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Das Feng Shui der Perversion

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30.06.2014
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Das Feng Shui der Perversion

„Was gefällt dir daran?“, fragte sie, während er ihr den Arm auf den Rücken drehte und ihren Oberkörper mit einem Knie auf die Matratze nagelte. Dementsprechend gequetscht klang ihre Stimme.
„Was? Jetzt? Ist nicht dein Ernst!“, genervt ließ er ihren Arm los und verlagerte das Gewicht auf das andere Bein.
„Was gefällt dir daran, was gefällt dir daran …“, äffte er sie nach.
Wie er solche Frauenfragen hasste. Seine Erektion fiel in sich zusammen wie ein Soufflé der zu frühen Neugier der Köchin und dem Windhauch der geöffneten Backofentüre.
In solch einem Moment sollten derartige Fragen verboten sein. Er ärgerte sich, sie nicht rechtzeitig geknebelt zu haben.
Das würde ihm nie wieder passieren.
„Es ist eben geil“, versuchte er es mit einer schnellen Männerantwort.
„Und warum ist es geil?“
Es war so klar, etwas durch und durch Schlüssiges schluckte sie natürlich nicht.
„Okay“, er begrub seine letzte Hoffnung und schnappte sich seine Klamotten. „Dann können wir uns auch in die Küche setzen und während der Grundsatzdiskussion rauchen.“
Er schmiss seiner kleinen Zicke die Klamotten auf den Hinterkopf und fragte sich - wieder einmal - warum er nicht von ihr lassen konnte. Sein Blick streifte ihre stämmigen Beine, den geliebten Knick zwischen Oberschenkel und Knackarsch und wurde sich des „Warums“ schnell wieder bewusst. Sie war zum Anbeißen niedlich. Von ihrem wirren Haar über die Knitterfältchen auf der Nase, wenn ihr etwas nicht genehm war, über die liebreizende Schnute, die mal das Abbild des personifizierten Unbills darstellen und im nächsten Moment so strahlend lächeln konnte, dass es ihm immer einen flauen Stich in den Solarplexus gab. Er war süchtig nach diesem Lächeln und tat meist sein Bestes, um es zu provozieren. Aber er war auch ein Mann und liebte ihre großen, prallen Brüste und die Geigenrundung ihrer Lenden. Er konnte nichts dagegen tun, er war ihr verfallen, seit er sie das erste Mal auf dem bescheuerten SM-Stammtisch gesehen hatte.

Es war damals ihre Premiere. Auch er ging eher sporadisch hin, er hasste diesen frivol angehauchten schwäbischen Kleintierzüchterverein. War er sexuell versorgt, brachten ihn keine zehn Pferde in die tristen heiligen Hallen der schwul lesbischen Hochburg, in der sich die Perversen eingenistet hatten. Sie kam zu spät. Der lange Tisch war bis zum letzten Platz besetzt. Alle Köpfe der Anwesenden drehten sich zu Tür, als sie sich öffnete. Unverhohlen gierig begutachteten die Männer ihre Erscheinung, von den Frauen ging eine giftig grüne Aura der Stutenbissigkeit aus. Selbstvergessen wie ein in sich ruhendes Kind durchschritt sie mühelos die Distanz zum langen Tisch, auch die Peinlichkeit des ersten Kontaktes mit dieser vermeintlich dunklen Szene, schien sie nicht aus der Ruhe zu bringen, nicht einmal das implizierte Outing ihres Auftritts. Schnell rückte man Stühle hin und her, um Platz zu schaffen. Sie saß an der Stirnseite am anderen Ende und ließ ihren Blick schweifen. Warum schämte er sich jetzt für die Ansammlung übergewichtiger Menschen in billig anzüglicher Gewandung? Lack, Leder, Halsbänder, alles wie im Ottokatalog bestellt. Marke „Frau Müller-Eberles letzter Versuch, den lendenfaulen Gatten zu verführen.“
Er hatte sie ja nicht eingeladen, also trug er nicht die Verantwortung für dieses Grüppchen. Dennoch war es ihm peinlich, irgendwie doch dazuzugehören und war froh, eine blaue Jeans und ein weißes Shirt anzuhaben und nicht das uniformartige Schwarz zu tragen.
Schnell ging man wieder zum Tagesgeschäft über, die Männer referierten mit Schwanz vergleichendem Habitus über Knottechniken, Spreizdübel und der effizientesten Langzeitkatheterisierung, die Frauen gingen wieder zu ihrem wer fickt mit wem, und wer hat mit wem Schluss gemacht und warum-Kaffeeklatsch über.

