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Das Fahrrad

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21.12.2015
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Das Fahrrad

Sie ziehen weg, hat Mama gesagt.
Warum? hat er gefragt.
Weil Papa in der anderen Stadt eine Arbeit hat, war Mamas Antwort.

Er will nicht wegziehen. Er will nicht weg aus dem Haus, das er kennt, seit er geboren ist. Aus der Straße, in der seine Freunde wohnen. Aus der Stadt, die ihm immer so groß vorkommt, wenn er mit Mama einkaufen fährt. So einen Spielplatz wie hier wird er in keiner anderen Stadt finden, das ist mal klar. Und auch keinen Freund so wie Lasse, der schon auf zwei Fingern pfeifen kann, wie die Großen. Und mit dem er fast jeden Nachmittag unterwegs ist um Abenteuer zu erleben. Denn er und Lasse verabreden sich immer, um gemeinsam Abenteuer zu erleben. Weil so was alleine überhaupt keinen Spaß macht.

Aber er hat auch gehört, wie sie gestritten haben, Mama und Papa. Wegen dem Geld, das überall fehlt, weil Papa nicht arbeitet. Weil das Geld nicht reicht, muss Mama putzen gehen. Manchmal hört er morgens, wenn es noch dunkel ist, die Haustüre, die zuschlägt, wenn Mama zur Arbeit geht. Wenn Mama und Papa streiten, weil kein Geld da ist, weint Mama immer.
Einmal hat er sein Sparschwein genommen und ist einfach mitten in den Streit von Mama und Papa hereingeplatzt. Er hat das Sparschwein seiner Mutter gegeben und gehofft, dass sie dann aufhört zu weinen. Es kamen aber nur noch mehr Tränen und er konnte nichts sagen, um sie zu trösten, weil seine Stimme einfach weg war.

Eigentlich wünscht er sich schon lange ein neues Fahrrad. Aber jedes Mal, wenn ihm der Wunsch auf der Zunge liegt und er ihn nur noch aussprechen müsste, ist seine Stimme auch immer weg. Jeden Tag fährt er mit seinem ollen Babyfahrrad zum Kindergarten. Er ist schon viel zu groß dafür, seine Beine schleifen beim Fahren fast über den Boden und das sieht ganz schön komisch aus. Deswegen lachen die anderen Kinder und rufen „Zwerg auf einem Zwergenrad“. Dann schmeisst er sein Rad in die Ecke und hasst es, auch wenn es nichts dafür kann, dass er so gewachsen ist.
Sein Rad ist ihm bis jetzt ein treuer Freund gewesen. Er hat es irgendwann mal zu Weihnachten bekommen, als Papa noch Arbeit hatte. Das ist schon eine ganze Zeit her. Er erinnert sich noch, wie das Rad geglitzert hat, als es an Heiligabend neben dem Tannenbaum stand. Blitzeblank mit einer dicken roten Schleife und das Licht der Kerzen hat sich im Rahmen gespiegelt. Aber jetzt, ist es zu klein oder er zu groß, je nachdem wie man es sieht.

Er weiß ganz genau, wie sein neues Fahrrad sein soll. Eine Gangschaltung braucht er auf jeden Fall und große Räder mit breitem Profil, damit er auch da fahren kann, wo es keine Radwege gibt. Auf dem Spielplatz gibt es einen Hügel, da brausen die Jugendlichen mit ihren Rädern immer rauf und runter und üben Sprünge und sind voller Matsch und Dreck, wenn es geregnet hat. So will er auch aussehen, wenn er sein neues Fahrrad hat.

Einmal hat er versucht, mit seinem ollen Babyrad den Hügel raufzufahren. Er war sicher, dass ihn niemand sieht. Ein ganzes Stück vom Hügel entfernt fuhr er los, auf den Hügel zu. Er wusste, er brauchte ordentlich Schwung und Tempo um überhaupt ein Stück den Hügel heraufzukommen. Aber bereits am Fuß des Hügels drehten die kleinen Räder seines Fahrrades durch. Und so sehr er auch in die Pedale trat, er kam keinen Meter weiter. Er weinte vor Zorn über sich und sein olles Fahrrad. Und dann tauchten auch noch die Jugendlichen. Sie stellten sich mit ihren Rädern unten am Hügel auf und äfften ihn nach und traten in die Pedale und taten so, als könnten sie den Hügel nicht rauffahren und machten sich über ihn lustig und lachten ihn aus.

Und dann ist er weinend nach nach Hause gefahren und hatte Wut auf seinen Papa, weil der nicht arbeitet und kein Geld da ist, um ihm ein neues Fahrrad zu kaufen und er mit dem ollen Babyrad fahren muss.

Er denkt zurück an einen Nachmittag, an dem er und Lasse am Rande des Spielplatzes in ihrem Geheimversteck saßen. Nur sie beide kennen dieses Versteck, das man von außen mit keinem Blick entdecken kann. Lasse und er haben lange miteinander geredet, wie nur beste Freunde das können. Er hat Lasse erzählt, das er an den Umzug in die neue Stadt denkt, dass er Angst davor hat und traurig ist. Aber wenn sein Papa wieder Arbeit hat, dann bekommt er vielleicht ein neues Fahrrad. Und wenn er daran denkt, dann ist es ihm verdammt noch mal wert in eine fremde Stadt zu ziehen, das hat er zu Lasse gesagt. Lasse hat eine zeitlang über alles nachgedacht.

