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Das College im All

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08.08.2017
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Das College im All

Zehn Jahre, dachte Mister Meredith, als er aus dem Fenster der Pförtnerloge hinaus auf die dunkle King’s Parade blickte. Zehn Jahre Dienst für das King’s College, Cambridge, und was hatte er in dieser Zeit nicht alles gesehen! Armeen von Touristen, die mit Selfie-Sticks bewaffnet den Haupteingang belagerten, betrunkene Rüpel, die nicht mehr verstanden, was „Rasen betreten verboten“ bedeutete, sogar einen Fisch auf einem Fahrrad, der auf dem Weg zu einer Party mühsam an ihm vorbeigestrampelt war. Nach zehn Jahren voll kleiner und großer Verrücktheiten, wie sie Cambridge schon immer eigen gewesen waren, hatte Mister Meredith sich eine geradezu stoische Gelassenheit angeeignet und es kam selten vor, dass ihn noch etwas überraschte. Doch was sich in dieser Nacht – die Uhr hatte soeben Vier geschlagen – vor seinem Fenster auf der King’s Parade abspielte, veranlasste ihn dazu, irritiert eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen: Vor dem Mäuerchen, das einen ersten Ausläufer des College-Rasens von der Straße trennte, stand in einer geraden Linie ein gutes Dutzend schwarz gekleidete Gestalten, von denen jede eine kleine, quadratische Box in Händen hielt. Als Mister Meredith das Fenster einen diskreten Spalt breit öffnete, hörte er ein leises Surren. Es schien aus allen Richtungen zugleich zu kommen und bot doch einen vollkommen harmonischen, geradezu unheimlichen Gleichklang.
Etwas beunruhigt, aber doch keineswegs um seine Gelassenheit gebracht, warf Mister Meredith einen Blick auf die Überwachungskameras und stellte fest, dass sich eine identische Linie schwarzer Gestalten an der rückwärtigen Seite des Colleges zum Fluss hin zusammengefunden hatte. Da das Tor auf dieser Seite verschlossen sein sollte und die befremdlichen Eindringlinge es doch irgendwie geschafft hatten, College-Boden zu betreten, hörte für Mister Meredith der Spaß auf und er verließ seine Loge, um die Herrschaften auf der King’s Parade zur Rede zu stellen. Wenigstens mussten sie sich als Angehörige des Colleges ausweisen, denn Fremde waren nach Torschluss nur noch in Begleitung zugelassen.
„Entschuldigen Sie, die Herrschaften“, redete er sie in einem Tonfall angriffslustiger Entrüstung an, sobald er in Hörweite geraten war. „Wären Sie so gütig, mir den Grund Ihres Aufenthalts zu nennen? Sind Sie Mitglieder des Colleges?“
Bei näherer Betrachtung erwies sich der Aufzug der Besucher als völlig uniform: Alle, Männer wie Frauen, trugen dieselben dunklen Anzüge mit weißem Hemd und schwarzer Fliege, die Köpfe kahlgeschoren und die Gesichter im Schatten breiter Hutkrempen verborgen. Solcherlei Verkleidungen waren von einer Society durchaus zu erwarten, aber Mister Meredith wusste von keiner Society, die im King’s College angesiedelt war, welche sich die Köpfe schor und mitten in der Nacht mit kleinen, schwarzen Kistchen in der Hand vor der Fassade aufmarschierte. Und dass er nicht wüsste, was in seinem College vor sich ging, das konnte ihm nun wirklich niemand vorwerfen.
„Wenn die Herrschaften sich bitte ausweisen möchten!“, forderte er, als er auf seine erste Ansprache keine Reaktion erhielt. „Sollten Sie nicht zu diesem College gehören, muss ich Sie sehr bitten, Ihre Damen und Herrn Kollegen im Garten zum Gehen zu bewegen.“
Die etwas strengere Formulierung schien zu fruchten, denn aus dem Schatten eines Anzugträgers trat ein Mann hervor – jedenfalls glaubte Mister Meredith, dass es ein Mann war – und stellte sich in einer einschüchternden Geste breitbeinig vor ihn hin. Sein ganzer Körper schien mit einer dicken Schicht Glanzfarbe bemalt, denn wo immer bloße Haut zu sehen war, schillerte sie metallisch blau im Licht der wenigen Straßenlaternen.
„Sind Sie aus Oxford?“, erkundigte sich Mister Meredith einem alten Aberglauben entsprechend, demgemäß alles, was selbst für Cambridge zu bizarr war, von dorther kommen musste. Doch falls er damit je recht gehabt haben sollte, so lag er in diesem Fall um Lichtjahre daneben. Unglücklicherweise bekam er keine Gelegenheit, seinen Irrtum einzusehen, denn in diesem Moment streckte der Besucher eine blau lackierte Hand nach ihm aus und platzierte sie auf seinem Arm. Mit einem Mal wurde Mister Meredith ganz deutlich bewusst, dass er störte, und dass diese Störung ganz und gar nicht gern gesehen war. Ein grelles Flimmern wie von Elektrizität kroch den Körper des Fremden entlang auf den Pförtner zu. Als er sich losreißen wollte, gelang es nicht, denn der blaue Mann hielt ihn mit der Kraft einer Eisenklammer fest. Um ihn herum erhoben die Anzugträger ihre Hände und präsentierten die kleinen, quadratischen Boxen auf den offenen Handflächen wie eine Opfergabe. Das Surren wurde lauter und ein Vorhang von flirrender, bunter Luft bildete sich vor dem College. In Meredith‘ Ohren dröhnte es: KSST KSST KSST BRRRT BRRRT BRRRT RRRO RRRO RRRO PLCK! Dann erreichte ihn das elektrische Flirren. Ihm blieb gerade noch Zeit für ein dezentes Stöhnen, dann sank er reglos auf die King’s Parade.

