Mitglied
- Beitritt
- 23.04.2003
- Beiträge
- 10
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Das Erzeugnis
Das Erzeugnis
Er stand auf einem kurzgemähten, stoppeligen, grün lächelnden Rasen, welcher auf seiner riesigen Fläche mit Tausenden kleiner elfenbeinweißer Rechtecksteine gespickt war. Vor jedem Stein war der Rasen mit welken und trauernden Seelenblumen durchsetzt. In diesem Moment fühlte er sich wie eine eingefallene Schwertlilie, im nächsten wie der bröckelige Fichtenkranz. Für die anderen ist er nur mit dem Hund gegangen.
Dabei wippt die Waffe doch zärtlich in seiner Hosentasche. In der einen Hand hielt er einen frischen Strauß Blumen – so weiß wie die Steine. In der anderen Hand hielt er die Leine des Hundes. Das junge Tier war noch verspielt und unerfahren anhänglich. Aber schon jetzt wirkte es mit seinen kastanienbraunen Augen wie ein lebenslänglich treuer Begleiter. Es streunte herum, war mal hier, mal dort. Ab und zu wurde es von den anderen Besuchern fortgejagt. Aber dies schüchterte das Tier nur kurz ein und schnell untersuchte es weiter die blasse Welt. Nebenher kehrte der Hund immer wieder zu Herrchen zurück.
„Feiner Hund – komm!“
Der Mensch ging zielsicher seinen Weg und steuerte auf einen Stein wie jeder andere zu, der Hund stolperte strauchelnd, hätte ihn die Leine nicht gezerrt, hätte er sich inmitten der Steine und Kreuze verirrt.
Der Mann hielt vor dem Grab an, kniete nieder, warf die Blumen wie einen Ballast ab. Auch eine letzte Träne flog.
Langsam zog er die Waffe, strich mit dem kalten Metall über seine Wange und legte den Lauf an die Schläfe. Dabei spürte er eine enorme Erregung. Das Tier wedelte zwischen den schwerlich frischen Blumen, ging zwischen ihnen fast unter, bellte, jaulte, winselte und knurrte ihn an. Es keimten Zweifel. . .
Er hatte den Hund noch nicht lange, aber er liebte das Tier. Es war sein Brot, sein Wasser, seine Zigaretten, seine Frau, seine Geliebte, sein täglicher Schluck Whiskey. [Verschwinde!]
Entscheidung, Entsicherung, Verkrümmung ...
Klicken, Zucken ...
Schuss.
Der Hund versank im Meer aus befleckten Blumen. Kurz bedauerte der Mann das fehlende, beruhigende Wedeln. Es sollte ihn nur noch in unbewusstesten Alpträumen tangieren.
Er drehte sich um, hasste sich, konnte den Anblick nicht ertragen. Schließlich wandelte er durch das Feld, lächelte ironisch, schnalzte mit der Zunge und flüsterte:
„Just another day in paradise.“