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Das erste Mal

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13.04.2006
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Das erste Mal

Sie erinnert sich genau an den faszinierenden Moment, als sie das Meer das erste Mal sah.
Ihre Reise an die See begann am Abend vorher mit einer Kindergruppe aus Sachsen, die in ein Kinderferienlager der Baumwollspinnerei Mittweida auf Usedom fuhr. Sie fuhr als Ferienbetreuerin mit. Gemeinsam mit zwei Mitschülern hatte sie diesen begehrten Ferienjob ergattert. Inzwischen 18 Jahre alt, durfte sie nun als Helferin mitfahren und brauchte nicht mehr als Küchenhilfe arbeiten. Das Abitur war geschafft, der Studienplatz sicher, das Leben fühlte sich gut an.
Morgens um vier, als die Sonne aufging, fuhr der Zug am Achterwasser entlang, das wie ein Diamant in den ersten Sonnenstrahlen glitzerte. Zinnowitz, das Ziel, war nicht mehr weit.
Sie rannte sofort ans Meer, selber verwundert über diese grosse Sehnsucht, die auf keine realen Bilder zurückzuführen war. Zwischen den Kiefern tauchte das Meer auf. Kleine Wellen mit weissen Schaumkronen trafen auf den Sand, leckten ihn, liessen ihn dunkler werden. Dieses Blau! Es war viel schöner als in ihren Vorstellungen. Völlig verzückt stand stand sie am Waldesrand, schaute, ging jedoch nicht ins Wasser. Das wollte sie mit allen Sinnen geniessen, nicht auf die Schnelle.
Die zu betreuenden Mädels aus ihrer Gruppe waren nicht viel jünger als sie und das machte die Zusammenarbeit leicht und fröhlich. Die meisten von ihnen waren das erste Mal an der See und genauso begeistert wie sie.
In ihren Erinnerungen schien jeden Tag die Sonne und immer waren sie am Meer, badeten, kappelten sich und spielten Volleyball.
Das Lager wurde von mehreren Betrieben genutzt, so dass sie abends mit anderen Helfern in Kontakt kamen. Unter anderem war Jutta Müller, die Eiskunstlauftrainerin, mit ihren Schützlingen dabei. Sie selber wohnte nicht in der Baracke, sondern ausserhalb im Hotel. Ihr Assistent, ein freundlicher, interessant aussehender und sehr sympathischer Mittzwanziger, betreute die Eislaufgruppe in ihrer Abwesenheit. Sie war schnell in ihn verliebt. Am Abend sassen alle zusammen, tranken etwas, schäkerten oder verschwanden mit einer neuen Bekanntschaft in der Dunkelheit. Irgendeiner hatte die Idee, in eine Bar zu gehen und sie sollte mitkommen. Der Assistent, der sie ab und an gemustert, jedoch nie mit ihr gesprochen hatte, war auch dabei.
"Du kommst doch mit?", hörte sie ihn fragen. Sie erschrak.
Natürlich ging sie mit. Es war aufregend, neben ihm zu sitzen, aber sie legte ihre Hemmungen nicht ab. Der Alkohol liess sie etwas lockerer werden, aber die Hemmungen verschwanden nicht. Auf dem Rückweg machte einer den Vorschlag, noch baden zu gehen. Sie war sofort dabei, plötzlich aufgeregt und voller Vorfreude. Der Kiefernwald wurde durchquert, einer holte eine Flasche Wein hervor und liess sie kreisen. Sie trank nichts, sondern lief weiter. Die Stimmen wurden leiser, sie zog sich aus und lief nackt ins Wasser. Es war herrlich! Das Schwimmen war wie ein Schweben, leicht glitt sie durch das Wasser. Immer weiter schwamm sie hinaus. Irgendwann, auf dem Rücken liegend, suchte sie den Strand. Da war nichts zu sehen, es war ringsherum dunkel. Nichts zu hören. Sie versuchte, sich zu orientieren, vergeblich. Panik kam auf, noch leicht. Sie begann zu rufen, versuchte, die Bäume zu erkennen. Nichts. Sie überliess sich den leichten Wellen, hoffte, dass diese sie an den Strand tragen würden. Nach einer Ewigkeit hörte sie eine Stimme, erkannte die Richtung und schwamm dahin. Völlig entkräftet fiel sie in den Sand und in die Arme des Assistenten, fragte ihn, warum er nach ihr gesucht habe.
"Warum nicht?", kam als Antwort. Gern hätte sie gefragt, ob er bemerkt habe, dass sie ihn mag, er ihr gefiel.
Sie traute sich nicht.
Die restlichen Tage warfen sie sich Blicke und am Strand Bälle zu. Ihre Zuneigung war schon längst Verliebtheit.
Am letzten Abend sass sie spät und wieder in völliger Dunkelheit am Strand, um sich vom Meer zu verabschieden. Sie erschrak nicht, als er hinter sie trat, sie hochzog und küsste. Es sollte und musste so sein. Er umarmte sie, flüsterte zärtliche Worte, die sie nicht verstand, nicht verstehen konnte. Sie hörte nichts ausser dem Rauschen des Meeres, ihres Blutes oder war es ihre Erregung?
Sie fielen in den Sand, erkundeten ihre Körper, erzählten sich später aus ihrem Leben.
Im Lager wieder angekommen, ging die Sonne auf.
Ein letztes Mal für sie und ihn am Meer.

