- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Das Feng Shui der Perversion
„Was gefällt dir daran?“, fragte sie, während er ihr den Arm auf den Rücken drehte und ihren Oberkörper mit einem Knie auf die Matratze nagelte. Dementsprechend gequetscht klang ihre Stimme.
„Was? Jetzt? Ist nicht dein Ernst!“, genervt ließ er ihren Arm los und verlagerte das Gewicht auf das andere Bein.
„Was gefällt dir daran, was gefällt dir daran …“, äffte er sie nach.
Wie er solche Frauenfragen hasste. Seine Erektion fiel in sich zusammen wie ein Soufflé der zu frühen Neugier der Köchin und dem Windhauch der geöffneten Backofentüre.
In solch einem Moment sollten derartige Fragen verboten sein. Er ärgerte sich, sie nicht rechtzeitig geknebelt zu haben.
Das würde ihm nie wieder passieren.
„Es ist eben geil“, versuchte er es mit einer schnellen Männerantwort.
„Und warum ist es geil?“
Es war so klar, etwas durch und durch Schlüssiges schluckte sie natürlich nicht.
„Okay“, er begrub seine letzte Hoffnung und schnappte sich seine Klamotten. „Dann können wir uns auch in die Küche setzen und während der Grundsatzdiskussion rauchen.“
Er schmiss seiner kleinen Zicke die Klamotten auf den Hinterkopf und fragte sich - wieder einmal - warum er nicht von ihr lassen konnte. Sein Blick streifte ihre stämmigen Beine, den geliebten Knick zwischen Oberschenkel und Knackarsch und wurde sich des „Warums“ schnell wieder bewusst. Sie war zum Anbeißen niedlich. Von ihrem wirren Haar über die Knitterfältchen auf der Nase, wenn ihr etwas nicht genehm war, über die liebreizende Schnute, die mal das Abbild des personifizierten Unbills darstellen und im nächsten Moment so strahlend lächeln konnte, dass es ihm immer einen flauen Stich in den Solarplexus gab. Er war süchtig nach diesem Lächeln und tat meist sein Bestes, um es zu provozieren. Aber er war auch ein Mann und liebte ihre großen, prallen Brüste und die Geigenrundung ihrer Lenden. Er konnte nichts dagegen tun, er war ihr verfallen, seit er sie das erste Mal auf dem bescheuerten SM-Stammtisch gesehen hatte.
Es war damals ihre Premiere. Auch er ging eher sporadisch hin, er hasste diesen frivol angehauchten schwäbischen Kleintierzüchterverein. War er sexuell versorgt, brachten ihn keine zehn Pferde in die tristen heiligen Hallen der schwul lesbischen Hochburg, in der sich die Perversen eingenistet hatten. Sie kam zu spät. Der lange Tisch war bis zum letzten Platz besetzt. Alle Köpfe der Anwesenden drehten sich zu Tür, als sie sich öffnete. Unverhohlen gierig begutachteten die Männer ihre Erscheinung, von den Frauen ging eine giftig grüne Aura der Stutenbissigkeit aus. Selbstvergessen wie ein in sich ruhendes Kind durchschritt sie mühelos die Distanz zum langen Tisch, auch die Peinlichkeit des ersten Kontaktes mit dieser vermeintlich dunklen Szene, schien sie nicht aus der Ruhe zu bringen, nicht einmal das implizierte Outing ihres Auftritts. Schnell rückte man Stühle hin und her, um Platz zu schaffen. Sie saß an der Stirnseite am anderen Ende und ließ ihren Blick schweifen. Warum schämte er sich jetzt für die Ansammlung übergewichtiger Menschen in billig anzüglicher Gewandung? Lack, Leder, Halsbänder, alles wie im Ottokatalog bestellt. Marke „Frau Müller-Eberles letzter Versuch, den lendenfaulen Gatten zu verführen.“
Er hatte sie ja nicht eingeladen, also trug er nicht die Verantwortung für dieses Grüppchen. Dennoch war es ihm peinlich, irgendwie doch dazuzugehören und war froh, eine blaue Jeans und ein weißes Shirt anzuhaben und nicht das uniformartige Schwarz zu tragen.
Schnell ging man wieder zum Tagesgeschäft über, die Männer referierten mit Schwanz vergleichendem Habitus über Knottechniken, Spreizdübel und der effizientesten Langzeitkatheterisierung, die Frauen gingen wieder zu ihrem wer fickt mit wem, und wer hat mit wem Schluss gemacht und warum-Kaffeeklatsch über.
Plötzlich löste sich eine Walküre aus dem Einheitsbrei der sich ewig wiederholdenden Gespräche, die seit Jahren im eigenen Saft schmorten.
„Was bischn´du? Bisch du a Dommse, oder bisch devot?“, fragte sie distanzlos die Neue und umrundete dabei den Tisch mit einer Geste, als wolle sie sie an den mütterlichen Busen drücken.
Sofort war wieder Ruhe an der Tafel. Alles war ganz Ohr. Die Frage der Fragen. Treue, gierige Hundeäuglein devoter Männer starrten hoffnungsvoll, herrisch ausgeführte Gesten männlicher Luftknoter, das BDSM-Ambivalent zur Luftgitarre, froren mitten in der Bewegung ein.
