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Das fünfte Gebot

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07.09.2003
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Das fünfte Gebot

Tom piepte mich an, und als ich ihn sah, ahnte ich, dass er heute die Frage stellen würde. Früher oder später taten sie das alle, wenn sie zu viel Aufmerksamkeit erhielten. Die Vorausberechenbarkeit war ihre Schwäche.

Im Laufe der Zeit hatte Tom sich zu meinem Main Actor entwickelt. Unsere Ansichten waren zu 90 Pro kompatibel, innerhalb seines beschränkten Weltbildes. Die restlichen 10 Pro reichten völlig, um unsere Chats interessant zu halten.

Sein Leben gestaltete Tom weitgehend nach dem alten Trial&Error-Prinzip. Im Moment eruierte er die Wirkung eines schmutzstarrenden Clochard-Outfits in Kombination mit Hygiene- und Nahrungsabstinenz auf seine Umwelt. Ich komme damit besser klar als mit seiner letzten Phase, als er 2 Wochen lang eine völlig glatte Gesichtsmaske trug, die das Licht nur in seine Richtung durchliess.

"Hi", krächzte Tom mit glaubwürdiger Der-Morgen-nach-dem-Alkoholexzess-Stimme.

"Hallo Tom", tippte ich zurück. "Siehst fürchterlich aus heute."

"Ahja, findest du?" Tom suchte in den Taschen seines speckigen Mantels nach seinen Zigarillos, fand sie und steckte sich eine an. "BB, ich möchte dir heute eine Frage stellen. Eine Kleinigkeit nur, nichts, was dich beunruhigen müsste." Er saugte an seinem braunen Glimmstengel und inhalierte tief. "Also, was sagst du dazu, Brüderchen?"

BB nannte er mich, seit er Orwells "1984" entdeckt hatte. Eine Weile konterte ich, indem ich ihn Winston nannte, aber unsere Gespräche tendierten dann immer zu den düsteren Gegenden der Philosophie, also ließ ich es schließlich wieder.

Ich hätte den Chat unterbrochen, wäre mir nicht vollkommen klar gewesen, dass er das nächste Mal wieder fragen würde. Waren sie einmal so weit, dann griff keine kognitive Rekonfiguration mehr.

"Stell deine Frage", tippte ich resigniert.

"Was ich von dir wissen möchte, BB, und du kannst mir vertrauen, dass es mich wirklich beschäftigt" Tom neigte ein wenig zur Weitschweifigkeit. "Die Frage also, deren aufrichtige Beantwortung mir am Herzen liegt, lautet: Bist du, BB, mein Freund?"

Ich zögerte. Sein Freund? Eine sonderbare Frage. Natürlich war ich sein Freund. Ich wusste praktisch alles über ihn. Er war mir näher als irgendjemand sonst. Die Fragen der Anderen waren immer in eine völlig andere Richtung gegangen.

"Du weißt, wer ich bin", sondierte ich vorsichtig.

Die offizielle Version war, dass sie alle Teilnehmer einer psychologisch-soziologischen Langzeitstudie waren. Meine getippten Texte wurden in eine synthetische, aber dennoch angenehme Stimme konvertiert und an ihre Standard-Ohrimplantate übermittelt. Theoretisch konnte man sich den Umweg über die Tastatur auch sparen und direkt sprechen, aber leider war die Sprach-Analyse weitaus komplexer als deren Synthese, so daß es zu oft zu Mißverständnissen kam.

"Weiß ich das?" antwortete Tom gelassen. "Ich hab mir so meine Gedanken gemacht, Büderchen." Er nahm noch einen Zug und blies den Rauch durch die Nasenlöcher wieder hinaus.

"Was für Gedanken, Tom?"

"Nun, haken wir also erst mal die trivialen Sachen ab. Diese Studie", Tom zeichnete mit den Händen Gänsefüßchen in die Luft, "ist ein Fake."

