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Das fiebernde Kind

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26.03.2006
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Das fiebernde Kind

Das fiebernde Kind

Ein Prinz spazierte eines Tages durch seine Ländereien, ohne bestimmtes Ziel, nur, seine Sinne zu lüften und die frische Luft zu genießen.
Da fand er am Wegesrand ein Kind, kaum älter als drei Jahre alt, das ihn aus fiebrigen Augen anblickte, schwach, doch voller Willen, in einer Art, dass der Prinz nicht anders konnte, als es aufzuheben, ohne auch nur zu fragen, wie es hierher gekommen sei. Er spürte, dass das Kind auf dem Weg war in die Ferne, und dass diese Begegnung kein Zufall sein konnte. Er, der Prinz, war berufen, das Kind zu begleiten, ja viel mehr noch: es zu tragen, bis es wieder bei Kräften wäre. So hob er es auf, barg es in seinem Umhang und stellte fest, dass es eine leichte Last war, die gerade einem Vögelchen glich, und das Kind schlummerte in seinem Arm sofort ein.
Der Prinz folgte nun dem Weg, auf dem er das Kind gefunden hatte. Der führte hinaus aus den königlichen Ländereien, weiter und weiter, über Berge und Höhen, durch Wälder und vorbei an Seen, wo der Prinz sich nicht mehr auskannte. Da das Kind meistens schlief und, wenn es wach war, keine Auskunft gab, sondern ihn nur aus großen Augen weiterhin fiebernd ansah, vertraute er auf die Richtigkeit seiner Schritte, und das selbst, als der immer gerade Weg in der Wildnis endete. Da folgte der Prinz der Richtung und schlug sich durchs Gebüsch. Es wurde ihm mühsam, doch er hielt das Kind an seinem Leibe sicher und geborgen. Um jedem Preis sollte es gesunden und heile ankommen, wo auch immer das sein mochte. Mit der Zeit meinte der Prinz das Kind zu kennen, als wäre es sein eigenes, und in ähnlicher Weise hatte er es auch lieb gewonnen.
Nach vielen Stunden Wanderung durch Dunkelheit und helles Tageslicht, durch Nebel und Regen, durch Wind und Sonnenschein, durch eine Schlucht, in der die Geister sangen, und zuletzt nach der Durchquerung eines breiten Flusses, den der Prinz im Wasser watend überwand, indem er das Kind über seinem Kopf hielt, regte dieses sich und schaute ihn an. Lippen und Wangen hatten eine frische Farbe bekommen, der Blick war munterer und die kleine Stirn kühler geworden. Auch sah es nicht mehr aus wie dreijährig, eher wie um zwei Jahre gewachsen. Nun sprang es ihm vom Arm, und dem Prinzen tat es im Herzen weh. Er verstand, dass er nun hier stehen bleiben mußte und seine Aufgabe erfüllt war. Nur ein paar Minuten währte der Abschied. Das Kind entfernte sich nun, die ersten Schritte ging es mit dem Rücken voran und ließ dabei den Prinzen nicht aus den Augen, dann winkte es ihm noch einmal zu, um sich schließlich abzuwenden und erst langsam, dann immer rascher dem Horizont entgegen zu laufen.
Als der Prinz sich umdrehte, stand er inmitten seiner Ländereien, unweit seines Schlosses. Von der Wildnis und dem Kind war keine Spur. Nachdenklich schritt er nach Hause.

 

So nachdenklich, wie den Prinzen, hast du auch mich, den Leser ,zurückgelassen. Die Aussage der GEschichte ist an mir vorbeigeschlüpft.

das tanzende Kügelchen hat mir da viel besser gefallen.
Als Tipp: lieber eine Geschichte nach der anderen Posten und Antworten abwarten, bevor du die nächste Nachschiebst...

grüßlichst
weltenläufer

 

Vielen Dank für den Tipp mit der Handhabung dieses Forums, das ich erst vor ein paar Tagen begeistert entdeckt habe. Die Geschichten hatte ich hier schon länger liegen. Zur Aussage: Auch hier warte ich nun lieber erst einmal ab... Ich kann mich ja später noch dazu äußern! Beste Grüße!

 

Auf Wunsch des Autors von Fantasy nach Philo verschoben.