Plötzlich löste sich eine Walküre aus dem Einheitsbrei der sich ewig wiederholdenden Gespräche, die seit Jahren im eigenen Saft schmorten.
„Was bischn´du? Bisch du a Dommse, oder bisch devot?“, fragte sie distanzlos die Neue und umrundete dabei den Tisch mit einer Geste, als wolle sie sie an den mütterlichen Busen drücken.
Sofort war wieder Ruhe an der Tafel. Alles war ganz Ohr. Die Frage der Fragen. Treue, gierige Hundeäuglein devoter Männer starrten hoffnungsvoll, herrisch ausgeführte Gesten männlicher Luftknoter, das BDSM-Ambivalent zur Luftgitarre, froren mitten in der Bewegung ein.
„Ich, was?“
„Na, ob de uffn Arsch kriegsch, oder druffhausch?“
„Ich weiß nicht. Weder noch, ich habe da nur solche Bilder, Sehnsüchte. Ich glaube, ich hätte gerne einen Mann, der weiß was er will.“
In dem Moment kam es zu einer merklichen Luftverschiebung. Alle passiven Männer seufzten enttäuscht Luft aus, die sofort von den dominanten Männern aufgesogen wurde, es kam zu einer bemerkenswerten Erschlaffung auf der einen, und zu aufgeblasenen Brustumfängen auf der anderen Seite.
Sie wollte einen Mann, der weiß, was er will. Das gefiel ihm. Er wusste, was er wollte. Er wollte sie. Bevor es den Schauspielern dieses Mummenschanzes recht gewahr wurde, hatte er sie schon an der Hand genommen und in den Hof auf eine Zigarette entführt. Er hatte leichtes Spiel, es war simpel, sich von diesem Affentheater abzuheben.

Sicher gab es weitaus willigere und gefügigere Frauen, er war ein attraktiver Kerl und musste nicht die Essensreste unterm Tisch zusammenkratzen. Aber sie war eben eine besonders knackige Nuss. Da nahm er es in Kauf, dass sie schwer zu knacken war. Er gehörte nicht zu den Männern, die immer auf der Suche nach Frischfleisch waren, denn Neulinge waren auch eines, sie waren anstrengend. Man musste Identitätskrisen mit ihnen überstehen, tausend Fragen beantworten und ja, man musste Grundsatzdiskussionen führen. Ständig. So wie heute.

„Könntest Du die Frage noch einmal präzisieren?“
„Also … Warum kannst du mich nicht einfach so lassen, wie ich bin? Warum musst du mich immer verändern?“
„Verändern? Ich dachte, du fändest das auch erregend?“
„Ja. Aber ständig musst du etwas an meinem Körper ändern. Ihn in eine neue Form pressen. Oder du versuchst, meine Art umzuwandeln, meine Umgangsformen, meinen Alltag. Du scheinst immer genau die Umformung toll zu finden, nicht mich, wie ich natürlich bin.“
„Das ist doch Quatsch. Ich liebe dich, wie du bist.“
„Nein.“
„Beispiele?“
„Korsagen. Du liebst es, wenn ich mich in die Dinger presse. Wenn aus Gitarre Wespe wird um die Mitte. Nachdem ich sie ausgezogen habe, befühlst du sabbernd die Abdrücke der Stäbe an meinem Bauch. Du stehst drauf, mich zu fesseln, in möglichst unnatürliche und beschämende Posen, die ich niemals freiwillig einnehmen würde. Und geilst dich dann an der Verrenkung und dem Quellfleisch auf. Um mir im Anschluss ungehindert den Arsch zu vermöbeln. Sag, dass du dir nicht die ganze Woche vorstellst, wie ich mit deinen Striemen rumlaufe?“
„Schon …“
„Du findest es prickelnd, mich zu verändern. Dauernd bekomme ich Aufgaben, Anweisungen, wie ich mich zu verhalten habe. Es gibt tausend Regeln, mich zu perfektionieren. Wenn sie mir schwerfallen, machen sie dir besonders viel Spaß. Du liebst es, mich mühen und scheitern zu sehen.“
„Ich bin eben Sadist.“
„Ich empfinde dich als zutiefst japanisch.“
„Japanisch? Du hast doch einen Knall!“
„Du musst dir nur mal ihre Gärten anschauen. Da darf nichts natürlich wachsen. Alles wird ästhetisch perfektioniert und in das ausgewogenen Feng Shui gebracht.“
„Das ist ne chinesische Lehre.“
„Schlaumeier, also gut, dann bist du eben asiatisch. Anderes Beispiel, Bonsai. Die Bäume haben kaum Erde, um sich zu entwickeln, es wird an ihnen herum geschnippelt, bis sie die perfekte Miniatur darstellen und auf dem Schreibtisch irgendeines reichen Deppen stehen. Oder denke an die Lotusfüße ehemaliger Chinesinnen. Sie litten Höllenqualen, nur um dem Schönheitsideal der Männer zu entsprechen. Es ist die Beschneidung der Natur, die dir gefällt. Du machst mich nicht schön, nein, du formst mich um. Machst einen unansehnlichen Rollbraten aus mir, bringst mich zum lallen, findest es niedlich, wenn mir der Speichel debil aus dem Mund läuft. Ich kann mich nicht natürlich bewegen, gestikulieren, agieren, weil mit tausend Regeln im Weg stehen."
„Ich verändere nie etwas Irreversibles an dir. Aber ja, ich liebe es Abdrücke an dir zu hinterlassen. Und ich dachte, dass du einen Mann suchst, der weiß, was er will.“
„Ja. Schön, dass wir das besprochen haben. Jetzt können wir wieder ficken gehen.“
„Nein. Such dir einen Tantralehrer. Der macht dich zu Göttin. Ich hab jetzt echt keinen Bock mehr.“