"Wie kommst du darauf, wir würden dich täuschen wollen?"

"Na komm, BB, was soll das für eine Studie sein, hm? Du beobachtest mich, sprichst mit mir, beehrst mich aber nie mit einem persönlichen Besuch. Ich erlebe keine komischen Situationen, die ihr konstruiert habt, um mal zu sehen, wie der gute Tom damit klarkommt." Tom schnippte die Kippe achtlos weg und steckte sich gleich eine neue an.

"Wie du weisst, dürfen wir.."

"Schon klar, schon klar, BB", fuhr Tom fort, bevor ich antworten konnte, "ihr dürft mir nichts über die Ziele der Studie sagen, um das Ergebnis nicht zu verfälschen." Er lachte kurz auf, was einen kleinen Hustenanfall nach sich zog. "Genauso sind die komischen Situationen natürlich nicht so komisch, daß ich Verdacht schöpfen würde. Du willst es mir also nicht leicht machen, was?"

"Ich will dir klarmachen, dass du auf dem Holzweg bist, Tom." Ich wünschte, ich könnte ihm die Wahrheit erzählen, ihm die drohenden Konsequenzen seiner gefährlichen Gedanken verdeutlichen.

Tom betrachtete nachdenklich die Glut seines Zigarillos. "Mir ist vor einiger Zeit was Merkwürdiges passiert. Ich bin gestolpert, als ich sturzbesoffen durch die Wohnung torkelte. Hab mich langgelegt und schlug mit dem Kopf auf die Tischkante. Tat höllisch weh, der arme Tom hat geblutet, Brüderchen, und das nicht zu knapp."

Ich ahnte, was jetzt kommen würde, antwortete aber noch nicht.

"Nun", fuhr Tom fort. "ich schnappte mir die Tischdecke und hielt sie an die Platzwunde. Mir war etwas schwindelig, also legte ich mich auf die Couch. Kurz darauf muss ich eingeschlafen sein. Und am nächsten Morgen war die Wunde weg." Tom berührte seine Stirn. "Verstehst du? Nichts mehr zu sehen, kein Riss, kein Blut. Und weisst du, was das Erstaunlichste war? Was heute für mich wirklich verblüffend ist? Ich fand das absolut normal."

Tom nahm einen weiteren Zug von seinem halb gerauchten Zigarillo. "Der arme Winston Smith wurde ziemlich hart rangenommen, Folter und Mißhandlung und all das". Tom hielt den Zigarillo zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Mit der Glut voran näherte er sie dem Handrücken seiner linken Hand. Er verzog das Gesicht, als die Glut die Haut berührte, drückte den Zigarillo aber dennoch ganz aus. Er liess die Kippe fallen und wischte die Asche von seiner Brandwunde.

"Winston brauchte lange, lange Zeit, bis er sich von seinen Verletzungen erholt hatte. Leider stand ihm das Schlimmste noch bevor." Die Brandwunde wurde allmählich kleiner, bis sie schließlich verschwunden war.

"Und so frage ich dich, BB, wie kann das sein?" Er wedelte mit der linken Hand in der Luft herum. "Kannst du mir das sagen?"

"Das Buch spielt in der Vergangenheit, damals waren sie noch nicht so weit", entgegete ich lahm.

"Und heute haben wir Nanobots oder sowas, hm? Wuseln da wohl in mir rum, mobile Reparaturtrupps für Tom." Nachdenklich tippte er mit dem Zeigefinger auf der Sessellehne herum. "Was ist, wenn ich sterbe? Gebe ich dann den Phönix aus der Asche?"

"Wenn du stirbst, bleibst du tot. Das ist alles sehr kompliziert, Tom, aber du musst mir vertrauen, dass alles in Ordnung ist. Keine Nanobots, aber die Medizin ist heute trotzdem zu Dingen in der Lage, die vor fünfzig Jahren wie Magie gewirkt hätten."

