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Das Ende des Regenbogens

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19.05.2015
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Das Ende des Regenbogens

Das Tier. Er, das Tier. Mit seinen ertrunkenen Augen, benebelt von seiner Wut, von Alkohol und seinen wirren Gedanken, schaut er mich an, als ich morgens aufwache. Ständig schaut er mich an und jeder Blick widert mich an. Sein säuerlicher Schweiß, die Ausdünstungen des Schnapses. Früher habe ich Angst gehabt, große Angst, immer wenn er mich so angeschaut hat, wenn er mich an sich gerissen hat, mir den Rock hoch geschoben hat. Das Tier, das mich stieß und biss.

Jahrelang habe ich seine Wäsche gewaschen, sogar die Unterhosen habe ich ihm gebügelt, Gier vorgetäuscht, seine Träume im Bett erfüllt, geküsst, geschleckt und geschluckt. Irgendwann fing er an zu saufen. Bier, dann Schnaps und Whisky und Wodka. Ich habe die Flaschen versteckt, habe mit ihm geredet, geflennt, gefleht und geschrien. Er hat nicht aufgehört. Dann flog er aus dem Job im Lager raus und behauptete, dass er nur seinen Mund zu weit aufgemacht hätte. Seither säuft er, schaut aus dem Fenster oder glotzt auf den Laptop oder Fernseher und schreit so laut er nur kann, wenn ihm etwas nicht gefällt. Besonders die Jungs draußen und die jungen Mädchen haben es ihm angetan. Vielleicht fühlt er sich jung, wenn er sie beobachtet. Das Tier mit seiner Fantasie voller Schmutz kotzt sich manchmal voll, wenn er zu viel getrunken hat. Ich lasse ihn dann liegen und meistens schläft er auf der Couch. Wenn ich heim komme verkrieche ich mich, sobald es geht, im Bett und hoffe, dass er nicht zu mir kommt.

Es ist ein Sommertag und es wird Sturm geben. Schon türmen sich Wolken auf. Dennoch ist es warm. Dunkle Wolken, aber noch in der Ferne.

Das Tier schließt die Augen wieder, während ich aufstehe und mich für den Tag zurecht mache. Das Wasser läuft warm über meine trockene Haut und ich schließe die Augen, um noch Reste des Traums zu bewahren. Heiß und feucht war die Nacht.
Den Regenbogen habe ich im Traum gesehen und mich an das erinnert, was ich vor vielen Jahren von meiner Großmutter gehört habe.
„Am Ende des Regenbogens findest du Gold. Du musst nur so weit gehen, bis du das Ende findest.“
Seither warte ich auf den Regenbogen. Hinter dem Sturm, hinter den dunklen Wolken, wenn die Sonne die Wolken vertreibt, wird er sich mit seinen bunten Farben beugen. Wo soll ich das Gold suchen, am gelben, am roten Strahl ?

Seit einiger Zeit gehe ich arbeiten. Nichts Besonderes. Im Call-Center. Aber ich bin gern dort und mag die Atmosphäre. Wir kichern manchmal in den Pausen und ich habe sogar einen kennengelernt, der mich besonders mag. Mark heißt er. Vor zwei Tagen war ich Kaffee trinken mit ihm und zum Abschied hat er mich geküsst. Ich war glücklich an diesem Tag.

Als ich dann zu Hause war, muss er etwas bemerkt haben. Das Tier versucht mich anzufallen, mich zu greifen, mich zu schlagen und gibt mir eine krachende Ohrfeige. So laut war das Klatschen. Wie ein Peitschenknall. Früher hat er das oft gemacht und meistens ohne Grund. An diesem Abend habe ich das Pfefferspray genommen und ihm ins Gesicht gesprüht. Ich musste die Furcht unterdrücken und rammte ihm danach das Knie zwischen die Beine, so wütend war ich und erleichtert zugleich. Und das Tier fängt an zu heulen an und ich heule auch.
„Du blöde Kuh. Warum machst du das ? Ich liebe dich.“

Sprüche. Ich habe kein Mitleid, nur Angst, dass er es wieder probiert. Das ist jetzt zwei Tage her.
Arbeitslos, glücklos ist das Tier und keine seiner Versprechen hat er eingelöst. Keine Kinder, kein leichtes Leben, keine Reisen, keine Abende im Glück. Nicht einmal Freunde. Jetzt hockt er nur noch daheim, säuft und denkt bestenfalls noch ans Ficken. Manchmal läuft ihm der Schleim aus dem Mund und sein Blick wird noch leerer.

