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Das Camp
Das Camp
Neutral
Ein grüner Reisebus fuhr vor. Die automatischen Türen öffneten sich, und eine Schar Jugendlicher strömte hinaus, auf den grünen Campingplatz. Die Luft war erfüllt von Stimmengewirr und Rufen. Lauter 15 oder 16 jährige begannen, unter Leitung von Mr. Samson, ihre Zelte aufzubauen und ihre Sachen zu verstauen. Der Himmel war bewölkt und die Luft seltsam schwer und schwül. Es sah ganz nach einem Gewitter aus, welches einen sehr ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht hatte. Der Wind blies immer heftiger, und das Treiben wurde aufgeregter und wilder.
„Was sollen wir jetzt machen?" Fragte ein Aufseher Mr. Samson. „Nun, ich denke nicht, das Gefahr droht, trotzdem dürfen wir keine Risiken eingehen. Die Zelte, welche die Kinder mitgebracht haben, dürften den Witterungsbedingungen eventuell nicht vollständig standhalten können. Richte ihnen aus, das sie sich alle in die 3 großen Gemeinschaftszelte zu begeben haben, verstanden?"
Der Andere nickte und lief davon, um die Nachricht zu verbreiten. Nur Sekunden später, begann es auch schon zu regnen. In der Ferne krachte Donner, und der Wind wehte stärker...
„Hey, macht mal Platz!" Ein muskulöser, braunhaariger Junge namens Raoul drängelte sich zwischen den anderen Jugendlichen hindurch. 'Dieser verfluchte Regen! Ausgerechnet heute!' Dachte er und blickte sich dann hektisch um. Wo Luciana nur steckte? Und dabei hatten sie sich doch nicht verlieren wollen! So ein Ärger!
Schließlich gab er es auf, und setzte sich auf den, mit Decken ausgelegten Boden des Gemeinschaftszeltes. Wenn alle Drinnen, im Trockenen saßen, würde sie endlich mal jemand über die Situation aufklären und ihnen sagen, was morgen so geplant war. 'Hoffentlich' dachte Raoul und wühlte dann, in seiner Reisetasche herum. „Wo ist mein Disc-Man? Ah, hier!" Er holte das Gerät heraus, befestigte die Kopfhörer an seinen Ohren, und wartete dann einfach ab, das die Zeit verging...
„Wo bleibt denn nur der andere Bus? So eine Verspätung!" Schimpfte Pit, ein Aufseher des Camps, der bereits seit über einer halben Stunde im Regen stand, und auf die Ankunft des zweiten Buses wartete. Fast der gesamte Rest der Kinder saß bereits in den großen Zelten. Sie wurden sicher langsam ungeduldig. 'Es ist aber auch ein Pech, das es ausgerechnet am Ankunftstag so schütten muss' dachte Pit, und trat ärgerlich gegen einen herumliegenden Stein. Sein strohblondes Haar klebte an seinem Kopf, und seine ungeduldigen, graublauen Augen waren auf die Straße gerichtet. Da! Endlich! Dort vorne, kam der letzte Reisebus, durch den Sturm, war er kaum zu hören. Beim Bremsen quietschten die Reifen auf dem nassen Alphalt.
Luciana
Luciana hatte die Suche nach Raoul aufgegeben und sich gesetzt. Warum dauerte das alles denn nur so furchtbar lange? Sie wartete jetzt schon mindestens seit einer Stunde, das endlich mal ein Aufseher auftauchen und alles regeln würde, aber nichts dergleichen geschah.
Plötzlich wurde das Zelt von Außen geöffnet und ca. 7 andere Jugendliche kam hinein. Sie waren alle, auch wenn sie nur wenige Sekunden Draußen gewesen waren, durchnässt von Kopf bis Fuß. 'Wie viele wohl insgesamt hier sind?' Fragte sie sich. Allein in diesem Zelt schienen sich um die 15 Besucher zu befinden. Also gab es insgesamt vielleicht um die 50.
Ein Aufseher betrat den Raum, und bittete um Ruhe. Dann begann er eine einleitende Rede:
„Nun, jetzt seid ihr hier, im Sommercamp „Sam"! Es gab zwar bei der Ankunft ein paar Probleme, aber macht euch keine Sorgen, so etwas wird nicht wieder vorkommen. Es befinden sich dieses Jahr 48 Gäste hier, die wir zunächst in 5 Gruppen einteilen möchten, welche jeweils aus 8 - 10 Personen bestehen werden." Verkündete er. Luciana hoffte, das sie mit Raoul zusammen in eine Gruppe kam, aber beeinflussen konnte sie natürlich rein gar nichts.
„Die Namen, die ich jetzt gleich nenne, gehören zu Gruppe A. Alle die Dieser Gruppe angehören gehen nachher bitte ins Zelt A, verstanden? Gut zuhören, bitte! Mit den anderen Gruppen verhält es sich genauso, wir haben draußen 5 Zelte aufgebaut! Hört jetzt bitte gut zu! Gruppe A: Rheinhold Carl, Hartmund Rebecca, ..., ..."
Er zählte eine Menge von Namen auf, aber Luciana war nicht dabei. 'Also nicht A...' Dachte sie, 'Naja, ist ja eigentlich auch egal wohin...'
„Gruppe B" fuhr der Aufseher fort, „Amling Luciana, Baran Adely, Eck Tito, Jarick Raoul, Lehmann Erika, Münzer Leyla, Oheim Alan und Rabe Cain!"
'Ich bin in derselben Gruppe wie Raoul!' Dachte Luciana erfreut, und stand dann auf, um nach vorne zu gehen. Sieben andere Camper erhoben sich ebenfalls, und gemeinsam, verließen sie das riesige Gemeinschaftszelt, und gingen ins „B".
Dort saß bereits jemand. Ein ungefähr 25 Jahre alter Mann, mit strohblondem Haar und blauen Augen begrüßte sie mit den Worten: „Hallo, Leute. Ihr seid also die B, hm? Ich bin euer Verantwortlicher, Pit."