 

Hallo @Jurewa,

ich beginne mit Textarbeit:

Sie erinnert sich genau an den faszinierenden Moment, als sie das Meer das erste Mal sah.
Hier würde ich das Adjektiv streichen.
fuhr. Sie fuhr
Dopplung, würde ich ändern.
Zinnowitz, das Ziel, war nicht mehr weit.
Möglicherweise sollte man "das Ziel" streichen, ergibt sich aus dem Text.
Kleine Wellen mit weissen Schaumkronen trafen auf den Sand
weißen Schaumkronen
Völlig verzückt stand stand sie am Waldesrand
verzückt würde ich überdenken, ungewollte Verdopplung von stand
kappelten sich und spielten Volleyball.
bin mir nicht sicher, kappeln kenne ich nicht, eher kabbeln?
Am Abend sassen alle
saßen
machte einer den Vorschlag, noch baden zu gehen.
ohne Komma

Die Story hat mich nicht mitgenommen, zum Schluß musste ich an Peter Maffay
denken. Ein paar Sachen sollte man vielleicht ändern, sonst ist es sehr seicht und sagt nichts aus. Aber das ist natürlich subjektiv.

Schönen Gruß

Jaylow

 

Hallo @Jurewa ,
dein Text greift einige Themen auf, es ist jedoch schwer zu erkennen, welches davon denn nun tatsächlich die Handlung bestimmt. Du beginnst mit einer schönen Reise ans Meer, die dann irgendwie in eine Liebesgeschichte abschwankt, bei dem Hinaustreiben aufs Meer entsteht kurz der Eindruck, es käme eine dunkle Wendung, die sich dann aber in einem Affenzahn ins Nichts auflöst. Ich gehe einmal auf ein paar Stellen genauer ein:

