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Das Geschenk

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15.05.2002
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Das Geschenk

Goldene Sonnenstrahlen fielen durch ein dichtes Laubdach auf einen laubbedeckten Waldboden und tanzten dort einen unbeschwerten Reigen miteinander. Eines der funkelnden Lichter traf das Gesicht des einsamen Wanderers, welcher hier entlangspazierte. Daniel blinzelte und sah nach oben. Ein mit hell- und dunkelgrünen Flecken gemusterter Himmel rauschte dort und bewegte sich mit einer sanften, allumfassenden Bewegung. Es war zur Zeit Sommer, aber die kühle, sauerstoffreiche, würzig schmeckende Waldluft schuf ein ganz eigenes Klima. Die schützende Blätterkuppel ließ nichts von der ‚draußen’ herrschenden Hitze durchdringen.
Das Leben durchpulste alles mit der ihm ureigenen Kraft und Daniel genoss den nachmittäglichen Ausflug, der für ihn schon zu einer Art Ritual geworden war. Jeden Sonnabend, nach einer Woche voller Stress und frustrierendem Alltagstrott, nahm er sich einige Stunden Zeit und durchwanderte das kleine Wäldchen, welches etwas außerhalb seiner Heimatstadt lag. Daniel hatte es nur durch einen Zufall entdeckt, der für sich genommen schon ziemlich seltsam gewesen war. Der Mann lächelte beim Gedanken daran, wie er damals abgekämpft von einer Dienstreise nach Hause gefahren war. Es dämmerte bereits und bis zu seiner kleinen Mietwohnung hatten ihn nur noch ein paar Kilometer getrennt. Er war innerlich bereits einen Gang zurückgeschaltet und wollte nur noch schlafen, als ihm plötzlich dieses Ding, in der Dunkelheit hielt er es für ein Reh, vor den Wagen gerannt war. Eine Vollbremsung später fand er sich dann halbbenommen kurz vor einer riesigen Eiche, am Rande eben dieses abgelegenen Forstes stehend wieder. Ungewöhnlich war vor allem die Tatsache, wie er später herausfand, dass der Ort, an dem er aufgewacht war, ein ziemliches Stück abseits der Strasse befand und er die ganze Strecke offensichtlich ohnmächtig am Steuer zurückgelegt haben musste. Erheitert schüttelte Daniel jetzt seinen Kopf und lange braune Haare flogen ihm um die Ohren. Es war wirklich verrückt gewesen. Als ob jemand oder etwas ihn bewusst diesen Platz hatte finden lassen.
Er ging eine unbekannte Melodie pfeifend noch ein Stückchen und setzte sich dann auf einen umgefallenen Baumstumpf, gleich unter einer dickstämmigen Blutulme. Ein Griff in die rechte Manteltasche förderte ein Taschenmesser hervor, während ein zweiter in die linke Seite einen pausbäckigen, gelben Apfel an den Tag brachte. Zwei vorsichtige Schnitte trennten ein dickes Stück aus der Frucht heraus, das dann mit einem zufriedenen Schmatzen vertilgt wurde. Während Daniel das Obst genüsslich verzehrte, ließ er seinen Blick über die nahe Umgebung wandern. So viele Jahre waren seit seinem ersten Besuch in diesem unberührten Teil der Natur vergangen und immer noch faszinierten ihn die Veränderungen, die jede neue Jahreszeit mit sich brachte. Hier vorne streckte ein junger, zarttriebiger Strauch das erste Mal seine schmalen Äste in die Höhe. Dort hinten entdeckte der schweigsame Beobachter einen frischen Kaninchenbau. Viele weitere kleine Entdeckungen beschäftigten Daniel hiernach noch eine Zeit lang. Nach einigen Momenten des stillen Sinnierens beugte er sich vor, grub mit Zeige- und Mittelfinger ein kleines Loch in die Erde und ließ zum Schluss ein sorgfältig abgenagtes Kerngehäuse hineinfallen. Schließlich bedeckte er die Mulde wieder sorgfältig mit weichem Humusboden. >Nichts verschwenden und dem ewigen Kreislauf wieder zurückgeben was man ihm einst entriss<, war nur eine der vielen Lektionen, welche Daniel das Studium dieses Platzes gelehrt hatte.
Er stand nun auf und ging gemessenen Schrittes zum nahen Stamm der Ulme. Sanft fuhr seine Hand über die borkige Rinde der stummen Patriarchin. Sie war die Erste gewesen, der Samen, um den das übrige pflanzliche, wie auch tierische Gefolge in unzähligen Dekaden diese Oase der Ruhe geschaffen und ihn selbst letztlich dazu auserwählt hatte, ein, wenn auch nur kurzlebiger, Teil der Gemeinschaft zu sein. Oben in den ausladenden, purpurn befiederten Ästen, begann plötzlich mit klarer Stimme eine Lärche ihren fröhlichen Gesang vom Glück und dem ewig währendem Fluss allen Seins. Daniel legte den Kopf in den Nacken, um die Sängerin zu bewundern und empfing in eben diesem Moment das Geschenk eines überfüllten Vogeldickdarms. Schmunzelnd strich er sich die graue Masse von der Stirn. Teil des Ganzen zu sein, hieß wohl auch als Abort fungieren zu müssen. Aber wer war er schon, den Sinn dieser neuen Lektion zu hinterfragen. Nur ein Staubkorn im Ozean von Allem. Daniel der Suchende hatte hier gefunden, was er verloren und doch niemals besessen hatte. Erfüllt von Gefühlen, die sein Verständnis von Seeligkeit weit überstiegen, winkte er der alten, vielblättrigen Riesin zum Abschied zu, drehte sich um und ging heim.

 

Der Meinung würde ich mich anschließen. Und wenn du sie vielleicht noch ein bisschen mehr formatieren könntest, mit mehr Absätzen usw.
Ansonsten finde ich das kurze Stück recht gut beschrieben. Gefällt mir.

Camaun

 

Hallo Marcus,

entweder ist der Text eine verkannte Satire, oder eine schöne Alltagserzählung (etwas Philosophie ist wohl auch dabei).
Jedenfalls ist es gut erzählt, durch die seltsame Ortsveränderung wirkt der Anfang etwas mystisch, interessant.

Tschüß... Woltochinon

 

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