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Das Geheimnis des Waldläufers

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22.01.2003
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Das Geheimnis des Waldläufers

Als das Rascheln der Blätter verstummte, hatte der Junge das Gefühl, als wolle ihn der Wind auf etwas aufmerksam machen. Er verharrte in der Bewegung und horchte. Jetzt war es deutlicher zu hören. Ein fernes Knirschen durchbrach mit leiser Monotonie die plötzlich eingetretene Stille. Als ob er am kopfeigenen Schärferegler gedreht hätte, nahm ein schemenhaftes Bild aus seiner Erinnerung langsam Kontur an. Vor seinem geistigen Auge erstreckte sich der weiße Kiesweg, der zur Villa seines Onkels führte. Der Junge begriff sofort, was das bedeutete. Menschliche Schritte. Jemand schien sich vom alten Moor her, dem verlassenen Haus zu nähern. Wie ein Derwisch wirbelte er herum, griff nach seinem Ruck-sack und rannte zur Rückseite des Hauses um seine Goldgräberschaufel zu holen. Erleichtert stellte er fest, dass sein wertvoller Helfer noch an der Tür des Gartenhäuschens lehnte. Er wollte sich gerade auf den Rückweg machen - als er auf einmal vor Schreck erstarrte. Hinter dem Holzzaun stand regungslos ein alter Mann. Das Herz des Jungen begann zu pochen. Die grauen Haare des Fremden standen ihm wild vom Kopf ab und seine Kleidung wirkte dreckig und ausgetragen. Nur seine flinken, aufgeweckten Augen ließen den Jungen zögern wegzulaufen. „Du brauchst keine Angst haben, Kleiner. Ich heiße Claude. Ich weiß, so heißen nicht viele hier, aber wenn alle Fabian hießen, wäre es doch auch langweilig, oder?“. Fabian zuckte zusammen. Woher wusste der Alte seinen Namen? Er umklammerte seine Schaufel, als ob sie sich im Ernstfall in ein Schwert verwandeln würde. „Warum starrst du mich so an? Wenn man alt wird, reden die Leute nicht mehr oft mit einem. Umso besser lernt man, Ihnen zuzuhören.“ .Er beugte sich ein Stück über den Zaun. „Weißt du wer einmal hier in dem Haus gewohnt hat?“. Der Alte deutete mit seinen knochigen Fingern zum leerstehenden Gebäude. Fabian schüttelte den Kopf. Bloß keine Gruselgeschichte, dachte er. „Hier hat einmal ein guter Polizist gewohnt. Er hat viele Jahre auf unser Dorf aufgepasst. Man hat sich stets sicher gefühlt, wenn er in der Nähe war. Und wenn jemand etwas angestellt hatte, ist er nicht einfach hingefahren und hat ihn auf die Wache geschleppt - er hat sich immer die Zeit genommen, mit den Leuten zu reden.“. Claudes Augen hatten einen traurigen Glanz angenommen. „Und er hat die Menschen nie nach ihrem Geld beurteilt. Ob einer reich oder arm war, das war ihm ganz egal. Wenn man recht überlegt...“.Er fuhr sich mit der Hand über sein stoppeliges Kinn.“...war er eigentlich sogar ein verdammt guter Polizist. Vielleicht sogar der Beste.“. Fabian war neugierig geworden. „Was ist aus ihm geworden?“. „Er ist in diesem Haus verstorben.“ Fabian spürte, dass der alte Mann die Wahrheit sagte. „Glaub mir Fabian, es gibt bessere Orte für Kinder.“. Er lächelte dem Jungen zu und schlurfte in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Fabian fiel sofort auf, dass er humpelte.
Nachdem Abendessen saß er mit seinem Vater, seinem Onkel und seinem Großvater am Esstisch und während die Erwachsenen ihr Bier tranken schlürfte er Waldmeisterlimonade durch einen Strohhalm. Als sein Onkel gerade mit einer Erzählung über seinen neuesten Aktiendeal geendet hatte, ergriff Fabian das Wort: „Sagt mal, stimmt das, das in dem verlassenen Haus ein Polizist gestorben ist?“. Er glaubte für einen kurzen Moment eine Veränderung im Gesicht seines Großvaters wahrzunehmen. „Wer hat dir das denn erzählt.“. Sein Onkel blickte ihn verärgert an. „Das hab ich in der Schule gehört.“ log Fabian.“ Hör zu, mein Junge.“ Sein Großvater legte seinen Arm um seine Schulter. „Das stimmt. Und gerade deswegen möchten wir nicht, dass du dort spielen gehst. Das Haus ist alt und auf dem Grundstück liegen viele rostige Gegenstände und kaputte Dachziegel herum. Du wirst dich beim Spielen nur verletzen.“. Er hatte auf dem Rasen hinter dem Haus noch keinen einzigen rostigen Gegenstand, geschweige denn die Reste eines Dachziegels entdeckt, aber er entschied sich, es für sich zu behalten. Genauso wie die Begegnung mit Claude.
