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Das glänzende Kästchen

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20.09.2001
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Das glänzende Kästchen

Er sah das glänzende Kästchen im Vorbeigehen und blieb erstaunt stehen. Ein derartiges Schmuckstück hatte er noch nie zuvor gesehen. Es schillerte in allen Farben des Regenbogens und von jeder Seite sah es anders aus. Er war fasziniert, wie andere auch. So ein Kästchen hätte ich gerne, dachte er und überlegte, wie er es bekommen könnte. Sollte er einfach die Hand ausstrecken und es mitnehmen?

Seine Freunde sagten ihm, dass er vorsichtig sein sollte. Man wüsste schließlich nie, was sich in solch einem auffälligen Schmuckstück verborgen hielt. Hatte er denn je den Deckel angehoben und nachgesehen? Nein, das hatte er nicht, traute sich auch gar nicht. Das Kästchen war so schillernd und schön, den Eindruck wollte er sich durch nichts zerstören lassen. Er griff es sich in einer stillen Stunde und trug es nach Hause. Dort stellte er es auf den Tisch und betrachtete es andächtig. Sein Herz klopfte vor lauter Besitzerstolz, als sich die untergehende Sonne in den glitzernden Edelsteinen verfing und tanzende Funken an der Zimmerdecke erzeugte.

Er lud seine Freunde und Familie ein, um ihnen seinen neuen Besitz zu zeigen. Und wie er waren sie geblendet von der Pracht, die sich ihnen da offenbarte. Manche beglückwünschten ihn und manche beneideten ihn. Als er die Blicke der Neider erhaschte, kaufte er sich schnell eine Dose mit dunkelgrüner Farbe. Mit dem groben, breiten Pinsel bestrich er die gesamte Oberfläche, bis auch das letzte Funkeln unter der düsteren Paste verschwunden war. Zufrieden betrachtete er sein Werk. Dann stellte er das frischgestrichene Kästchen in einen großen, dunklen Schrank und nagelte die Türen zu. So konnte niemand an seinen Schatz heran kommen, dort war er sicher.

Ab und zu öffnete er den Schrank und sah nach, ob das Kästchen noch da war. Ihm fiel auf, daß es in dem dunklen Schrank kaum zu sehen war. Es wirkte plötzlich alles andere als prachtvoll und je öfter er das bemerkte, desto nachlässiger wurde er beim Schließen der Schranktüren. Eines Tages ließ er die Türen einfach offenstehen, ging zur Arbeit und dachte nicht an die aufsteigende Sonne. Während des ganzes Tages schien die Sonne auf die eingetrocknete Farbe, und Schicht für Schicht blätterte diese ab und fiel auf das Regal herunter.

Als er nach Hause kam, leuchtete das Kästchen in allen Farben und erhellte den Raum und das Innere des Schrankes. Er griff sofort begeistert danach, aber seine Bewegungen waren zu hastig, und es glitt aus seiner Hand und fiel zu Boden. Die Füße brachen ab und Teile des Deckels. Er seufzte und holte den Handfeger und die Schaufel. Er fegte alles bis auf den letzten Krumen auf und kippte es in den Abfalleimer.

Die Müllabfuhr sollte am nächsten Tag kommen, so machte er sich daran, die Tüten zu packen. Als er den Deckel des Mülleimers anhob, bemerkte er das leichte Funkeln, welches verhalten durch den Staub und Schmutz drang. Er pustete leicht, der Staub wirbelte auf und legte die Edelsteine bar. Hastig sammelte er alle kaputten Stücke ein und brachte sie wieder ins Wohnzimmer. Sorgfältig säuberte er jedes einzelne Teil und fügte alles wieder zusammen. Als er fertig war, betrachtete er es aufmerksam.

Man konnte überall die Spuren der Klebe sehen und so ganz paßten die Füße nicht mehr unter das Gehäuse, aber das Gesamtresultat sprach für sich. Die Sonne schien in den Raum und der glänzende Reigen der Farben war eine Schau. Er war froh, daß er es wieder zusammengebaut hatte. Plötzlich sah er die Blicke der neugierigen Leute, die durchs Fenster spähten und warf blitzschnell eine dunkle, stickige Decke auf sein Kästchen und schob es unter den Tisch. Dort stand es dann für eine lange Zeit.

