemängeln.

Du musst die chattersprache "träum" weglassen, die passt nicht in eine kurzerzählung. Irgendwann hast du das noch mal gemacht indem du wörter nicht trenntest. Das muss du auch ändern. Auch die Formatierung am Anfang sollte ein wenig anders aussehn. Ansosten; Glückwunsch

Liebe Grüsse Stefan

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Stefan,

vielen Dank für die Kritik !

Ich habe eine Komma-Schwäche, die neue Rechtschreibreform ging auch irgendwie an mir vorbei, noch dazu bin ich Pfälzerin, da gehen nicht nur die Uhren anders ;-)

Die Absätze sind verzerrt, ich hatte Probleme mit der etwas kleinen Ansicht beim Kopiervorgang hier, meinst Du das mit der Formatierung?

Bezüglich Chattersprache und Wörter-nicht-Trennung: das war so gewollt.

Die Schreiberei ist für mich lediglich eine herrliche Entspannung, meine Art abzuschalten..."Finger-Tai-Chi"...von mir aus auch Alltagsfrustbewältigung. Die Wartezeiten bei den Psychiatern sind mir entschieden zu lang, eventuell bin ich auch untherapierbar...wer weiss ;-)...

Ein Bekannter hat mich auf diese, Eure Homepage aufmerksam gemacht. Ich wurde fast genötigt hier etwas einzustellen.

Ich habe mir die Nacht auf Eurer Page hier um die Ohren geschlagen, einige von Euren Geschichten mit den dazugehörenden Kritiken und Profilen gelesen.
Ich habe festgestellt das die meisten hier voll und ganz bei der Sache sind. Teilweise, für meinen Geschmack ein wenig zu ernst und verbissen rangehen.

Trotzdem... meinen Respekt !!

Wahrscheinlich ist er das...

...der Schlüssel zum Erfolg!!

Maybe...

...ich wünsche es Euch !!!

Liebe Grüsse
Iris

 

Hei Iris,

mit dem formatieren meinte ich eigentlich nur die ersten 3 Absätze, die aus Sätzen bestehen.

So gesehen hast du natürlich recht, der Spass darf nicht verloren gehen und ob dan nun ein Komma richtig sitzt, oder nicht (scheiss drauf!) Einige sind sehr verbissen, das liegt mir auch nicht! Hab auch schon hier oft einen auf den Deckel bekommen, wegen sehr derber Spässe!

Der Bekannte hat dich aber zurecht genötigt, denn die Geschichte ist ganz gut!

Ciao Iris

 

Hi Iris,

Dein Text ist wirklich ein Glücksausflug geworden...
mir gefällt deine Sprache, schnörkellos und präzise, kindlich, und auf poetische Weise naiv, die Stimmung, die sympathische Grundeinstellung deiner Protagonistin... eine Geschichte im eigentl. Sinne ist es nicht, erinnert eher an Autobiografisches...

Auf eine Geschichte in diesem Stil wäre ich gespannt.

lg Pe

 

:D Danke Maxy...bin sehr erleichtert das es noch andere "Leidensgenossen" gibt...

Gruss
Iris

 

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