Am darauffolgenden Nachmittag packte er seinen Rucksack mit der Wanderkarte vom Dorf, 2 in Folie eingepackte Salamibrötchen, einer Flasche Apfelschorle, seinem Notizbuch, 2 Stiften (, falls einer kaputt ging), einem Taschenmesser, einer Lupe und einer Taschenlampe. Natürlich durfte auch seine Goldgräberschaufel nicht fehlen, doch die trug er stets in der Hand. Er vergewisserte sich, dass Großvater schlief und dann verließ er den Hof durch das Loch im Zaun und machte sich auf den Weg zum verlassenen Haus. Dort angekommen saß Claude auf der Treppe und lächelte ihn an. Fabian war überrascht. „Na, hat’s dir die Sprache verschlagen, Kleiner.“. „Was machst du schon wieder hier?“. Etwas vorwurfsvolles schwang in seinem Ton mit. „Ich habe früher viel Zeit hier zugebracht. Die Erinnerungen lassen mich noch oft hierher kommen.“. „Bist du denn schon so alt?“. „Vielleicht.“. Der Alte schmunzelte. „Pass auf kleiner Mann, ich will dir eine Geschichte erzählen. Sie ist aber etwas gruselig.“. Fabian zog die Augenbrauen hoch: „Na und.“. Claude musste grinsen. „Also, gut. Zu der Zeit, als der Polizist noch lebte, streunerte in den Wäldern ein alter Mann umher. Sie nannten ihn den Waldläufer. Es war jemand aus dem Ort, der mit Kapuze verhüllt durch die Wälder strich und die Tiere beobachtete. Er war kein schlechter Kerl nur etwas seltsam. Zur gleichen Zeit aber wurden hier 4 Kinder in der Nähe des Waldes erschlagen aufgefunden. Beinahe jeden Monat eines. Bis die Eltern aus dem Dorf ihre Kinder nicht mehr alleine aus dem Haus ließen.“ Fabian spürte wie das Unbehagen in ihm wuchs. „Der Verdacht fiel natürlich sofort auf den Waldläufer. Also durchkämmte die Polizei den gesamten Forst - doch vom Waldläufer fehlte jede Spur. Dafür entdeckten die Polizisten etwas anderes: eine Hütte. „Claude zögerte. „Und in dieser Hütte fand der Polizist, der einmal hier gewohnt hat, dann den Beweis für die Schuld des Waldläufers.“. Fabian stutzte. Claude schien ihm etwas zu verheimlichen. „Was passierte mit dem Waldläufer?“. „Ich werde es dir ein andermal erzählen. Vielleicht kennt aber auch jemand von zuhause diese Geschichte. Ältere Menschen dürften sich noch daran erinnern können. „Claude war aufgestanden und zum Türchen gehumpelt. Fabian saß noch eine Weile auf dem Treppenabsatz ,bis er sich auf den Weg nach Hause machte. Auf der ganzen Strecke zerbrach er sich den Kopf, doch es wollte ihm nicht einfallen. Irgendetwas, dass Claude gesagt hatte, kam ihm sonderbar vor. Wie das erste Mal als er den Namen des Jungen erwähnte.
Im Fernsehen lief irgendein uralter Western. Ein Mann warf sich vor seinen jungen Begleiter um ihn vor den Pfeilen der Indianer zu retten. „Sag mal Opa, gab es diesen Waldläufer wirklich?“. „Wer erzählt dir denn solche Ammenmärchen?“. „Ein Junge aus der Schule. Und der weiß es von seinem Großvater.“. Sein Opa strich ihm liebevoll durchs Haar. „Fabian, du musst nicht alles glauben was dir die Jungs in der Schule erzählen. Es gab und gibt keinen Waldläufer.“. Fabian hatte es genau gehört. Sein Opa sagte zuerst „gab“, dabei hatte er mit keinem Wort erwähnt das diese Gestalt in der Vergangenheit gelebt hatte. Jetzt war er sich sicher, dass an Claudes Geschichte etwas dran sein musste. Doch irgendetwas hatte er ihm noch nicht erzählt. Er würde morgen noch einmal zum Haus gehen und ihn fragen.