 

Seine Erektion fiel in sich zusammen wie ein Soufflé der zu frühen Neugier der Köchin und dem Windhauch der geöffneten Backofentüre.

Das klingt noch etwas unrund. Ich weiß was du meinst, aber das müsstest du noch etwas besser formulieren.

„Okay“, er begrub seine letzte Hoffnung und schnappte sich seine Klamotten.

"Okay." kann für sich alleine stehen. Da braucht es das Komma nicht!

Unverhohlen gierig begutachteten die Männer ihre Erscheinung, von den Frauen ging eine giftig grüne Aura der Stutenbissigkeit aus.

Nix zu meckern. Ich liebe diesen Satz! :D

In dem Moment kam es zu einer merklichen Luftverschiebung. Alle passiven Männer seufzten enttäuscht Luft aus, die sofort von den dominanten Männern aufgesogen wurde, es kam zu einer bemerkenswerten Erschlaffung auf der einen, und zu aufgeblasenen Brustumfängen auf der anderen Seite.

Und nochmal: Nix zu meckern. Herrlich komisch!

Sicher gab es weitaus willigere und gefügigere Frauen, er war ein attraktiver Kerl. Und musste nicht die Essensreste unterm Tisch zusammenkratzen.

Warum trennst du da mit einem Punkt? Das war wie eine ruckartige Bremsung, weil der Fahrer eine Fliege gesehen hatte!

Aber sie war eben eine besonders knackige Nuss. Da nahm er es in Kauf, dass sie schwer zu knacken war.

Ich weiß nicht, aber das klingt etwas stolprig. Wäre die "harte" Nuss in diesem Fall nicht besser?

denn Neulinge waren auch eines, sie waren anstrengend.

Hier liest es sich mit einem Doppelpunkt schöner. Als wäre es eine Pflichtkür!

„Könntest Du die Frage noch einmal präzisieren?“

+Kleinlichkeitsmodus
Ernsthaft? Präzisieren? Benutzen junge Leute dieses Wort heutzutage? Schwere Wörter um des schweren Wort Willens sind blöde, wenn es einfachere Möglichkeiten gibt.
Wie wäre es mit "Und jetzt sprich Klartext." oder "Wat?"
Alles, aber bitte nicht "präzisieren".
-Kleinlichkeitsmodus

Schlaumeier, also gut, dann bist du eben asiatisch. Anderes Beispiel, Bonsai. Die Bäume haben kaum Erde, um sich zu entwickeln, es wird an ihnen herum geschnippelt, bis sie die perfekte Miniatur darstellen und auf dem Schreibtisch irgendeines reichen Deppen stehen.

Wieder nix zu meckern, nur ein weiteres Haha!