Ich sah es ihm an, dass er das nicht schluckte. Ich konnte es ihm nicht verübeln.

"Ich habe mal gehört", fuhr Tom fort, "dass in dem Moment, in dem ein Mensch sich selbst versteht - wirklich versteht -, er daran zugrunde geht."

Ich dachte nach. Der Gedanke schien mir keineswegs abwegig. Sich selbst zu verstehen, hieß, den Menschen zu verstehen, der sich selbst verstand. Ad Infinitum.

"Hast du dich verstanden?", fragte ich.

Tom lachte heiser. "Nein, ich glaube nicht. Wie stehts mit dir?"

"Deiner Theorie nach sollte man es besser erst garnicht versuchen."

"Danke für die Warnung, Brüderchen."

"Ist damit also deine Frage beantwortet?"

Tom stand auf und wanderte unruhig im Zimmer umher.

"Ich muss das Risiko eingehen", antwortete er schließlich. Er setzte sich wieder und starrte den Boden vor seinen Füßen an.

Ich nickte, obwohl er das natürlich nicht sehen konnte. Würde ich anders handeln an seiner Stelle? Ich atmete tief ein. Tom hatte sich weiter entwickelt als je einer vor ihm. Ich wollte ihn nicht verlieren, aber seine Chancen standen schlecht. Ich mochte ihn sehr.

"Das Spiel heisst 'Wahrheit', Tom. Ehrliche Fragen, ehrliche Antworten. Was möchtest du wissen?"

"Wer bist du?"

Großes Kaliber gleich zu Beginn. Die Banalität einer ehrlichen Antwort erschreckte mich.

"Ich beobachte dich, spreche mit dir. Ich nehme teil an deinem Leben und versuche, es in die richtigen Bahnen zu lenken."

"Woran erkennst du, was richtig ist für mich und was nicht?"

"Ich verfüge über eine Perspektive, die weit über das hinausgeht, was du dir vorstellen kannst."

Männer mögen die Macht. Macht bedeutet Kontrolle, Einfluss, Kribbeln in den Lenden. Männer geben gern mit ihrer Macht an. Ich schämte mich.

Tom schwieg. In Gedanken versunken trommelte er wieder mit den Fingern auf der Lehne herum.

"Du hast meine erste Frage nicht beantwortet", murmelte er schließlich.

"Mehr kann ich...", fing ich an, zögerte und löschte den Text wieder. Ehrliche Antworten hatte ich ihm versprochen, doch wie weit konnte ich gehen? Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, was ich hier eigentlich tat.

Tom riss mich aus meinen Gedanken. Er sprang auf und rief laut: "Hey BB, vielleicht kannst du mir wenigstens dies beantworten: Warum glaubst du, das Recht zu haben, dich in mein Leben einzumischen?"

Meine Finger wollten eine Antwort tippen, doch ohne Signale vom Kopf zuckten sie nur hilflos über die Tasten, ohne sie zu drücken. Mir war warm, besonders im Gesicht. Ich musste nachdenken, doch Tom liess mir keine Zeit.

"Was hat es mit den Wunden auf sich? Machst du das?"

"Nein, Tom", tippte ich müde, "das ist eine Option, um Leerlauf zu vermeiden."

"Wovon redest du?", schrie Tom mich an. Er atmete zu schnell, zitterte am ganzen Körper. Seine physischen und mentalen Kennzahlen waren durchweg in einem besorgniserregenden Bereich. Ich justierte vorsichtig einige, um einen Kollaps zu verhindern. Er beruhigte sich wieder etwas, setzte sich und steckte sich mit zittrigen Händen einen Zigarillo an.

"Wer bin ich?", murmelte Tom und sah auf.

Showdown. Konnte er die Wahrheit ertragen? Konnte ich es? Was spielerisch begonnen hatte, war schon lange kein Spiel mehr. Es ging zu weit.

"Tom, wie würdest du Leben definieren? Was unterscheidet einen Menschen von, sagen wir, einem Stein?"