Luciana fand Pit sofort sympathisch. Er war nicht einer dieser strengen, alten spießigen „Aufpasser" die jeden Spaß verboten. Mit Pit würde der Sommer sicher lustig werden.
„So, nun packt mal alle eine Decke aus euren Rucksäcken und Taschen, breitet sie hier auf dem Boden aus, und setzt euch darauf." Schlug Pit vor. „Danach werdet ihr euch einmal kurz den anderen vorstellen, damit ihr euch ein bisschen kennen lernt. Natürlich ist es am Anfang schwer sich alle Namen zu merken, aber mit der Zeit, denke ich, bekommt ihr das schon hin, oder?" Pit lachte. Er schien ein lustiger und lockerer Mensch zu sein.
Als die anderen Pits Anweisung folgten, besah Luciana sie sich alle einmal kurz, um einen Überblick über ihre „Genossen", mit denen sie jetzt zwei Monate zusammen sein würde, zu bekommen. Eigentlich wirkten sie alle ganz in Ordnung. Nur dieser eine Typ, dort hinten... Der war irgendwie unheimlich. 'Hab nicht zu viel Vorurteile!' Schalt sich Luciana selbst. 'Du musst versuchen mit allen gut auszukommen, klar?'
Pit
Nun saßen sie alle im Kreis und Pit wusste nicht so richtig, wer jetzt den Anfang machen sollte. „Also..." Sagte er, „Mein Name ist, wie ihr schon wisst, Pit. Ich bin 24 Jahre alt und soll euch hier „betreuen" auch wenn sich das in euren Augen sicher komisch anhört. Ich schlage vor, ihr stellt euch jetzt alle alphabetisch geordnet vor... Amaling Luciana... , Luciana, fang bitte an."
Alle Blicke richteten sich nun auf Luciana und eine erwartungsvolle Stille trat ein. Sie blickte nervös um sich und wusste eigentlich gar nicht richtig, was sie sagen sollte. „Also... Ich bin Luciana Amaling, meine Freunde nennen mich Luci. Ich bin 15 Jahre alt und komme aus Nassau. Das liegt in Sachsen." „Gut" erwiderte Pit, und wandte seinen Blick nun gespannt auf Adely. Adely war ein molliges, blondhaariges Mädchen, mit kleinen, ziemlich weit auseinander stehenden Augen, mit denen sie ein bisschen dümmlich aussah. „Ich bin Adely Baran, aber ihr könnt mich Addel nennen. Ich bin 14 und komme aus Hamburg."
Tito Eck, der Rotschopf mit den Sommersprossen war 15 und kam aus Stuttgart.
Raoul Jarick, der Muskelprotz mit den sanften Braunen Augen und dem dunkelbraunen Haar, erklärte, dass er ebenfalls 15 Jahre alt sei und aus Kassel käme.
Erika Lehmann war eine auffallend hübsche, blond gelockte Person, mit einer Figur wie ein Model. Sie war erst 14, sah aber aus wie 16 und kam aus München.
Leyla Münzer und sie schienen sich zu kennen, denn sie saßen nebeneinander und tuschelten ein wenig. Genauso verhielt es sich mit Luciana und Raoul.
Leylas schwarzes, kurzes Haar, und ihre eisblauen Augen ließen sie ein wenig mystisch erscheinen. Sie war, wie ihre Freundin 14 Jahre alt und sah, wie sie, super aus.
Dann war da noch Alan Oheim, mit dem ständigen Grinsen auf dem Gesicht. Pit konnte sich vorstellen, das dieser Junge sicher zu Streichen aufgelegt war, und vielleicht ein bisschen Ärger machen würde.
Und dann... Am Schluss, blieb nur noch Cain, der Junge, den Luciana vorhin so merkwürdig fand. Pit hatte nur einen Blick auf ihn erhascht und gedacht, das er vielleicht ein bisschen komisch wäre, aber nun, als er ihn richtig betrachtete, war er überzeugt davon!
Cain war schwarz gekleidet, hatte rabenschwarzes, halblanges Haar, und die dunkelsten Augen, die Pit je in seinem Leben gesehen hatte. In seinem Ohr und an seiner Augenbraue war er gepierct. Er trug eine Kette, mit einem Pentagramm, um den Hals und blickte kühl in die Runde. „Mein Name ist Cain." Sagte er. „Ich bin 16 und komme aus Potsdam."
Pit schaute kurz auf Cain und dann auf die anderen. Sie schienen genauso unerfreut über ihn zu sein, wie er. Nein, so jemanden konnte Pit überhaupt nicht gebrauchen. Schließlich waren sie hier, um Spaß zu haben, und Cain sah nicht so aus, als wäre er sonderlich zu Späßen aufgelegt. 'Der hat einen schlechten Einfluss auf die Gruppe' dachte Pit. 'Aber was sollen wir machen? Nehmen wir es halt wie es ist, wird schon irgendwie gehen....'
Cain
'Wo bin ich hier bloß gelandet?' Dachte Cain ärgerlich. 'Das ist ja schlimmer als in einem Affengehege. Diese ganzen kleinen Idioten! Wieso musste ich nur in dieses bescheuerte Camp fahren?' Er blickte auf die anderen, die rund um ihn, im Zelt saßen und ihn dumm angafften. Zum Glück lenkte Pit die Aufmerksamkeit schnell wieder auf sich, indem er erläuterte wie es jetzt weitergehen sollte. „Also, heute Abend schlaft ihr alle hier im Zelt B. Packt eure Sachen noch nicht aus, dazu habt ihr morgen noch genug Zeit. Das Wetter soll morgen besser werden, und dann packt jeder sein eigenes Zelt aus, baut es auf, und verstaut seine Sachen darin. Ihr könnt auch zu zweit in einem Zelt schlafen, wenn ihr wollt, aber Jungen und Mädchen getrennt, okay?" Er grinste in die Runde. „Stellt eure Zelte aber alle ein bisschen zusammen, damit wir uns als Gruppe immer schnell sammeln können. Morgen Abend wird es eine nächtliche Waldwanderung geben, mit anschließendem Lagerfeuer."
