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Das Geständnis
Die zierliche Frau flechtet ihre ebenholz farbenen lockigen Haare zu einem Zopf. So stramm und fest, dass ihre Kopfhaut unangenehm spannt, bis sich die Qual langsam über ihrem Kopf verteilt. Ihre Hände zittern, als sie die Haarsträhnen sorgsam übereinanderlegt. Margret ist nervös. Viel nervöser als sie dachte. Nicht mal der Schmerz kann die Aufregung lindern. Sie blickt in den schmutzigen Spiegel, der vor ihr in dem kleinen Badezimmer hängt. Das dumpfe Licht von draußen verleiht ihr ein hübsches Antlitz, kaschiert großzügig ihre Augenringe und ihren aschfahlen Teint. Die schlaflose Nacht hat deutliche Spuren hinterlassen. Nicht nur in ihrem Gesicht, auch ihr Kopf der inzwischen dumpf vor Schmerz pocht. Margret dreht ihre spröden Haarspitzen zusammen und windet ein schwarzes Haargummi darüber. Sie hat keine Ahnung wie sie das schaffen soll. Sie wendet den Blick von ihrem verzweifelten Spiegelbild ab und dreht das Wasser eiskalt auf. Sie beträufelt ihre Handgelenke mit dem kühlen Nass, verteilt es dann auf der Stirn und im ganzen Gesicht. Es tut gut und lenkt sie einen Moment ab. Margret schlüpft in ihre Kleidung, die sie sich gestern sorgsam herausgelegt hatte. Penibel zusammengefaltet lag es auf dem Rand der Badewanne, darauf wartend endlich übergestreift zu werden. Eifrig schlüpft in das weite unförmige Kleid, dazu die klobige kratzige Weste, die sie so ungern trug. Alles in schwarz. Die einzig passende Farbe für diesen Anlass. Margret verzichtete auf Schmuck und Make Up. Das schwarz ließ sie noch blasser erscheinen und verlieh ihr einen kränklichen Ausdruck. Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Alles in Ordnung?“ Sie konnte die Fürsorge darin hören. Ein flaues Gefühl überfiel sie und fraß sich tief in ihren Magen, ehe sie trocken zu würgen begann. Verzweifelt klammerte sie sich an das Waschbecken, sog die Luft gierig ein und versuchte gegen eine erneute Welle der Übelkeit anzukämpfen. Diesmal gewann sie und Margret hing würgend und spuckend über dem weißen Porzellan des Waschbeckens. Eifrig drehte sie den Hahn auf, aus dem das Wasser augenblicklich tosend sprudelte. „Margret?“ Die Stimme rief lauter und energischer nach ihr, diesmal war die Sorge zum Greifen nahe. „Alles in Ordnung, bin gleich da“ wiegelte Margret ab. Sie versuchte den Kummer in ihrer Stimme hinunterzuschlucken, doch sie wusste so einfach würde er sich nicht täuschen lassen. Sie straffte ihre Schultern und ging die Treppen hinunter. Jeder Schritt quälte sie, denn er brachte sie weiter ins Verderben. Langsam schleichend schlürfte Margret die Treppe hinunter, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Er wartete bereits am Ende der Treppe auf sie. Wie ein Ritter auf seine Prinzessin, nur ohne die eiserne Rüstung. Seine grünen Augen funkelten besorgt, als er sie erblickte. „Was hast du denn?“ Seine Stirn legte sich in Falten, er schürzte die vollen Lippen. Margret schüttelte schwach den Kopf. „Später, essen wir erst mal was“ Sie versuchte Zeit zu schinden, das war auch Fred klar geworden. Schweigend lief er hinter ihr her. Er sah noch immer genauso gut aus, als an dem Tag als sie sich trafen.“ dachte Margret wehmütig. Die kessen schwarzen Locken, die ihm beim Lachen ständig in die Stirn fielen. Die ebenmäßigen Gesichtszüge, die aussahen wie in Stein gemeißelt. Fred rieb seine schmale Nase, wie er es immer tat wenn er nach Worten suchte, ehe er neben Margret am Tisch Platz nahm. Er blickte auf ihre herunterhängenden Schultern, die Leere in den Augen, die seinen Blicken auswichen. Fred wollte nach Margrets Händen greifen, doch sie hatte sie nachdenklich in ihrem Schoß vergraben. Nach einer gefühlten Ewigkeit, räusperte sich Fred. „Du kannst es mir erzählen. Margi“ Er rang sich ein Lächeln ab. In Margrets Augen schimmerten Tränen, die allmählich leise über ihre Wangen rannen, ehe sie auf ihr schwarzes Kleid tropften. „Egal was es ist“ fügte Fred hinzu. Er kniff die Augen zusammen und schluckte tapfer die Tränen hinunter. Margret begann zu sprechen, doch außer einem leisen Wispern war nichts zu hören. In ihrem Kopf drehte sich alles. „Margret“ herrschte sie nun Fred an. Erschrocken zuckte sie zusammen, ehe ein Schluchzen aus ihrer Kehle drang. Sie wischte sich unbeholfen mit ihrem Ärmel über das verweinte Gesicht und presste mühsam die Worte hervor, als würde sie schmerzen beim Sprechen haben. „Du bist es nicht“ Nun verlor Fred endgültig die Fassung. Er brüllte so laut, dass seine Augen qualvoll hervortraten und sich seine Stimme fast überschlug. „Herrgott nochmal, red doch endlich mal Klartext. Was bin ich nicht?“ Margret blickte ihm tief in die Augen, ehe sie langsam weitersprach „Du bist nicht der Vater.“
Freds Augen weiteten sich, sein Blick taxierte Margret fassungslos. Er rang nach Worten, doch außer einem lauten Keuchen drang nichts aus ihm. Sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht, ehe er die Hände vor sein Gesicht schlug, laut schnaubend ausatmete, aufsprang und ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer lief.