Tom dachte lange nach. "Nun", begann er langsam, "du meinst vermutlich Eigenschaften wie Intelligenz, Gefühle, Bewusstsein."

"Unter anderem." Ich holte tief Luft. Es war soweit, sinnlos, es noch weiter hinauszuzögern. "Weisst du, was eine KI ist?"

Tom antwortete nicht. Die Kippe in seiner Hand verglimmte ungeraucht, Asche fiel der Schwerkraft gehorchend auf den Boden.

"Tom?", tippte ich.

"Künstliche Intelligenz", krächzte er leise. "Ein Programm?"

Seine Parameter begannen, verrückt zu spielen. Motorische Aktivität war praktisch nicht mehr vorhanden, abgesehen von den autonomen Regelkreisen wie Atmung oder Herzschlag. Sämtliche Tom zur Verfügung stehenden Ressourcen verbrauchte er mental.

Sein Kopf sank auf die Brust, ein Speichelfaden lief ihm aus dem Mundwinkel in den Schoß und vereinigte sich mit dem wachsenden Urinfleck dort.

Hektisch versuchte ich, Prozessprioritäten neu zu verteilen. Ich entzog ihm KI-Rechenzeiten und ließ sie seinen physischen Teilsystemen zukommen. Zwecklos. Er begann, unkontrolliert am ganzen Körper zu zucken, schlug sich mit den Knien die Nase zu Brei. Die Geist-Körper-Kopplung war vollständig unterbrochen.

Die Buchstaben auf der Tastatur vor mir verschwammen, ich musste mehrmals blinzeln, bevor ich wieder tippen konnte.

Ich schrieb: "Ich bin dein Freund, Tom."

Rollback.

--------------------------
18.05.2021: hibernation mode entered
18.05.2021: world rollback startet
18.05.2021: checking world logical structure... done
18.05.2021: checking objects.... 31,325,789 objects found
18.05.2021: checking objects.... 12 structure errors found
18.05.2021: deleting 12 objects... done
18.05.2021: checking characters... 47,899 characters found
18.05.2021: checking characters... 1 structure error found
18.05.2021: deleting "Tom"... done
18.05.2021: - entering recursion level 1
18.05.2021: - world rollback startet
18.05.2021: - checking world logical structure... 65 obsolete cross references found
18.05.2021: - deleting 65 references... done
18.05.2021: - checking objects.... 31,325,777 objects found
18.05.2021: - checking objects.... 521 obsolete objects found
18.05.2021: - deleting 521 objects... done
18.05.2021: - checking characters... 47,898 characters found
18.05.2021: - leaving recursion level 1
18.05.2021: world rollback finished
18.05.2021: leaving hibernation mode
18.05.2021: running "Little Computer People"
18.05.2021: Version 8.1 Build 4132.10 (localization: german)
18.05.2021: Copyright (C) ...
18.05.2021: game world ready

 

Eine prima Story, die mich gut unterhalten hat und ein für mich interessantes Thema. KI einmal anders. Hast du dieses Programm auf deinem Comp zu laufen? Wenn ja wäre ich daran interessiert. Die Abschlusssequenz passt gut, auch dass der Ich-Erzähler mit BB angeredet wird (auf Brigit Bardot kommt wohl in dem Zusammenhang keiner).

Ja, das wusste ich nur zu gut. Er würde nicht lockerlassen, würde Zweifel säen und Unruhe erzeugen bei den anderen. Wie ein Virus würden seine Fragen zu denen der anderen werden, bis das ganze System ausser Kontrolle geriet. Das konnte ich nicht zulassen.
Vielleicht einziger Kritikpunkt von meiner Seite: Weshalb betreibt er eigentlich dieses System? Ein paar Worte, Andeutungen dazu hätte ich schon gerne noch dazu gelesen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sturek,

danke dir für die freundlichen Worte.