Ich verändere nie etwas Irreversibles an dir.

Ja, um gottes Willen. Hat der Mann ein Fremdwörterbuch in der Arschtasche, um sich möglichst schwierige Worte rauszusuchen? Sitzt er Anfangs der Woche am PC und sucht nach den drei Worten, die er diese Woche unbedingt in ein Gespräch einbinden möchte? In so einem lebhaften Gespräch benutzt man solche Worte nicht, es sei denn man sitzt an einem Stammtisch voller prätentiöser Spinner!

„Ja. Schön, dass wir das besprochen haben. Jetzt können wir wieder ficken gehen.“

In diesem Satz wirkt sie durch Mister "Ich-kenn-schwere-Wörter" schön doof. Die meiste Zeit unterhalten sie sich in Umgangssprache, daher stechen diese Worte schwer heraus und wirken deplatziert.

***

Fazit:

Ich mochte die Geschichte!

Sie war lebhaft, voller lustiger Vergleiche und komplett schräg. So mag ich das.

Mir hat gefallen, dass sie es nicht mag, verändert zu werden und versucht, ihr Ziel zu erreichen, in dem sie versucht ihn zu verändern.

Weiber! Wollen sich einfach nicht in eine Roulade verwandeln lassen und krakeelen gleich herum.

Die meisten Punkte, die ich angesprochen habe, sind völlig subjektiv. Klar, Mister "Ich-kenne-schwere-Wörter" ist schwer von sich selbst überzeugt und hält sich für Gott-weiß-was, trotzdem kann ich diesen Auf-Teufel-Komm-Raus in den Text gepflanzten Fremdwörtern nichts abgewinnen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Meine liebe Gretha!

Ich fühle mich ja nun bemüßigt auch einiges zu deinem Text zu sagen und da ich ja weiß, wie du es magst (ui, billige Anspielung! ;)), gehe ich gerne detailverliebt darauf ein.

Zunächst: Ich mag diese Dreiteilung. Daduch gewinnt nicht nur der gesamte Text an Stärke und Struktur, sondern auch dieser Satz

... seit er sie das erste Mal auf dem bescheuerten Stammtisch gesehen hatte.
macht endlich Sinn! Außerdem hatte ich den Eindruck, dass dir der Mittelteil irgendwie leicht und flüssig von der Hand gegangen ist, zumindest wirkt er sehr "aus einem Guss".

Und nun geht los:


„Was gefällt dir daran?“, fragte sie, während er ihr den Arm auf den Rücken drehte und ihren Oberkörper mit einem Knie auf die Matratze nagelte. Dementsprechend gequetscht klang ihre Stimme.
Der Einstieg direkt ins Geschehen gefällt mir sehr!

Er ärgerte sich, sie nicht rechtzeitig geknebelt zu haben.
Diese Variante ist definitiv viel übersichtlicher, als die alte. Den nächsten Satz würde ich direkt nachsetzen, da muss nach meinem Empfinden kein Einzug hin, ist aber nur was Optisches.

„Okay“, er begrub seine letzte Hoffnung und schnappte sich seine Klamotten. „Dann können wir uns auch in die Küche setzen und während der Grundsatzdiskussion rauchen.“
Er schmiss seiner kleinen Zicke die Klamotten auf den Hinterkopf ...
Vom Bild her fände ich es fast schöner, wenn sich beide einfach nur etwas überwerfen würden, ein Laken oder Bademantel zum Beispiel. Die Vorstellung, dass sich beide nun nebeneinander anziehen und sich quasi nach dem verhinderten Verkehr in der Küche zum Diskutieren "verabreden" ("Ich geh noch schnell aufs Klo" - "Ok, dann check ich eben meine Mails, bis gleich") erscheint mir ein bisschen abgehakt.

Selbstvergessen wie ein in sich ruhendes Kind ...
Ganz ehrlich: Ich tue mich bei Sexgeschichten immer schwer mit Kinder-Vergleichen, aber das ist was ganz persönliches, wenn dir das nicht so geht ist alles gut.

Lack, Leder, Halsbänder, alles wie bei Ottokatalog bestellt. Marke „Frau Müller-Eberles letzter Versuch, den lendenfaulen Gatten zu verführen.“
"Bei Otto" oder "im Ottokatalog" und den Punkt würde ich zu einem Komma machen.