Du bist kein Baby mehr und kommst nächstes Jahr schon in die Schule, hat Lasse dann zu ihm gesagt.
Da konnte er Lasse nur zustimmen.
In der anderen Stadt finde ich bestimmt einen neuen Freund, hat er laut überlegt.
Klar, hat Lasse da geantwortet. Und ich bleibe doch auch Dein Freund, hat er noch hinzugefügt.
Damit hatte Lasse schon wieder Recht.
Er hätte dann mindestens zwei beste Freunde. Keine schlechten Aussichten findet er und diesmal hat Lasse ihm zugestimmt.

Erst als es fast dunkel ist, haben sie ihr Versteck verlassen.
Nimmst Du Dein Fahrrad mit? hat Lasse ihn auf dem Nachhauseweg gefragt. Nein, hat er gesagt und Lasse dabei angesehen, das olle Babyfahrrad bleibt hier, das brauche ich in der neuen Stadt nicht mehr.

 

Lieber Hunsby,
willkommen bei den Wortkriegern.
Du möchtest gerne hören, was andere über deine Geschichten meinen.
Mir gefällt die Idee deiner Geschichte. Am Beispiel der Gedanken eines kleinen Jungen über sein ‚Babyfahrrad’ rollst du das Schicksal der Familie auf. Es gibt eine Hoffnung, einen Neuanfang in der Familie, der Junge verabschiedet sich von seinem Babyfahrrad, wie er es nennt, und tritt mit seiner Familie in einen neuen Lebensabschnitt ein.
Dein Text kommt leider ein wenig langweilig daher, weil du nichts heraushebst, alles steht irgendwie gleichrangig nebeneinander, so, als wenn man beim Vorlesen die Stimme nicht hebt oder senkt.
Eventuell könntest du der Geschichte etwas mehr Pepp verschaffen, wenn du die einzelnen Situationen, in die der Junge mit seinem kleinen Fahrrad gerät, etwas anschaulicher und lebendiger gestalten würdest. So eine Szene, wenn er mit seinem viel zu kleinen Fahrrad in die Schule fährt. Du sagst nur ‚es sieht komisch aus’. Das kannst du sicher genauer beschreiben, und auch, wie die anderen darauf reagieren. Ebenso die Szene am Hügel. Diese Abschnitte würde ich stärker ausgestalten, die Gedanken ausformulieren, eventuell auch, wie die anderen auf ihn reagieren, was sie ihm nachrufen usw. Und auch seine Gefühle könntest du konkretisieren. Nicht einfach nur schreiben, dass er sein Fahrrad hasst, dem Leser vorführen, wie sein Hass aussieht.

Du machst, bis auf zwei oder drei fehlende Kommas (vor dem Infinitiv mit zu) keine Fehler. Und auch sprachlich kann ich an deinem Text nur wenig aussetzen.
Ich würde deinem Text ein paar Absätze verpassen, ihn etwas stärker strukturieren, z.B. so:
Absätze vor:
Aber er hat auch gehört,
Eigentlich wünscht er sich
Jeden Tag fährt er mit seinem ollen
Eigentlich ist sein Rad bis jetzt ein treuer Freund gewesen
Er weiß ganz genau, wie
Einmal hat er versucht, mit
Er denkt an den Umzug in die neue Stadt

Er (ist) kein Baby mehr.

Fazit: Du schreibst recht gut, solltest dir aber überlegen, wie du deine Texte für den Leser interessanter gestalten könntest. Er möchte ja gerne mit deinen Figuren mitfühlen, mit ihnen unglücklich sein und mit ihnen hoffen und bangen.

Hunsby, ich wünsche dir viel Spaß in unserem Forum.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,

danke für Deine konstruktive freundliche Kritik. Ich war etwas in Sorge, wie die erste Reaktion auf meine Geschichte ausfallen wird und bin jetzt froh, dass es nicht ganz so "schlimm" ist, wie ich dachte. Ich freue mich, dass der Grundgedanke der Geschichte auch für einen außenstehenden Leser deutlich wird. Da ich nicht sicher war, wie lang eine Kurzgeschichte sein darf habe ich mich entsprechend kurz gefasst. Ich werde versuchen, die Geschichte des Jungen etwas "lebendiger darzustellen".

L.G.
Hunsby

 

Hej Hunsby,

mir gefällt, wie Deine Geschichte geschrieben ist.

Wenn Du daran noch etwas basteln möchtest, würde ich Dir empfehlen, die Entwicklung die durch das Fahrrad deutlich wird mit etwas mehr Handlung zu kombinieren.
Jetzt ist es so, dass der Junge das alles irgendwie mit sich ausmacht.
Für Deine Leser wird es greifbarer, wenn er zu einem Schluss oder zu einem neuen Standpunkt nicht nur dadurch kommt, dass er sich etwas vorstellt oder sich erinnert oder einfach denkt, sondern dadurch, dass er mit andern spricht oder etwas tut.

Sie ziehen weg, hat Mama gesagt. Warum? hat er gefragt. Weil Papa in der anderen Stadt eine Arbeit hat, war Mamas Antwort.
Vorschlag für eine bessere Lesbarkeit:
Sie ziehen weg, hat Mama gesagt.
Warum? hat er gefragt.
Weil Papa in der anderen Stadt eine Arbeit hat, war Mamas Antwort.

Viel Spaß hier bei den Wortkriegern. : )

Gruß
Ane

 

Hallo Ane,
schön, das meine Geschichte noch einen weiteren Leser gefunden hat. Ich habe Deine Anregungen aufgegriffen und den Text noch einmal überarbeitet.
L.G. Hunsby

 

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