Als er ihren geheimen Treffpunkt am nächsten Tag nach der Schule erreichte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Hinter den vergilbten Gardinen des Hauses hatte er einen Schatten gesehen. Mit weichen Knien schlich er sich vorsichtig an das Grundstück heran, da sah er es. In der Hofeinfahrt parkte ein weißer Kastenwagen. Fabian erschrak. Wer konnte das sein? Zog Claude etwa in das leere Haus ein? Hatte er ihn darum gewarnt, dort zu spielen?
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein elegant gekleideter Herr, der die Haare zu einem Zopf gebunden hatte, trat schnellen Schrittes aus dem Haus heraus. Fabian wollte sich noch über den Zaun auf das benachbarte Grundstück flüchten, doch der Mann hatte ihn längst entdeckt. „Na, was machst du denn hier?“. Fabian schämte sich. „Ich bin zufällig hier vorbeigekommen und dann...“.Der Mann lachte. „Und dann dachtest du, dass du hier mal nach dem Rechten schaust und dabei hast du gleich einen Ein-
brecher auf frischer Tat ertappt. „Fabian war die fröhliche Art des Neuankömmlings sofort sympathisch also entschloss er sich, ihm - bis auf Claude - die Wahrheit zu sagen. „Ich hab oft hinten auf dem Rasen gespielt und nach wertvollen Sachen gesucht.“. Der Mann schaute ihn interessiert an, ohne das er das Gefühl hatte von ihm in der für Erwachsene so typischen Art belächelt zu werden.
„Und dann bin ich in der Schule einem Jungen begegnet, der mir erzählt hat, dass hier früher mal ein Polizist gewohnt hat.“. Fabian hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser Reaktion. „Ich weiß. Deswegen bin ich ja hier. Der Polizist soll sich angeblich selber das Leben genommen haben, ich glaube aber nicht daran. Ich darf mich vorstellen.“ Er streckte dem Jungen seine Hand entgegen. Fabian ergriff sie und bemerkte, dass er einen kräftigen Händedruck hatte. „Ich bin Robert von Holdenberg und Journalist.“. Fabian starrte ihn ungläubig an. Er hatte noch nie einen echten Journalisten gesehen. „Haben sie das Haus gekauft.“. Der Mann zog seinen Krawattenknoten hoch. „Nein. Nur gemietet. Es stand zwar offiziell nur zum Verkauf, aber bei der Vorgeschichte war es ein Leichtes den Besitzer zu einem Mietvertrag zu überreden. Wenn ich gefunden habe was ich suche, werde ich hier wieder verschwinden.“. Hatte er richtig gehört? Gab es hier etwa einen Schatz? „Was suchen sie denn in dem Haus?“. „Das kann ich dir leider nicht sagen. Aber ich verspreche dir, wenn ich’s gefunden hab, darfst du’s mal sehen.“. Fabian wusste nicht so recht, ob er ihm glauben sollte. „So, jetzt muss ich aber meine restlichen Gerätschaften ins Haus transportieren. Wir werden uns bestimmt noch mal begegnen.“
Als seine Familie am nächsten Morgen beim Frühstück zusammensaß, nahm er allen Mut zusammen und fragte seinen Vater: „Im leeren Haus ist ein Reporter eingezogen. Kannst du dir vorstellen was er da sucht?“. Sein Vater ließ langsam die Zeitung sinken und schien den Jungen mit seinem Blick durchbohren zu wollen. „Was hast du gesagt?“. Fabian fuhr zusammen. Er kannte seinen Vater nur als wortkargen, introvertierten Mann, der nie mehr redete, als es die Situation erforderte. „Ein Reporter sucht etwas in dem Haus.“. „Die Leute können die Vergangenheit nicht ruhen lassen.“. Fabian blickte ihn fragend an, doch als er sah das sein Vater die Zeitung wieder vors Gesicht hob, wusste er, dass er keine Antwort bekommen würde.
Bewaffnet mit seinem Rucksack und der Schaufel machte sich Fabian nach den Hausaufgaben auf den Weg, um nach einem neuen Grabungsort Ausschau zu halten. Er hatte beschlossen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. In den letzten Wochen brachte er oft schlechte Noten nach Hause und nie hat es deswegen besonderen Ärger gegeben. Er wollte nicht, dass sich daran etwas änderte und sein Vater ihm wieder wochenlangen Stubenarrest verordnete.
Außerdem konnte er in letzter Zeit nur schwer einschlafen. Oft plagten ihn nachts Alpträume. An einen konnte er sich noch genau erinnern:
Er stand auf einer beleuchteten Waldlichtung und in der Hand hielt er einen großen, schwungvoll gearbeiteten Bogen. Die Pfeile steckten in einem Köcher, den er auf dem Rücken trug. Die Bäume, die ihn umgaben hatten Gesichter. Einige schliefen, andere brummten sich etwas zu. Es lag nichts Feindseliges in der Luft, bis die Stille durch einen gellenden Schrei unterbrochen wurde. Fabians Muskeln spannten sich an. In der Ferne hörte er das Knacken von Ästen. Die Augen der Bäume waren weit aufgerissen, als hätten sie große Angst. Fabian trat vorsichtig einen Schritt nach vorne, um besser den Wald beobachten zu können, da erkannte er die Ursache für den Schrei. Ein kleines in ein rotes Gewand gehülltes Männchen rannte auf ihn zu. Dahinter folgte noch eins. Und noch eins. Fabian zählte insgesamt vier der kleinwüchsigen Gestalten, die um ihr Leben zu rennen schienen. Jetzt spannte er den Pfeil in seinen Bogen und wartete. Sein Herz hämmerte wie wild gegen seinen Brustkorb. Da tauchte er auf. Eine schemenhafte Gestalt in einem dunkelgrünen Umhang. Das Gesicht von einer Kapuze bedeckt unter der nichts als schwarze Schatten zu erkennen waren. Panik hatte von ihm Besitz ergriffen. Er zielte auf das Gesicht der Spukgestalt und ließ den Pfeil sein Ziel finden. Mit einem lauten Surren raste er auf die grüne Erscheinung zu. Und traf. Als das Wesen mit dem Hinterkopf auf den Waldboden aufschlug erkannte Fabian das er einen großen Fehler gemacht hatte. Die verhüllte Gestalt war nicht der Verfolger gewesen, er war selbst vor etwas geflohen, das sich jetzt langsam und unaufhaltsam durch die Bäume schob. Fabian drehte sich um und rannte davon. Beim Laufen konnte er noch einen flüchtigen Blick auf eines der roten Männchen werfen. Zwar war es nur verschwommen zu sehen, doch ein Merkmal erkannte er sofort wieder: Es humpelte.
Fabian verdrängte die Erinnerung an den beklemmenden Traum. Er wollte sich voll und ganz seiner neuen Aufgabe widmen. Einen neuen Platz zum Schatzsuchen finden. Er hatte sich auch fest vorgenommen, sich wieder bei Norman zu melden. Obwohl dieser, wie viele Jungen seiner Altersklasse, noch mit Autos spielten und vieles noch nicht begriffen, so war es doch besser, als alleine die Gegend zu erkunden. Auf einmal verlangsamte er seine Schritte. Das konnte doch nicht wahr sein. Auf einer Bank im Park saß ein alter Mann mit zerzausten Haaren und starrte ihn an. Fabian wollte gerade kehrt machen, als dieser in heran-
winkte. Es war Claude. Ok, ein letztes Mal, dachte Fabian und er wusste nicht wie Recht er damit hatte.
„Was willst du?“, fragte ihn der Junge unverblümt. „Du hast doch den netten Journalisten kennen gelernt.“. „Ja. Wiso?“. Fabian wunderte sich, woher Claude von der Begegnung wusste. „Der Mann schwebt in großer Gefahr. Hör zu, ich werde dir jetzt den Rest der Geschichte erzählen, dann kannst du es selbst beurteilen.“ „Warte, warte-ich will das alles nicht mehr hören!“. Fabian hielt sich die Hände vor die Ohren. Der alte Mann legte eine Hand auf seine Schulter und blickte ihm tief in die Augen. „Fabian, es ist besser du erfährst es. Glaube mir. In vielen Jahren wirst du mir dafür danken, dass ich dir die Augen geöffnet habe.“. Irgendetwas in ihm schenkte den Worten des alten Mannes Vertrauen.“ Aber wie soll ich dem Journalisten denn helfen können, ich bin noch nicht groß und stark.“. Claude schenkte ihm ein freundliches Lächeln.“ Du kannst ihm nicht mehr helfen. Die Dinge werden ihren Lauf nehmen. Also hör gut zu:
Der Polizist, der damals die Hütte entdeckt hat, fand dort auch ein Tagebuch. In diesem Tagebuch waren alle vier Morde an den Kindern ausführlich geschildert. Auf der letzten Seite der Aufzeichnungen hatte der Täter seine wahre Identität preisgegeben. Der Polizist wollte nicht glauben, welchen Namen er dort las und hielt das Tagebuch erst mal für eine Fälschung. Um der dort genannten Person, die ein hohes Amt im Dorf bekleidete und die er persönlich schätzte Ärger zu ersparen, riss er die Seite heraus und versteckte die letzten Worte des Mörders.“ „Woher wissen sie das alles?“. Claude trat näher an den Jungen heran. „Das bleibt mein Geheimnis.“ Fabian wusste, das Nachfragen sinnlos wäre. „Also, der Polizist entschied sich dafür, erst mal mit der Person zu sprechen bevor die Öffentlichkeit davon erfuhr. Das Tagebuch übergab er selbstverständlich seinen Kollegen, die bei der herausgerissenen Seite auch keinen Verdacht schöpften, da er als absolut gewissenhaft galt. Die letzten Worte hatte er vorher im Haus versteckt.“ „Warum hat er ihnen nicht gesagt, wo sie sind.“. Claude antwortete nicht. „Nachdem er mit der Person gesprochen hatte, fand man ihn erhängt in seinem Arbeitszimmer. Doch ich weiß genau, dass er sich niemals umgebracht hätte.“. Fabian war unbehaglich zumute. Hätte er sich bloß nicht auf diese Sache eingelassen, doch er wusste, das er jetzt nicht mehr zurück konnte. Also stellte er seine letzte Frage an Claude: „Wer war diese Person?“. Claude fuhr mit seiner faltigen Hand durch das Haar des Jungen und verabschiedete sich von ihm.
Er spürte, dass diese Worte etwas Endgültiges enthielten.
Zu Hause vermied er es das Thema noch einmal anzusprechen und so verging ein Monat ohne daran erinnert worden zu sein. Weder Claude noch das Haus mit dem Journalisten hatte er seitdem je wieder zu Gesicht bekommen. Er hoffte, das sich die Tür in die grausame der Welt der Erwachsenen fürs Erste geschlossen hatte. Doch schon am Abend wurde er eines Besseren belehrt.
Er hatte seinen Vorsatz eingehalten und sich wieder bei Norman gemeldet. Für den heutigen Abend hatte er mit seinen Eltern vereinbart, dass er bei Norman übernachten würde. Zusammen mit Normans Eltern saßen die beiden Jungen vorm Fernseher und schauten sich einen Abenteuerfilm an. Als eine kunstvoll gezeichnete Comicfigur die Werbeunterbrechung ankündigte, wollte Normans Vater gerade umschalten. Seine Mutter hielt ihn am Arm fest. „Warte, die zeigen gleich die Themen der Abendreportage, lass es noch mal kurz laufen.“. Als hätte der Fernsehsender nur auf das Kommando von Normans Mutter gewartet, wurde eine Moderatorin eingeblendet und im Hintergrund war das Logo der Nachrichtensendung zu erkennen. „Und heute Abend sind wir mit diesen Themen für Sie da.“.Schnitt. Die Aufnahme eines Hauses von einem tiefen Blickwinkel. Die Kameraeinstellung verfehlte ihre Wirkung nicht: Das Gebäude wirkte bedrohlich. Kamerafahrt um das Grundstück. Fabian erkannte die Kellertreppe. Die Angst überfiel ihn mit aller Macht. Schnitt. Ein Moderator in einiger Entfernung zum Haus. „Gestern morgen wurde in diesem Haus der angesehene Journalist und Autor zahlreicher Fachbücher über Kriminalistik Robert von Holdenberg mit einem Stahlseil erhängt im Keller aufgefunden. Zwar liegt der Polizei der Autopsiebericht noch nicht vor, so spricht doch einiges dafür, dass wir es hier mit Mord zu tun haben. Das Motiv liegt noch völlig im unklaren. Hintergründe und Fakten zu diesem Thema heute abend um 22 Uhr.“. Die restlichen Worte der Moderatorin hörte Fabian nur noch von weiter Ferne. Fragmente von Bildern schossen ihm durch den Kopf. Das Haus. Die Treppe. Claude. Die roten Männchen. Die grüne Spukgestalt. Der Journalist. Er wollte nur noch weg.
Unter dem Vorwand starke Kopfschmerzen zu haben und nur im eigenen Bett schlafen zu können, ließ er sich von seinem Vater abholen. Zuhause angekommen schlich er sich auf den Hof. Leise öffnete er die Tür zu Großvaters Werkstatt. Dort hatte er hinter der Werkbank ein altes Zeichenbuch versteckt, das keiner finden sollte. Er wusste genau, das außer seinem Großvater keiner die Werkstatt betrat. Sein Vater war handwerklich völlig ungeschickt und das wenige Werkzeug, das er benötigte, lagerte er in der Garage. Und Opa suchte gewiss nicht hinter der Werkbank nach versteckten Zeichenblöcken. Er wollte sich den ganzen Frust von der Seele zeichnen. Als er gerade hinter die Werkbank greifen wollte, streifte sein Arm einen metallischen Gegenstand. Er zog die Hand zurück und begann das Ding unter dem Sockel hervor-zuziehen. Als er es vor das Fenster hielt, damit es von der schwachen Hofbeleuchtung beschienen wurde erkannte er was er vor sich hatte. Ein abgeschnittenes Stück Stahlseil. Für Fabian brach eine Welt zusammen.