„Ich, was?“
„Na, ob de uffn Arsch kriegsch, oder druffhausch?“
„Ich weiß nicht. Weder noch, ich habe da nur solche Bilder, Sehnsüchte. Ich glaube, ich hätte gerne einen Mann, der weiß was er will.“
In dem Moment kam es zu einer merklichen Luftverschiebung. Alle passiven Männer seufzten enttäuscht Luft aus, die sofort von den dominanten Männern aufgesogen wurde, es kam zu einer bemerkenswerten Erschlaffung auf der einen, und zu aufgeblasenen Brustumfängen auf der anderen Seite.
Sie wollte einen Mann, der weiß, was er will. Das gefiel ihm. Er wusste, was er wollte. Er wollte sie. Bevor es den Schauspielern dieses Mummenschanzes recht gewahr wurde, hatte er sie schon an der Hand genommen und in den Hof auf eine Zigarette entführt. Er hatte leichtes Spiel, es war simpel, sich von diesem Affentheater abzuheben.
Sicher gab es weitaus willigere und gefügigere Frauen, er war ein attraktiver Kerl und musste nicht die Essensreste unterm Tisch zusammenkratzen. Aber sie war eben eine besonders knackige Nuss. Da nahm er es in Kauf, dass sie schwer zu knacken war. Er gehörte nicht zu den Männern, die immer auf der Suche nach Frischfleisch waren, denn Neulinge waren auch eines, sie waren anstrengend. Man musste Identitätskrisen mit ihnen überstehen, tausend Fragen beantworten und ja, man musste Grundsatzdiskussionen führen. Ständig. So wie heute.
„Könntest Du die Frage noch einmal präzisieren?“
„Also … Warum kannst du mich nicht einfach so lassen, wie ich bin? Warum musst du mich immer verändern?“
„Verändern? Ich dachte, du fändest das auch erregend?“
„Ja. Aber ständig musst du etwas an meinem Körper ändern. Ihn in eine neue Form pressen. Oder du versuchst, meine Art umzuwandeln, meine Umgangsformen, meinen Alltag. Du scheinst immer genau die Umformung toll zu finden, nicht mich, wie ich natürlich bin.“
„Das ist doch Quatsch. Ich liebe dich, wie du bist.“
„Nein.“
„Beispiele?“
„Korsagen. Du liebst es, wenn ich mich in die Dinger presse. Wenn aus Gitarre Wespe wird um die Mitte. Nachdem ich sie ausgezogen habe, befühlst du sabbernd die Abdrücke der Stäbe an meinem Bauch. Du stehst drauf, mich zu fesseln, in möglichst unnatürliche und beschämende Posen, die ich niemals freiwillig einnehmen würde. Und geilst dich dann an der Verrenkung und dem Quellfleisch auf. Um mir im Anschluss ungehindert den Arsch zu vermöbeln. Sag, dass du dir nicht die ganze Woche vorstellst, wie ich mit deinen Striemen rumlaufe?“
„Schon …“
„Du findest es prickelnd, mich zu verändern. Dauernd bekomme ich Aufgaben, Anweisungen, wie ich mich zu verhalten habe. Es gibt tausend Regeln, mich zu perfektionieren. Wenn sie mir schwerfallen, machen sie dir besonders viel Spaß. Du liebst es, mich mühen und scheitern zu sehen.“
„Ich bin eben Sadist.“
„Ich empfinde dich als zutiefst japanisch.“
„Japanisch? Du hast doch einen Knall!“
„Du musst dir nur mal ihre Gärten anschauen. Da darf nichts natürlich wachsen. Alles wird ästhetisch perfektioniert und in das ausgewogenen Feng Shui gebracht.“
„Das ist ne chinesische Lehre.“
„Schlaumeier, also gut, dann bist du eben asiatisch. Anderes Beispiel, Bonsai. Die Bäume haben kaum Erde, um sich zu entwickeln, es wird an ihnen herum geschnippelt, bis sie die perfekte Miniatur darstellen und auf dem Schreibtisch irgendeines reichen Deppen stehen. Oder denke an die Lotusfüße ehemaliger Chinesinnen. Sie litten Höllenqualen, nur um dem Schönheitsideal der Männer zu entsprechen. Es ist die Beschneidung der Natur, die dir gefällt. Du machst mich nicht schön, nein, du formst mich um. Machst einen unansehnlichen Rollbraten aus mir, bringst mich zum lallen, findest es niedlich, wenn mir der Speichel debil aus dem Mund läuft. Ich kann mich nicht natürlich bewegen, gestikulieren, agieren, weil mit tausend Regeln im Weg stehen."
„Ich verändere nie etwas Irreversibles an dir. Aber ja, ich liebe es Abdrücke an dir zu hinterlassen. Und ich dachte, dass du einen Mann suchst, der weiß, was er will.“
„Ja. Schön, dass wir das besprochen haben. Jetzt können wir wieder ficken gehen.“
„Nein. Such dir einen Tantralehrer. Der macht dich zu Göttin. Ich hab jetzt echt keinen Bock mehr.“