Manchmal setzte er sich auf den Boden, nahm die Samtdecke ab und erfreute sich an dem Funkeln, das den Raum erhellte. Er wußte, daß er das Kästchen nicht für immer unter dem Tisch stehen lassen konnte, hatte aber auch keine Idee, wo er es sonst verstauen sollte, damit es ihm niemand stehlen konnte. Sein Blick fiel auf den großen, schweren Hammer in der Ecke und er überlegte, daß es ziemlich einfach sein würde, mit ein paar gezielten Schlägen den Glanz dieses Kästchen für immer zu zerstören, so daß er sich keine Gedanken mehr um die Aufbewahrung machen brauchte.

Er biß sich auf die Lippen und überlegte hart. Ein aberwitziger Gedanke schoß durch seinen Kopf. Was wäre, wenn er das Kästchen ganz mutig mitten auf dem großen Eßtisch plazieren würde, dort wo es jeder sehen konnte? Er könnte sogar vorsichtig versuchen, den Deckel anzuheben. Ob sich im Inneren eine Spieluhr verbarg? Würde der Klang der Melodie ebenso betörend sein wie die Außenfläche? Der Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn und Oberlippe, die Angst schnürte ihm den Hals zu. Er konnte sich einfach nicht entscheiden.

 

Hallo,

mal davon abgesehen, daß ich auch irgendwann mal keine Lust mehr hätte, ständig die Schranktüren mit Brettern zuzunageln, ist das doch eine schöne Geschichte.

Hm, jetzt erwartest du wahrscheinlich eine gründlichere Kritik, oder? Hmpf.

Aber das geht im Moment leider nicht.

Eine schöne Geschichte, die ich heute mal lesen durfte. Vielen Dank dafür.

Sodele!

Poncher

 

hallo Roswitha,

eine tiefsinnige Geschichte, mit leichter Hand erzählt und doch in der Ausdrucksweise beglückend schön. Der Inhalt, wenn ich Deine Absicht recht deute, geht vor allem ins Psychologische.

Da wäre die Freude am Schönen zu nennen, aber auch die Besitzgier, dann der Zeigetrieb, den Menschen empfinden, wenn sie etwas haben, woran sie sich selbst erfreuen. Damit verbunden aber auch die Angst, den wertvollen Gegenstand zu verlieren. Besitzgier und Verlustangst halten sich die Waage, und vielleicht sind die Schweißperlen am Ende auch so zu verstehen.

Recht toll finde ich den Einfall, den Leser im Unklaren darüber zu lassen, was nun wirklich im Kästchen ist. Denn, genau genommen, spielt das ja auch gar keine Rolle.

Es ist erfahrungsgemäß schwer, eine schlichte Handlung mit symbolischem Aussagewert zu erfinden. Ich glaube, dir ist es gelungen.

Viele Grüße

Hans Werner

 

Danke, Hans Werner, es handelt sich wirklich nicht um ein Kästchen. Es ist eine Geschichte über Eifersucht, Besitzgier, "Erdrücken", wie Du schon richtig vermutet hast.

Cheers, Heike

 

Also auch mir hat die Story ganz gut gefallen. Nur der Schluß nicht so... Ich dachte, er zerschlägt's mit dem Hammer (das deutete so darauf hin)... Das hätte ich gut gefunden. Das zeigt so richtig schön die Besitzgier; "Wenn
ich dich nicht ganz allein für mich haben kann, dann soll auch kein anderer dich haben können" <--- so nach diesem Motto... ;)

Alles in allem aber eine gelungene Geschichte! Kompliment!

Griasle
stephy

 

So, so, Stephy, Du hättest es also gut gefunden, wenn das glänzende Kästchen so mir nichts, dir nichts mit dem Hammer erschlagen worden wäre... :(

Also nix mit Hoffnung und so... ? ;)

 

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