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Das Gartenzwerg-Massaker
Das Gartenzwerg-Massaker
Wenn ich gewußt hätte, wie das Alles endet! Sie meinen wahrscheinlich, man sollte es als vernünftig denkender Mensch besser wissen. Aber andererseits kennen Sie die Boisenbergs ja auch nicht. Die Boisenbergs sind meine Nachbarn. So mit akkurat auf einen Zentimeter gestutzen Rasen, behutsam gepflegten Hecken und gewissenhaft gesäuberten Fußweg. Sie wissen schon, die Sorte, die den ganzen Tag damit beschäftigt ist, alles furchtbar nett aussehen zu lassen, jeden Abend um Punkt 18 Uhr den Rasen zu sprengen und den ganzen Tag eine Hektik verbreiten, die es einem selbst unmöglich macht sich zu entspannen. In ihrem Garten haben die Boisenbergs zwei Liegestühle stehen. Die Liegestühle stehen immer an der selben Stelle. So dicht aneinander, daß sich die Armlehen dabei berühren. An den Füßen der Liegestühle sind Unterleger angebracht, die den Rasen schützen sollen. Mein Garten sieht dagegen natürlich verwildert aus. Ich habe einfach keine Zeit ihn zu pflegen. Andererseits gefällt er mir so auch besser. Deshalb ist es mir auch ein Dorn im Auge, wenn Herr Boisenberg mit einem seiner furchtbar lauten, benzinbetriebenen Mänerspielzeugen beim Hecke- oder Rasenschneiden wie zufällig auch ein paar Stellen auf meinem Grundstück abmäht. Wahrscheinlich meint er, mir damit einen Gefallen zu tun. Jedenfalls grinst er mir dann immer wie ein Fünfjähriger zu, der sein Wasserfarben-Gekritzel Oma vorzeigt und um Aufmerksamkeit und Lob bettelt. Natürlich haben sie auch Gartenzwerge. Die Gartenzwerge sind alle mit Spitzhacke, Schaufel oder sonstigen Arbeistgeräten bewaffnet und stellen fröhlich lachende und fleißig schaffende Zwerge dar. Aber manchmal glaube ich, daß sie gar nicht fröhlich lachen, sondern boshaft grinsen. Einige von Ihnen sind so aufgestellt, daß sie in meine Richtung blicken, und ich schwöre Ihnen, daß ich sporadisch ein schadenfrohes Lachen in meine Richtung höre, ganz besonders wenn ich mich grade mal wieder über die Boisenbergs aufrege, weil sie abends noch den Rasen mähen, während ich versuche mich von meinem harten Arbeitstag zu erholen. Sie sehen, was letztens geschah war einfach unvermeidlich. Es war mal wieder ein harter Arbeitstag gewesen, und ich kam sehr spät Abends nach Hause. Als ich durch meinen naturbelassenen Garten ging, sah ich den perfekt gepflegten Garten der Boisenbergs und diese zwei Liegestühle, die immer an der selben Stelle stehen, und dieser verdammte Boisenberg hatte schon wieder beim Heckenschneiden in meinem Garten gewildert. Doch diesmal war er zu weit gegangen: er hatte einige meine Brombeersträucher gestutzt. In meinem Kopf begann es zu summen. Und da hörte ich es auch schon wieder. Dieses boshaft Lachen. Ich drehte mich um, und sah die Gartenzwerge mit ihren grinsenden Gesichtern. Sie alle starrten mich an und lachten mich aus. Aber denen würde das Lachen noch vergehen, denn heute war der Tag der Abrechnung gekommen. Ich schmiß meine Aktentasche hin und lief auf die Gartenzwerge zu. Wahllos fing ich an, sie umzutreten. Ich metzelte sie gnadenlos nieder, diese vorlauten Geschöpfe, die mir weismachen wollten, daß man bei der Arbeit gutgelaunt lachen könne. Ich trat einem den Kopf ab, und einen anderen traf ich so geschickt, daß er einen seiner eigenen Leute mit seiner Spitzhacke ins Auge traf. Ich war im Blutrausch, und da sah ich diesen lächerlich grinsenden Gartenzwerg mit der Laterne in der Hand. Ich nahm Anlauf und kickte ihn mit aller Kraft. Er flog im hohen Bogen direkt auf Boisenbergs Haus zu, durchbrach die gläserne Balkontür und blieb im Wohnzimmer liegen. Für eine Sekunde stockte mir der Atem. So ein Mist! Andererseits blieb alles still. Gehetzt schaute ich mich um. Niemand zu sehen. Wahrscheinlich war meine Tat unbemerkt geblieben. Schleunigst verschwand ich vom Tatort in guter Hoffung, niemals für das Gartenzwerg-Massaker zur Verantwortung gezogen zu werden. Ich konnte ja nicht wissen, daß die Boisenbergs dem Laternenzwerg tatsächlich eine kleine Öllampe in seine Laterne gesteckt hatten. Jetzt stehe ich am Doppelgrab der Boisenbergs und bedaure meine Impulsivität. Und wenn ich abends in meinem Garten sitze sehe ich das runtergebrannte Haus und die zwei Liegestühle, die immer noch so dicht beeinander stehen, daß sich die Armlehnen dabei berühren und manchmal vermisse ich die Boisenbergs dann doch ein wenig.