Irgendwo in den Büschen sang eine Nachtigall und Linda hielt ihre Kamera bereit für den Fall, dass sie den Vogel in seinem Versteck ausfindig machen konnte. Die Dämmerung war gerade weit genug fortgeschritten, um einzelne Umrisse zu erkennen, aber letztlich erwies sich das Dickicht als zu dicht und die junge Fotografin gab sich geschlagen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es kurz vor fünf Uhr morgens war. Sie hatte schon fast eine Stunde vertrödelt und so sah sie sich gezwungen, das Tier entkommen zu lassen. Um sich zu entschädigen, machte sie ein etwas halbherziges Bild von den beiden neueren Colleges, die die gegenüberliegende Seite der Huntingdon Road säumten, und setzte dann ihren Weg fort.
Vor einer guten Viertelstunde hatte Linda Cambridge vom nördlich gelegenen Girton her erreicht und ihr Auto abgestellt, um sich zu Fuß auf die Jagd nach Schnappschüssen zu machen. Sie hatte schon ihren letzten Urlaub in England verbracht, um ihrem Hobby nachzugehen und Universitätsbauten zu fotografieren. Eines der damals entstandenen Bilder, eine gelungene Abendansicht der Bodleian Library in Oxford, hatte es bis in das Feuilleton eines Wochenblatts gebracht und später sogar einen Preis gewonnen. Nun war Cambridge an der Reihe. Eine Freundin hatte sie vor der Masse Selfie-wütiger Touristen gewarnt, die besonders im Frühling und Sommer in das Zentrum einfielen, und so hatte sie beschlossen, früh an einem Sonntagmorgen anzureisen, um einen ersten Eindruck von der Stadt zu gewinnen, bevor sie sich mit Menschen füllte.
Das leise Klappern ihrer gelben Stöckelschuhe war das einzige Geräusch, das Linda die Huntingdon Road entlang begleitete. Nur wo diese in die Castle Street überging, standen ein paar Nachtschwärmer vor einem längst geschlossenen Pub und rauchten. Linda schoss heimlich ein Foto von der Szene, dann folgte sie der Straße weiter den Berg hinab und überquerte zum ersten Mal den Fluss, der der Stadt ihren Namen gab. Im fahlen Dämmerblau lag er ganz ruhig. Nur die Stocherkähne – Punts, wie sie hier hießen –schaukelten sanft an ihrer Anlegestelle. Kurz darauf bog Linda rechts ab und ließ St John’s und Trinity College, die großen Rivalen, für sich Modell stehen. Ein paar leuchtend gelbe Narzissen und bunte Krokusse verliehen den altehrwürdigen Fassaden trotz ihrer verschlossenen Tore etwas Einladendes und Linda musste sich zwingen, nicht zu lange zu verweilen. Ihr eigentliches Ziel war King’s College, das ihrer Freundin zufolge am stärksten unter Touristenbefall litt und tagsüber kaum zu fotografieren war. 1441 von Heinrich VI. gegründet, war es eines der bekanntesten Colleges der Stadt und durfte in keinem Fotoalbum fehlen.
Entschlossen ließ Linda die Blumen stehen und folgte der Straße um eine Biegung. Laut Stadtplan war sie nun fast da und so gestattete sie sich einen weiteren kurzen Aufenthalt vor Gonville and Caius und dem weiß schimmernden Senate House, in das in wenigen Wochen lange Züge von Studenten einziehen würden, um dort ihren Abschluss zu erhalten. Dahinter, sagte Lindas Stadtplan, lag King’s College. Der Augenschein aber widersprach. Rechts neben dem Senate House sah sie einen Zaun, dann einen großen, alten Baum und dahinter nichts als eine weite, grüne Fläche, die sich bis zum Fluss hinab erstreckte.
Verwirrt prüfte Linda die Karte und glich sie sorgfältig mit ihrer Umgebung ab. Die Fixpunkte, die sie bereits im Bild festgehalten hatte, waren da. Gonville and Caius in ihrem Rücken, das Senate House neben ihr. Diesem gegenüber fand sie eine Kirche, die auf der Karte als St Mary’s Church verzeichnet war. Nur King’s College war nirgends zu sehen. Dort, wo es sich befinden sollte, war nichts als ein gutes Stück englischer Rasen und mitten darauf das obligatorische Schild: „Rasen betreten verboten“.
Gut, dass ich für diese Karte kein Geld ausgegeben habe, dachte Linda mit einer gewissen Heiterkeit, aber sie konnte doch nicht recht glauben, dass sie der Stadtplan in die Irre geführt haben sollte. Sie hatte ihn von ihrer Freundin bekommen, und diese war nicht gerade als Spaßvogel bekannt.
Linda beschloss, das Rätsel vorerst auf sich beruhen zu lassen, ihre Foto-Tour anderswo fortzusetzen und später in der Touristeninformation eine neue Karte zu kaufen. In der Absicht, sich nun der Kirche zuzuwenden, drehte sie sich um, und hatte kaum einen Schritt getan, als sie aus einer Seitenstraße einen Fahrradfahrer auf sich zukommen sah. Es war ein alter Mann mit grauem Haar, hinter dem ein Talar im Fahrtwind flatterte. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte Linda die pittoreske Erscheinung genießen, doch dann wurde ihr mit einem Schlag bewusst, dass der Mann sie überhaupt nicht wahrnahm und völlig ungebremst auf sie zuraste. Er starrte mit großen Augen vor sich hin als hätte er einen Geist gesehen und Linda konnte sich gerade noch mit einem Sprung zur Seite retten, bevor er eben da mit Schwung gegen ein Mäuerchen knallte, wo sie soeben noch gestanden hatte, über den Lenker flog und nach einem unfreiwilligen Purzelbaum auf dem Rasen zu liegen kam. Atemlos wartete Linda einen Moment, aber als sich der alte Akademiker nicht aufrichtete, eilte sie ihm besorgt zu Hilfe.
„Sir?“, fragte sie vorsichtig. „Sind Sie okay?“
Der Mann lag auf dem Rücken, rührte sich nicht und starrte weiter geradeaus in den noch dunklen Himmel. Ein Doktorhut war von seinem Gepäckträger gefallen und an der Spitze eines braunledernen Herrenschuhs hängengeblieben, was so komisch aussah, dass Linda sich zwingen musste, kein Foto zu machen.
„Sir?“, wiederholte sie und rüttelte ihn vorsichtig an der Schulter.
Dies veranlasste den Verunglückten dazu, sich so abrupt aufzusetzen, dass er ihr beinahe eine blutige Nase verpasst hätte.
„Tod und Teufel!“, fluchte er, starrte noch ein bisschen auf den Rasen und fügte dann mit ausgesuchter Höflichkeit hinzu: „Verzeihen Sie, Miss. Wären Sie wohl so nett mir zu sagen, wo mein College abgeblieben ist?“

