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Das Ende der Reise

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29.01.2009
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Das Ende der Reise

Es war einmal ein Obdachloser, der hatte zwei Häuser, die ihm gegeben waren. Doch er konnte sich nicht entscheiden, in welchem davon er bis an sein Lebensende wohnen und welches er verfallen lassen wollte. Daher beschloss er, abwechselnd beide Häuser zu beziehen, um herauszufinden, welches besser zu ihm passte.

Das erste Haus sah von außen sehr groß, prachtvoll und luxuriös aus. Doch als der Obdachlose dort einzog, stellte er fest, dass das Innere des Hauses im Gegensatz zum äußeren Erscheinungsbild sehr klein und eng war, wenn auch genauso prächtig gestaltet. Der Obdachlose fühlte sich in dem Haus nicht wohl. Die Formen, Linien und Farben des Hauses schienen ihm zu gleichförmig, zu gerade, zu ausgeglichen und gleichzeitig zu hart, zu einengend und sinnlos. Auch war ihm das Haus zu sauber. Nur wenig Staub blieb im Inneren liegen und Dreck entstand so gut wie nie, der Obdachlose musste nie etwas dagegen tun. All diese Dinge machten ihn, je länger er in dem Haus lebte, immer unruhiger und bald fürchtete er, den Verstand zu verlieren. Alles im Haus schien ihm so falsch, fundamentlos und bar jedes Sinnes. Und das übertrug sich sehr bald auch auf andere Dinge. Als er sich eines Tages in einem der glänzenden Spiegel des Hauses betrachtete, gefiel ihm das, was er darin sah, auch nicht mehr. Seine Formen, Linien und Farben waren eindeutig zu gleichförmig, zu gerade, zu ausgeglichen und gleichzeitig zu hart, zu einengend und bar jedes Sinns. Dasselbe, wenn er durch die glasklaren Fenster des Hauses blickte. Die Außenwelt schien so gleichförmig und gerade, so sinnlos und geradezu grotesk! Dem Obdachlosen kamen schnell Zweifel daran, ob dies das richtige Haus für sein Leben sei.
Doch gleichzeitig kamen ihn, nachdem er eingezogen war, sehr oft Menschen besuchen. Viele Menschen, sehr viele Menschen. Menschen jedes Geschlechts, Menschen aller Altersklassen, Menschen aller Nationalitäten. Im Gegensatz zu dem Obdachlosen liebten sie das Haus. Und sie liebten ihn, weil er in dem Haus wohnte. Die Menschen mochten die Formen, Linien und Farben des Hauses und ihnen gefiel, was sie in den Spiegeln sahen. Alles schien für sie perfekt Sinn zu machen und sie fühlten sich sicher. Eine Zeit lang war der Obdachlose glücklich, dass er soviel Besuch bekam und dass alle Menschen ihn liebten. Aber mehr und mehr nagte in ihm die Frage, warum sein Haus allen gefiel, aber ihm nicht. Als er seine Besucher fragte, wie ihre Häuser aussähen, antworteten sie immer:"Sehr ähnlich, fast gleich zu deinem Haus." Der Obdachlose wurde immer beunruhigter und fragte sich, ob denn mit ihm etwas nicht stimme. Warum liebten alle sein Haus, warum fand nur er es grotesk und bar jedes Sinns? Je länger er über diese Frage nachgrübelte, desto mehr fing er an zu glauben, dass nicht mit ihm, sondern mit den anderen Menschen etwas nicht stimmte. Und je länger sie sich in seinem Haus aufhielten, desto mehr schienen sie in den Augen des Obdachlosen der Natur des Hauses zu ähneln. Obwohl er über die Gesellschaft glücklich war, darüber, dass er nicht einsam war, erschienen ihm die Menschen bald genauso sinnlos, grotesk und einengend. Dies auch deshalb, weil sie in den ohnehin schon engen Räumen noch mehr Platz wegnahmen und seine Luft verbrauchten. Er kam nicht mehr vorran, das Haus und die Menschen hielten ihn auf. Zwar sah er sich in den Spiegeln genauso wie die Anderen, grotesk und sinnlos, aber er schien der einzige zu sein, der diese Wahrheit erkannte. Deshalb begann er ,sich zu fragen, ob er überhaupt hierher gehörte, ob er überhaupt zu den Menschen gehörte. Eines aber war ihm gewiss: Dies war nicht das Haus, in dem er sein Leben verbringen wollte.

