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Das Flötenmärchen
Es war einmal eine kleine Fee, die wohnte inmitten einer glänzenden, silbernen Flöte. Sie fühlte sich dort sehr wohl und hatte sich eine richtige kleine Wohnung darin eingerichtet. Es gab eine Küche, ein Bad und auch ein Wohnzimmer. Das Wohnzimmer war das Lieblingszimmer der kleinen Fee, denn hier hatte sie sich beim Einrichten besonders viel Mühe gegeben. Neben einem winzigen roten Samtsofa mit grünen Kissen gab es hier noch einen glitzernden Kristalltisch und eine diamantenbesetzte Truhe.
In dieser Truhe befanden sich die Noten, mit denen die kleine Fee die Flöte zum Klingen brachte. Doch eines Tages bemerkte sie, dass ein wichtiges Notenblatt fehlte - es musste gestohlen worden sein! Ein Schauer lief der kleinen Fee über den Rücken; sie musste doch heute bei einem wichtigen Konzert im Elfensaal mitspielen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach den verschwundenen Noten zu machen.
Vorsichtig kletterte sie durch eins der Dachfenster und schlich über das samtige Moos in ihrem Garten hinaus auf die Straße. Auf den ersten Blick war nichts Ungewöhnliches zu erkennen, doch schließlich entdeckte sie auf einem Feldweg kleine Fußabdrücke, die eine auffällige Form hatten. „Das müssen die Fußabdrücke eines Zwerges sein!“, dachte die kleine Fee und machte sich sofort auf den Weg, den Spuren zu folgen.
Schon bald kam sie zu einer kleinen Hütte, aus der zu ihrem großen Entsetzen die Töne ihrer verschwundenen Noten klangen. Die kleine Fee nahm all ihren Mut zusammen und trat ein. Was sie dann sah, verschlug ihr vor Empörung die Sprache. Dort saß doch tatsächlich ein Zwerg am Klavier und spielte die Melodie ihres Stückes, als wäre es sein eigenes! Um ihn herum saßen mehrere andere Zwerge, die begeistert Beifall klatschten.
„Na warte!“, dachte die kleine Fee und flog kurzentschlossen zum Notenpult, um sich ihre Noten zurückzuholen. Auch wenn sie sich Mühe gab, möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, bemerkte der Pianistenzwerg sie und fing verächtlich an zu lachen: „Du glaubst wohl, du könntest dir deine Noten einfach so zurückholen, was?“ Er hielt die Noten nun mit beiden Händen fest. „Das kannst du vergessen, eher werde ich sie zerreißen.“, drohte der Zwerg.
Die kleine Fee konnte sich nicht länger zusammenreißen und fing bitterlich an zu weinen. Vollkommen entmutigt wollte sie sich wieder auf den Rückweg machen. Doch als sie gerade an der Tür war, bemerkte sie, dass sie die Zwerge mit ihrem Weinen angesteckt hatte. „Natürlich! Das hatte ich ja ganz vergessen!“, dachte sie und flog wieder zurück, bis sie direkt über dem Pianistenzwerg schwebte. Sie weinte dabei unentwegt weiter, bis es schließlich ganz still war. Sie hatte die Zwerge mit ihren Glitzertränen in einen Trauerzustand versetzt, der sie für kurze Zeit lähmte.
Dann musste es schnell gehen. Die kleine Fee schnappte sich ihre Noten, weinte vorsichtshalber auf dem Weg hinaus noch weiter und flog dann schnurstracks zurück in ihre Flötenwohnung. „Puh, gerade noch mal Glück gehabt!“, dachte sie und ruhte sich noch ein wenig aus, bis sie schließlich zu ihrem Konzert im Elfensaal flog und dort das Publikum mit ihrer Melodie begeisterte.