„Cool!" Rief Alan, und Adely sah ebenfalls aus, als fände sie die Idee einfach super. 'Das ist ja echt wie im Kindergarten hier...' Überlegte Cain und verdrehte sie Augen.
Dann fragte Pit: „Gibt es noch irgendwelche Fragen?" Eine kurze Stille trat ein, und schließlich fragte Cain mit überheblicher und gelangweilter Stimme: „Müssen wir bei dieser dämlichen Nachtwanderung mitmachen?" Dafür bekam er sowohl von Luciana als auch von Pit einen bösen Blick zugeworfen. Dann antwortete der Aufseher: „Ja. Alle kommen mit. Auch der hochwohlgeborene Mr. Cain."
Cain stand auf und ging auf Pit zu. Ihre Gesichter waren in etwa auf selber Höhe, und nun ganz nah aneinander. Pit erschrak ein bisschen, fasste sich aber schnell wieder. Sein Gegenüber flüsterte bedrohlich: „Damit gleich eines klar ist: Ich lasse mir nichts vorschreiben, und erst recht nicht von jemandem wie dir."
Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Zelt...
Pit
Das war ja echt super! Gleich am ersten Tag gab es Streit, ein toller Anfang! Und Pit war sich sicher, mit diesem Cain würde es auch in Zukunft noch einige Probleme geben. 'Wieso muss ausgerechnet in meiner Gruppe so ein Typ sein?' Dachte Pit ärgerlich, und wandte sich dann an die anderen, die noch halb geschockt und halb sauer in Richtung Ausgang blickten. „Ich gehe jetzt raus und Suche den Typ. Wir dürfen hier keinen verlieren. Hört zu: Drüben in den großen Zelten, da liegen Luftmatratzen, von denen sich jeder von euch, mal eine holen könnte. Blast sie dann auf und legt euch hier schlafen, ok? Es kann bei mir noch etwas später werden." Und damit verließ auch er das Zelt.
Draußen regnete es immer noch in Strömen. Pit musste gar nicht lange suchen, denn Cain stand nur einige Meter entfernt, lässig angelehnt unter einer Eiche und rauchte. Pit bekam es mit der Angst zu tun. 'Was ist das denn für ein Trottel?! Stellt sich bei Gewitter unter eine Eiche?' „Hey! Hau ab von dem Baum, das ist gefährlich!" Rief er ihm durch den Regen zu, doch Cain reagierte überhaupt nicht. Er bemerkte sehr wohl, das Pit ihm etwas zurief und vielleicht verstand er sogar, was es war, aber er blieb ganz locker stehen.
Der Aufseher rannte durch den Regen auf ihn zu. Als er kurz vor ihm stand wiederholte er seine Worte noch einmal: „Hau ab von dem Baum, sowas ist gefährlich!" Cain lächelte. „Das ist meine Sache." Sagte er trocken. Pit wurde wütend. „Verdammt! Ich hab Verantwortung dafür, wenn dir etwas passiert! Jetzt geh endlich zurück ins Zelt zu den anderen!"
Doch Cain rührte sich nicht.
Nun war es genug! Pit´s Nerven waren, durch dieses ganze Durcheinander, sowieso schon aufs Höchste strapaziert, und nun soetwas! Er hob die Hand, und versetzte seinem Gegenüber eine saftige Ohrfeige. „DU KOMMST JETZT MIT!" Schrie er ihn an.
Cain verlor die Fassung. Er starrte Pit mit zusammengekniffenen Augen an, packte ihn am Kragen, ging mit seinem Gesicht ganz nah an das des anderen und flüsterte mit kalter Stimme: „Fass mich nie wieder an, wenn dir dein Leben lieb ist, verstanden?"
Damit ging er schnurstracks an dem Aufseher vorbei und zurück ins Zelt. Pit stand noch einige Minuten lang dort. 'Was hat mich nur geritten? Einen Camper, für den ich verantwortlich bin, zu schlagen! Das ist verboten!' Wenn Cain das herumerzählte, würde Pit seinen Job verlieren, und er war sich ziemlich sicher, das er das tun würde.
'Verdammter Scheißkerl! Wieso läuft diesen Sommer nur alles so scheiße?!' Seit fünf Jahren arbeitete Pit nun schon hier, und es hatte ihm eigentlich immer sehr gut gefallen. Noch NIE in seinem ganzen Leben, hatte er einen Jüngeren geschlagen. Er war eigentlich kein gewalttätiger Mensch, sondern eher einer, der Probleme mit Worten löste...
Adely
Alle hatten sich schon schlafen gelegt. Nach dem Streit zwischen Cain und Pit, war nur der schwarzhaarige zurückgekehrt. Was mit Pit passiert war, wusste niemand, aber irgendetwas musste los sein. Adely schlief nach diesem anstrengenden Tag sehr schnell ein und träumte irgendetwas verrücktes, über einen schwarzen Raben der Pit die Augen aushackte.
Vielleicht hatte sie sich ein bisschen in Pit verliebt. Er war ja auch wirklich ein netter Kerl.
Gegen zwei Uhr Morgens weckten sie zwei leise Flüsterstimmen.
Wer konnte das nur sein? Adely tat als hätte sie nichts bemerkt, schloss ihre Augen und lauschte. Die eine Stimme gehörte eindeutig zu Pit. Er flüsterte besonders leise, damit die anderen nicht aufwachten. „Du, Cain..", begann er. „Ich wollte mich entschuldigen, wegen der Ohrfeige vorhin... Das war nicht so gemeint, ehrlich."