Noch Jahre später erinnerte er sich an diesen Moment, in dem er sicher war, alles nur geträumt zu haben und sich mit geschlossenen Augen in die Werkstatt legte um anschließend wieder in seinem warmen Bett aufzuwachen. Bis sich an einem
Montagmorgen ein Fremder in seiner Anwaltskanzlei meldete. Er sprach am Telefon davon, etwas in seinem Haus gefunden zu haben, das ihn interessieren könnte. Also verabredeten sie sich für den nächsten Tag um 17 Uhr. Der Mann kam pünktlich und er trug eine Mappe mit losen Blättern unter seinem Arm. Als ihn Fabian zum ersten Mal sah, dachte er einen Hochschullehrer aus den alten Heinz-Rühmann-Filmen.
„Sie sind doch Fabian Gronwald, oder?“. Der Lehrer reichte ihm die Hand. „Helmut Lohwedder. Hören Sie, ich möchte Ihnen einen Handel vorschlagen.“. Fabian schaute ihn misstrauisch an.“ Meine kleine Tochter hat beim Suchen eines geeigneten Verstecks für unser Weihnachtsgeschenk...“.Er zog eine vergilbtes Stück Papier in einer Folie aus seiner Mappe.“...das hier entdeckt.“. Als Fabian danach greifen wollte zog es Lohwedder zurück. „Einen Moment. Das ist die letzte Seite eines Tagebuchs. Sie war in einem verschlossenen Stahlkästchen versteckt. Da niemand einen Fetzen Papier grundlos in so einem Behältnis aufbewahrt, habe ich ein wenig recherchiert.“. Der Anflug eines Grinsens umspielte Lohwedders Mundwinkel. „Naja, und dabei habe ich Erstaunliches zu Tage gefördert: In meiner Gegend wurden vor vielen Jahren einige Kinder erschlagen und ein Polizist hat sich angeblich erhängt. Kurz darauf hat sich auch sein Bruder ins Moor gestürzt. Ein kleines Kind hat beim Spielen sein Holzbein entdeckt. Schaurig, was?“. Fabian erstarrte. Die Unruhe wuchs zu einer Woge heran, die ihn zu verschlingen drohte. „Jahre später wurde in meinem Haus ein angesehener Journalist ermordet. Wissen sie warum?“. Fabian wusste es. „Weil er nach dieser Tagebuchseite gesucht hatte. Ich habe nämlich herausgefunden, dass der Polizist vorher in einer Hütte ein Tagebuch des Mörders entdeckt hatte. Warum er die letzte Seite - als entscheidendes Beweismittel zurückhielt - das konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.“. Er grinste triumphierend.“ Jedenfalls weiß ich jetzt, wer all diese Leute umgebracht hat. Es steht auf dieser Seite. Und bevor ich mich an die Öffentlichkeit wende, wollte ich mich vorher mit ihnen unterhalten. Ich weiß, das der Mörder bereits tot ist, aber als angesehener Anwalt ist es bestimmt nicht ruffördernd, wenn man so einen Killer in seiner Verwandtschaft hat.“. Fabian lächelte: „Ich weiß längst, wer der Täter war. Es war mein Großvater. Er war damals Bürgermeister - gehen sie doch zur Zeitung, wenn sie’s nicht lassen können, von mir sehen sie keinen Pfennig, sie mieser Blutsauger!“. Der Mann schob ihm die Tagebuchseite hin. „Gucken sie mal genau hin, das letzte Wort habe ich mit einem Spezialverfahren an der Uni sichtbar machen lassen.“. Fabian las:
„..weiß nicht, warum ich all das getan hab. Ich muss versuchen es zu unterdrücken. Wenn es die Leute im Dorf wüssten. Sie würden mich hassen. Mich, den Bürgermeister...“ Fabian sah, dass ein dunkler Fleck die ursprünglichen Wortreste unkenntlich gemacht hatte. Bei flüchtigem Hinsehen hatte es den Anschein als käme nichts mehr dahinter, doch die letzten Buchstaben waren mit einer fluoreszierenden Flüssigkeit sichtbar gemacht worden. Voller Entsetzten erkannte er das letzte Wort:“...sohn.“