Keine zwei Minuten später fielen Linda und der alte Akademiker, der sich als Dr. Steven Gareth („Bitte nennen Sie mich Steve“), Literaturwissenschaftler und Fellow des King’s College vorgestellt hatte, in die Pförtnerloge von Gonville and Caius ein. Zu ihrer Überraschung leugnete der Pförtner, jemals etwas von einem King’s College gehört zu haben. Ja, auf der Freifläche neben dem Senate House sei in der Mitte des 15. Jahrhunderts einmal ein College geplant gewesen, aber dann habe man beschlossen, lieber einen Rasen anzulegen – die älteste und größte Rasenfläche Englands, das wisse doch jedes Kind. Wie viele Selfies allein jedes Jahr vor diesem Hintergrund geschossen würden!
An ihrem eigenen Geisteszustand zweifelnd, loggte sich Linda ins lokale WLAN ein und suchte im Internet. Wie viele Seiten sie auch aufrief, der Pförtner behielt recht. Offiziell gab es King’s College nicht.
An diesem Punkt hätte sie aufgegeben, hätte Dr. Gareth („Steve, bitte!“) nicht Stein und Bein geschworen, dass er gestern noch in eben diesem College gelebt und gearbeitet hatte. Der alte Mann war vielleicht ein bisschen wirr und hatte gerade einen Unfall hinter sich, aber ganz unzurechnungsfähig kam er Linda nun auch nicht vor. Also kramte sie schnell ihren Stadtplan hervor und hielt ihn den Männern demonstrativ unter die Nasen. Dr. Gareth („Steve, Miss, ich muss doch sehr darauf bestehen!“) atmete erleichtert auf, aber der Pförtner lachte: „Da haben Sie sich ja was Schönes einfallen lassen, Miss! Wenn ich Professor für Streiche und angewandte Kindereien wäre, hätten Sie meinen Kurs mit fliegenden Fahnen bestanden. So aber muss ich Sie bitten zu gehen. Und wenn Sie weiter nach Ihrem unsichtbaren College suchen wollen, bedenken Sie bitte: Rasen betreten verboten.“
Perplex, aber weit davon entfernt aufzugeben, wiederholten Linda und Steve diesen Besuch in den Pförtnerlogen sämtlicher angrenzender Colleges, stießen jedoch nirgends auf Verständnis. Der Pförtner von Corpus Christi schloss sich sogar in seiner Loge ein, als er sie kommen sah. Seine Kollegen mussten ihn telefonisch vor ihnen gewarnt haben.
Frustriert ließen sich Linda uns Steve auf eine Bank gegenüber dem Rathaus sinken und beobachteten eine Weile schweigend, wie dort mehr und mehr Menschen eintrafen, um ihre Marktstände zu öffnen. In ihrem Rucksack fand Linda eine Thermoskanne Tee und eine Rolle Kekse, die sie als Wegzehrung mitgebracht hatte, und teilte sie mit ihrem neuen Freund. Wie von einem ordentlichen Schwarztee zu erwarten, hob sich ihre Laune mit jedem Schluck ein bisschen und schließlich sprang der alte Doktor mit frischem Elan von der Bank, hielt ihr auffordernd eine Hand hin und überredete sie zu einem letzten Versuch. Da sein Beruf, sein Auskommen und überhaupt seine ganze Existenz an dem verschwundenen College hing, sah er nicht ein, warum er sich einreden lassen sollte, dass es nicht existierte, und so stolzierte er, Linda in ihren autoritär klappernden Schuhen an der Hand, in die nahe Touristeninformation. Darin fanden sie zwei junge Mädchen vor, die gerade dabei waren, einen Postkartenständer zu bestücken
„Verzeihen Sie“, eröffnete Steve höflich, aber mit Nachdruck das Gespräch. „Könnten Sie mir wohl helfen, mein College zu finden? Ich fürchte, ich habe es aus den Augen verloren.“
Einen Augenblick lang musterte ihn eines der Mädchen verwirrt. Dann hellte sich ihre Miene auf; froh, die Informationsfetzen in eine ihr sinnvoll erscheinende Ordnung gebracht zu haben. „Verloren, Sir? Ihre Schlüsselkarte, meinen Sie?“
„Nein, nein, das College meine ich.“
„Sie haben vergessen, wo Ihr College ist?“ Das Mädchen zog in neuer Verwirrung die Stirn in Falten. „Möchten Sie vielleicht, dass ich Ihnen einen Arzt rufe, Sir?“
„Steve, bitte“, korrigierte Linda.
„Möchten Sie, dass ich Ihnen einen Arzt rufe, Steve?“
„Nein, nein, Sie verstehen nicht!“, insistierte Steve etwas aufgebracht. „Ich weiß nicht, wo mein College ist, aber das liegt daran, dass es nicht dort ist, wo es sein sollte. Wenn überhaupt, dann hat das College vergessen, wo es hingehört.“
„Sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht, Steve?“
„Sicher geht es mir gut!“
„Sicher geht es ihm gut“, bestätigte Linda und beeilte sich, beweisend anzuführen: „Er hatte schon zwei Tassen Tee.“
Steve nickte energisch. „Ja, ja, schon zwei Tassen.“
Das Mädchen wirkte noch immer skeptisch und dachte gar nicht daran, ihr Stirnrunzeln aufzulösen, aber ihre Kollegin ließ sich durch dieses Argument vorerst von der geistigen Gesundheit ihrer Besucher überzeugen. Bereit, sich die Geschichte anzuhören, fragte sie Steve, welches College er denn nun vermisse, und Steve berichtete so ausführlich wie nötig von den Ereignissen des Morgens. Zum Beweis, dass er King’s College nicht erfunden hatte, zeigte Linda brav zum wiederholten Male ihren Stadtplan.
Daraufhin zog auch das zweite Mädchen seine Stirn in Falten und bedachte Linda mit einem missbilligenden Blick.
„Pfui, schämen Sie sich, einen alten, verwirrten Mann so zum Narren zu halten!“, schimpfte sie. „Einen Stadtplan zu fälschen! Na sowas!“
Linda wusste nicht, was sie auf diese unerwartete Anschuldigung erwidern sollte und verlegte sich darauf, den anklagenden Blick mit größtmöglicher Ruhe zu erwidern, in der vagen Hoffnung, ihr Gegenüber würde den Irrtum einsehen und etwas Hilfreicheres von sich geben. Selbstverständlich geschah nichts dergleichen.
„Ähem“, sagte Steve nach einigen Augenblicken des Schweigens und räusperte sich. „Ist nicht vielleicht Ihr Arbeitgeber im Haus, meine Liebe? Durch diese Türe dort, ja?“
Er deutete auf eine elegante, chromfarbene Türe an der Rückseite des Raumes, die zur übrigen Einrichtung der Touristeninformation nicht so recht passen wollte, und die Linda bislang vollständig entgangen war.
„Welche Türe, Steve?“, fragte das Mädchen. Ihre Stimme brachte nun jene Trauer zum Ausdruck, die man empfindet, wenn man in tiefes Grübeln über den letztlichen Verfall alles Irdischen versunken ist. „Da ist keine Türe. Ich rufe jetzt einen Arzt.“
Steve, der die Türe deutlich sehen konnte, nahm diese Reaktion als ein Zeichen dafür, eine heiße Spur gefunden zu haben, und warf Linda einen fragenden Blick zu. Sie nickte bestätigend und während die Mädchen nach ihren Handys kramten, packten sie die Gelegenheit beim Schopf, sprinteten auf die geheimnisvolle Türe zu und waren sogleich dahinter verschwunden.
„Unsichtbare Türen?“, fragte Linda mit blitzenden Augen. Steve grinste schelmisch unter seinem steifen Doktorhut hervor und schob sie vorwärts, hinein in einen unerwartet langen, grau gestrichenen Gang, der von einem sanften, künstlichen Licht erhellt wurde, dessen Ursprung nicht auf Anhieb auszumachen war. Hier und da hingen Gegenstände an den Wänden, wie sie für Cambridge typisch waren: verschiedene Talare, ein Ruder, sogar eine Teetasse, auf der ein College abgebildet war – King’s College, wie Linda und Steve erfreut feststellten.
Nach einer Weile erreichten sie eine zweite Tür, die den Gang abschloss, und die völlig unbeschriftet war. Aus Gründen des Senioritätsprinzips ließ Linda dem Doktor den Vortritt und er klopfte laut und vernehmlich an die Tür. Sie öffnete sich automatisch, ohne dass sie jemand hereingebeten hätte, und schloss sich wieder, sobald sie hindurchgegangen waren. Mit einem Gefühl schleichender Unruhe glaubte Linda zu hören, dass das Schloss zuschnappte. Im selben Augenblick kam hinter einem sehr gewöhnlich aussehenden Schreibtisch mit Topfpflanze und Computer eine grauenerregende Gestalt hervor, die sich am besten als gigantisches wandelndes Blatt mit Fliegenkopf beschreiben ließ. Bizarrerweise steckte sie in einem Anzug, komplett mit Krawatte und Manschetten.
Plötzlich in Panik versetzt, stürzte Linda auf die Türe zu und rüttelte an der Klinke, aber das Schloss war tatsächlich zugeschnappt und sie blieb fest verschlossen. Als sie die Vergeblichkeit ihres Handelns einsah, wandte sie sich wieder nach dem Monster um und entdeckte erstaunt, dass Steve gar nicht erst zu fliehen versucht hatte, sondern einfach stehengeblieben war. Das Monster hatte ein dünnes, grünlich-braunes Ärmchen auf seine Schulter gelegt und streckte nun ein anderes nach Linda aus. Weil Steve in Ordnung zu sein schien, ließ sie es sich mit einem nervösen Lächeln gefallen, das ihre Angst nur unzureichend verbarg. Sie spürte, dass das Monster ihr etwas auf die nackte Haut am Hals klebte, und gleich darauf hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf, begleitet von einem nagenden Gefühl zorniger Verzweiflung, das ganz bestimmt nicht ihr gehörte.
„Es war Satroz“, sagte die Stimme und es klang, als knirsche jemand wütend mit den Zähnen. Vermutlich die menschliche Übersetzung einer Handlung, die gigantische wandelnde Blätter in Fällen hilfloser Wut auszuführen pflegten.
„Satroz hat das King’s College gestohlen?“, fragte Steve.
„Satroz ist schuld an allem!“, ereiferte sich die Stimme. „War schon immer ein verdammter Halsabschneider! Onkel Horek hat schon immer gesagt, dass er nichts Gutes im Schilde führt!“
„Immer mit der Ruhe, Liebes“, beschwichtigte Steve und streichelte das dünne Ärmchen, das auf seiner Schulter vor lauter Zorn ganz starr geworden war. „Es wird sich alles klären.“
Darüber beruhigte sich das Wesen ein wenig und ließ sich zu einem Sessel führen, wo es kraftlos in sich zusammenfiel. Über die Schulter warf Steve Linda einen bübisch vergnügten Blick zu und formte lautlos mit den Lippen das Wort „Alien“. Besagtes Alien musste ihn mithilfe seiner telepathisch-empathischen Technologie verstanden haben, denn es deutete ein Nicken an. Lindas Transmitter übertrug so etwas wie ein Seufzen. Dann sagte es: „Mein Name ist Mpaturak. Ich habe für euch den Wahrnehmungsfilter ausgeschaltet und euch reingelassen, weil ihr in der ganzen Stadt die einzigen seid, die bemerkt haben, dass King’s College verschwunden ist. Das hier ist Onkel Horeks Büro. Eigentlich ist es ein Reisebüro, aber seit Satroz seine Pläne angekündigt hat, kommt so gut wie niemand mehr hierher.“
Linda, die von dieser Erklärung mehr Bahnhof als sonst etwas verstanden hatte, hielt es für angebracht, sich einzuschalten. Um das Alien, Mpaturak, nicht gleich wieder aus der Ruhe zu bringen, begann sie, indem sie sich und Steve vorstellte und kurz erzählte, was ihnen widerfahren war. Erst dann wagte sie, die eigentlich bedeutsame Frage zu stellen: „Wer ist Satroz? Und von welcher Art Pläne sprechen wir hier?“
„Von der Art, wie sie Leuten in den Kopf kommen, die den Hals nicht vollkriegen!“, entgegnete Mpaturak bitter. „Satroz war Teilhaber der Firma, für die Onkel Horek arbeitet. Vor einer Weile hat er sich selbstständig gemacht, weil er seine Ideen zur Gewinnsteigerung hier nicht durchsetzen konnte. Jetzt baut er Themenparks. Für sein neues Projekt rafft er aus der ganzen Galaxis Städte zusammen, um sie auf Skrek 733i aufzustellen und den Leuten für viel Geld all die Reiseziele auf einmal zu bieten, die es in die Top 1000 unserer Agentur geschafft haben. Euer Cambridge ist dabei und heute hat die Umlagerung mit King’s College begonnen. Satroz wusste, dass mein Onkel versuchen würde, ihn aufzuhalten, und hat ihn schon vor Tagen wer weiß wohin verschleppt.“
Außerirdische Mimik mochte schwer einzuschätzen sein, aber das Gefühl, das der Transmitter vermittelte, lag gefährlich nahe bei Resignation, und so fragte Linda, um Mpaturak zum Weitersprechen zu bewegen: „Und seitdem hast du auf das Büro aufgepasst?“
Mpaturak nickte abermals. „Es ist ja sonst keiner da. Aber seit alle Welt weiß, dass Cambridge bald in Satroz‘ neuem Themenpark zu sehen ist, kommt keiner mehr. Falls Onkel Horek jemals wiederkehrt, wird er den Laden dichtmachen müssen.“
An dieser Stelle räusperte sich Steve vernehmlich und warf ein: „Nur nicht verzagen! Ich meine, da haben wir noch ein Wörtchen mitzureden. Mich soll der Teufel holen, wenn es uns nicht gelingt, das verdammte College zurückzuholen!“ Er hielt kurz inne, runzelte die Stirn und fügte dann hinzu: „Wie hat es dieser Satroz eigentlich geschafft, dass sich kein Mensch mehr an King’s College erinnert, obwohl es gestern noch da war?“
„Das ist leicht“, erläuterte Mpaturak. „Für einen starken Wahrnehmungsfilter kein Problem. Natürlich ist es nicht legal, aber das ist Satroz‘ ganzes Unternehmen nicht. Wenn unsere Vorgesetzten Einspruch erheben würden, wäre es damit sofort vorbei. Aber solange Satroz meinen Onkel in seiner Gewalt hat, sind mir die Hände gebunden.“
Zur Überraschung aller lachte Steve bei diesen Worten auf. „Ha!“, rief er und klatschte in die Hände. „Das sind ja gute Neuigkeiten!“
Als Mpaturak ihm einen eindeutig pikierten Blick zuwarf, beeilte er sich zu präzisieren: „Nicht, dass Ihr Onkel entführt wurde. Dass wir den Wahnsinn stoppen können, wenn es uns gelingt, ihn zu finden! Wenn wir wüssten, wann Satroz den Wahrnehmungsfilter eingeschaltet hat, könnten wir in der Stadt herumfragen, ob jemand um diese Zeit etwas Verdächtiges bemerkt hat. Daran müssten sich die Leute doch erinnern können.“
„Bravo, Doktor!“, gratulierte Mpaturak und war sofort wieder auf den Beinen.
„Steve“, korrigierten Linda und der alte Wissenschaftler gleichzeitig.
„Bravo, Steve!“, verbesserte Mpaturak sich selbst. „Dazu müssen wir nur wissen, wann King’s College zuletzt gesehen wurde und wann ihr heute die Stadt betreten habt. Weil das erinnerungshemmende Moment des Filters bei euch nicht wirkt, könnt ihr nicht hier gewesen sein, als er eingeschaltet wurde.“
Es dauerte nicht lange, da hatten sie ein Zeitfenster von Mitternacht bis vier Uhr morgens ermittelt und verließen das intergalaktische Reisebüro, um ihre Runde durch die Pförtnerlogen zu wiederholen. Mpaturak aktivierte einen tragbaren Wahrnehmungsfilter, um sich menschliche Gestalt zu geben, und Linda war etwas erstaunt, dass sie dazu die Form einer jungen Frau wählte. Dem Namen und der Kleidung nach hätte sie gemäß den ihr bekannten Erdenstandards eher einen Mann erwartet. Aber was wusste sie schon, ob Mpaturaks Spezies überhaupt das Konzept ‘Gender‘ kannte.
In Corpus Christi hatte der diensthabende Pförtner mittlerweile gewechselt und war von seinem Kollegen von der Nachtschicht offenbar nicht vor dem verwirrten Alten mit der jungen Fotografin im Schlepptau gewarnt worden, sodass er sich bereitwillig ihren Fragen stellte.
„Ungewöhnlich ist vielleicht zu viel gesagt, Sir“, gab er zur Auskunft, „aber als ich gestern Nacht gegen Mitternacht die Loge verlassen habe, kam eine ganze Prozession von Leuten in schwarzen Anzügen die Trumpington Street hoch in Richtung Caius gelaufen. Muss eine komische Society gewesen sein. Vielleicht Gäste aus Oxford. Alle, Männer und Frauen, haben dieselben Kleider getragen und sich die Schädel kahlgeschoren, so viel man unter ihren Hüten sehen konnte. Und alle hatten diese Kistchen dabei. Klein, schwarz, ziemlich quadratisch.“
„Das klingt nach Teleporter-Cubes“, tönte Mpaturaks Stimme über den Transmitter. „Um ein Objekt von der Größe des King’s College zu versetzen, braucht es mindestens zwei Dutzend.“
„Trumpington Street, ja?“, hakte Steve für alle vernehmbar nach. „Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen an dieser … Society?“
Zunächst sah der Pförtner etwas unschlüssig drein. Dann erinnerte er sich: „Ich glaube, der Präsident war anwesend. Und jemand, der offensichtlich nicht dazugehörte.“
„Der Präsident der Society?“
Der Pförtner nickte. „Zumindest hat er auf mich den Eindruck gemacht, als sei er der Präsident. Noch seltsamer als die anderen. Wenn mich nicht alles täuscht, hatte er seine Haut mit einem blauen, metallischen Glanzlack bemalt. Das kann nicht gesund sein. Verstopft sicher alle Poren.“
„Satroz!“, bestätigte Mpaturak über den Transmitter und fragte dann laut und etwas ungeduldig: „Und der andere? Der, der nicht dazugehörte?“
„Älterer Herr mit grüner Tweed-Jacke und Fliege. Wirkte etwas fehl am Platz.“
„Onkel Horek!“, rief Mpaturak aufgeregt und war schon aus der Türe, als Steve noch mit einer geradezu unangebrachten Höflichkeit vor dem Pförtner den Hut zog.
„Vielen Dank, sehr hilfreich. Wenn Sie uns nun entschuldigen möchten?“
Er wandte sich zum Gehen, da räusperte sich der Pförtner und fügte hinzu: „Sir, da wäre noch etwas: Einige der Herrschaften waren triefend nass. Nicht, dass es sie gestört hätte. Aber sie haben doch alle deutliche Tropfspuren hinterlassen und dabei hat es die ganze Woche nicht geregnet.“
Mit einem vielversprechenden Funkeln in den Augen zog Steve abermals den Hut und schob Linda vor sich hinaus auf die Straße, wo Mpaturak etwas verlegen auf sie wartete. Wahrscheinlich war ihr inzwischen aufgefallen, dass sie noch immer nicht wusste, wohin die seltsame Gesellschaft ihren Onkel verschleppt hatte. Steve hingegen blickte sehr wissend drein.
„Auf geht’s, die Damen!“, forderte er sie auf. „Wenn es uns gelingt, mein College bis fünf Uhr wieder aufzutreiben, spendiere ich eine Runde Tee und Scones.“
Mpaturak konnte die plötzliche Heiterkeit nicht teilen. „Wohin gehen wir?“, fragte sie mit einem Nachdruck, der darauf angelegt war, den Doktor an den Ernst der Lage zu erinnern. „Haben Sie herausgefunden, wo mein Onkel ist?“
„Aber selbstverständlich!“, sagte Steve nicht ganz ohne Stolz. Linda und Mpaturak sahen ihn staunend an.
„Nun, ganz genau weiß ich es nicht“, gab er zu. „Aber so ungefähr kann ich es mir denken. Pop Quiz, Ladies: Wo wird man in Cambridge nass, wenn man neu in der Stadt ist?“
Linda staunte noch immer, aber Mpaturak, die schon seit einer ganzen Weile in Cambridge lebte, ging ein Licht auf.
„Punting!“, rief sie. „Wenn man zum ersten Mal versucht, das Boot zu steuern, kommt es leicht vor, dass man in den Fluss fällt! Sie müssen irgendwo Punts gemietet haben! Aber wie finden wir heraus, an welcher Anlegestelle?“
Steve erklärte mit einem aufmunternden Lächeln: „Der Pförtner hat die Gesellschaft auf der Trumpington Street gesehen und das muss etwa auf der Höhe von Corpus Christi gewesen sein. Wenn wir davon ausgehen, dass sie in der Nähe angelegt haben, ist es wahrscheinlich, dass sie von der Silver Street gekommen sind. Dort an der Brücke gibt es Punts.“
Sekunden später bogen sie in die besagte Straße ein. Weil das Pflaster auch hier nervenaufreibend uneben war, sah sich Linda gezwungen, ihre Schuhe auszuziehen und barfuß zu gehen. Sie konnte nur hoffen, dass es zu keiner Verfolgungsjagd kommen würde.
Als sie die Anlegestelle erreichten, beeilte sich Mpaturak, einen Punt zu mieten, während Steve sich bei den Angestellten nach der ‘Society‘ erkundigte und in Erfahrung brachte, in welche Richtung sie gefahren waren. Dann entspann sich eine kurze Diskussion, wer sich am Stochern mit der langen Stange versuchen sollte, bis Mpaturak schließlich beherzt danach griff und sich als erstaunlich guter Punter entpuppte.
„Du hast das wohl schon oft gemacht“, bemerkte Linda, während Steve auf seinem Sitz ein wenig schmollte, weil er es durchaus genossen hätte, die Damen über den Fluss zu fahren. Ganz wie zu seinen Studententagen.
Mpaturak zuckte die Schultern. „Kommt mit dem Job.“