„Ist schon in Ordnung." Kam die Antwort, „Vergessen wir das Ganze." Pit sah verlegen aus. „Tust du mir einen Gefallen? Es währe nett, wenn du das nicht herumerzählst, sonst bin ich meinen Job los." Eine kurze Stille trat ein, und dann antwortete Cain mit amüsierter Stimme: „Ist okay."
Das Gespräch war beendet. Soviel Adely mitbekommen hatte, musste Pit Cain geschlagen haben? Warum nur? Es musste einen guten Grund dafür geben. 'Dieser Typ ist wirklich das allerletzte.'
Dann schlief sie wieder ein.
Tito
Als Tito am nächsten Morgen aufwachte, war es bereits richtig hell, der Regen hatte aufgehört und die Sonne schien wunderbar warm. Als er sich umblickte bemerkte er, das er als erstes aufgewacht war. Alle anderen schliefen noch tief und fest. 'Ich stehe besser noch nicht auf. Vielleicht wecke ich die anderen dadurch' dachte er und drehte sich auf die andere Seite. Die Mädchen hier im Camp waren dieses Jahr echt super! Naja... Bis auf Adely vielleicht. Erika, Luciana und Leyla waren alle drei solche Schönheiten, das Tito gar nicht wusste, an welche er sich ranschmeißen sollte. Aber wenn er darüber nachdachte fand er Erika am süßesten. Luciana war natürlich auch nicht schlecht, aber sie hatte ja bereits einen Freund: Diesen Raoul. 'An den komme ich nicht ran' dachte Tito ein bisschen niedergeschlagen. 'Der ist genau so ein Teeny auf den die Mädels abfahren. Alan könnte sich bestimmt mit Leyla begnügen, wenn ich Erika kriege.'
Tito setzte sich auf und schaute auf seine Mitcamper. Da bemerkte er, dass Cain ebenfalls schon aufgewacht war. Er lag mit offenen Augen auf der Seite und starrte Tito an. Dieser drehte sich schnell weg. Mit Cain wollte er nichts zu tun haben. Das war ein Grufti aus der Gosse; zumindest würde Titos Mutter ihn so nennen. Von ihr hatte er das nämlich, dass er solche Typen hasste wie die Pest. 'Sie kommen sich vor, wie was besseres und wollen sich eh nur wichtig machen' überlegte er und legte sich wieder hin. 'Solange ich nicht mit ihm spreche, wird er mich auch in Ruhe lassen, hoffe ich.'
Pit
Pit war ein wenig verwundert, aber vor allem froh, dass Cain ihn nicht verpfeifen würde. Er hatte diese Reaktion wirklich kein bisschen erwartet, und schalt sich selbst, das er Cain von Anfang an so mies behandelt und abgestempelt hatte. 'Eigentlich ist er doch ganz in Ordnung'.
Als Pit an diesem Morgen erwachte, waren Tito und Cain schon wach. Er weckte die anderen, und forderte sie auf, sich umzuziehen und dann ihre eigenen Zelte aufzubauen. Raoul und Alan teilten sich ein Zelt, genauso wie Erika und Leyla. Luciana und Adely sollten ebenfalls gemeinsam übernachten. Eigentlich war Pit stark dafür gewesen, dass Tito und Cain auch zusammen in einem Zelt untergebracht wurden, und er hatte versucht, Tito davon zu überzeugen, das Cain gar kein so schlechter Mensch war. Das half allerdings nichts. Beide schliefen also allein.
Um die Mittagszeit herum, waren alle fertig mit aufbauen, auspacken und einquartieren. In den drei riesigen Gemeinschaftszelten gab es dann Mittagessen - Pizza mit Salami, Käse und Tunfisch. Das war das gute an jüngeren Campern. Sie freuten sich am meisten über ganz einfaches und billiges Essen.
Der Nachmittag verlief ohne großartige Probleme. Cain hielt sein Wort, und erzählte keiner Menschenseele ein Wort über den gestrigen Vorfall, wofür ihm Pit sehr dankbar war. Er beschloss den Versuch, ihn ein bisschen mit dem Rest der Gruppe zu verknüpfen, was jedoch fehlschlug. Die anderen wollten nichts mit ihm zu tun haben, und dagegen konnte Pit auch nichts machen.
Um drei Uhr gab es ein Fußball - und ein Volleyball Turnier. Jede Gruppe spielte gegen jede, und am Ende gewann Gruppe C. Alles in allem wurde es ein lustiger Nachmittag, und Pit war wirklich froh, das sich alles so gut eingelebt hatte.
Als der Abend anbrach teilte Pit seinen Gruppenmitgliedern mit, das sie sich jeder einen Rucksack mit dem nötigsten packen sollten. Einer Decke, etwas zu trinken und vielleicht ein paar Kassetten oder CDs, da die Nachtwanderung bald losgehen sollte...
Es liefen nicht alle auf einmal los, sondern, angefangen bei Gruppe A, ging jede andere Gruppe erst eine Viertelstunde später los. Die Veranstalter meinten wohl, wenn nicht so viele Personen auf einem Haufen waren, währe es für die Camper gruseliger und für die Aufseher übersichtlicher.
Nach einer Viertelstunde warten, ging also, für die „B" Gruppe das „Abenteuer" los! Nach ca. Einem halben Kilometer, als sie schon richtig tief in den Wäldern drinnen waren, bekam Leyla es das erste mal mit der Angst zu tun. Sie hielt sich an ihrem neuen Freund Alan fest, während dieser ihr gut zuredete.
„Es kann doch gar nichts passieren. Wir sind immerhin 8 Camper und Pit ist ja auch noch da!" Versuchte er sie zu beruhigen. „Aber, was ist wenn uns jemand überfällt?"
'Diese Leyla ist ja echt empfindlich auf ein bisschen gruselige Stimmung' dachte Pit, sagte aber nichts.