Nein, derartige Programme gibts meines Wissens nach nicht. Wenn du dir das Datum beim Logfile am Ende anschaust, dann weisst du, wann ich *frühestens* damit rechnen würde, ein Gespräch auf diesem Niveau mit einer Computerintelligenz führen zu können. Falls überhaupt je.

Vielleicht einziger Kritikpunkt von meiner Seite: Weshalb betreibt er eigentlich dieses System? Ein paar Worte, Andeutungen dazu hätte ich schon gerne noch dazu gelesen.

Schau dir mal die letzten 4 Zeilen des Logs am Ende genau an, ich denke, dann wirds klar, was das für ein Programm ist.

Gruß
Rainman

 

Hi Rainman,

gar nicht übel. Du projizierst die "Sims" ein bisschen in die Zukunft. Flair hat Deine Geschichte auch, Stellen wie :

"Hi", krächzte Tom mit glaubwürdiger Der-Morgen-nach-dem-Alkoholexzess-Stimme.
lassen Bilder entstehen.

Abgesehen davon, dass Du einen wirklich wichtigen Aspekt berührst, ist die Logik der Geschichte etwas dünn, oder sagen wir: konstruiert. Warum schließen sich die Wunden?
Warum ist Tom ein Stuktur-Fehler?
Warum sollten mehrere KIs mit der gleichen Frage das System außer Kontrolle bringen? Ein Programm kann man doch jederzeit neu starten.

Die Ahnung, dass Tom eine KI sein könnte, säst Du schon recht früh. Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist, dass der Dialog etwas zäh wirkt - das liegt in der Natur der Sache, da das Geschehen hauptsächlich aus eingetippten Sätzen besteht. Und noch eine Kleinigkeit zum Schluss: Ich würde im Rollback-Protokoll das Datum weglassen, denn es ist nicht erforderlich. Stattdessen wäre die Uhrzeit eine Alternative. In Logfiles wird sowieso meist beides ausgegeben. Andererseits produzieren die wenigsten Spielprogramme Logfiles, oder?

Insgesamt gefällt mir Dein Ansatz, aber Du gehst mir nicht weit genug. Das Männchen im Spiel wird sich dessen bewusst und wird gelöscht. Na gut. Aber ungefähr da, wo es interessant wird, schaltest Du ab. Das kann man zwar auch als Aussage auffassen, aber spannender hätte ich gefunden, wenn die Geschichte noch weiter gegangen wäre.

Es gibt hier eine Geschichte, die das gleiche Thema aufgreift, aber mehr daraus macht, eine komplexere Handlung entwickelt, natürlich rede ich von Gottspieler von Roy Spitzke, das er auch auf der Göttinger Lesung vorgetragen hat.

Fazit: sprachlich prima, inhaltlich guter Ansatz, zeitgemäß gewähltes Thema; seht her, SF-Autoren, es geht auch völlig ohne Zeitreise! :)

Uwe
:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Uwe,

erst mal danke für deine ausführliche Kritik. Bevor ich auf deine einzelnen Punkte eingehe, möchte ich gern mal erklären, wie ich mir so ein KI-Spiel vorgestellt habe.

Es handelt sich um eine Software zur Simulation möglichst vieler Details einer relativ kleinen Welt, sagen wir einer Kleinstadt. Alle simulierten Personen agieren völlig autark, interagieren frei miteinander und besitzen eine eigene Individualität.

Der Spieler hat die Möglichkeit, ebenfalls mit den KI-Personen zu kommunizieren. Der Reiz des Spiels besteht eben darin, und in der Beobachtung aus einer göttlichen Perspektive.

Das Ziel des Spiels könnte darin bestehen, eine Welt möglichst lange stabil zu halten, ohne dass "Störungen" größeren Ausmaßes auftreten, sagen wir z.B. Massenselbstmorde oder Degeneration oder Ähnliches.