Sie waren dem Fluss in ein Wohngebiet gefolgt, als sie mit einem Mal zwei der beschriebenen Anzugträger entdeckten. Sie standen stramm zu beiden Seiten eines Reihenhauses und hielten ganz offensichtlich Wache. Wenige Meter entfernt, wo ein paar Büsche am Ufer ein Versteck boten, vertäuten die Drei ihr Boot und gingen an Land.
„Was jetzt?“, wollte Linda wissen. „An denen kommen wir nicht vorbei.“ Aber Steve wirkte noch immer vergnügt und das ließ sie hoffen, dass er auch diesmal einen brauchbaren Plan parat hatte.
Als sie in Hörweite der stummen Wächter gekommen waren, sagte Steve laut wie im Gespräch: „Unfassbarer Kerl! Was denn für ein King’s College? Hier hat es noch nie ein King’s College gegeben! Wirrer Kauz. Was sich die Leute nicht alles einbilden.“
Dies schien die Wächter zu beunruhigen. Aus dem Augenwinkel sah Linda, dass sie kurz beratschlagten. Dann ging der eine ins Haus, während der andere direkt auf sie zukam.
„Dieser Kerl – wo?“, fragte er rüde und kurz angebunden.
Steve deutete in irgendeine Richtung, die ihm spontan in den Sinn kam und Linda und Mpaturak nickten unterstützend. Dann wiederholte er zur Sicherheit noch einmal: „Wirrer Kauz. King’s College! Ha! Was für eine Idee!“ Doch der Anzugträger hörte ihn bereits nicht mehr, so eilig hatte er es, Steves Fingerzeig zu folgen.
„Das sollte sie ein Weilchen beschäftigen“, meinte Steve. „Los, los, meine Damen! Immer frisch mutig durch den Haupteingang.“