ein freundlicher, interessant aussehender und sehr sympathischer Mittzwanziger
Eine alte Regel, die aber noch immer von großer Bedeutung sein dürfte: Show don´t tell! Du kannst viel von Menschen behaupten, wenn der Tag lang ist, am Ende äußert sich der Charakter durch Taten und Worte. Auch das Aussehen hätte man detaillierter beschreiben können. Interessant aussehend ist doch schon sehr vage. Ob freundlich und sympathisch nicht vielleicht synonym sein könnten?
Sie war schnell in ihn verliebt.
Das geht aber schnell, daher kennen wir den Charakter doch erst seit einem Satz. Über ihn wissen tun wir wenig bis gar nichts, was später auch nicht mehr besser wird.
Sie erschrak.
Eine etwas seltsame Reaktion meiner Meinung nach. Immerhin ist sie ja scheinbar in ihn verliebt. Warum also erschreckt sie sich denn vor ihm?
Natürlich ging sie mit. Es war aufregend, neben ihm zu sitzen, aber sie legte ihre Hemmungen nicht ab. Der Alkohol liess sie etwas lockerer werden, aber die Hemmungen verschwanden nicht.
Dass die Hemmungen nicht verschwinden muss nicht zweimal erwähnt werden. Diesen Inhalt könnte man auch in einen Satz packen, z.B.: Es war aufregend, neben ihm zu sitzen, doch obwohl der Alkohol sie lockerer werden ließ, konnte sie ihre Hemmungen nicht vollständig ablegen.
Der Kiefernwald wurde durchquert
Mit dem Passiv sollte man sparsam sein. Am besten einfach: Sie/die Gruppe durchquerte den Kiefernwald.
Sie trank nichts, sondern lief weiter. Die Stimmen wurden leiser, sie zog sich aus und lief nackt ins Wasser. Es war herrlich!
Hier ist die Stimmung nicht ganz zu deuten. Zuerst hatte ich den Eindruck, dass die Geschichte nun umschlägt, da die ersten beiden Sätze einen etwas unheimlichen Ton anschlagen. Warum geht sie allein weg? Stößt ihr etwas zu? Der letzte Satz löst das aber sofort auf und lässt einen mit der Frage zurück, warum ist sie denn nun einfach von der Gruppe weggegangen und hat nicht auf sie gewartet, wenn es doch der gemeinsame Plan war, baden zu gehen.
Da war nichts zu sehen, es war ringsherum dunkel. Nichts zu hören. Sie versuchte, sich zu orientieren, vergeblich. Panik kam auf, noch leicht. Sie begann zu rufen, versuchte, die Bäume zu erkennen. Nichts. Sie überliess sich den leichten Wellen, hoffte, dass diese sie an den Strand tragen würden. Nach einer Ewigkeit hörte sie eine Stimme, erkannte die Richtung und schwamm dahin. Völlig entkräftet fiel sie in den Sand und in die Arme des Assistenten, fragte ihn, warum er nach ihr gesucht habe.
Du hättest hier eine sehr spannende Wendung aufziehen können, oder ihn sie retten lassen, wodurch eventuell eine romantische Szene entstanden wäre. Doch es passiert nichts. Man wird enttäuscht. Außerdem geht in diesem Absatz alles etwas arg schnell.
"Warum nicht?", kam als Antwort.
Hier wäre Potential, den Charakteren und ihrer Beziehung etwas mehr Tiefgang zu verleihen, doch stattdessen kommt nur eine einzige, sehr karge Aussage, die meiner Meinung nach in diesem Kontext auch nicht viel Sinn macht. Was wurde aus den anderen der Gruppe? Sind sie nicht auch baden gegangen? Hätten die anderen nicht auch bemerken sollen, dass sie verschwunden ist? Es ist alles ziemlich substanzlos. Übrigens auch hier wieder mit dem Passiv vorsichtig sein, lieber ganz einfach: sagte er/antwortete er.
Gern hätte sie gefragt, ob er bemerkt habe, dass sie ihn mag, er ihr gefiel.
Sie war doch gerade noch in Todesangst? Die Emotionen wechseln hier sehr schnell und werden nicht ordentlich ausgeführt. Zudem wirkt sie sehr naiv, da ihre Gefühle für ihn aus dem Nichts zu kommen scheinen und vom Text nicht großartig belegt werden.
Sie fielen in den Sand, erkundeten ihre Körper, erzählten sich später aus ihrem Leben.
Auch hier geht alles echt sehr schnell. Was erzählen sie sich denn?

Alles in einem, sind die Charaktere deiner Geschichte leider so gut wie gar nicht ausgearbeitet. Das Tempo ist sehr schnell und Themen, Gefühle und Atmosphäre wechseln willkürlich Hin und Her, führen aber am Ende zu gar nichts. In deiner Geschichte kann ich leider keinen roten Faden erkennen. Da die Charaktere so unausgearbeitet sind, konntest du mich auch nicht dafür gewinnen, mich für ihre (Liebes?)geschichte zu interessieren.Du erzählst hier sehr viel, emotional holt mich die Geschichte aber nicht ab.
Mein Tipp: Konzentriere dich auf eine kohärente Handlung und schweife nicht zu sehr ab. Für die Charaktere und besonders für ihre Beziehung darfst du dir gerne etwas mehr Zeit nehmen und dem ganzen so mehr Tiefe verleihen. Da darfst du auch gerne mehr mit Dialogen arbeiten, damit wir ihre Dynamik besser verstehen. Einige Informationen sind unnötig, andere fehlen. Konzentriere dich also auf die wichtigen Punkte deiner Geschichte, lasse dir aber für diese umso mehr Zeit.