Deshalb zog er daraus aus und bezog das zweite Haus. Dieses Haus wirkte im Vergleich zum ersten von außen gar nicht groß und prachtvoll, sondern sehr, sehr klein, eng und heruntergekommen. Doch im Gegensatz dazu wirkte das Innere geradezu gigantisch und ausladend, wenn auch ebenso wenig prachtvoll. Die Formen, Linien und Farben des Hauses waren durcheinander, ungerade, bunt und wild. Es gab viel Staub und Dreck, kam hatte der Obdachlose sauber gemacht, war schon wider alles so schmutzig, als hätte er nichts dagegen getan. Die Beschaffenheit des Hauses war auch nicht hart, sondern nachgiebig und unstabil. Das gesamte Innere des Hauses war weit, ausladend, frei und ungeordnet. Immer wieder stieß der Obdachlose während seiner Zeit in dem Haus auf neue Dinge und Räume, die er bisher nicht entdeckt hatte. Dies trieb ihn vorran, er fühlte sich nicht eingeengt, sondern frei und es schien ihm alles Sinn zu machen, viel mehr Sinn als das erste Haus. Und das trotz oder vielleicht gerade wegen der dreckigen, kaputten Oberfläche. Wenn er sich in den gesprungenen Spiegeln betrachtete, erkannte er sich durch und durch und erlangte dadurch Zufriedenheit. Dasselbe mit der Außenwelt, wenn er sie durch die verstaubten Fenster erblickte. Alles schien Sinn zu machen. Der Obdachlose wanderte duch das Haus, stetig auf der Suche nach Neuem, er atmete tief die abgestandene Luft ein und fühlte sich frei. Nicht geschützt oder sicher, aber frei. Er fühlte sich wohl.
Doch in diesem neuen Haus war er einsam. Kaum mehr ein Mensch kam ihn besuchen. Und die wenigen, die ab und zu vorbeikamen, fühlten sich in dem Haus nicht wohl. Die Unordnung und die Unberechenbarkeit des Hauses gefiel ihnen nicht und vor allem machte es ihnen Angst. Sie hatten Angst vor den riesigen, freien, begehbaren Räumen und eventuellen Gefahren. Sie hatten Angst vor der schmutzigen, kaputten Oberfläche. Sie hatten Angst vor dem, was sie in den Spiegeln erblickten und vor dem, was sie durch die Fenster sahen. Und weil sie das Haus nicht mochten, mochten sie den Obdachlosen auch nicht, und wenn sie mal vorbeikamen, dann nur ganz kurz. Dem Obdachlosen war das zunächst egal, denn es gab im Haus immer Neues zu entdecken und mittlerweile war ihm klar, dass er wirklich zu den Anderen gehörte, weil sie Teil des Hauses waren, das er verabscheute und Feinde des Hauses waren, von dem er Teil war.
Doch mit der Zeit wurde die einsamkeit immer schlimmer und er erkannte, dass er doch nicht ganz ohne die Anderen sein konnte. Zum Einen, weil es niemanden gab, dem er von seinen Entdeckungen erzählen konnte, zum Anderen, weil es ihn in vielen Momenten doch nach Geborgenheit und Sicherheit dürstete. Und das bot ihm sein Haus nicht.

Also zog er wieder in das erste Haus und freute sich über die Gesellschaft der Menschen, aber schnell, und das schneller als beim ersten Mal, konnte er das Haus und die Menschen nicht mehr ertragen und zog wieder ins zweite Haus. Dort erfreute er sich wieder an Erkenntnis und mehr Freiheit, doch die Ablehnung durch die Menschen und das Gefühl der Einsamkeit wurde stetig stärker und so zog er schneller, als beim ersten Mal, wieder in das erste Haus. Dieser Vorgang wiederholte sich immer schneller und wiederholte sich immer schneller, sodass der Obdachlose letztendlich nur noch von Haus zu Haus und danach gleich wieder zurück rannte. Dies konnte er natürlich nicht ewig durchhalten und so blieb er schließlich genau mittig zwischen den beiden Häusern stehen und sagte;" Was mache ich hier? Ich kann nicht bis an mein Lebensende zwischen diesen beiden Häusern hin und her rennen! Ich muss mich für eines davon entscheiden! Aber das kann ich nicht! Jedes der Häuser hat etwas, das ich brauche, aber jedes der Häuser nimmt mir auch etwas und zerstört mich damit. Das erste gibt mir Gesellschaft, in der ich mich geborgen fühlen kann, raubt mir dadurch aber die Freiheit und einen Sinn. Das zweite Haus gibt mir viel Freiheit und einen Sinn, raubt mir aber dafür die Geborgenheit. Ich kann nicht ohne das eine oder ohne das andere Haus sein, ich müsste beide verschmelzen, aber das geht nicht!"
Da erkannte er: "Keines der beiden Häuser kann für mich bestimmt sein! Ich konnte nie selbst ein Haus bauen, mir wurde die Freiheit der Entscheidung abgenommen und stattdessen habe ich diese beiden Häuser bekommen. Aber ich will sie nicht, keines von beiden! Wer sagt denn, dass ich überhaupt ein Haus brauche? Ich brauche nur eines: meine eigene Entscheidung!"
Nach dieser Erkenntnis verschwand der Obdachlose und wurde nie mehr irgendwo gesehen.

