Das Gemälde
Das Gemälde
WARNUNG:
Diese Geschichte ist relativ gewalttätig, soll die Gewalt jedoch nicht verherrlichen. Ich habe mich bemüht, sie lediglich als stilistisches, künstlerisches Mittel zu verwenden.
Du weißt, dass es kein Entkommen gibt.
Trotzdem läufst du davon.
Es ist der Instinkt, der mich immer wieder in die Nacht hinaustreibt, so wie es der deine ist zu fliehen. Dies haben wir gemein. Jede Nacht aufs neue...
Du hörst Schritte hinter dir, schon eine ganze Weile. Es ist dunkel, es ist kalt. Du solltest zu dieser Zeit nicht mehr unterwegs sein. Zumindest nicht hier. Und nicht allein...
Du läufst schneller, kommst dir jedoch gleichzeitig etwas albern dabei vor. Du bist diesen Weg schon oft gegangen, nie ist etwas passiert.
Oh ja, ich kenne deine Gedanken. Du bist auch nicht anders als die Anderen...So viele Andere...
Du blickst dich gehetzt um, als sich die Schritte hinter dir beschleunigen. Doch du siehst nichts als die finstere Nacht.
Geduckt husche ich in eine dunkle Gasse und gehe sie langsam hinab...
Die Schritte hinter dir sind verklungen, du atmest langsam auf. Du scheltest dich, Angst gehabt zu haben und läufst festen Schrittes die Strasse entlang...
Du biegst erleichtert um die nächste Ecke und blickst direkt in mein Antlitz. Der Schock ist besonders gross, da du dich bereits ausser Gefahr gewähnt hast. Und nach dem Schock kommt die Angst...
Du siehst mich vor dir stehen, gehüllt in einen nachtschwarzen Mantel. Die einzigen Dinge, die du noch bewusst wahrnimmst, sind meine rotglühenden Augen und meinen unterarmlangen Dolch...
Ein Vampir hat es nicht nötig, seine Opfer mit der Klinge zu töten. Doch die Jagd ist es, die uns zu dem macht, was wir sind...
Du taumelst zurück und formst deine Lippen zu einem Schrei.
Mit einer blitzschnellen Bewegung reisse ich dir mit der Klinge die Kehle auf...
Das Blut spritzt an die Hauswand und läuft in Strömen hinunter. Es malt glänzende Muster aus Leid...
Aus deinem Schrei wird ein kaum hörbares krächzen. Kraftlos sackst du an der Wand zusammen. Ich beuge mich über dich und sehe, wie sich dein Blick bereits langsam zu verschleiern beginnt...
Ich halte mir meinen Dolch vor die Augen und lecke das warme Blut von der Klinge...
Doch es ist noch nicht vorbei. Noch nicht, kleiner Engel...
Ich packe dich an deinem Haarschopf und reisse dich brutal in die Höhe.
Kraftlos hebst du deinen Arm, ein letzter, sinnloser Gedanke an Widerstand glüht in dir auf.
Ich drehe dich um, so dass du mit dem Gesicht zur Hauswand blickst. Du sehnst den Tod herbei, du siehst ihn nun als Erlösung an aus deiner Qual...
Ich packe dich am Schopf und ramme dir meinen Dolch in den Rücken. Die Wucht des Hiebes ist so gross, dass du an die Hauswand genagelt wirst. Die Klinge bohrt sich funkensprühend noch ein paar Zentimeter in den Stein...
Dein Körper bäumt sich auf in einem letzten, krampfartigen Zucken. Dann geben deine Beine unter dir nach und du sackst in dich zusammen. Ein reissendes Geräusch, als die Diamantgeschliffene Klinge durch dein Gewicht erneut dein Fleisch schneidet...
Ich ziehe meinen Dolch heraus und du schlägst hart auf dem Asphalt auf.
Das hätte sicher weh getan. Wenn du noch leben würdest.
Ich stelle mir vor, mit welch verabscheuenden Blick die Menschen am Morgen darauf mein blutiges Werk betrachten werden. Ich sehe mir die gemalten Blutlinien auf deinem Körper an.
Diese Menschen haben einfach keinen Sinn für die Kunst...
Copyright © 2003 by Marcel Seis, all rights reserved.
12.08.2003