Er hatte sie ja nicht eingeladen, also trug er nicht die Verantwortung für dieses Grüppchen.
Dieser Satz könnte wohl weg: sein Abscheu wird ja mehr als genug deutlich. Er behindert meines Erachtens den Lesefluss, da er eine, wie ich finde unangemessene Form von Ernst-nehmen in die Persiflage einbringt.

Dennoch war es ihm peinlich, irgendwie doch dazuzugehören und war froh, eine blaue Jeans und ein weißes Shirt anzuhaben und nicht das uniformartige Schwarz zu tragen.
Da fehlt ein "er". "Anzuhaben" finde ich ein unglückliches Wort. Aber was ich hierzu eigentlich sagen will: Jeans und weißes Shirt/Hemd sind auch eine Uniform, gerade in diesem Kontext! Halt nur eine, die andere Signale sendet... ;)

Er hatte leichtes Spiel, es war simpel, sich von diesem Affentheater abzuheben.
Ich denke ein Punkt nach "Spiel" und eine Streichung des Rests würde den Sympathiewert des Protagonisten deutlich anheben. Wie gesagt, es wird im Mittelteil ja zur Genüge deutlich, was er von alledem hält, ich habe die Befürchtung, es könnte irgendwann kippen, wenn es immer nochmal betont und nochmal betont werden muss.

„Ich verändere nie etwas Irreversibles an dir. Aber ja, ich liebe es Abdrücke an dir zu hinterlassen. Und ich dachte, dass du einen Mann suchst, der weiß, was er will.“
Den letzten Satz würde ich wieder rausnehmen: ich finde, dann passt ihre Antwort besser.

Am Dialog habe ich sonst übrigens nichts mehr auszusetzen: gar nichts mehr! :D

 

Hallo Gretha,

das ist eine interessante Geschichte. Ich begreife, worauf Du hinauswillst, Deine Geschichte will eine Aussage treffen, das ist mehr, als viele Geschichten bieten. Die Umsetzung dieser Aussage ist schwer – in diesem Fall aber durchaus gelungen. Was nicht heißt, das man diese Geschichte nicht noch mächtig verbessern könnte.

Dein Einstieg – Sadomaso – zieht einen wie einen willkommenen Gast herein. Du schreibst sie aus der Er-Perspektive, wie auch die folgenden drei Absätze, während der letzte einen reinen Dialog darstellt. Dieser Wechsel wirkt ein wenig hölzern.

„Es war so klar, etwas durch und durch Schlüssiges schluckte sie natürlich nicht.“ – Dieser Satz liest sich nicht gut. Ich weiß, was Du meinst, aber das musst Du anders sagen.

„Er schmiss seiner kleinen Zicke die Klamotten auf den Hinterkopf…“ das ist ein Wechsel in die auktoriale Perspektive, der mir nicht gefällt. Du trittst mit „seiner kleinen Zicke“ ein Stück von ihm weg, würde ich nicht machen.

„Sein Blick streifte…“ Nein. Der Typ ist aufgeheizt, geil, alles im Raum riecht nach Sex. In dieser Situation streift kein Mann der Welt die Frau mit seinem Blick sondern: „Er betrachtete …“ oder „Seine Augen fraßen …“ oder ähnlich.

„Knick zwischen Oberschenkel und (Knack)arsch“ – solche Stellen gefallen mir ;)

„seit er sie das erste Mal auf dem bescheuerten Stammtisch …“ Hier stockte ich, denn ein Stammtisch ist für mich zunächst mal ein Möbel und kein Event. Ist vielleicht ne territorial unterschiedliche Sache. Der „schwäbischen Kleintierzüchterverein“ lässt mich in der Folge den halben Absatz im falschen Setting lesen, das würde ich so nicht schreiben.

„heiligen Hallen der schwul lesbischen Hochburg…“ ist mir Zuviel, ein zu literarischer Berg von Allgemeinplätzen.

„„Was bischn´du?...“ Hier gehört der Absatz bereits an die Stelle: „Plötzlich löste sich eine Walküre…“

„Sofort war wieder Ruhe in der Halle…“ da stimmen für mich die Dimensionen nicht. Bei einer Halle stelle ich mir die Minen von Moria oder doch wenigstens eine Mehrzweck Tennishalle vor. „Alles war ganz Ohr…“ ist da als Reaktion auf eine selbst laut gesprochene Frage akustisch nicht möglich.