Leyla zitterte noch immer, als in der Ferne der Schrei einer Eule erklang. „Diese Wanderung wird bestimmt total cool." Sagte Tito, und grinste. „Besonders für euch Mädels."
„Denk nicht das alle Mädchen so ängstlich sind." Blockte Luciana ab. Pit drehte sich um, und bemerkte das Cain, der ein Stück hinter ihnen gelaufen war, nicht mehr zu sehen war. „Wir haben Cain verloren." Sagte er, an die anderen gewand. Keiner tat so als würde ihn das sonderlich stören. „Der vermiest allen immer nur die Stimmung!" meckerte Alan.
„Ich muss kurz weg, lauft schon mal ohne mich weiter." Sagte Pit. „Kann ein bisschen dauern, ich muss was klären."
Und damit verschwand er im Dickicht...
Alan
Die Gruppe war schon mindestens einen Kilometer weit gelaufen. Es gab einen kleinen Streit. Mal wieder war der Auslöser dieser arrogante Cain. Aus irgendeinem Grund, verteidigte Luciana ihn. Tito hatte angefangen zu meckern: „Wir haben aber auch ein Pech, mit so einem miesen Typ in eine Gruppe zu kommen, das ist nicht fair." Luciana wurde daraufhin wütend: „Du kennst ihn doch noch nicht mal seit einem Tag! Woher willst du eigentlich seinen wahren Charakter kennen? Du bist der oberflächlichste Mensch den ich je gesehen habe!"
Tito war richtig erschrocken, über so eine Aussage von der süßen Luciana. Eigentlich stand Alan auf Titos Seite, aber er wollte nichts sagen, und den Streit ausbreiten. Leyla hatte ihre Angst überwunden, und Adely hüpfte um die anderen herum, und sang: „Das Wandern ist des Müllers Lust..."
Das Thema wurde geändert, und nun stand „Schule" im Mittelpunkt. Das war Alan ganz und gar unrecht, weil er das krasse Gegenteil eines Strebers war. Mitten im Gespräch, hörten sie plötzlich etwas in der Ferne und zuckten zusammen. „Halt! Bleib wo du bist!" es war Pits Stimme, nur leise hörbar, da er schon sehr weit weg war. Plötzlich schrie er laut auf. Die Camper erstarrten und Leyla hielt sich zitternd an Alans Arm fest, worüber er sich insgeheim freute. „Was war das?" fragte Luciana.
„Pit, der geschrien hat." Kam die Antwort aus dem Hintergrund, wo Cain stand. Er hatte sie eingeholt. Tito ging auf ihn zu und schaute ihn böse an. „Das wissen wir auch, du Schlaumeier!" Cain verdrehte die Augen und ging, ohne ein Wort weiter.
„Was machen wir nur? Ob Pit etwas zugestoßen ist?" fragte Adely die anderen, aber diese hatten auch keinen Einfall. „Wir gehen erst mal zum vereinbarten Treffpunkt weiter. Dort wird man uns das sicher erklären können." Beruhigte Raoul sie. „Kommt!"
Luciana
Sie waren endlich am großen Lagerfeuerplatz angekommen, wo Gruppe A schon auf sie wartete. Das erste was Luciana fragte war: „Was ist mit Pit passiert?" Sie bekam allerdings vom Verantwortlichen der Gruppe A keine Antwort. Er sagte nur: „Setzt euch erst mal und wartet ab bis die anderen Gruppen da sind." Das mussten sie wohl oder übel tun.
Raoul sicherte sich gleich einen Platz neben seiner Luciana und legte seinen muskulösen Arm um ihre Schulter. „Ganz ruhig, es wird schon nichts weiter sein." Adely stand kurz vorm Nervenzusammenbruch. Irgendetwas schlimmes war geschehen, wenn ihnen keiner eine Auskunft gab! Gleich würde das mollige Mädchen anfangen zu weinen. Luciana tat sie leid.
„Ach, komm schon." Tröstete sie Adely. „So schlimm wird es schon nicht sein." Obwohl sie selbst nicht daran glaubte.
Cain, der ganz in der Nähe saß lachte leise und wandte sich dann an Luciana: „Das glaube ich aber kaum. Entweder ist er von einem Killer angegriffen worden oder von einem Grizzly zerfleischt. Auf jedenfalls ist er tot, mach dir keine Hoffnungen." Er grinste.
Nun begann Adely lauthals zu schluchzen und zu heulen. „Pit!" rief sie immer wieder. Luciana blickte Cain hasserfüllt an. 'Und so jemanden habe ich auch noch vor Tito unterstützt!'
Eine Dreiviertelstunde lang saßen sie am Feuer und redeten kein Wort. Alle hatten Angst um ihren Gruppenverantwortlichen, Pit.
Raoul sagte schließlich: „Kommt, lenken wir uns ab. Hier, ich hab Würstchen mitgebracht, die könnt ihr aufspießen und übers Feuer halten."
Alle waren über diese Idee froh, denn sie lenkte sie von der Tatsache ab, das Pit eventuell tot war. Nur Cain blockte mit den Worten: „Nein danke, ich verzichte." Und fügte leise, mehr zu sich selbst, aber laut genug, das Luciana es hören konnte hinzu: „Auf eure Würstchen.."
Er griff in seine Tasche und holte eine Schachtel Zigaretten heraus. Als das Feuerzeug beim dritten Versuch noch immer nicht anging, schimpfte er: „Fuck!" und wandte sich dann an Luciana, die neben ihm saß: „Hast du mal Feuer?" Sie blickte ihn böse an und schaute geradeaus, ohne zu antworten. „War ja nur ne Frage." Er verdrehte wieder einmal die Augen und kämpfte weiter mit seinem verkrüppelten Feuerzeug. Dabei flüsterte er zu sich selbst: „Jetzt muss ich zwei Monate meines kostbaren Lebens hier bei diesen Deppen verschwenden..."