 

Hallo Lispelbot,

und herzlich willkommen.
Aber meinst du wirklich, dass du mit einem Einstiegssatz wie

Es war einmal ein Obdachloser, der hatte zwei Häuser, die ihm gegeben waren
jemanden auf deine Geschichte neugierig machen kannst? Wenn er zwei Häuser hatte, war er nicht obdachlos, sondern
Doch er konnte sich nicht entscheiden, in welchem davon er bis an sein Lebensende wohnen und welches er verfallen lassen wollte
vielleicht ein bisschen dumm, denn zu "verfallen lassen" gibt es ja deutlich lukrativere Alternativen.

Okay, du nimmst die beiden Häuser sicherlich als Bild für generelle Lebensentwürfe, die du gegeneinanderstellst, aber gerade dann muss der Einstieg korrekt sein, nicht unfreiwillig komisch.

Lieben Gruß
sim

 

hallo, lispelbot. schöne geschichte, die du da hast, aber für meinen geschmack hört sich das zu sehr nach bibelstunde an, also nicht im christlichen sinne, aber dieser belehrende charakter. die grundidee ist klasse, keine frage, für meinen geschmack ist die ausführung aber doch zu altbacken und märchenhaft.

außerdem steht irgendwo "bar jedes sinns", richtig wäre "bar jeden sinns", also glaub ich jedenfalls.

 

@sim

Ja, also das mit dem Obdachlosen im Anfangssatz hab ich mit Absicht gemacht, denn im Grunde ist er und bleibt das ja die ganze Zeit, trotz seiner "Häuser", er findet nie einen wirklichen Unterschlupf, er ist immer hin und her gerissen....das gleich vorwegzunehmen und das den Häusern im ersten Satz gegenüberzustellen war ein Versuch, Interesse zu wecken, weil sich diese Dinge ja anscheinend widersprechen. Aber er hat wohl nicht so ganz gezündet....

@richy

Ja, du hast recht. Normalerweise schreibe ich auch nicht in diesem Stil, aber ich probier halt mal alles mögliche aus. Im Grunde kann ich Märchen und vor allem Bibelgeschichten auch nicht ausstehen( weil ich nicht daran glaube) und ich glaube deshalb hab ich diese Gleichnis-Form gewählt, um einen Inhalt, der eigentlich dem, was man in der Bibel finden würde, so ziemlich widerspricht, in der Art zu verpacken, wie sie es auch tut, um damit vielleicht ein bisschen Ironie zu zeigen.

Danke für eure Anregungen!:)

 

hey...
ich schon wieder... weil ich deine anderen worte mochte.
also ich finds auch wieder ne gute idee. und ich denke du kannst mit worten auch sehr schön umgehen. einzig was mir auffällt: ich glaube du könntest bedeutend spannender sein, wenn einfach etwas kürzer.
aber sonst: daumen hoch!
liebe grüße!

 

Danke, schmaranne! :)

Ja, du hast völlig recht mit der Spannung. Allerdings lag mein Fokus in diesem Gleichnis und der anderen Stroy nicht unbedingt auf Spannung, sondern eher darauf, ne Botschaft zu senden und das symbolisch und verworren zu verpacken. Da ist es schwer, spanend zu sein, wenn man das Gelesene erst verstehen muss, denke ich. Aber ich werds mir merken! :)

 

Hallo Lispelbot!

Ich mag die Aussage der Geschichte und finde sie sehr nachvollziehbar. Also, ich weiss, in welchem der Häuser ich hauptsächlich wohne.;)

Auch den märchenhaften Stil finde ich teils gelungen, nur ist mir zu viel Wiederholung drin, sowohl an Worten (eg. sinnlos und grotesk), so oft, dass es wie Absicht aussieht, wüsste aber nicht wozu, als auch an Ideen. Da fühlt man sich dann schon ein Bisschen für dumm verkauft, denn für Kinder ist's ja nicht geschrieben, oder?

Würd' da mal WH suchen und streichen. Ansonsten gern gelesen.

Liebe Grüsse

Elisabeth

 

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