„herrisch ausgeführte Gesten männlicher Luftknoter, das BDSM-Ambivalent zur Luftgitarre, froren mitten in der Bewegung ein …“ – Ich weiß, was Du sagen willst, aber dieser Satz ist für den Leser zu kompliziert. Gute Geschichtenschreiber sagen solch komplizierte Dinge einfacher.

„In dem Moment kam es zu einer merklichen Luftverschiebung…“ gefällt mir sehr gut.

„Sie wollte einen Mann, der weiß, was er will. Das gefiel ihm. Er wusste, was er wollte. Er wollte sie. Bevor es den Schauspielern dieses Mummenschanzes recht gewahr wurde, hatte er sie schon an der Hand genommen und in den Hof auf eine Zigarette entführt. Er hatte leichtes Spiel, es war simpel, sich von diesem Affentheater abzuheben..“ Na siehste, geht doch, hier kommst Du schnell und unkompliziert auf den Punkt.

„„Könntest Du die Frage noch einmal präzisieren?“ Nein ;). Würde ich schreiben: „Warum kannst du mich nicht einfach so lassen, wie ich bin?“, fragte sie ihn …

Der letzte Absatz stellt die Warum-dieses-Feng-Shui-Frage. Nicht leicht, das in einem Absatz, einem Dialog zu fragen und zu beantworten. Ich hätte das vielleicht sogar ein Stück ausführlicher gemacht, den Dialog aber zwei, dreimal mit Betrachtungen unterbrochen.

„…Ich hab jetzt echt keinen Bock mehr.“ Der Schluss kommt mir zu abrupt und unmotiviert. Der Typ ist doch immer noch aufgeheizt.

Alles in allem: gefällt mir, danke für das Leseerlebnis sagt

Nastro.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo NWZed.
Danke für Deine investierte Zeit, ich freue mich, dass es Dir im Großen und Ganzen gefallen hat.

Du darfst mir glauben, den scheiß Satz:
Seine Erektion fiel in sich zusammen wie ein Soufflé der zu frühen Neugier der Köchin und dem Windhauch der geöffneten Backofentüre.
hatte ich schon in verschiedensten Arten geschrieben. Ich hasse ihn inzwischen. Ich finde den Vergleich aber zu gut, sonst hätte ich schon auf ihm herumgetrampelt und ihn in den Müll geschmissen.

Den Punkt hab ich für Dich entfernt, mein Herz hing nicht an ihm.

+Kleinlichkeitsmodus
Ernsthaft? Präzisieren? Benutzen junge Leute dieses Wort heutzutage? Schwere Wörter um des schweren Wort Willens sind blöde, wenn es einfachere Möglichkeiten gibt.
Wie wäre es mit "Und jetzt sprich Klartext." oder "Wat?"
Alles, aber bitte nicht "präzisieren
"
Präzisieren, ich würde nie etwas anderes sagen, in dem Zusammenhang. "Rede Klartext" ist überhaupt nie in meinem Sprachgebrauch. Ich bin alt. Gefühlt uralt. Deshalb sind meine Protagonisten auch alt. So wie die meisten frischerleuchteten Frauen im BDSM über 40 sind, sind die Kerls meist über 50. Junge Leute ... ist aber nett von Dir, danke.:D

Ja, um gottes Willen. Hat der Mann ein Fremdwörterbuch in der Arschtasche, um sich möglichst schwierige Worte rauszusuchen? Sitzt er Anfangs der Woche am PC und sucht nach den drei Worten, die er diese Woche unbedingt in ein Gespräch einbinden möchte? In so einem lebhaften Gespräch benutzt man solche Worte nicht, es sei denn man sitzt an einem Stammtisch voller prätentiöser Spinner!