Luciana dachte nach. Waren nicht eigentlich alle freiwillig hier? Cain offensichtlich nicht!
'Pff... kostbares Leben' dachte sie, 'Was bildet der sich eigentlich ein? Arrogantes Arschloch.'
Da kam die letzte Gruppe an, Gruppe E und setzte sich. Alle warteten gespannt, ob nun endlich jemand ihnen erklären würde was mit Pit war.
Mr. Samson, der Leiter des Camps stellte sich auf eine Kiste, und erklärte:
„Liebe Camperinnen, liebe Camper. Ich habe nun die schwere Aufgabe, euch eine traurige Nachricht zu überbringen. Der Gruppenführer der Gruppe B kam auf dem Weg hierher... ums Leben."
Allen stockte der Atem. Adely weinte und Tito ballte die Fäuste.
„Aber, wie ist er zu Tode gekommen?" fragte Luciana Mr. Samson. Dieser schluckte. Sollte er den Kindern die Warheit sagen? Doch Cain unterbrach sie schon, und antwortete: „Der wurde garantiert ermordet." Alle Blicke richteten sich auf ihn. Auch die aus den anderen Gruppen, die Cain ja noch nicht kannten. „Ist das wahr?" wandte sich Luciana an Mr. Samson. Und dieser musste erneut schlucken. „Ja, leider..."
Entsetzt starrten alle auf Mr. Samson und Cain. Ein Mord war passiert! Und das bereits am zweiten Tag nach der Ankunft!
Neutral
Zurück auf dem Campingplatz, wollte keiner mehr feiern, spielen oder Spaß haben.
Cain, der inzwischen ein ordentliches Feuerzeug hatte, steckte sich eine an und lehnte sich, lässig, wie immer an einen Baum. Luciana beobachtete ihn misstrauisch. Tito bemerkte dies und ging zu ihr hin. „Was ist los?" flüsterte er, damit Cain sie nicht bemerkte.
„Er hat es gewusst!" Stieß Luciana hervor. „Wie bitte?" „Er das mit Pit gewusst! Das, das er..." sie brach ab.
„Du denkst doch nicht wirklich das, was ich denke, das du denkst? Cain würde doch nie..."
„Ich trau dem Kerl alles zu, wenn ich ehrlich bin. Der ist mir nicht geheuer..."
„Ach Quark! Der ist zwar bisschen komisch, aber das heißt noch lange nicht, das er gleich mordet. Das er wusste, dass Pit ermordet wurde, halte ich für reinen Zufall. Der denkt doch über alles negativ."
Luciana war nicht überzeugt, nickte aber. „Ist gut." Sagte sie, „vielleicht mach ich mir einfach zu viele Gedanken. Aber trotzdem... ich werde den Typ im Auge behalten."
In dem Moment drehte Cain sich um und sah die Beiden. Er grinste. 'Aha, jetzt werd ich schon von Kindergartenkindern beschattet.' Dache er amüsiert.
Als er den Kopf wieder zurück in Richtung Zelte drehte, sah er Adely auf sich zukommen. Als sie ganz knapp vor ihm stand, scheuerte sie ihm eine und schrie ihn an: „MÖRDER!"
Cain griff in seine Tasche und zog ein Messer heraus, das er Adely an die Kehle hielt. „Hast du ein Problem damit?" flüsterte er ihr teuflisch zu.
Adelys Augen weiteten sich und sie hielt die Luft an.
Einige Sekunden, die ewig zu dauern schienen, passierte gar nichts...
Dann warf Cain seine Waffe drei Meter weit weg und lachte. „Du hättest eben mal dein Gesicht sehen sollen! Wie ein Schwein, kurz bevor es geschlachtet wird!" Das war natürlich kein sehr gelungener Scherz. Adely sah ihn immer noch geschockt an, und lief dann, halb verängstigt, halb wütend, zurück in ihr Zelt.
Luciana fand ihre Vermutung mehr als bestätigt, aber leider hatte sie nicht den geringsten Beweis dafür. „Siehst du!" sagte sie an Tito gewand. „Ich hab's dir doch gesagt." Doch Tito lächelte. „Welcher Mörder zieht den Verdacht denn so auffällig auf sich? Du siehst Gespenster, Luciana. Der Kerl hat einfach nen verkorksten Humor, mehr nicht."
'Hoffentlich...' dachte Luciana...
Als die Camper an diesem Abend ins Bett gingen, dachten sie alle dasselbe: Kein Wort mehr, über das, was mit Pit geschehen war! Sie mussten es verdrängen und versuchen das beste aus dem Rest des Sommers zu machen. Keiner glaubte, das einer seiner Mitcamper als Mörder in Frage kam, außer Luciana vielleicht!
Am nächsten Morgen wurde ihnen ein neuer Gruppenleiter zugeteilt. Er hieß Barry Jones und war 43 Jahre alt. Er sah streng aus, mit seiner Hornbrille und dem lichten grauen Haar.
Am Vormittag wurde Monopoly gespielt, und Cain gezwungen mitzumachen. Das kotzte ihn ganz besonders an. Danach spielten die anderen draußen fangen oder verstecken und Cain zeichnete, an einem Klapptisch, den er mitgebracht hatte.
„Gleich hab ich dich!" rief Raoul Luciana zu. Er kam näher und griff dann mit seinen Armen um ihre Tailie. Beide kamen dabei zu Sturz, lagen im Gras und lachten. Tito und Erika kamen dazu und hüpften auf Raoul und Luciana, um ein Massengeknuddel zu starten. Alle waren ausgelassen und lachten. Sie schafften es sogar, den ganzen Vormittag lang, nicht einmal an Pit zu denken. Cain versuchte sich auf sein Werk zu konzentrieren, damit ihm nicht übel wurde. Zu sehen war dort, die Landschaft um das Camp herum. Birken und Eichen, zwischen hohem Gras und Löwenzahn. Ganz in der Nähe gab es sogar einen See, mit Schilf, Fröschen, Libellen und allem was dazugehörte. Cain hatte sich vorgenommen, dies irgendwann einmal, ebenfalls als Motiv zu wählen.