Heute ist ein schöner Tag. Anfangs verschwinden die Wolken weit am Horizont. Ich spreche mit all den Leuten am Telefon und lache sogar mit einigen. In der Mittagspause fragt mich Mark, ob ich mit ihm den Abend verbringen möchte und schaut mich mit seinen dunklen schönen Augen an.
„Morgen bin ich frei.“

Wieder dieses Glück. Am Nachmittag verdunkelt sich der Himmel. Donner, Blitze und der Regen prasselt schwer herab, als ich gerade das Bürogebäude verlasse. Aber dahinter, gar nicht so weit entfernt, sehe ich die Sonne. Und dann sehe ich ihn, den Regenbogen: Rot und gelb und orange. Ich muss doch schauen, ob ich das Ende des Regenbogens finde. Wenn man dort gräbt, findet man Gold, ich weiß es genau. Dann gehe ich los.

 

Liebe Wortkrieger,

nach dem kontroversen ersten Versuch, hier der zweite Entwurf, der zwar noch Elemente des ersten enthält, aber einen anderen Grundton.

viele Grüße an euch alle
Isegrims

 

Hallo Isegrims

Die erste Version habe ich nicht gelesen, du kriegst einen nicht vorbelasteten Kommentar. Sprachlich finde ich das unglaublich gut. Du packst mich mit deinen Sätzen und lässt nicht mehr los. Die Blicke auf die Landschaft gefallen mir, das gibt der Geschichte eine bestimmte Färbung. Ich denke an Veränderung, an Aufbruch und schöpfe Hoffnung.
Zwei, drei Ideen:
Wie wäre es, wenn das Tier keinen Namen bekäme? Das fände ich konsequent.
Wie wäre es, den Abschnitt, der mit "Jahre lang (nicht: Jahrelang, btw.?)..." beginnt, weiter oben zu platzieren? Da beschreibst du eine Situation, die man bereits ein wenig akzeptiert hat und an dieser Stelle eher wissen möchte, wie es weiter geht.
Wie wäre es, den Schluss noch etwas offener zu gestalten? Wenn ich dann den Regenbogen sehe, dann werde ich losgehen... Hätte mir gefallen. Aber ich hab's halt gern düster.
Hoffe, du kannst damit etwas anfangen.
Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,

es freut mich wirklich, dass dir diese Version gefallen hat;)
Deine Vorschläge finde ich gut und habe den Text entsprechend verändert.....
Nur über den Schluss muss ich noch nachdenken... das Unbestimmte des Losgehens möchte ich unbedingt erhalten....

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Nina,

ich versuche deinen Kommentar, der jetzt in dem anderen Thread (Wie ich den Regenbogen ficke) hier zu bantworten, aber ihn einfach rüberkopieren ist mir leider nicht gelungen.....

Danke dir für den Kommentar und dafür, dass dir der Text nun besser (oder gut) gefällt....nun entspricht er meinem Stil und meiner Vorstellung, da hast du völlig Recht....

Grüße in die Regennacht
Isegrims

 

Hallo noch mal

Also ich habe jimmys Geschichte immer noch nicht gelesen, deswegen ist dieser Kommentar auch nicht voreingenommen ...

Erst mal muss ich sagen, dass du mich, glaube ich, nicht ganz verstanden hast, als ich deine erste Version kommentiert habe. Ich habe nichts gegen Schimpfwörter. Im Gegenteil, ich finde sie großartig. Ich benutze sie gerne, wenn ich rede und auch gerne, wenn ich schreibe. "Zu derbe" ist mir eigentlich selten etwas. Das Problem bei der ersten Version war meiner Meinung nach nur, dass die Schimpfwörter einfach nur hingerotzt wurden. Da war kein Sinn und Zweck dahinter und sie waren einfach nur da, um "härter" zu klingen. Und das kann fast jeder. Deswegen habe ich diese Version hier auch nur überflogen, weil es eigentlich keinen Unterschied zur ersten gibt, nur dass sie eben gedrosselt wurde. Das ist jetzt so zu sagen die FSK 12 Version der anderen Geschichte.
Ich finde die Idee immer noch gut, eine andere Geschichte als Inspiration zu nehmen. Keine Frage. Aber einen sinnvollen Kommentar kann ich dir auch hier nicht lassen, bis ich jimmys Geschichte gelesen habe ;). Deswegen verschiebe ich das jetzt noch mal und sage: Bis später!
Liebe Grüße,
zash

