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Das gelbe Kleid
Es war ein gelbes Kleid gewesen, da war er sich ganz sicher. Ein hell gelbes, etwas auffälliges Kleid, ein bisschen altmodisch mittlerweile. Es war relativ kurz gewesen, knapp unterm Knie hatte es aufgehört. Wenn der Wind wehte, konnte man ihre Knie sehen. Das war ein Moment in dem er meinte auf einmal wie aus heiterem Himmel Musik zu hören.
Da war ihr Haar, mittellanges, dunkelblondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Mit einem dunkelblauen kleinen Haargummi, die kleine Metallklammer die die beiden Enden zusammenhält war dabei oben auf zu sehen. Sie trug modische Lederschuhe, und weiße Söckchen bis kurz unterm Knöchel.
Eine hellbraune Umhängetasche aus weichem Leder, die trug sie über der Schulter.
Manchmal verfing sich ihr Haar zwischen ihrer Schulter und dem Träger, dann ordnete sie es wieder zu einem Pferdeschwanz, man konnte dabei ihre Achselhöhlen sehen.
Sie war wohl so Anfang zwanzig gewesen. Ein wunderschönes Mädchen, dem alle Männer unwillkürlich hinterher schauten. Sie hatte etwas erfrischend Unschuldiges an sich, etwas das man in der Stadt selten findet.
Sie sind immer zusammen Bahn gefahren,
Einstieg – Tacitus Straße
Ausstieg – Zülpicher Platz.
Er liebte diese Strecke.
Ein gelbes Kleid, etwas altmodisch mittlerweile.
Die Tasche immer über der Schulter.
Er sah es vor sich, wie sie ihn ansah, wie sie lächelte, wie sie schaute, während sie ihm zuhörte.
Er sah auch wie sie zusammen im Café saßen, sie wie eine Dame die Beine übereinandergeschlagen, er ,wie ein Herr, hat bezahlt.
Sie haben sich unterhalten, über alles was ihnen so einfiel. Über die Arbeit, Reisen, Zukunft, Politik nur ein wenig.
Sie hatte so etwas herrliches in ihrem Gesicht, waren es ihre grünen Augen?
Oder ihre spitze Nase? Oder ihr helles Lachen, was er gerne mit einer kleinen Glocke verglich?
Oder war es ihre Art? Wie sie sich benahm? Wie sie ihm zuhörte? Wie sie ihn ernst nahm?
Später dann haben sie über ernstere Themen gesprochen, mehr über Politik, seine Sorgen über die Zukunft, gemeinsame Reisen, Arbeit weniger.
Sie trug ein gelbes Kleid an dem Tag an dem er sie fragte ob sie seine Frau werden wolle.
Er vergaß es nie, ihr Blick bei seiner Frage. Sie hörte ihm zu, sie nahm seine Frage ganz in sich auf, ließ sie dort einen Moment ruhen und sich ausbreiten, sie spürte die Idee, ließ sie durch die Finger gleiten wie feinste Seide und ließ sie dann wieder frei, formte sie um zu einer Antwort, so voller Wahrheit, als sollte sie die Ewigkeit überstehen.
Sie sagte ja.
Das ist jetzt dreiundfünfzig Jahre her.
Drei Jahre her ist ihre Beerdigung.
Seitdem fährt er wieder jeden Tag mit der Bahn.
Einstieg – Tacitus Straße
Ausstieg – Zülpicher Platz
Es war ein gelbes Kleid, dass wusste er noch ganz genau .
Bald würde er es wieder sehen.