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Das Geschenk des Ozeans

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10.09.2003
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Das Geschenk des Ozeans

Die ganze Nacht hatte es geregnet. Die purpurnen Dächer der weißgetünchten Häuschen von Felsheim leuchteten von dem feuchten Glanz in der aufgehenden Sonne. Im Hafen ankerten mehrere abgetakelte Schiffe, dessen Mannschaften auf besseres Wetter warteten.
Eines der Schiffe war die Takosa. Einst ein - durch die drei hohen, rahgetakelten Masten - schnelles Schiff, das seiner Zeit weit voraus war. Damals war sie mit 20-30 Kannonen auf dem Hauptdeck bestückt gewesen. Geblieben waren fünf.
Auf die Reling gestützt schaute der kleine blauhäutige Harg'na'tor auf das leichte wogen der Wellen, die mit jedem heranrollen leise an die hölzerne Bootswand klopften.
Er seufzte: "Ach, warum muß ich hier sein, warum bin ich nicht zu Hause geblieben?"
Harg'na'tor hüpfte von dem Fass, auf dem er gestanden hatte um überhaupt über die Reling schauen zu können. Langsam ging er über das Deck des Schiffes, blieb hier und da kurz stehen als sehe er sich eine Decksplanke oder ein zusammengerolltes Seil genauer an, und seufzte jedesmal tiefer. Er hob die linke Hand und kratzte sich mit nachdenklicher fast trauriger Mine hinter dem rechten spitzen Ohr: "Warum bin ich nicht zu Hause geblieben!"

Zwei Tage später lief die Takosa aus. Die Mannschaft, ein wild zusammen gewürfelter Haufen von Halunken und Taugenichts, hatte es dieses Mal besonders eilig. Besonders Hajo von Trajhen, Kapitän des gar nicht mehr so stolzen Schiffes schwang sprichwörtlich die Peitsche und trieb sie an. Der Grund war einfach wie schlecht. Hajo von Trajhen hatte durch einen Mittelsmann erfahren, das ein Handelsschiff mit wertvoller Fracht in diesen Tagen das Fürstentum Felsheim anlaufen sollte. Von Trajhen, früher selbst angesehener Kapitän eines Handelskreuzer und durch Trunkenheit vom Eid entbunden, wollte das Schiff abfangen und es der wertvollen Waren berauben. So wurde aus der einst stolzen Takosa ein Unterschlupf für Piraten. Ein schwermütiges Seufzen erklang und vermischte sich mit dem Heulen des Windes, der kräftig in die Segel der Fregatte blies.

Der Kampf auf offener See war kurz. Die Takosa unterlag. Heute waren die Handelskreuzer weit besser ausgerüstet als früher. Was immer Hajo von Trajhen sich bei dem Überfall gedacht hatte, es war falsch gewesen. Die Kanonen des Handelsschiffs - von besseren und kampferfahreneren Seeleuten bestückt als die der Takosa - zertrümmerten die drei Hauptmasten bei der ersten Salve. Die nächsten Treffer zerschlugen den Rumpf. Die Takosa war verloren - sie sank.

Hajo von Trajhen war von einem der umfallenden Masten erschlagen worden. Ein Teil seiner Mannschaft ertrank. Die anderen wurden aus dem Wasser gefischt und in Ketten gelegt. Später würde man sie als Piraten verurteilen.
Als das Wasser des Meeres die Takosa entgültig in sich aufnahm, erklang wieder das tiefe Seufzen: "Ach warum mußte ich diese Fahrt mitmachen!"

Harg'na'tors Tränen vermischten sich mit dem Salzwasser des Meeres. Der Blauhäutige saß auf dem Kopf der Galionsfigur die die Takosa schmückte. Die Augen der geschnitzten Nixe blickten weiterhin geradeaus, so als wolle sie nicht wahrhaben, das die Takosa niemals mehr Fahrt aufnehmen würde. Nie wieder würde der hölzernen Nixe der Fahrtwind um die Nase wehen; nie wieder würde sie die erste sein, die einen neuen Hafen erblickte.
Harg'na'tor hatte den Untergang des Schiffes bereits geahnt, als er sich im Hafen von Felsheim das heruntergekommene Schiff angesehen hatte. Überall waren spuren von Verfall zu sehen gewesen. Die Menschen hatten das Schiff anscheinend nicht geliebt. Und doch war er an Bord geblieben. Pflicht? Ehrgefühl? Immer wieder hatte er hier und da kleine Reparaturen vorgenommen, ohne das die Menschen etwas davon gemerkt hatten. Doch mit dem selbstmörderischen Kampf auf See hatte Harg'na'tor nicht gerechnet. Hier reichten seine Kräfte nicht aus - und so sank das Schiff.

