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- 28.10.2017
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Das Gedicht des Lebens
Zu früher Morgenstunde erwachte ich in einem mir befremdlichem Zimmer. Ich sah mich um, doch erblickten meine Augen keine mir bekannten Ecken; Keines der Bilder an der Wand und auch nicht der Geruch des Kissens rief eine Erinnerung in mir hervor. So als hätte man meine Sinne in den Körper eines unbekannten gepflanzt, meinen Geist mit dem seinen vertauscht. Doch trotz all dem war ich nicht aufgebracht, erstaunlicherweise keinerlei Angst, bloß ein Hauch von Verwirrung.
Erst als ich mich aufsetzte, um meine überschaubar große Räumlichkeit genauer zu erkunden, verspürte ich einen pulsierend stechenden Schmerz dort, wo ich meine Leber vermutet hätte. Wie jeder Schmerz war auch dieser nach kurzer Zeit vorüber und ich stand auf mit der Absicht das unmittelbar vor dem Bett aufgehangene Bild einer Vase mit nur einer Rose in ihr zu betrachten. Das durch die durchsichtigen Vorhänge fallende, sanfte Licht einer aufgehenden Sonne ermöglichte es mir die Details des, wie ich nun erkennen konnte mit Öl-Farben gefertigten, Gemäldes auszumachen – Eine blutige Dorne schmückte den grünen Stiel der Blume, welcher das langsam verödende rote Blütenkleid zu stützen suchte, doch musste es der unbeherrschbaren Kraft der Gravitation klein bei geben, so dass er gezeichnet wurde von dem Buckel eines Greises.
Das Bild selbst erinnerte mich an Nichts, doch die Aussage traf mich. Schönheit ist schwer, was anfänglich Glück zu sein scheint, kann mit der Zeit zu einer ermattenden Last werden.
Einen letzten Blick warf ich in das Schlafgemach, doch gab es nichts weiter sehenswertes, weder Erklärungen noch Hinweise, welche mir Aufschluss über meine Lage hätten geben können. Den Türknauf drehend schritt ich in einen Flur ohne Fenster und ohne Türen, ohne Ahnung und ohne Ziel lief ich in das mir Unbekannte. Die Wände weiß, die Angst vor dem Ungewissen noch immer nicht entfacht. Nun am Ende des Ganges angekommen, so weit von dem ursprünglichen Zimmer entfernt, dass ich nicht einmal mehr dessen Tür erblicken konnte, fand ich mich vor einem Tor wieder, einem Tor welches mir gerade noch zur Brust ging so niedrig war es. Ich setzte mich nieder und lies die Beine aus der Pforte baumeln um zu sehen was sich hinter ihr verbarg. Verziert mit edlen Farben lies sie mich in die Dunkelheit blicken, ich war mit Sicherheit nur eine kurze Zeit gelaufen doch waren keine wärmenden Sonnenstrahlen mehr zu spüren, es war kalt geworden.
Unter mir Leere, zu meinen Seiten Leere und über mir nicht mehr als das. In weiter Ferne war ein heller Punkt zu sehen und neben jenem ein weiterer. Als sich meine Augen an das Dunkel gewöhnten, erschienen mir mehr und mehr Lichter; Alle schienen sich dem Ersten zuzubewegen, so dass sich nach kurzer Zeit ein weißlich blendend heller Punkt auf dem schwarzen Firmament gebildet hatte. Die Augen zusammenkneifend blickte ich jenem entgegen während es mir entgegenkam und je mehr mich das Licht blendete desto mehr wurde mir klar was mir zuvor entgangen war; Der Grund für meine Verwirrung, der Grund für meine Ruhe ja der Grund des Seins erschien mir nun allzu bewusst als gefühlt tausend Sonnen mich mit ihren Strahlen umgaben.
Für einen ewig kleinen Moment, befreit von Zeit und allen menschlichen Konstrukten, spürte ich am ganzen Leib die Wahrheit in all ihren Farben, Formen und Fassungen. Dieser Augenblick der mich zu meinem eigenen Gott krönte; Das Leben ist nicht einmalig, es ist wie ein Gedicht mit endlos vielen Strophen, jeder Vers bereitet einen Reim für den nächsten vor und nach einem jedem Abschnitt folgt ein weiterer. Wir Menschen, verletzt in unserer Weisheit da geprägt von Hektik und Eile, sehen dies nicht und wenn wir es erkennen müssen wir bereits zur nächsten Strophe springen.
Bald schon werde ich wieder erwachen, zu früher Morgenstunde, in einem befremdlichen Zimmer. Keine bekannten Ecken werde ich erblicken – so als hätte man meine Sinne in den Körper eines Fremden gepflanzt, oder besser: meinen Nächsten.