Da gehe ich jetzt mal ausführlicher drauf ein. Erstens, die nette Dame direkt unter Dir wird sich über den Kommentar gefreut haben. Ich hatte eine andere Version der Geschichte schon wo anders veröffentlicht. Da waren die Dialoge echt wie vom Reißbrett. Nach ein bisschen Schimpfe hab ich meinen Protagonisten den Stock aus den Arsch gezogen und umgangssprachlich geschrieben, weil es war wirklich zu konstruiert.
Dass Dir noch die letzten herumliegende Trümmer der alten Dialoge aufstoßen, hat mir echt zu denken gegeben.
Man kann sich ja nur am eigenen Sprachgebrauch messen. Da hab ich meine beste Freundin angerufen, sie hat die Dialoge gelesen und gemeint:
"Ja, genau so redest Du immer."
Also liegt es an mir. Ich habe ein Fremdwörterlexikon gegessen. Scheint mir nicht zu bekommen.
Ficken und präzisieren können bei mir im Hausgebrauch durchaus in einem Satz vorkommen. Ich finde ein bisschen vulgär mit gepflegten Anstrich passt für mich sehr gut zusammen.
Ich will die Personen ja auch nicht dümmer machen, als sie sind. Wenn ich über einfältige Menschen schreiben würde, bekämen sie auch eine bescheidenere Sprache.

Aber danke für Deine Gedanken, Du trägst dazu bei, das ich mir alle Dialoge zukünftig noch bewusster anschaue. Vielleicht lerne ich irgendwann noch eine gewisse Natürlichkeit und Ausgewogenheit.
Liebste Dankesgrüße von Gretha

Zu den anderen heute Abend.

 

Hallo Gretha,

mir gefällt Dein Stil, Dein Humor:

... er hasste diesen frivol angehauchten schwäbischen Kleintierzüchterverein.
„Frau Müller-Eberles letzter Versuch, den lendenfaulen Gatten zu verführen.“
„Na, ob de uffn Arsch kriegsch, oder druffhausch?“
:lol:

Ich fand die Geschichte ganz unterhaltsam und witzig, aber irgendwie nicht richtig rund. Das liegt wohl an dem Schlussteil. Man fragt sich, was diese Frau eigentlich will. Ich denke doch, dass es schon Überwindung kostet, zu einem SM-Treffen zu gehen. Und dann weiß man eigentlich vorher, auf was man sich einlässt. Und sie lässt sich auf eine Beziehung mit diesem dominanten Typen ein. Aber so richtig gefällt es ihr ja anscheinend nicht. Warum tut sie das dann?:confused:
Das Thema SM ist sehr komplex und überhaupt die Frage, warum Menschen das Verlangen danach haben. Darauf bist Du leider in Deinem Text nicht eingegangen, was den Rahmen natürlich gesprengt hätte.
Deshalb bleibt mir das Ganze zu sehr an der Oberfläche, schade.

„Nein. Such dir einen Tantralehrer. Der macht dich zu Göttin. Ich hab jetzt echt keinen Bock mehr.“
Den Schluss finde ich zu abrupt.

Viele Grüße,
Kerkyra

 

Sorry, liebe Kommentatoren, es war dämlich von mir, eine Geschichte einzustellen, bei meinem viel zu engen Zeitfenster momentan.
Ich werde Euch aber noch antworten, versprochen.

 

Liebe Gretha!

Na das war ja was! Kaum hatte ich geäußert, dass ich mich auf deine nächste Geschichte freue, hattest du sie schon in die Röhre geschoben. (um mal bei dem Soufflée-Bild zu bleiben.)

Den ersten Teil fand ich wirklich rasend komisch. Wie du diesen Stammtisch beschreibst - göttlich! Das ist mein Lieblingsteil und ich könnte hier fast jeden Satz feiern. Die Krönung ist dann die distanzlose Walküre, ich sah sie vor mir, ich hörte ihre Stimme, ich roch sie beinahe!
Im zweiten Teil war mir das Ganze dann irgendwie zu kopflastig. Einmal ging es mir ähnlich wie Kerkyra. Ich war irritiert, dass die Frau eine Woche lang alles mitmacht, bevor sie auf diese Fragen kommt.
Und dann ist es für mich als Leserin auch frustrierend, dass nach diesem herrlich frivolen Start auf einmal nur noch schlau geredet wird. Kurz: Es ging mir am Ende so, wie dem Mann.

Was das Soufflée betrifft, würde ich mich zwischen Köchin und Windhauch entscheiden, z.B.

Seine Erektion fiel in sich zusammen wie ein Soufflé unter dem Windhauch der zu früh geöffneten Backofentüre.

Ich liebe deinen Humor! :D

Viele Grüße von Chutney, die nicht mit einer baldigen Antwort rechnet (Zeitfenster)

 

Hallo Heiterbiswolkig

Zunächst: Ich mag diese Dreiteilung. Daduch gewinnt nicht nur der gesamte Text an Stärke und Struktur, sondern auch dieser Satz

macht endlich Sinn! Außerdem hatte ich den Eindruck, dass dir der Mittelteil irgendwie leicht und flüssig von der Hand gegangen ist, zumindest wirkt er sehr "aus einem Guss".