Das Innere des Hauses war nicht das, was man von einem soliden englischen Reihenhaus erwartete. Statt einer Diele, Stiege und ein paar sorgfältig eingerichteten Wohnräumen waren nur drei Türen zu sehen, die eine blanke, weiße Wand durchbrachen.
„Lassen Sie mich raten“, sagte Linda mit Kennermiene. „Wahrnehmungsfilter?“
Mpaturak nickte und wollte sich gerade daranmachen, die Türen näher zu untersuchen, als ihr Transmitter in Aktion trat und ein Gefühl akuten Schmerzes übermittelte, das sie abrupt zusammenfahren ließ.
„Onkel Horek!“, rief sie in einer Mischung von Mitleid und Entsetzen. Ihr Ruf wurde mit einem Gefühl der Überraschung beantwortet, dem gleich darauf Angst und Besorgnis um ihr Wohlbefinden folgten. Ganz deutlich wurde jedoch auch, welche der drei Türen zu dem Vermissten führte. Obwohl sie keinerlei Ahnung hatten, was sie unternehmen würden und konnten, wenn sie ihn tatsächlich fanden – er war vermutlich nicht allein – zögerten Linda, Steve und Mpaturak nicht, sich dem Weg ins Unbekannte anzuvertrauen. Hinter der Türe erwartete sie ein sanft erleuchteter Gang, der dem vor Mpaturaks Büro auffallend ähnelte, aber nicht dekoriert war.
„Satroz ist auf unserem Heimatplaneten ansässig“, erklärte Mpaturak leise. „Er ist kein gebürtiger Skrek, aber er hat so lange unter uns gelebt, dass er auch unsere Technologie benutzt. Das hier ist ein Space-Shuttle vom Typ KHt-733i. Geräumig und leicht zu tarnen, wenn es sein muss. Onkel Horek benutzt dasselbe. Es ist ein Firmenschiff.“
Linda nickte und schmunzelte über den Gedanken, dass das Prinzip „Firmenwagen“ auch auf intergalaktischer Ebene existierte. Steve hingegen sah aus, als hätte er gerade eine Hundert Pfund-Note auf der Straße gefunden. Zum ersten Mal an diesem langen Tag wurde Linda bewusst, dass er ein großer Science-Fiction-Fan sein musste, und ihre Zuneigung für den alten Mann wuchs noch ein bisschen mehr.
Besagter alter Mann bedeutete ihnen in eben diesem Moment, stehenzubleiben. Sie hatten eine zweite Türe erreicht, die analog zu Mpaturaks Büro in einen größeren Raum führen musste. Es bestand kein Zweifel, dass Horek dahinter festgehalten wurde, denn über den Transmitter empfingen sie alle das Äquivalent eines qualvollen Stöhnens.
„Was haben sie nur mit ihm gemacht?“, flüsterte Mpaturak und ihr war deutlich anzusehen, wie sehr sie unter seinen Schmerzen litt. „Wir müssen ihn sofort da rausholen!“
„Moment!“, flüsterte Steve ebenso leise zurück. „Wir haben keine Ahnung, was uns da drin erwartet. Wir brauchen einen Plan!“
Hastig blickten sich alle drei nach etwas um, das sich zur Not als Waffe verwenden ließ. Linda wünschte, sie hätte die Stange aus dem Punt mitgenommen oder doch wenigstens ihre Stöckelschuhe. Aber beides lag nutzlos draußen im Boot. Dann wurde ihr klar, dass sie noch immer ihre Kamera um den Hals trug. Vielleicht, überlegte sie, vielleicht könnte sie … Die Aussicht auf Erfolg war eher gering, aber es blieb ihnen wohl kaum eine andere Wahl. Sie stöhnte leise, als ihr klar wurde, dass ihr Plan auf die gefürchtete Verfolgungsjagd herauslaufen würde. Aber was sein musste, das musste sein. Entschlossen machte sie ihre Kamera an und stellte den Blitz ein. Dann instruierte sie ihre Gefährten: „Mpaturak, auf mein Zeichen rennen wir so schnell wie möglich aus dem Haus. Steve, verstecken Sie sich hinter der Türe. Wenn Satroz‘ Leute uns nachgelaufen sind, befreien Sie Horek, damit endlich jemand seine Vorgesetzten informieren kann.“
Um ihren Begleitern erst gar keine Gelegenheit zum Widerspruch zu geben, schob Linda Steve mit sanfter Gewalt an die gegenüberliegende Wand, hob ihre Kamera und öffnete die Tür ein Stück. Dahinter lag wie erwartet eine Art Büro. Auf einem Stuhl gefesselt saß ein Skrek von Mpaturaks Gestalt in grünem Tweed und roter Fliege. Neben ihm standen zwei Anzugträger. Nur für den Bruchteil einer Sekunde ließ Linda den Blick über sie schweifen, dann betätigte sie den Auslöser ihrer Kamera.
„Sagt ‘Cheese‘!“, forderte sie die Anzugträger auf. Der Blitz leuchtete hell und sie hoffte, dass Satroz‘ Handlanger für den Augenblick geblendet waren. Dann packte sie Mpaturak am Arm und rannte. Sie kamen bis auf die Straße, bevor sie aufgeregte Rufe und Schritte hinter sich bemerkten.
„Jetzt müssen wir sie nur wieder loswerden!“, keuchte Linda und steuerte auf das Boot zu, das sie im Gebüsch verborgen hatten. Bevor die Anzugträger sie einholen konnten, warf sie Mpaturak die Stange zu und bewaffnete sich selbst mit ihren gelben Stöckelschuhen. Dann waren Satroz‘ Leute da. Ihre Hände, die im Licht einer heißen Mittagssonne zunächst silbrig geschimmert hatten, waren mit einem Mal von einem bläulichen Flirren umgeben und Linda hörte das Knistern und Prasseln von Elektrizität. Spontan verfluchte sie sich dafür, keine Reiselebensversicherung abgeschlossen zu haben, aber dann sah sie hinter den Anzugträgern Steve mit Mpaturaks Onkel aus dem Haus kommen und beschloss, dass jetzt nicht die rechte Zeit war, den Schwanz einzuziehen.
„Na dann zeigt mal, was ihr draufhabt, ihr Halunken!“, zischte sie und warf einem der Anzugträger einen Schuh ins Gesicht, während Mpaturak mit der Stange nach seinem Kollegen schlug. Dieser Angriff zeigte keinerlei Wirkung, außer dass er Satroz‘ Leute wütend machte, aber ein glücklicher Zufall wendete das Blatt: In dem Versuch, der elektrischen Hand ihres Angreifers auszuweichen, blieb Linda mit einem Fuß im morastigen Ufer stecken, stolperte, und stieß gegen den zweiten Außerirdischen. Dieser strauchelte nun auch und gab sich eine Blöße, die Mpaturak genügte, ihm einen Schlag zu versetzten, der ihn in seinen Kollegen hineintaumeln ließ. Unfähig, das Gleichgewicht zu halten, kippten beide in den Cam. Das Wasser war weder besonders kalt noch besonders tief, aber es war nass und wunderbar geeignet, Elektrizität zu leiten. Eine plötzliche Entladung ließ das Ufer wie unter einem Blitzschlag aufleuchten. Dann wurde es still. An der Oberfläche des Flusses trieben mit den Gesichtern nach unten die schimmernden Gestalten von Satroz‘ Leuten inmitten einer kleinen Ansammlung von leblosen Enten und Fischen, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Linda unterdrückte den Drang, sich bei der verunglückten heimischen Tierwelt zu entschuldigen. Mpaturak hingegen grinste höhnisch auf die Leichen im Wasser hinab.
„Das war für Onkel Horek, ihr Schweine!“, sagte sie.