 

Hallo Mortimer!

Wenn ich eine Geschichte lese, dann scrolle ich erst mal nach unten, um zu sehen, wie lang sie ist, damit ich weiß, auf was ich mich da einlasse. Bei deiner Geschichte ist mir dabei aufgefallen, dass sie viel zu dicht ist.
Ich drucke mir die Geschichten nicht aus, sondern lese sie am Bildschirm, und da ist es für mich angenehmer, wenn zwischen den Absätzen Leerzeilen stehen. Die Absätze sollten auch nicht zu lang sein. Ich glaube, wenn du wenigstens zwei Drittel deines Textes in Absätze mit fünf bis zehn Zeilen steckst, tust du deinen Lesern damit einen großen Gefallen. - Das trifft vielleicht nicht so sehr auf Text am Papier zu, aber ganz sicher auf Text am Bildschirm.
Vor allem, wenn du versuchst Spannung aufzubauen, solltest du dem Leser den Text vielleicht in kleineren Portionen vorsetzen.

Ruck-sack
Das Ding heißt Rucksack (ohne Strich in der Mitte des Wortes). - Weiter unten gibt es auch einen Ein-brecher, der besser ein Einbrecher wäre.

Er wollte sich gerade auf den Rückweg machen - als er auf einmal vor Schreck erstarrte.
Mach an Stelle des Gedankenstrichs ein Komma, und anstelle des Punktes einen Doppelpunkt.


Tut mir leid, ich bin nur bis zu der Stelle gekommen, als der Onkel mit der Erzählung mit dem Aktiendeal geendet hat. (Anfang zweiter Absatz). Schuld daran ist nicht der Inhalt deiner Geschichte, sondern die Zeichensetzung. Ich weiß oft nicht, wo eine direkte Rede beginnt, und wo sie endet, und es ist mir zu mühsam, jedesmal darüber nachzudenken.

Deine Art, Satzzeichen zu setzen, solltest Du einmal überdenken. Ganz allgemein gilt: Vor einem Satzzeichen befindet sich KEIN Leerzeichen, danach befindet sich immer eines.
Erste Ausnahme: Drei Punkte, die eine Auslassung oder Pause kennzeichnen. Sie befinden sich nämlich immer von zwei Leerzeichen umgeben. Zeichenfolgen wie überlegt...“.Er oder Kinn.“...war sollte man nicht antreffen.
Zweite Ausnahme: Anführungszeichen, die den Beginn einer direkten Rede kennzeichnen, haben ein vorangehendes Leerzeichen, und stehen in einem Text entweder immer unten (das wäre wünschenswert), oder sie stehen immer oben (zweitbeste Lösung). Ganz Pfui ist es, wann man direkte Reden mal mit einem Anführungszeichen unten, und ein anderesmal mit einem Anführungszeichen oben beginnt.

Ich finde bei dir Beistriche an überraschenden Stellen, während es kommalose Stellen gibt, die förmlich danach schreien.


Liebe Grüße
Hubert

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Mortimer,

ich habe mich durch dein typografisches Dikicht gewühlt, aber die Mühe hat sich gelohnt, weil dein Plot wirklich gut ist. Sehr atmosphärische Beschreibungen, gut char. Figuren, sprachlich größtenteils angemessen. Und am Schluss kommt noch mal der richtige Hammer. Gelungen.