Adely hatte sich von der Gruppe entfernt, um Cain zu beobachten. Sie wusste natürlich nicht, was er zeichnete, doch sie vermutete irgendetwas ganz furchtbares. Bisher hatte Er noch nichts weiter aufregendes gemacht, und sie wollte ihren Plan schon aufgeben, ihn zu beschatten, als er plötzlich in seinen Rucksack griff. Heraus holte er eine kleine Plastikschachtel, öffnete sie und entnahm ihr zwei gelblich gefärbte Tabletten, die er schluckte.
Adely erschrak. „Was nimmt der da?" fuhr es ihr durch den Kopf. Sie ging zu ihm hin, und fragte: „Was waren das für Tabletten, die du eben geschluckt hast?!" Cain schaute zuerst verwundert, dann aber grinsend zu ihr auf, und erwiderte: „Was wohl? Ecstasy natürlich!"
Adely verlor kurz die Fassung, rannte aber schon Sekunden später davon. „Herr Jones! Herr Jones! Cain nimmt Drogen!"
Die anderen horchten auf, als sie das Geschrei hörten und gingen zu Adely, genauso wie Barry Jones.
Erika: „Ist das wirklich wahr, Adely? Woher weißt du das?" - „Er hat es mir gesagt und ich hab's auch gesehen!" Sie war froh, endlich etwas gegen Cain in der Hand zu haben. Vielleicht musste er jetzt nach Hause gehen und würde sie in Ruhe lassen.
Herr Jones ging zu Cain hin, und sprach ihn darauf an. Die Aufmerksamkeit der Gruppe war nun dem das Gespräch zwischen Barry und dem vermeintlichen Junkie gewidmet.
„Stimmt das, was Adely mir gerade berichtet hat? Das du Drogen nimmst?" Cain verdrehte die Augen. 'Die glaubt auch wirklich alles!' „Nein, natürlich nicht!"
Adely sprang auf und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Und was war das dann vorhin, was du geschluckt hast?!"
„Tabletten, die mir der Arzt verschrieben hat, wegen meiner Herzkrankheit." Entgegnete Cain trocken. Er holte einen Zettel aus seinem Rucksack. „Hier, das ist die ärztliche Bescheinigung." Mit diesen Worten wendete er sich wieder seinem Bild zu und dachte amüsiert: 'Tja, Pech gehabt Adely. Ein Punkt für mich. Da hast du wohl voll in die Scheiße gegriffen, was?'
Luciana
Adely hatte sich offensichtlich getäuscht. 'Also schon mal keine Drogen!' sie atmete erleichtert auf, während Adely sichtbar enttäuscht wirkte. Luciana ging ein paar Schritte auf Cain zu und sah ihm über die Schulter. 'Was malt der denn da?' fragte sie sich, und als sie das Bild erblickte, musste sie schlucken. Dieses Bild war wirklich wunderschön, musste sie sich eingestehen. 'Ich hätte niemals gedacht, das ausgerechnet er so was kann!' Dann wendete sie sich ab.
Den ganzen Tag lang musste sie nachdenken. Über Pit, Cain und ihren Geliebten Raoul. Von wem wurde Pit ermordet? Konnte ein Mensch, der mit soviel Liebe, so wunderbare Dinge zeichnete wirklich ein Mörder sein? Was empfand Raoul wirklich für sie?
Plötzlich fielen ihr die Worte von Cain, beim Lagerfeuer wieder ein. Was hatte er noch gleich gesagt? „Mein kostbares Leben". Was bedeutete das? 'Es könnte mit dieser Herzkrankheit zu tun haben' überlegte sie. 'Vielleicht sollte ich ihn danach fragen.'
Es vergingen einige Tage, ohne besondere Ereignisse. Der Sommer schien doch noch okay zu werden. Es wurden Wettbewerbe veranstaltet, Spiele gemacht und eine Schnitzeljagd, sorgte für Aufregung. Luciana kam nicht mehr sehr oft zum nachdenken und vergaß die Sache mit Cain vorläufig. Was nützte es auch, sich ewig Gedanken über diesen Mistkerl zu machen?
Erst an diesem schwülen Juliabend, passierte wieder etwas wirklich aufregendes. Die Sonne ging unter, und tauchte die Landschaft in ein rötliches Licht. Die Grillen zirpten und einige Vögel sangen. Cain saß einmal wieder auf seinem Klappstuhl und zeichnete. 'Etwas Gutes hat es doch, hier zu sein.' dachte er, 'Es gibt hier schöne Motive.'
Um ihn herum lachten und tobten die Anderen. Adely war das erste Mal seit Pits Tod, wieder richtig ausgelassen, hatte aber trotzdem nicht aufgehört Cain zu beobachten. Das war so auffällig das es richtig nervte! Obwohl Cain wusste, das dass jetzt ziemlich fies war, sagte er zu ihr: „Na, Fettsau? Heulst du gar nicht mehr deinem Pitty nach?" Adely war über diese Aussage im ersten Moment geschockt. Dann verzog sich ihr Gesicht, und heulend rannte sie weg. Die anderen sahen Cain böse an. Raoul kam auf ihn zu, um ihn zurechtzuweisen, und erblickte das Bild, das der Unruhestifter gezeichnet hatte, und auf dem der Sonnenuntergang zu sehen war. Raoul lachte, und schnappte es sich. „Sieh an, unser kleiner Psychopath kann also zeichnen, was?" „Gib das wieder her." Befahl Cain trocken.
Luciana, die schon eine ganze Weile zugesehen hatte, fand, das dieser Streit nun wirklich nicht sein musste. Sie wollte gerade aufstehen und dazwischen gehen, als Raoul das Blatt Papier zeriss, und es Cain ins Gesicht warf. „Hier!" schrie er. „Ich glaube das gehört dir!"