Es dauerte nicht lange, da füllte sich der Himmel über der Siedlung mit Aktivität. Genauer gesagt: mit Schiffen der Polizei von Skrek 733i, wie Mpaturak versicherte. Offensichtlich war es Mpaturaks Onkel gelungen, mit Steves Hilfe seine Vorgesetzten und die Autoritäten zu verständigen. Satroz aber war nicht aufzufinden und auch das King’s College schaffte es nicht pünktlich bis um Fünf zurück nach Cambridge.
Statt Tee und Scones in der Wohnung des Professors einzunehmen, fanden sich Linda, Steve, Mpaturak und ihr Onkel am Abend in einem Gerichtshof auf Skrek 733i wieder, wo der Fall in Abwesenheit des Angeklagten vorverhandelt wurde. Lindas Fotos – wenn auch von der Technologie her unbekannt – genügten dem Richter, das King’s College in Satroz‘ neuestem Themenpark zu konfiszieren und die Unternehmung schließen zu lassen.
Um den Transport zu erleichtern und die Attraktion so authentisch wie möglich zu gestalten, hatte Satroz die Menschen im Innern in eine reversible Stasis versetzt und sie wie Wachsfiguren an geeigneten Stellen verteilt. Auch die Pförtnerloge war mit einer der starren Gestalten besetzt. Ein Stück verbrannte Haut am Arm des Mannes verriet, dass er engere Bekanntschaft mit den Entführern geschlossen haben musste als der Rest seines Colleges.
„Mister Meredith“, sagte Steve und zog respektvoll seinen Doktorhut. „Ein hervorragender Pförtner. Bereit, seine Pflicht zu erfüllen, auch wenn es ihn Leib und Leben kostet, gerade so, wie es sich für einen tüchtigen englischen Pförtner gehört.“
Weil der Richter von Skrek 733i den Park hatte räumen lassen, ergriff Linda ihre Chance, die verpasste Foto-Tour des Morgens nachzuholen und das College touristenfrei zu fotografieren. Mit all den fremdartigen Türmchen, Brückchen und schwebenden Plattformen im Hintergrund, die Satroz von wer weiß welchen Planeten gestohlen hatte, würden die Bilder zwar nur für ein sehr privates Fotoalbum taugen, aber das machte die Gelegenheit umso verlockender.
Als Linda ihre Runde in der berühmten Kapelle des King’s College beendete, kam Steve auf sie zu und legte verschwörerisch grinsend einen Arm um sie.
„Nun, Linda, was sagen Sie dazu?“, flüsterte er andächtig. „Ist das nicht fantastisch, meine Liebe?“
Linda lächelte und schoss ein Bild von ihm, um den sympathischen Eindruck seiner jungenhaften Begeisterung für immer festzuhalten.
„Bester Urlaub aller Zeiten“, sagte sie.

 
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Hallo Bellona, wie ich gesehen habe bist du ganz neu bei den Wortkriegern, so wie ich. Leider habe ich keinen Willkommensthread gefunden - wahrscheinlich gibt es keinen - deshalb ist dies mein erster Beitrag. Zufällig ist deine Geschichte, die erste, die ich nach meiner Registrierung vollständig gelesen habe.

Von einigen anderen Erzählungen habe ich nur die Anfänge überflogen und dann aufgehört. Deine Geschichte hat mich wirklich gefesselt und ich habe sie deshalb bis zum Ende mit Spannung verfolgt. Dein Stil gefällt mir sehr und ich kann dir gar nicht sagen, was du daran verbessern solltest. Höchstens ein paar Kleinigkeiten würde ich ändern. Ich bin allerdings auch nicht sehr geübt als Literaturkritiker. Doch, wenn mir meine Geschichten genauso gut gelingen sollten, dann wäre ich sehr zufrieden.

Die Personen des aufmerksamen Pförtners, der sympathischen Linda und des verwirrten Professor fand ich sehr schön beschrieben. Doch als die Anzugträger in den Fluss gefallen und explodiert sind, gab es leider nur noch eine kurze Szene auf dem anderen Planeten. Da möchte ich meine einzige wirkliche Kritik äußern und einen Vorschlag machen. Es wäre bestimmt eine deutliche Verbesserung, wenn du die Handlung noch etwas verlängern würdest. Die Geschichte sollte an dieser Stelle nicht so aprupt enden, sondern genauso ausführlich wie bisher, forterzählt werden.

Deine Story halte ich für die Veröffentlichung in einer Anthologie für sehr geeignet und sie wäre dort wahrscheinlich eine der besten. Gerne würde ich noch mehr von dir lesen. Die Geschichte hat mir so gut gefallen, das ich eine Empfehlung dafür aussprechen möchte.

Viele Grüße Federstrich

 
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Hallo Bellona,

herzlich willkommen hier im Forum.

Eine schöne Idee hast du hier in Textform gegossen. Allerdings finde ich sie nicht gut umgesetzt.

Für mich baut sich nicht wirklich ein Spannungsbogen auf. Die Geschichte läuft viel zu glatt ab. Steve und Linda müssen sich ja nicht mal wirklich anstrengen, der Fall zu lösen. Es ergibt sich alles irgendwie wie von selbst. Schade.