Freut mich, dass Dir der Mittelteil gefällt, er hat mir auch großen Spaß gemacht zu schreiben.


Vom Bild her fände ich es fast schöner, wenn sich beide einfach nur etwas überwerfen würden, ein Laken oder Bademantel zum Beispiel. Die Vorstellung, dass sich beide nun nebeneinander anziehen und sich quasi nach dem verhinderten Verkehr in der Küche zum Diskutieren "verabreden" ("Ich geh noch schnell aufs Klo" - "Ok, dann check ich eben meine Mails, bis gleich") erscheint mir ein bisschen abgehakt.

Nun, damit will ich verdeutlichen, dass es für ihn gelaufen ist, dass er weiß, -für heute ist Schluss-


"Bei Otto" oder "im Ottokatalog" und den Punkt würde ich zu einem Komma machen.

Stimmt. Hab ich verbessert, danke.

Den letzten Satz würde ich wieder rausnehmen: ich finde, dann passt ihre Antwort besser.
Wie Du weißt, gab es den Zwischenteil nicht, ich habe den Satz noch eingefügt, um den Mittelteil einzubinden. Meist, er kann echt weg? So richtig was drin verloren hat er auch nicht ...

Am Dialog habe ich sonst übrigens nichts mehr auszusetzen: gar nichts mehr! :D
*puh*

Danke für Deine Zeilen.
Grüßle, Gretha

Hallo Nastroazzurro:

„Er schmiss seiner kleinen Zicke die Klamotten auf den Hinterkopf…“ das ist ein Wechsel in die auktoriale Perspektive, der mir nicht gefällt. Du trittst mit „seiner kleinen Zicke“ ein Stück von ihm weg, würde ich nicht machen.

Da hast Du wohl recht. Ich bin gerade dabei mich mit der Thematik "Perspektive" zu beschäftigen und habe das noch gar nicht gut drauf. Aber ich denke das wird irgendwann besser, wenn ich mir den Bereich erarbeitet habe, ich bin dran, ist mein neustes Projekt.

„Sein Blick streifte…“ Nein. Der Typ ist aufgeheizt, geil, alles im Raum riecht nach Sex. In dieser Situation streift kein Mann der Welt die Frau mit seinem Blick sondern: „Er betrachtete …“ oder „Seine Augen fraßen …“ oder ähnlich.

Da hast Du vollkommen Recht. Ich bin eben eine Frau, danke für Deine männlichen Augen auf diesen Teilaspekt, ich ändere das gleich.


„seit er sie das erste Mal auf dem bescheuerten Stammtisch …“ Hier stockte ich, denn ein Stammtisch ist für mich zunächst mal ein Möbel und kein Event. Ist vielleicht ne territorial unterschiedliche Sache. Der „schwäbischen Kleintierzüchterverein“ lässt mich in der Folge den halben Absatz im falschen Setting lesen, das würde ich so nicht schreiben.

Ich habe das geändert, in SM-Stammtisch. Damit niemand mehr in die Falle tappen muss. :)

„„Was bischn´du?...“ Hier gehört der Absatz bereits an die Stelle: „Plötzlich löste sich eine Walküre…“

Du hast Recht, danke.Auch hier:

„Sofort war wieder Ruhe in der Halle…“ da stimmen für mich die Dimensionen nicht. Bei einer Halle stelle ich mir die Minen von Moria oder doch wenigstens eine Mehrzweck Tennishalle vor. „Alles war ganz Ohr…“ ist da als Reaktion auf eine selbst laut gesprochene Frage akustisch nicht möglich.

„herrisch ausgeführte Gesten männlicher Luftknoter, das BDSM-Ambivalent zur Luftgitarre, froren mitten in der Bewegung ein …“ – Ich weiß, was Du sagen willst, aber dieser Satz ist für den Leser zu kompliziert. Gute Geschichtenschreiber sagen solch komplizierte Dinge einfacher.

Ja, ich neige zum komplizieren, aber ich mag den Satz sehr gerne.

Vielen lieben dank, Du hast mir echt weiter geholfen,
Grüßle, Gretha

 

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