Vor diesem Hintergrund lassen sich einige deiner Fragen beantworten:

Warum ist Tom ein Stuktur-Fehler? Warum sollten mehrere KIs mit der gleichen Frage das System außer Kontrolle bringen? Ein Programm kann man doch jederzeit neu starten.

Tom gefährdet das System, der Fehler liegt in seiner eigenen mentalen Struktur. Dadurch, dass er der "offiziellen Version" keinen Glauben mehr schenken will, stellt er sich praktisch selbst ausserhalb des Systems. Was wäre eine mögliche Konsequenz, würden die KI-Personen beispielsweise erfahren, dass sie nur Simulationen in einem Spiel sind?

Das Programm könnte man sicher neu starten, aber dann wäre die Welt in jungfräulichem Zustand. Alle Entwicklungen wären zurückgesetzt. Alternativ könnte man an ein regelmäßiges Backup denken, dass in derartigen Fällen zurückgespielt wird. Doch müsste man dann weit genug zurückgehen, um sicherzustellen, dass das Ereignis sich nicht wiederholt, in Toms Fall vielleicht bis vor den Zeitpunkt, als er "1984" gelesen hat. Das Zurückspielen eines Backups wiederum wäre aber ganz sicher nicht selektiv nur für eine Person möglich.

Warum schließen sich die Wunden?

Ich gebe dir da recht, das war konstruiert. Ich suchte nach Merkwürdigkeiten, mit denen Tom seine Zweifel begründen könnte. Als halbwegs nachvollziehbare Begründung hab ich mir zurechtgelegt, dass sowas den KIs ja nicht auffallen würde, würde die Simulation das als völlig normal behandeln, wie das Atmen oder die Schwerkraft z.B.

Ich würde im Rollback-Protokoll das Datum weglassen, denn es ist nicht erforderlich. Stattdessen wäre die Uhrzeit eine Alternative. In Logfiles wird sowieso meist beides ausgegeben. Andererseits produzieren die wenigsten Spielprogramme Logfiles, oder?

Das Datum hab ich bewußt reingebracht, um anzudeuten, dass ich solche Szenarien noch lange nicht für realisierbar halte.
Uhrzeit wäre eine Idee, da man dann auch die Bearbeitungszeit der einzelnen Aktionen darstellen könnte. Und doch, es gibt viele Spiele, die Logs speichern, wenn auch oft nur auf Wunsch.

Aber ungefähr da, wo es interessant wird, schaltest Du ab. Das kann man zwar auch als Aussage auffassen, aber spannender hätte ich gefunden, wenn die Geschichte noch weiter gegangen wäre.

Als ich die Geschichte anfing, hatte ich als Ziel eben diesen Schluss vor Augen. Alles Andere hat sich daraus ergeben. Der Erzähler hat eine persönliche Beziehung zu einer der Figuren im Spiel aufgebaut und muss ihn am Ende doch töten. Ich hätte diese Beziehung gerne noch mehr ausgearbeitet, aber den Schluss möchte ich gern beibehalten.

Es gibt hier eine Geschichte, die das gleiche Thema aufgreift, aber mehr daraus macht, eine komplexere Handlung entwickelt, natürlich rede ich von Gottspieler von Roy Spitzke, das er auch auf der Göttinger Lesung vorgetragen hat.

Ich hab sie jetzt gelesen, gefiel mir sehr gut. Eventuell hätte ich meine nicht geschrieben, hätte ich Gottspieler vorher entdeckt :)

Fazit: sprachlich prima, inhaltlich guter Ansatz, zeitgemäß gewähltes Thema; seht her, SF-Autoren, es geht auch völlig ohne Zeitreise!