Dann erzählst du mir zu viel und nimmst mir damit ab, Gefühle und Zusammenhänge selbst zu erkennen. Show, don't tell.

Außerdem empfinde ich sehr viele Sätze als zu lang, mit zu vielen überflüssigen Adjektiven.

Zehn Jahre Dienst für das King’s College, Cambridge, und was hatte er in dieser Zeit nicht alles gesehen!
Würde er das in Kommata eingeschobene "Cambridge" so denken? Der Leser erfährt so zwar den Spielort, was wohl auch von dir beabsichtigt ist, aber als Gedankengang des Pförtners liest sich das für mich seltsam.

Doch was sich in dieser Nacht – die Uhr hatte soeben Vier geschlagen – vor seinem Fenster auf der King’s Parade abspielte, veranlasste ihn dazu, irritiert eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen: Vor dem Mäuerchen, das einen ersten Ausläufer des College-Rasens von der Straße trennte, stand in einer geraden Linie ein gutes Dutzend schwarz gekleidete Gestalten, von denen jede eine kleine, quadratische Box in Händen hielt.
Hier so ein langer Satz, da könnte man bequem mehrere draus machen.
Ist es wichtig, dass die Linie "gerade" ist?
Und lass den Leser doch selbst Zusammenhänge und Gefühlsregungen erkennen. Konkret meine ich "veranlasste ihn" und "irritiert". Das Heben der Augenbraue reicht für mich, zu erkennen, dass er irritiert ist. Der Grund KANN nur die komische Gesallschaft dort draußen sein. Ich versuche den Abschnitt mal in meinem Stil zu schreiben.

Meredith hob eine Augenbraue. Was hatten diese Gestalten um vier Uhr nachts auf der King's Parade zu suchen? Ein gutes Dutzend schwarz gekleideter Gestalten stand dort aufgereiht, alle mit einem seltsamen Kästchen in der Hand.

Als Mister Meredith das Fenster einen diskreten Spalt breit öffnete, hörte er ein leises Surren.
Warum diskret? Synonym für klein? Ein Spalt ist immer klein.

Etwas beunruhigt, aber doch keineswegs um seine Gelassenheit gebracht, warf Mister Meredith einen Blick auf die Überwachungskameras
Bitte zeige uns diese Beunruhigung. Lass ihn irgendetwas machen, dass es den Leser selbst erkennen lässt.


Da das Tor auf dieser Seite verschlossen sein sollte und die befremdlichen Eindringlinge es doch irgendwie geschafft hatten, College-Boden zu betreten, hörte für Mister Meredith der Spaß auf und er verließ seine Loge, um die Herrschaften auf der King’s Parade zur Rede zu stellen.
Lass Meredith doch selbst darstellen, dass für ihn der Spaß aufhört. Ein Ausruf vielleicht, der seinen Missmut klar macht.
Dass er den Herrschaften die Leviten lesen will ist klar, wenn er den Raum verlässt. Das erkennt der Leser selbst. Spätestens wenn er vor ihnen steht und sie anredet.

So, genug der Meckerei. Du versteht, was ich meine?

Viele Grüße
Holger

 

Hallo Bellona,
auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum.
Mir ergeht es bei deiner Geschichte ähnlich wie Holger. Wobei ich noch zusätzlich das Problem hatte, mir bei deinem Titel wirklich ein College im Weltraum vorzustellen und deshalb etwas gebraucht habe, in die Geschichte rein zu kommen.
Formal ist mir nicht wirklich etwas aufgefallen, vielleicht irgendwo eine Kleinigkeit, aber das habe ich dann doch wieder vergessen.
Zu deinem Stil hat Holger ja schon etwas geschrieben, ich kann mich dem nur anschließen. Da du so viel Tell benutzt, wird deine KG doch etwas langatmig. Show macht das ganze etwas Prägnanter. Es ist nicht wirklich einfach davon wegzukommen. Das geht mir genauso. Ich überarbeite und überarbeite und verwende immer noch Tell.
Zum Inhaltlichen habe ich noch ein paar Dinge anzumerken:
1. Ich gebe Holger recht, die ganze Geschichte läuft viel zu gradlinig ab.Ich weiß, es ist schwierig, aber das die Protagonisten sofort den richtigen Weg finden, ist genauso unglaubwürdig, wie das sie immer den falschen Wählen.
2. Der Professor, sorry ich meine Steve ;) , kommt mir ebenfalls etwas unglaubwürdig vor. Er ist irgendwie nie überrascht, dass etwas außergewöhnliches passiert. Besonders hat es mich gestört, als sie im außerirdischen Reisebüro gelandet sind. Der redet in mit einem Alien einfach so wie mit einem normalen Menschen, lässt sich von ihm berühren und zeigt noch nicht mal die kleinste Reaktion? Schon die Stelle vorher

„Unsichtbare Türen?“, fragte Linda mit blitzenden Augen. Steve grinste schelmisch unter seinem steifen Doktorhut hervor und schob sie vorwärts, hinein in einen unerwartet langen, grau gestrichenen Gang, der von einem sanften, künstlichen Licht erhellt wurde, dessen Ursprung nicht auf Anhieb auszumachen war.
fand ich seltsam. In dem Moment dachte ich: "Wenn Steve das so cool und mit einer solchen Selbstverständlichkeit hinnimmt, muss er selbst ein Außerirdischer sein." (Mal ganz davon abgesehen, dass der zweite Satz deutlich zu lang ist, den könntest du wirklich in zwei Sätze packen)
3. Du schreibst, dass Linda hochhackige Schuhe anhat. Dann irritiert mich aber diese Aussage:
Weil das Pflaster auch hier nervenaufreibend uneben war, sah sich Linda gezwungen, ihre Schuhe auszuziehen und barfuß zu gehen. Sie konnte nur hoffen, dass es zu keiner Verfolgungsjagd kommen würde.
Wieso hofft sie, dass es keine Verfolgungsjagd geben würde. Für mich hört sich das so an, als würde sie lieber in den hochhackigen Schuhen eine Verfolgungsjagd machen. Ist leider für mich extrem unglaubwürdig. Sicher kann man in hochhackigen Schuhen relativ schnell laufen, aber barfuß sollte man doch schneller vorankommen.
4. Ich glaube du hast hier einen groben Denkfehler begangen. Satroz und seine Helfer sind in der Mitte deiner KG in den Fluss gefallen, weshalb Steve ja darauf kommt, dass sie mit Punts unterwegs waren. Aber am Ende fallen die Helfer in den Fluss und sterben. Wie funktioniert das? Oder sind das andere Helfer? Dann wäre es aber schön, wenn du das deutlich machen würdest.
5. Nein, noch was ist mir nicht mehr aufgefallen, was mich gestört hätte. Oder zumindest fällt es mir nicht mehr ein. :D

Aber lass dich von der ganzen Kritik nicht abbringen. Prinzipiell ist deine Geschichte nicht so schlecht, wie sie dir jetzt vielleicht vorkommt. Der Grundgedanke ist nämlich wirklich gut. Und die Umsetzung wird mit mehr Übung definitiv besser. Dein Wortschatz ist auf jeden Fall groß genug. Und um noch etwas positives zu sagen. Du hast dich mit der Umgebung, in der deine KG spielt gut auseinander gesetzt. Ich war noch nie in Cambridge, geschweige denn in Großbritannien, aber ich konnte es mir einigermaßen vorstellen, wie es dort aussieht.
LG
Scribo

 
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Hallo Federstrich,

wie schön, auf einen anderen neu Beigetretenen zu treffen!
Ich freue mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Mit deiner Kritik hast du sicherlich recht - sie endet tatsächlich etwas abrupt. Wenn ich versuche, die Vorschläge der anderen Kommentatoren umzusetzen, werde ich mir überlegen, wie sich die Szene ausbauen ließe. Es wird sich vermutlich insgesamt einiges ändern. ;-)

Ich freue mich, von dir zu lesen!

Lieben Gruß
Bellona


Lieber Holger,

vielen Dank für diese detaillierten Anregungen. Bei der Überarbeitung werde ich vor allem versuchen, dem Leser mehr Gelegenheit zu geben, eigene Schlüsse zu ziehen. Dass ich alles selbst vorweg- und der Geschichte die Spannung nehme, ist allgemein eines meiner größten Probleme. Auf überflüssige Adjektive werde ich gleichzeitig prüfen.

