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Das Freund

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19.11.2001
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Das Freund

Das Freund

Die Farbe schwarz wird solange nicht aus den Boutiquen und Modezeitschriften dieser Welt verschwinden, wie es Institutionen wie Friedhöfe, Beerdigungen und den Tod gibt, drei, wie man weiß, verlässliche Freunde. Es sei denn der ewig Bäumchen-Wechsel-dich-spielende Zeitgeist macht einen seiner weisen Vorschläge: "Jetzt aba ma weiß auf den Friedhöfen der Erde."
Im Jahr 2000 hielt der Zeitgeist jedoch reichlich wenig davon und so trugen die Menschen weiterhin schwarz. Schwarze Jacken und Mäntel, schwarze Röcke und Hosen, schwarze Mützen und Hüte, schwarze Schuhe und Stiefel. Schwarze Strapse (Sind wir nicht alle ein wenig durchtrieben?). Und in ihnen schlummerte eine schwarze Seele...
Die Kleidung war wichtig, damit nicht irgendwelche argwöhnischen Schurken Zweifel hegten am jeweiligen Trauerzustand und Trauer war an diesem diesigen Mittwochnachmittag durchaus angebracht. Er war gestorben und man hielt es für sehr angebracht, ihm ein stattliches Begräbnis zu gewähren. Nun hatten sie sich um ein ausgehobenes Loch versammelt, lauschten den bewegenden Worten des Pfarrers - blablabla...lalala..wie lang macht der denn noch? - und gedachtes des Verstorbenen, der ihnen noch allen gut in Erinnerung war. So sehr, dass vorne ein Herr in Tränen und schluchzte, als sei eine Blaskapelle einmarschiert. Das Schluchzen verbreitete sich wie Flammen auf einem Ölteppich und bald stand alles unter Wasser. Schön war das wirklich nicht.
Er hatte den Tag nicht erschaffen, gewollt schon gar nicht, aber nun war er einmal da und es blieb ihm nichts anderes übrig, als seine schwere Mission in Angriff zu nehmen. Er wusste, dass dieser Tag die Kraft besaß, sein Leben für immer zu verändern. Dementsprechend unwirsch schlug er die Decke beiseite, schlurfte ins Bad und stolperte anschließend mit nassen Haaren in die Küche. Der größte Teil der Cornflakes landete auf dem Boden, die Milch - auch noch sauer - auf dem frischgewaschenen Shirt und die Zeitung hatte der Postboote spontan vergessen. Das fing ja gut an.
Sein Freund stand dort, wo er auch gestern gestanden hatte. Und vorgestern. Und die ganzen Wochen zuvor. Ganze sechzig Tage hatte er sich nicht vom Fleck gerührt und der Mann fühlte seine Schuld, die seine Kehle zuschnürte wie ein paar Armeestiefel. Er hatte seinen Freund beschmutzt, richtig durch den Dreck gezogen, ohne auch nur einen Moment über die Konsequenzen nachgedacht zu haben. Und dann hatte er ihn links liegen gelassen, vergessen, verschmäht, als sei die jahrelange, innige Freundschaft nie gewesen, als seien sie unbekannte, fremde Nebeneinander. Der Besuch beim Arzt hatte seine Einstellung geändert. "Nun ja, ich will ehrlich mit ihnen sein: Wenn sie sich nicht bald um ihn kümmern, dann hat er nicht mehr lange zu leben." Der Arzt hielt kurz inne, saugte Luft ein. "Wenn sie wollen, können wir das auch für sie übernehmen. Aber, nun ja...er braucht Liebe..." "Ich verstehe: Persönliche Nähe, bekannte Gesichter, vertraute Umgebung." Der Arzt nickte. "Das wäre in der Tat das beste für ihn." Und der Mann hatte gesagt: "Okay, ich werde mich um ihn kümmern."
Der Mann zitterte, als er den Wasserhahn aufdrehte. Er vermochte kaum den Eimer zu halten. Gefährlich schwankte er von links nach rechts. Doch sein Freund hielt still. Ein gutes Zeichen, dachte er. Er musste sich beeilen und er musste verdammt vorsichtig sein. Wie oft hatte er von Freunden gehört, die böse überrascht worden waren und nun vor den Trümmern ihrer Existenz hockten.
Er hatte es geahnt. Die ganze Zeit hatte er es geahnt. Das nervöse Kribbeln in seiner Magengrube war ein untrügliches Zeichen gewesen, dass etwas Außerplanmäßiges bevorstand. Doch dass es jetzt, nachdem sein Freund bereits wieder fröhlich strahlte, zustoßen würde, damit hatte er nur noch im entferntesten gerechnet und eigentlich hatte er sich schon auf ein kühles Bier mit seinem Freund eingestellt. Nun aber stand der Vulkan des Chaos kurz vor seinem Ausbruch. Dunkle Regenwolken hatten sich am Himmel aufgetürmt, wie fremde Krieger, die nur darauf warteten anzugreifen, die Sonne war kurz mal tot, die Temperatur im Keller. Gleich würde es...ohne Aufwärmphase platzte der Himmel auf wie eine Wasserballon, Blitzte zuckten auf, als sei die Boulevardpresse im Großeinsatz und Donnerriesen brüllten sich die Seele aus dem Leib. Er musste seinen Freund in Sicherheit...der Baum, der Blitzt, Einfallswinkel...oh mein Gott, sein Freund...donnernd schlug er im Holz ein. Der Mann ahnte schreckliches. Er zögerte keine Sekunde, sprang in seinen Freund, drehte den Schlüssel um und raste in die Garage...nrückwand. Der Arzt konnte nur noch den Tod feststellen. "Totalschaden", seufzte er, "ich kann mir vorstellen, wie sie sich jetzt fühlen."