Alles Liebe,
Pachuses

 

Hallo @Jurewa,

ich schließe mich @Jaylow und @Pachuses an. Es ist viel angeritzt, aber nicht wirklich ausgearbeitet bzw. für die Story unerheblich. Hierzu das Beispiel, dass sie auf das Meer raustreibt: Ein Nebenschauplatz, der in diesem Kontext nicht weiterbringt.

Was mir sonst noch aufgefallen ist:

Sie rannte sofort ans Meer, selber verwundert über diese grosse Sehnsucht,
große; das hast du sehr oft im Text, dass du Wörter mit ss schreibst, die mit ß geschrieben werden (liessen, weissen, geniessen, überliess ...).

Sie rannte sofort ans Meer, selber verwundert über diese grosse Sehnsucht, die auf keine realen Bilder zurückzuführen war. Zwischen den Kiefern tauchte das Meer auf.
Hier verstehe ich den zeitlichen Ablauf nicht; erst rannte sie auf das Meer zu, dann taucht das Meer zwischen den Kiefern auf. Aber sie ist doch schon dort?
Vielleicht solltest du die beiden Sätze umtauschen, das macht mehr Sinn in der zeitlichen Abfolge.

und brauchte nicht mehr als Küchenhilfe arbeiten.
zu arbeiten

Sie selber wohnte nicht in der Baracke,
selbst; selber ist eher umgangssprachlich

Panik kam auf, noch leicht.
eine leichte Panik ist für mich schwer vorstellbar, wenn ich in Panik gerate, dann habe ich Panik. Vielleicht Unwohlsein oder ungutes Gefühl oder mulmiges Gefühl ...

Viele Grüße
Kerzenschein

 

Liebe @Jurewa,

In vielen Punkten stimme ich meinen Vorgänger-Kommentatoren zu. Jedoch glaube ich nicht, dass du die Absicht hattest, eine sehr spannende/fesselnde Geschichte zu erzählen. Und das muss eine Geschichte meiner Meinung nach auch überhaupt nicht sein.
Ich habe mich in deiner Geschichte wohl gefühlt. Ein bisschen hat sie mich in die Zeit zurückversetzt, als ich klein war und meine Großmutter mir Geschichten aus ihrer Jugend erzählt hat. Irgendwie war das Lesen für mich mehr ein "Zuhören". Solche Geschichten brauchen nicht unbedingt einen linearen Handlungsaufbau und was auch immer, du erzählst einfach und man "hört zu".

Sie erschrak.
Hier muss ich meinem Vorgänger widersprechen. Ich finde diese Reaktion nachvollziehbar. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist es ja das erste Mal, dass er sie direkt anspricht.

Sie trank nichts, sondern lief weiter. Die Stimmen wurden leiser, sie zog sich aus und lief nackt ins Wasser. Es war herrlich!
Interessant finde ich hier, wie dieser Sog spürbar wird, der für deine Protagonistin vom Meer ausgeht. Da es für sie das erste Mal am Meer ist, finde ich es passend, dass du aus dieser "naiven" Perspektive heraus erzählst/keine Spannung aufbaust: Sie ahnt eben (noch) keine Gefahr. Apropos "das erste Mal": Der Titel ist echt gut. Vor allem, weil es in deiner Geschichte ja mit dem Meer und dem jungen Mann ein doppeltes erstes Mal bzw. eine doppelte Liebesgeschichte gibt. Die Idee ist schön und wäre es auf jeden Fall wert, ausgearbeitet zu werden. Auch wenn mir dein Text auch gefällt, wie er ist.
Solltest du tatsächlich eine längere Geschichte daraus machen wollen, würde ich trotzdem empfehlen, am Spannungsbogen zu arbeiten, damit man als Leser dranbleibt.
LG Jorinde

 

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