Das Ding
DAS DING
Ich bin gerade mit meinem Vater auf einem Streifzug durch den Supermarkt:
„Gib mir mal das Dings da rüber“ sagt und fuchtelt mit den Händen wild vor einem Regal herum, und ich greife in das Regal und reiche ihm eine Pakung Nudeln herüber. „Danke“ murmelt er.
Das Dings, das ist immer anders, mal war es rund, mal groß, mal klein.
Es gab sie auch in Bunt, die Dinger. Denn er sagt zu fast allem Dingen, „Dings da“ begleitet von einer Ortsangabe, gefolgt von einem Attribut der Zeit - „Jetzt“, „gleich“ oder einfach „später“.
„Hast du das Teil da irgendwo gesehen?“ fragt er, als wir uns an die Schlange vor der Kasse stellen, mit dem Blick hilflos in der Gegend suchend.
„Nein“, antworte ich.
Das Teil, das ist so etwas wie der große Bruder von dem Dings. Das „Teil“ kommt meistens dann, wenn das „Dings“ gerade keine Zeit hatte, oder an einer anderen Stelle gebraucht wird. Kann aber auch passieren, dass das Ding einfach nicht schnell genug war, um rechtzeitig da zu sein.
„Du weißt schon welches ich meine, das eckige Dings halt“ sagt er und formt mit den Händen einen Kreis.
„Nein, ich weiß es wirklich nicht,“ erwidere ich und langsam legen wir unsere Einkäufe auf das Ablageband.
Das „du weißt schon was ich meine“ ist so etwas wie die Großmutter. Anscheinend hat das „Teil“ etwas zu tun, so das der kleine Bruder, nämlich das „Dings“, wiedergekommen war.
„Da gab es doch noch das dingsi Ding da – na, wie heißt das noch mal?“ fragt er beharrend.
„Ich weiß nicht was du meinst“ erwidere ich und stehe ratlos und kopfschüttelnd vor ihm.
Das „Dingsi“ das war die kleine Schwester von dem „Teil“ und dem „Ding“.
Das ist alles eine große Familie, mit sehr vielen Verwandten, und manchmal kommt es auch zu regelrechten Familientreffen.
„Hast du irgendwo das Ding da gesehen? Dieses rechteckige Teil, na, du weißt schon, was immer zwischen den Waren der einzelnen Kunden steht. Verstehst mich doch, oder?“
Diese Familien sind nicht davon bedroht irgendwann mal keine Nachkommen mehr zu haben, sie vermehren sich recht reichlich. Immer dann, wenn das genaue Wort dafür fehlt und es beschrieben werden muss, dann kommt es wahrlich zu einer explosionsartigen Vermehrung. Die hängt natürlich auch von der Kreativität des einzelnen ab - je nachdem ob er es schafft irgendwann einmal auf das verzweifelt gesuchte Wort zu kommen.
Das arme Wort, tut mir richtig leid, keiner denkt daran. Es ist nicht schlimm, wenn sich diese Familie vermehrt, aber bei manchen Leuten hat sie sich schon so sehr breit gemacht, dass sie andere Wörter vom aussterben bedroht. Das macht mich doch ein wenig nachdenklich, weil es sehr schade ist, dass es dazu kommt. Irgendwann werden sehr viele Worte ausgestorben sein und eine Sprache mit „Dingsis“ „Teilen“, „Dingern“ und „na du weißt schon“ hört sich etwas umständlich an. Da sollten wir schon lieber anfangen zu „schlumpfen“. Das ist doch viel einfacher. Und hört sich auch schöner an. Die Familie bleibt auch klein, denn es wird ja nur einmal geschlumpft.
Na gut, ich geh jetzt mal zu meinem Dings und schlumpf noch ein wenig drüber nach, denn schlumpfen ist schlumpfig - solltet ihr vielleicht auch mal verschlumpfen. Also ihr könnt euch einfach schon mal einschlumpfen, dann fällt das umschlumpfen nicht so schlumpfig.
Gute Nacht!!!