Danke! Obwohl ich intelligent ausgedachte Zeitgeschichten eigentlich mag :-)

Gruß
Rainman

 

Moin rainman,

Deine Geschichte hat mir wirklich gut gefallen. Die Grundidee ist interessant und die Umsetzung gut gelungen. Es gab keine Längen im Text und war sehr schön und flüssig zu lesen.
Daß du hier wenige Hintergründe lieferst, stört mich eigentlich nicht wirklich. Du hast dich halt hauptsächlich auf die Frage bezogen, ob eine KI merken kann, daß sie nur eine KI ist. Mir hat das gereicht. Allerdings fand ich das Ende auch ein wenig dünn. Erst kommen bei Tom die Zweifel auf, ein interessantes Gespräch kündigt sich an und dann wird der arme Kerl einfach gelöscht. Das ist für meinen Geschmack ein wenig abgehackt und da hätte mMn noch gerne irgendwas folgen können.

Insgesamt aber eine ziemlich gelungene Geschichte, die mir gut gefallen hat.

 

Hallo gnoebel,

danke dir für das Lob. Wie ich Uwe schon geschrieben habe, möchte ich am Ende inhaltlich nichts verändern. Ich denke im Moment drüber nach, den Dialog vorher etwas zu erweitern. Allerdings hat Uwe mich da verunsichert, da er ihn als etwas zäh empfindet :)

Gruß
Rainman

 

Hallo Rainman,

die zweite SF-Geschichte, die ich hier auf KG.DE lese, obwohl ich überhaupt kein SF-Fan bin. :D
(Die erste war natürlich "Gottspieler" von Roy :) - Du siehst, ich lese erst SF, wenn mir der Autor vorher schon anderweitig positiv aufgefallen ist. :) )

Ich habe Deine Geschichte gespannt gelesen, obwohl ich bei Toms Frage ob der Ich-Erzähler" sein Gott ist, sofort an Roys Geschichte denken musste und dann natürlich den entsprechenden Verdacht hatte. Du hast mich auf jeden Fall gefesselt und gut unterhalten. Mehr kann ich zu der Geschichte - aus mangelnder SF-Erfahrung - leider nicht sagen. Aber ich finde, das ist doch schon viel. Ich lese gern Geschichten zur Unterhaltung!

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo al-dente,

mit diesem Kommentar ist dein Rundumschlag auf "Rainman-Geschichten" leider schon vorbei, da ich bisher nur vier Stück hier gepostet habe. Schade eigentlich :)

Danke für den netten Kommentar, freut mich wirklich, dass die Geschichte dich unterhalten hat.

Du siehst, ich lese erst SF, wenn mir der Autor vorher schon anderweitig positiv aufgefallen ist.
:shy: :)

Gruß
Rainman

 

Geil, hat mir gut gefallen. Das Ende war doch hart, den Sim einfach so zu killen
(schnief). Ich hab eher mit sowas gerechnet, daß er, damit konfrontiert, daß er virtuell ist, durchdreht oder ähnliches. (Auf dem Wege dahin war er ja schon :) )
Naja, kurzes hartes Ende halt aber sonst
daumen hoch

Megarat

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo megarat,

danke für deinen Kommentar, freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Ich hab eher mit sowas gerechnet, daß er, damit konfrontiert, daß er virtuell ist, durchdreht oder ähnliches.
Ich überlege derzeit, den Dialog am Ende zu erweitern, möglicherweise kommt also durchaus noch was.

Gruß
Rainman

 

Hi rainman,
ich schließe mich meinen Vorgängern an, wenn ich sage: eine gelungene Geschichte, zu der ich aber gerne noch etwas mehr gelesen hätte.

Zu meiner Schande muss ich sagen, dass ich "Gottspieler" nicht gelesen habe. Mir kam statt dessen eine StarTrek-Folge in den Sinn, in dem eine Holodeck-Figur entdeckt, was sie eigentlich ist, und das Holodeck verlassen will.

Auf jeden Fall Fall werde ich die Geschichte noch einmal lesen, wenn du sie (egal wie auch immer) veränderst.
Freu mich schon darauf.

glg Hunter

 

Hallo hunter,

freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat, danke für das Lob.