 

hi pmaktiub,

ich fühlte mich etwas wie weltenläufer und war zuerst ziemlich unbefriedigt nach der Geschichte, doch irgendwie hat sie mich auf eine Art gefangen, sodass ich weiter über sie nachdenken musste.
Ich glaube ich habe für mich eine antwort auf deine Geschichte gefunden. Es klingt als wolltest du die Macht von Gedanken zeigen, dass man mit dem Verstand auch auf Reisen gehen kann... und wenn man aus dieser Reise zurückkommt ist man ganz verwundert... das würde auch zum anfang passen...
Schön finde ich, dass du nicht so kompliziert schreibst wie es manche hier tun...ich denke, dass kompliziert nicht immer besser bedeutet!

Lass dich von der Kunst beflügeln...

kinky

 

Hey pmaktiub,

ich finde es super, dass du das Fazit deiner Geschichte nicht ganz platt vorgibst, so wie es ja leider häufig der Fall ist.
Ich finde es wahnsinnig spannend, eine Geschichte auf ihren möglichen Sinn hin zu interpretieren. Auch wenn meine Interpretation subjektiv ist und möglicherweise nicht im Geringsten die von dir intendierte Aussage trifft, möchte ich dir (sowie allen anderen Lesern) mitteilen, welche Gedanken mir beim Lesen deines Textes kommen.

Ich könnte mir vorstellen, dass der junge Prinz ein Symbol für die Gedanken eines jungen Vaters darstellt, welcher sich aufgrund der Geburt seines Kindes von seinen alten Lebensgewohnheiten (seinen „Ländereien") verabschieden muss um neue Wege zu gehen. Diese sind für ihn unbekannt und holprig ( „Wildnis"). Der junge Prinz weiß jedoch, dass er dieses Opfer bringen muss und dass es richtig ist dies zu tun, wenn er in die Augen des Kindes schaut. Es wird deutlich, dass das Kind vollkommen auf die Fürsorge des jungen Prinzen angewiesen ist und ohne diese nicht überlebensfähig ist.

Nach einer langen Zeit in der Eltern sich zuerst nahezu ausschließlich, später immer weniger um ihren Nachwuchs kümmern müssen, kommt der Zeitpunkt an dem Kinder ihr eigenes Leben führen möchten ( „Er verstand, dass er nun hier stehen bleiben mußte und seine Aufgabe erfüllt war"). Auch wenn der Abschied schmerzt („... und dem Prinzen tat es im Herzen weh") ist es an der Stelle wichtig, wieder ein stückweit zu seinem alten Leben zurückzukehren und die damit verbundenen Vorzüge zu genießen, denn man hat seine Aufgabe - seinem Schützling einen guten Start ins Leben zu ermöglichen- erfüllt. So steht auch der Prinz wieder „inmitten seiner Ländereien". Dennoch ist er mit seinen Gedanken bei dem Kind („Nachdenklich schritt er nach Hause" ), denn Mutter/ Vater ist man ein Leben lang, egal ob der Nachwuchs sich noch in der eigenen Obhut befindet, oder längst sein eigenes Leben führt.

Inhaltlich finde ich deine Kurzgeschichte also sehr gelungen, da dem Leser viel Raum für eigene Interpretation bleibt. Vielleicht könntest du noch einige Absätze einfügen, damit verschiedene Sinneinheiten deutlicher werden.

Ich würde mich sehr über weitere Geschichten dieser Art freuen.

Herzliche Grüße
Mary Poppins

 

Liebe Mary Poppins, in letzter Zeit habe ich mich aus dem Forum kurzgeschichten.de ziemlich zurückgezogen. Das heißt nicht, dass mir nichts mehr einfiele. Ich bin damit beschäftigt, ein fieberndes Kind zu tragen, bis es sich verabschiedet und ich zurückkehren kann. Damit meine ich in diesem Fall einen inneren Vorgang. Was rings herum geschieht, ist mir im Moment nicht sehr wichtig. Es freut mich aber, dass nach mehr als fünf Jahren noch jemand - Du - sich für die Geschichte interessiert und sich sogar die Mühe macht, mir eine Interpretation zu schicken, vielen Dank.
pmaktiub

 

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