 

Ich als Nichtbesitzer eines Führerscheins kann nur verwundert mit dem Kopf schütteln...

Toll, da wird das heimische Kfz quasi zum Familienmitglied erklärt, heißt es zufällig Horst?

Naja, ein wenig übertrieben das ganze. Und was zum Geier sollten denn die Erläuterungen zur Farbe Schwarz? Das ist eine Modefarbe! Und die wird es unabhängig von Friedhöfen, Beerdigungen und Tod immer geben.

Über den Titel läßt sich streiten. Meiner Meinung nach müßte es "Der Freund" heißen, obwohl das Auto gemeint ist.

Sodele!

Poncher

 

Böses Mädel! :D ;) :p

Mit "Arzt" ist doch ganz offensichtlich der Kfz-Mechaniker oder was ähnliches gemeint... :rolleyes:

Ponch

 

Tja, da ist mir jemand mit einer ausführlicheren Kritik zuvor gekommen! :D
Ich habe dem nichts hinzuzufügen, außer der Feststellung, dass ich noch selten einen so krampfhaft auf eine "Schlusspointe" zurecht geklopften Text gelesen habe.

 

Krrrrrristin!

Hier passt es absolut nicht mehr: mit einem Auto geht man nicht zum Arzt.

...der nicht versteht, wen hier der "Arzt" darstellen soll...

Bei der Geschichte ist es wegen ihrem nixraff-faktor-18 völlig wurscht, ob man mit "das Freund" zum "Arzt" geht oder fährt.

Oder ging es dir nur das "...geht man nicht..."?

Mal abgesehen davon: Wissenschaftler haben außerhalb unseres Sonnensystems bei einem Planeten eine Atmosphäre entdeckt...

Naja

Ponch

 

Hallo!

Da muss ich wohl mal einiges klären. Gut, der Hinweis zur Farbe Schwarz zu Beginn ist vielleicht unnötig, aber die anderen Beschwerden beziehen sich meist darauf, was ein Auto nicht kann und nicht tut, weil es kein Mensch ist. Aber genau das will ich doch darstellen: Dass Menschen ein Auto, eine Maschine, eben wie einen Menschen, ein Lebewesen behandeln und den Kontakt zu wirklichen Menschen darüber vergessen.
Zu dem Kritikpunkt, es laufe alles auf einen krampfhaften Endgag hinaus: Natürlich bezieht sich alles auf den letzten Satz. Erst soll der Leser denken, es handle sich um ein Lebewesen, um erst am Schluss zu erkennen: Verdammt, es ist ja nur ein Auto. Wie konnte dieser Typ sein Auto nur so menschlich behandeln!

 

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