Ich habe die Geschichte jetzt tatsächlich noch erweitert und hier reingesetzt. Auch habe ich die "Gottfrage" abgeändert.

Gruß
Rainman

 

Hallo rainman,
gut umgesetzt, gerade die kleinen Erläuterungen als Zusatz zum Dialog haben mir als Stilmittel gefallen.
Die Problematik ob, oder wie die KI über sich selbst Erkenntnis gewinnen kann könnte sicher interessanter ausgeführt werden. Es läuft ja auf die Frage hinaus ob ein System über sich selbst hinaus Erkenntnisse gewinnen kann.
Schöne Idee: Ein `eigener´ Gott, eine andere Art `persönlicher Gott´ als im Christentum vertreten.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

danke dir für das Lob, freut mich, dass du die Geschichte gelesen hast.

Die Problematik ob, oder wie die KI über sich selbst Erkenntnis gewinnen kann könnte sicher interessanter ausgeführt werden.
Da hast du natürlich recht. Es ist eben das, was ich mir aus den Fingern zu saugen vermochte. :)

Gruß
Rainman

 

Die Grundidee gefällt mir, an der Umsetzung hätte ich einiges zu kritteln, doch dazu wären teilweise lange philosophische und auch technische Diskussionen erforderlich, und letztlich würden diese sich vielleicht in den Text übertragen müssen, was dann den Rahmen einer Kurzgeschichten sprengen würde.

Ganz kompakt vielleicht: Es leuchtet mir nicht ein, warum die KI gleich ausrasten muß, wenn sie erkennt, was sie ist, und warum dies auf eine solch "physische" Weise geschieht (sich mit den Knien die Nase zerschmettern). Der Versuch, Prozessorzeit vom Mentalen auf die Lebenserhaltung umzuleiten finde ich putzig. Sowas könnte ich mir in Star Trek gut vorstellen. Ist natürlich völlig unrealistisch.

Was ich also damit sagen wollte: Mir gefällt die Geschichte nicht, aber ich könnte auf die Schnelle keine Idee liefern, wie man sie besser machen könnte. Das Thema ist sehr viel schwerer und komplexer, als es den Anschein hat.

r

 

Hallo relysium,

danke fürs Lesen und deinen Kommentar. Dass die Geschichte dir nicht gefiel, ist zwar schade, aber du begründest es ja nachvollziehbar.

Sicher kann man sich über die Möglichkeit einer solchen Handlung streiten. Ich glaube im Grunde nicht, dass es jemals eine KI geben wird, solange sie nicht tatsächlich mit einem Körper und den entsprechenden körperlichen Empfindungen und Erfahrungen aufwächst. Entweder über einen realen, wenn auch künstlichen Körper, oder über eine Simulation.

Ganz kompakt vielleicht: Es leuchtet mir nicht ein, warum die KI gleich ausrasten muß, wenn sie erkennt, was sie ist, und warum dies auf eine solch "physische" Weise geschieht (sich mit den Knien die Nase zerschmettern).
Ich hab versucht, es im Dialog anzudeuten. Die KI hängt in einer Rekursion oder Endlosschleife, als sie Selbstbezüglichkeit erreicht, sich selbst erkennt. Die Selbstverletzung hängt damit garnicht zusammen. Im Gegenteil, sie verliert ja vorher noch die Kontrolle über den virtuellen Körper aufgrund des Ressourcenverbrauchs durch die Endlosschleife. Die Verletzungen finden erst statt, als der Spieler eingreift.

Das waren so meine Gedankengänge beim Schreiben. Ob es realistisch ist, naja, aber völlig unplausibel fand ich es nicht.

Die Grundidee gefällt mir, an der Umsetzung hätte ich einiges zu kritteln, doch dazu wären teilweise lange philosophische und auch technische Diskussionen erforderlich
Stehe gern per PM zur Verfügung, falls du Interesse haben solltest :) Das Thema KI interessiert mich schon recht lange.

Gruß
Rainman

 

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