Den Grund, warum ich die Ortsangabe "Cambridge" hinzugefügt habe, hast du richtig erkannt. Ich verstehe auch deine Kritik, zögere aber, den Ortsnamen zu streichen. Der Pförtner würde das sicherlich nicht denken; es ist ein auktorialer Einschub. Da es in England einige King's Colleges gibt, habe ich ihn als notwendig erachtet. Vielleicht nehme ich an dieser Stelle aber auch wieder zu viel vorweg. Ich muss noch etwas darüber nachdenken ...

Der "diskrete" Spalt wird vermutlich bleiben. Ich wollte damit nicht nur ausdrücken, dass der Spalt klein ist - was tatsächlich immer zutrifft - , sondern auch den Pförtner und seine Lebensumgebung etwas charakterisieren. Er nimmt sich noch zurück, beobachtet jedoch kritisch und genau, um bei Fehlverhalten sofort einzugreifen.

Vielen Dank noch einmal für deinen ausführlichen Kommentar! Für mich ist er sehr hilfreich!

Lieben Gruß
Bellona


Hallo Scribo,

vielen Dank für deine ausführlichen Anmerkungen!
Ich werde versuchen, die Tells einzuschränken – schwierig, schwierig! Manche Angewohnheiten erweisen sich als zäh …

1. Dass die Protagonisten gleich den richtigen Weg finden, hing damit zusammen, dass ich mir ein Seitenlimit gesetzt hatte und darin nicht mehr Plot unterbringen konnte. Über den Inhalt muss ich mir in aller Ruhe mal Gedanken machen.

2. Dass Steve sich von nichts beeindrucken lässt, war als ein kleiner Gag gedacht. Ich habe ein knappes Jahr in Cambridge gelebt und muss sagen, dass in dieser Stadt wirklich nicht viel auffällt. Wenn man in einem Kostüm ins Restaurant geht, bemerkt das keiner. Dass Steve auf Aliens nicht reagiert, ist eine hyperbolische Anspielung auf diese Besonderheit. In England ist diese (wie ich meine) als Stereotyp verbreitet. Ich werde Steve aber wahrscheinlich anpassen. Wenn außer mir niemand versteht, was ich sagen will, ist das ja eher suboptimal! :D

3. Was die Verfolgungsjagd angeht, meinte ich, dass Linda nicht barfuß hinter irgendwem herrennen möchte. Die Schuhe hat sie ja schon aus. Werde ich aber löschen. Es ist nicht wichtig genug für die Geschichte, um unbedingt erklärt werden zu müssen.

4. Gestorben sind die Helfer im Fluss nur, weil sie gerade ihre Superpowers benutzt haben. Hast aber Recht: das macht wenig Sinn. Wenn ich die Geschichte inhaltlich überarbeite, werde ich das ändern.
Abschließend nochmals ein herzliches Dankeschön! Jetzt sollte es mir möglich sein, die Geschichte deutlich zu verbessern!

Lieben Gruß
Bellona

 

Hallo Bellona,

willkommen hier. Ich fand die Geschichte amüsant und habe sie mit Vergnügen gelesen. Trotz der Länge kam ich nicht in Versuchung, einzelne Abschnitte zu überfliegen, schließlich wollte ich wissen, wo King’s College hingebeamt wurde und wie es wieder zurückkommt. Die Idee mit dem Wahrnehmungsfilter hat mir richtig gut gefallen, wenngleich man daraus machen könnte. Ach, was ließe sich nicht alles aus unserem Bewusstsein tilgen! Das wäre der Traum jedes Marketing, PR und Propaganda-Experten. Verbrechen ließen sich verhindern oder durchführen, Möglichkeiten gäbe es zuhauf. Und wie weit sind wir von einem solchen Gedankenexperiment entfernt? Ich hätte auch gern einen Blick auf den Themenpark geworfen, von dem du erzählst. Letztlich beruhigt es mich übrigens, dass auch Außerirdische sich Gerichtsverfahren unterwerfen müssen und von Begierden besessen sind. Das Slapstickartige am Ende, als Linda, der Professor und Macpak die Lage in den Griff bekommen, ist gerade so an der Grenze zum Klamauk, bekommst du aber sprachlich – wie auch im übrigen Text – ganz gut in den Griff.

Ich freue mich auf deine weiteren Texte!

Textstellen:

Bei näherer Betrachtung erwies sich der Aufzug der Besucher als völlig uniform: Alle, Männer wie Frauen,
ist ein umständlicher, gekünstelter Tonfall.

Sein ganzer Körper schien mit einer dicken Schicht Glanzfarbe bemalt, denn wo immer bloße Haut zu sehen war, schillerte sie metallisch blau im Licht der wenigen Straßenlaternen.
du gibst die Info doppelt, als wolltest du sicher stellen, dass der Leser auch kapiert, was du schreibst.

Ein grelles Flimmern wie von Elektrizität kroch den Körper des Fremden entlang auf den Pförtner zu.
auch das finde ich umständlich: elektrische Blitze krochen?

ein Vorhang von flirrender, bunter Luft bildete sich vor dem College.
wie sieht bunte Luft aus?

Das leise Klappern ihrer gelben Stöckelschuhe
wofür brauchst du die Adjektive, die bringen die Handlung null weiter, illustrieren auch nichts, oder?

An diesem Punkt hätte sie aufgegeben, hätte Dr. Gareth („Steve, bitte!“)
hääte doppelt, ist nicht elegant so

Aus Gründen des Senioritätsprinzips ließ Linda dem Doktor den Vortritt
mm, wegen des Senioritätsprinzips?

eine grauenerregende Gestalt hervor, die sich am besten als gigantisches wandelndes Blatt mit Fliegenkopf beschreiben ließ. Bizarrerweise steckte sie in einem Anzug, komplett mit Krawatte und Manschetten.
hübsches Bild

Über die Schulter warf Steve Linda einen bübisch vergnügten Blick zu und formte lautlos mit den Lippen das Wort „Alien“. Besagtes Alien musste ihn mithilfe seiner telepathisch-empathischen Technologie verstanden haben, denn es deutete ein Nicken an.
:thumbsup::D

Weil das erinnerungshemmende Moment des Filters bei euch nicht wirkt, könnt ihr nicht hier gewesen sein, als er eingeschaltet wurde.“
gut durchdacht

waren mit einem Mal von einem bläulichen Flirren umgeben und Linda hörte das Knistern und Prasseln von Elektrizität. Spontan verfluchte sie sich dafür, keine Reiselebensversicherung abgeschlossen zu haben,
:lol:

Lindas Fotos – wenn auch von der Technologie her unbekannt – genügten dem Richter, das King’s College in Satroz‘ neuestem Themenpark zu konfiszieren und die Unternehmung schließen zu lassen.
nicht gerade fortschrittlich, eine solche Beweisführung

Mit all den fremdartigen Türmchen, Brückchen und schwebenden Plattformen im Hintergrund, die Satroz von wer weiß welchen Planeten gestohlen hatte, würden die Bilder zwar nur für ein sehr privates Fotoalbum taugen, aber das machte die Gelegenheit umso verlockender.
:D

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Bellona,

mir hat die Geschichte gut gefallen, auch wenn sie ein wenig langatmig ist und gewiss noch einige stilistische Verbesserungen verträgt. Die anderen Kommentatoren haben dazu ja schon genügend Anregungen gegeben.

Auf eine Stelle möchte ich aber doch hinweisen, weil offenbar niemand sonst darüber gestolpert ist:

Steve, der die Türe deutlich sehen konnte, nahm diese Reaktion als ein Zeichen dafür, eine heiße Spur gefunden zu haben, und warf Linda einen fragenden Blick zu.
Bis auf den Epilog mit Mister Meredith wird die Geschichte durchgängig aus Lindas Perspektive erzählt. Doch an dieser einen Stelle schaltest Du kurz um auf Steves Perspektive. Das kann auf einen Leser äußerst irritierend wirken. Linda kann schließlich nicht wissen, dass Steve die Tür sehen kann und daraus auf eine heiße Spur schließt.

Gruß
Notker

 

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