"Warum weinst Du? Als wenn ich nicht schon genug Salz mit mir tragen müßte!" Eine Stimme wie das rollende Poltern der Wellen - tief und rauh - erklang. Auch wenn Harg'na'tor niemanden sehen konnte, so wußte er doch, wer da gesprochen hatte. Es war der Ozean selbst. Schon wiederholte die Frage sich. Immer wieder erklang die Stimme, doch nahm ihre dröhnende Lautstärke ab, wie bei einer Welle, die sich langsam auf einem sandigen Strand ausläuft.
"Oh weh, dieses stolze Schiff sank, Herr Ozean. Und ich sank mit ihm. Jetzt sitz ich hier auf dem Kopf der hölzernen Nixe und kann nicht fort!"
"Warum kannst Du nicht fort?" Wieder erfolgte die wellenartige Wiederholung.
"Die, die von meiner Art sind, unterliegen gewissen Regeln, Herr Ozean. Ich bin mit dem Schiff verbunden. Nur in seiner unmittelbarer Nähe kann ich überhaupt existieren. In einem Hafen, könnte ich auf ein anderes Schiff wechseln, aber hier unten ist mir dieser Weg versperrt."
"Mit welch sonderlichen Regeln ihr Sterblichen euer Leben kompliziert. Sag blauer Wicht, wenn bei dem Untergang das Schiff zerstört worden wäre, und nur ein einzelner Holzsplitter übrig, was dann?"
"Dann säße ich jetzt hier mit diesem Holzsplitter in der Hand, Herr Ozean!"
Harg'na'tor kratzte sich hinter dem linken spitzen Ohr. Worauf wollte der Herr Ozean hinaus.

Der blauhäutige kam nicht mehr dazu, viel darüber nachzudenken. Mit einem mal bildeten sich Unterwasserstrudel, die schnell an Größe zunahmen. Sie rasten auf das schräg liegende Schiff zu. Die Takosa wurde von ihnen gepackt. Harg'na'tor spürte wie sie sich vom Grund des Meeres löste und in dem Wirbel gefangen wurde. Er schloß die Augen. Das Ende der Takosa war gekommen. Obwohl das Wasser des Meeres das Getöse dämpfte, vernahm Harg'na'tor den schaurigen Lärm, als das Schiff auseinanderbrach und in tausend Teile gerissen von der Strömung hinweg getragen wurde. "Das ist mein Ende!", dachte das blaue Wesen.
Plötzlich trat Stille ein. Der unterseeische Sturm hatte sich gelegt. Harg'na'tor öffnete die Augen. Noch immer saß er auf dem Kopf der hölzernen Nixe. Sie war das einzige, was von der einst stolzen Takosa übrig geblieben war. Weil sie noch da war, war auch er noch da - ganz so, als sei die Nixe der Holzsplitter, von dem er eben noch dem Herrn Ozean erzählt hatte. Aber warum hatte der Herr Ozean das getan?
Da bewegte sich die Nixe.