 

So. Jetzt noch mal.
Also ich finde, dass deine Geschichte im großen und ganzen passt; diese Version hier besser als die andere. In jimmys Geschichte gibt es keine Stellen, die auf den Charakter der Frau des Protagonisten schließen lassen, außer der Tatsache, dass sie aus irgendeinem Grund mit ihm zusammen bleibt und mMn würde ein Charakter, der einen auf hart macht nicht passen. Da müsste etwas sensibleres her. Ähnlich wie die Frau aus dieser Version hier. Was mir hier fehlt sind größtenteils zwei Dinge:
1, Ich hätte gerne den Grund gewusst, wieso sie so lange mit ihm zusammen geblieben ist. In jimmys Geschichte hätte dieser Grund nichts verloren gehabt, weil sie aus der Sicht des Mannes geschrieben ist und der sich über so was sicher keine Gedanken macht. Also wieso so lange bleiben, wenn doch eh schon alles so lange den Bach runter geht?
2, Dialoge. Als alleinstehende Geschichte würde mir deine nicht reichen. Du zählst lediglich auf, wieso der Mann so ein Arsch ist, aber das sind nicht mehr als Beschreibungen. Klar wäre das ein Spiel mit dem Feuer, weil du jimmys Charakter zerstören könntest, wenn du das nicht ordentlich hinbekämst, aber ich finde, dass sich deine Geschichte eher wie ein Bericht anhört als eine Geschichte.

Also allgemein würde ich sagen, dass es eine nette Spielerei von dir war, die dir auch ganz gut gelungen ist, aber mehr wars für mich nicht.

lg, zash

 

Ja, so geht’s auch,

liebe Isegrims,

und gäbe es an der Börse eine Wette zur Zahl der Kommentierenden gegenüber der Vorgabe im Vorläufer, ich wüsste schon, worauf ich setzen würde. Aber wir werden zum Glück nicht an der Börse gehandelt.

Schön, dass der märchenhaft mythische Regenbogen (den Schatz des Märchens hastu schon erwähnt, an das göttliche Bündnis mit Noah will ich hier nur erinnern, findet sich doch beides hier, der Schatz und dass die Geschichte gut ausgehe und lässt sich sogar benennen: M.)

Vielleicht fragt ja jemand, ob nicht Johannes sein Objekt der Begierde auch liebe. Aber Liebe hat nix mit Besitzansprüchen zu tun. Liebe kann seine Liebe also nicht sein …

Paar Anmerkungen:

Flüchtig nur

Und das Tier fängt an zu heulen […] und ich heule auch.

… und keine seiner Versprechen hat er eingelöst.
(Warum nicht erst mal eines? Besser: „keines seiner Versprechen …“ Im Prinzip gilt das auch für "Kinder", aber so ist leider die Umgangssprache)

… und behauptete, dass er nur seinen Mund zu weit aufgemacht hat.
(Besser Konjunktiv, „zu weit aufgemacht habe“, noch besser, da ich Zweifel habe, „aufgemacht hätte“)

Wenn ich heim komme[,] verkrieche ich mich, sobald …

Und zuletzt zurück zum Beginn: „ertrunkene“ Augen? Geht das? Blutunterlaufen? Trübe?

Lieber gelesen als den Vorläufer vom

Friedel

 

Lieber Friedel,

danke für das erneute Lesen und Kommentieren :)
Mit den Komms und den Seitenaufrufen wirst du wohl Recht haben. Gelernt habe ich dann doch einiges, zum Beispiel, dass inflationäre Verwendung von ungewöhlichen und insbesondere schmutziger Wörter die Leserzahl deutlich erhöht, dasselbe gilt für eine harte Sprachgebung und gnadenlose Protagonisten....

Immerhin gefällt mir die Geschichte, so wie sie jetzt ist, selbst und das ist auch schon etwas für mein eigenes ästhetisches Empfinden :)

Wind und Sturm gab es, aber keinen biblischen Regenbogen....

viele Grüße
Isegrims

 

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