Zur Typografie:
Hubert hat dir schon einiges dazu erzählt.

1. Mach genügend Absätze. (Deine Geschichte in der jetzigen Form wirkt leider wie eine "Endloswurst", was eher abschreckt.)
Für Online-Texte gelten andere Gesetze, weil am Monitor die Lesbarkeit schlechter ist. Im Zweifelsfall lieber einen Absatz zu viel.

2. Dialogbeginne in neuer Zeile.

3. Anführungsstriche, NDR. Gibt´s einen Extra-thread.
Falsch: ?".
Richtig: ?"

Beispiel

Die grauen Haare des Fremden standen ihm wild vom Kopf ab und seine Kleidung wirkte dreckig und ausgetragen. Nur seine flinken, aufgeweckten Augen ließen den Jungen zögern wegzulaufen. „Du brauchst keine Angst haben, Kleiner. Ich heiße Claude. Ich weiß, so heißen nicht viele hier, aber wenn alle Fabian hießen, wäre es doch auch langweilig, oder?“. Fabian zuckte zusammen. Woher wusste der Alte seinen Namen? Er umklammerte seine Schaufel, als ob sie sich im Ernstfall in ein Schwert verwandeln würde.
„Warum starrst du mich so an? Wenn man alt wird, reden die Leute nicht mehr oft mit einem. Umso besser lernt man, Ihnen zuzuhören.“ .Er beugte sich ein Stück über den Zaun. „Weißt du wer einmal hier in dem Haus gewohnt hat?“.

Besser:

Die grauen Haare des Fremden standen ihm wild vom Kopf ab und seine Kleidung wirkte dreckig und ausgetragen. Nur seine flinken, aufgeweckten Augen ließen den Jungen zögern wegzulaufen.
„Du brauchst keine Angst haben, Kleiner. Ich heiße Claude. Ich weiß, so heißen nicht viele hier, aber wenn alle Fabian hießen, wäre es doch auch langweilig, oder?“ Fabian zuckte zusammen. Woher wusste der Alte seinen Namen? Er umklammerte seine Schaufel, als ob sie sich im Ernstfall in ein Schwert verwandeln würde.
„Warum starrst du mich so an? Wenn man alt wird, reden die Leute nicht mehr oft mit einem. Umso besser lernt man, Ihnen zuzuhören.“ Er beugte sich ein Stück über den Zaun.
„Weißt du wer einmal hier in dem Haus gewohnt hat?“

Ich denke, wenn du angenehmer formatierst, bekommst du auch mehr Leser. Wäre ansonsten schade, bei dieser Geschichte.

LG Pe

 

Hi petdays,

vielen Dank für deinen konstruktiven Beitrag. Mittlerweile nehme ich mir mehr Zeit für die Überarbeitung von Texten. Die Story war meine erste Veröffentlichung im Internet. Ich war dem Irrtum unterlegen, der Text würde im 1:1 Format vom Schreibprogramm auf die Homepage konvertiert werden und daher habe ich nach Übersendung der Geschichte keinen Blick mehr darauf geworfen. Ich hab draus gelernt.

Liebe Grüße

Mortimer

 

Hallo Mortimer,

du kannst sie auch jetzt noch bearbeiten. > Bearbeiten-icon unten rechts.

LG Pe

 

Hallo Mortimer,
Hubert und petdays haben zu Interpunktion und Struktur gesagt, was gesagt werden sollte.
Grundsätzlich hat sich deine Geschichte trotzdem noch sehr gut lesen lassen. Keine Ecken, keine Kanten.
Der Polizist findet den Beweis für die Schuld des Waldläufers – und das ist ein, zu der Zeit schon, alter Mann, der etwas seltsam ist. Also im Dorf bekannt ist. Aber der ist es doch gar nicht. Es ist des Bürgermeisters Sohn. Hatte der aber nicht zwei Söhne?:rolleyes:
Gruß Charly

 

Hi Charly,

vielen Dank für deinen Beitrag.Du bist ein genauer Leser. Am Anfang erwähnte ich noch den Onkel des Protagonisten, der aber mit den Vorfällen nichts zu tun hat. Das wäre andernfalls auch zu weit hergeholt.

Liebe Grüße

Mortimer

 

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