Zuerst hatte Harg'na'tor gedacht, die leichte Strömung des Meeres würde die hölzerne Nixe leicht wiegen, aber so war es nicht. Die Nixe selbst streckte ihre Arme in die Höhe, so als erwache sie aus langem Schlaf. Von einem Augenblick zum anderen erinnerte nichts mehr an ihr an geschnitztes Holz. Ihre langen blonden Haare wehten sanft in der Strömung, die Schuppen ihres Fischschwanzes glitzerten in allen Farben des Regenbogens. Harg'na'tor, der vor Schreck von dem Kopf der Nixe gesprungen war, sah nun in das schöne Gesicht der Nixe, die ihn mit ihren tief-blauen Augen zuzwinkerte. Dabei kräuselten sich ihre roten Lippen zu einem neckischen Lächeln.
"He da, kleiner Wicht. Erschreck dich nicht!", lachte sie ihn an. "Du mußt mich doch kennen. Es gibt keinen Grund wegzurennen. Herr Ozean hat mich aus dem tiefsten Schlaf befreit. Ich tue dir bestimmt kein Leid. Ich soll dir helfen in der mißlichen Lage. Das ist meine Bestimmung dieser Tage!"
Harg'na'tor staunte. Das also hatte der Herr Ozean vollbracht. Er hatte ihm eine Möglichkeit gegeben von hier - dem Grund des Meeres - zu entfliehen. Er sah wieder zu der Nixe und gab das lächeln das sie ihm schenkte zurück.
"Nun denn, laß uns von hier fort. Reisen wir zu einem anderen Ort!" Die Nixe senkte ihren Kopf. Harg'na'tor verstand. Er schwamm auf sie zu und setzte sich wieder auf den blondgelockten Kopf.
"Ich hoffe ich tue dir nicht weh. Aber irgendwo muß ich mich festhalten!" sagte das kleine blaue Wesen und klammerten sich an den Haaren der ehemals hölzernen Nixe fest.
"Nein es schmerzt mich nicht. Halt dich ruhig fest, kleiner Wicht!"
Dann schwamm die Nixe, und ihr Fischschwanz schien förmlich durch das Wasser zu peitschen. Immer schneller ging es voran.

Noch nie hatte Harg'na'tor so etwas erlebt. Mittlerweile war die Nixe an die Wasseroberfläche geschwommen und nun ging es weiter Richtung Westen. Harg'na'tors Herz hüpfte dabei vor Freude. Diese Geschwindigkeit - ach wie war das herrlich. Über ihm rasten die Wolken des Himmels dahin, als seien sie es, die mit atemberaubender Schnelligkeit über den blauen Himmel zogen. Trotz des rasanten Tempos der Nixe saß der kleine blaue Wicht sicher auf ihren Kopf. Er brauchte sich kaum festzuhalten. Harg'na'tor spürte das unsichtbare Band, das ihn mit der Nixe verbannt. Er würde nicht fallen, was auch immer geschehe. Jauchzend vor Freude stand er auf, breitete die Arme aus - wie um den Wind zu fangen - und schrie sein Glück hinaus.
Plötzlich wurde die Nixe langsamer und hielt an. Sie streckte den linken Arm vor und deutete auf den Grund ihres Verweilens. "Dort weht ein stolzes Segel im Wind. Gut das wir hier lang geschwommen sind. Ein neues Schiff für dich - erneut hölzerne Ruhe für mich!"
Doch Harg'na'tor dachte jetzt anders darüber: "Nein, nein! Es ist so herrlich mit dir über die Wellen zu reiten. Die Sonne im Rücken und den Wind um die Ohren. Warum sollte ich diese Freiheit gegen diesen elenden Kahn voller Menschen eintauschen. Sie werden auch dieses Schiff verkommen lassen. Die Menschen halten nichts in Ehren, nicht einmal ihrer eigen Hände Arbeit. Schwimm Nixe, bringe uns fort von hier. Schnell. Schneller!"
Die Nixe verharrte einen Augenblick als lausche sie in sich hinein, dann gehorchte sie.
Das Schiff verschwand am Horizont und Harg'na'tor jubilierte. Er fühlte sich frei.

Da wurde die Nixe wieder zu Holz und sank in die Tiefe. Der Herr Ozean hatte ihr nur für die Suche nach einem neuen Schiff Leben gegeben, aber da Harg'na'tor damit nicht zufrieden war, hatte er der Galionsfigur das Leben wieder genommen und den kleinen Wicht damit erneut auf den Grund des Meeres gebannt. Harg'na'tor hatte das Geschenk des Ozeans nicht angenommen.

In manch sternklarer Nacht - weit draußen auf dem Meer - kann man so noch heute die tiefen Seufzer hören, die sich mit dem Rauschen der Wellen vermischen: "Ach, warum bin ich nur nicht zu Hause geblieben!"

 

eine schöne Geschichte! Liest sich gut und flüssig, der Stil ist schön, und es sind genug Absätze drin. Was mich beim Lesen allerdings ein bisschen gestört hat war der "zuhause-Fehler". Wie zuhause auch immer geschrieben wird, groß jedenfalls bestimmt nicht - in diesem Fall empfehle ich dir, es in einem Duden nachzugucken.
Auch das Ende finde ich etwas zu abrupt, die schöne Geschichte, deren Redefluss einen dahinträgt wie ein Boot, endet in vier kleinen Zeilen - das solltest du noch ein wenig strecken, einfach der Schönheit halber.

Ich mag die Geschichte, weiter so!

 

Hi Vita,

ich freue mich das Dir die Geschichte gefällt. Über den Schluß werde ich noch einmal nachdenken. Mir tat es irgendwie selber leid, die Geschichte so abrupt enden zu lassen.

Den Zuhause-Fehler habe ich nachgeschlagen.
Da der Ort als solches (ohne persönliche Bindung im Satz wie z.B. "mein") angesprochen wird, sollte es getrennt geschrieben werden. Danke für den Tipp!

-> ich freue mich auf mein Zuhause
-> ich freue mich auf zu Hause


Viele Grüße
Tiger

 

Hallo Tiger,
mir hat Deine märchenhafte Erzählung gut gefallen. Man lernt daraus, dass man zufrieden sein soll mit dem, was man geschenkt bekommt, weil der Schuss sonst nach hinten losgehen könnte. Wie heisst es so schön: Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul.
Vom Stil her war sie flüssig zu lesen, mir sind aber einige Rechtschreibefehler aufgefallen. Ein paar liste ich Dir hier mal auf.

Die Mannschaft, ein wild zusammen gewürfelter Haufen von Halunken und Taugenichts, hatte es dieses mal besonders Eilig.
dieses Mal / eilig

Auch wenn Harg?na?tor niemanden sehen konnte, so wußte er doch wer da gesprochen hatte.
Harg´na´tor / ein Komma nach doch

Sie streckte den linken Arm vor und deutete auf den Grund ihres verweilens.
ihres Verweilens
Der Herr Ozean hatte ihr nur für die Suche nach einem neuen Schiff leben gegeben, aber da Harg'na'tor damit nicht zufrieden war, hatte er der Galionsfigur das Leben wieder genommen und den kleinen Wicht damit erneut an den Grund des Meeres gebannt. Harg'na'tor hatte das Geschenk des Ozeans nicht angenommen.
Leben / auf den Grund des Meeres

In manch Sternklarer Nacht - weit draußen auf dem Meer - kann man so noch heute die tiefen Seufzer hören, die sich mit dem rauschen der Wellen vermischen: "Ach, warum bin ich nur nicht zu Hause geblieben!"
sternklarer Nacht / dem Rauschen

Ausserdem würde ich glaube ich glaube ich den Ozean nicht als "Herrn" Ozean bezeichnen, weiss auch nicht, aber irgendwie klingt das albern. Ich würde einfach nur der Ozean sagen.
Was für ein Lebewesen ist den Harg´na`tor? Wo kommt er her? Wie sieht er genau aus(ausser seiner blauen Haut)?
Da hätte ich mir noch etwas mehr Information gewünscht.
Das sind natürlich alles nur Vorschläge, die Du nicht übernehmen musst.
Hab Deine Geschichte auf jeden Fall gerne gelesen.

LG
Blanca :)

 

Hi Blanca,

danke für die Fehlersuche - werde ich ausbessern.
Herr Ozean klingt zugegebener Weise ein wenig albern. Läßt den kleinen Wicht aber auch noch kleiner und etwas kindlicher erscheinen - das war meine Absicht.
Harg'nar'tor wollte ich nicht näher beschreiben - das die von seinem Volk so eine Art guter Schiffsgeister sind, geht glaube ich aus dem Text hervor. Mehr wollte ich auch nicht beschreiben, den Rest überlasse ich der Phantasie des Lesers.
Jedenfalls freue ich mich sehr, das auch Dir die Geschichte gefallen hat.

Viele Grüße
Tiger

PS:

Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul.
Das ist genau das, was ich mit der Geschichte Aussage wollte. :)

 

Hallo!
Eine ganz andere Klabautermann-Geschichte, die mir gut gefällt! Du hast im Stile alter Märchen erzählt, das können heute nicht mehr so viele, schreib mehr davon!
LG, Svea

 

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