In Cains Gesicht zeigte sich keine Regung. Er blickte stumm auf die Papierfetzen, die auf dem Boden lagen.
Luciana ging auf Raoul zu, und starrte ihn wütend an. „Warum hast du das gemacht?!" schrie sie an. Cain fiel ihr ins Wort: „Ist schon okay, mach dir keine Sorgen." Er stand auf und ging in sein Zelt.
Doch damit gab sich Luciana nicht zufrieden. „Das war richtig gemein von dir, Raoul! So was hätte ich niemals von dir erwartet!" „Wieso verteidigst du dieses Arschloch? Der hat Adely so was von fertig gemacht!" entgegnete Raoul, sichtlich wütend über ihre Widerworte. „Nur weil er zeichnen kann, verteidigst du ihn plötzlich! Das ändert doch nichts an seinem miesen Charakter!"
Sie hatte genug gehört und wollte das Gespräch nicht ausweiten. „Tut mir leid..." murmelte sie und lief davon. „Wieso haust du einfach ab?" rief Raoul ihr hinterher, doch sie reagierte nicht. Jetzt wollte sie lieber allein sein, um Zeit zum Nachdenken zu finden.
Luciana setzte sich in ihr Zelt und hörte ein wenig Musik. Sie musste an die Worte ihrer Mutter denken, als sie damals ein Mädchen aus ihrer klasse gehänselt hatte... 'Kein Mensch wird mit schlechten Charakter geboren', hatte sie gesagt, 'Es steckt meist mehr dahinter.'
Luciana kam sich dumm vor, so oberflächlich gewesen zu sein. Und was war nur mit Raoul los? So kannte sie ihn gar nicht.
'Ich muss mit ihm reden!' dachte sie plötzlich, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. 'Hätte eh keinen Zweck - oder?'
Cain
Cain lag in seinem Zelt und hörte Walkman. 'Idioten,' dachte er. 'Das sind doch alles Idioten...' Was interessierte es ihn schon, was sie von ihm hielten. 'Noch über einen Monat hier!' ärgerte er sich. 'Was will ich hier eigentlich?!'
Plötzlich öffnete jemand von Außen sein Zelt, und kam herein. Es war Luciana!
„Tut mir leid..." begann sie langsam „wegen vorhin. Ich bin sicher, das Raoul das nicht so gemeint hat." „Was willst du hier? Verpiss dich!" blaffte er sie an, woraufhin sie zurückwich. Sie drehte sich ein wenig weg, blieb aber im Zelt. „Du kannst wirklich gut zeichnen, hätte ich nicht von dir gedacht." Versuchte sie, die peinliche Stille zu durchbrechen. „Schleimen kannst du woanders! Hau endlich ab! Du bist doch keinen Deut besser als die Anderen!" Doch Luciana gab nicht so schnell auf. „Was soll das? Wieso kannst du nicht einmal freundlich sein?" „Lass mich bloß mit dem Scheiß in Ruhe, ich bin freundlich wann, und zu wem ich will!" Nun musste sie sich wohl geschlagen geben. „Ist gut, ich geh ja schon..."
'Was soll den der Scheiß? Wer hat dieser Schlampe eigentlich erlaubt in mein Zelt zu kommen?!' regte Cain sich innerlich auf.
Neutral
Raoul stand zwischen den Anderen und meinte verärgert: „Dieser Cain macht nur Schwierigkeiten! Wegen dem ist Luci jetzt sauer auf mich!" Tito nickte und Erika schüttelte sauer den Kopf. Alan hielt es für besser, sich nicht einzumischen. Das ging ihn ja wirklich nicht das Geringste an.
Tito: „Ich finde, wir sollten ihm diese ganzen Gemeinheiten zurückgeben! Das mit Adely war jetzt wirklich das Allerletzte! Er kann immer nur die Stimmung runterziehen!" Alle stimmten dem zu, und beschlossen, Cain in Zukunft das Leben schwer zu machen.
In diesem Moment, kam Luciana. „Raoul, tut mir leid, wegen vorhin. Ich weiß auch nicht richtig, warum ich mich eigentlich für diesen Typ einsetzte." Raoul lächelte warm. „Ist schon okay...."
Der Abend neigte sich dem Ende zu, als Tito und Raoul ihren Plan schmiedeten. Die Nacht war dunkel und trübe. Schwere Nebelschleier lasteten zwischen den Wipfeln der Bäume. Es war kalt und der Wind spielte leise mit den Blättern, das es sich anhörte wie ein Lied... „Ob der Typ schon pennt?" fragte Tito, an seinen Freund gewand. „Sicher." Antwortete dieser. Sie schlichen auf Cains Zelt zu, und öffneten es leise... einige Minuten lang konnte man nichts erkennen, dann verschwanden sie wieder, in der Dunkelheit...
Cain
'Verdammt! Wo sind sie denn nur?' Cain durchwühlte seit einer Stunde immer und immer wieder seine Tasche und das gesamte Zelt. Er wurde langsam nervös und hektischer. Das musste ein Alptraum sein. 'Ich hatte sie doch hierhin gelegt!' dachte er verzweifelt und durchwühlte alles noch einmal von vorne.
Der Wecker, der neben seiner Matratze stand, zeigte an, das es vier Uhr 25 Morgens war. Wenn er nicht bald seine Tabletten fand, dann würde es echt knapp, denn normalerweise war halb Drei die festgelegte Einnahmezeit. 'Nur noch eine halbe Stunde, verdammte Scheiße!' Schließlich gab er auf und lies sich zurück auf sein Lager sinken. 'Hier sind sie jedenfalls nicht. Aber wo dann? Vielleicht hab ich sie gestern beim zeichnen liegen lassen?' diese Überlegung kam ihm zwar komisch vor, weil er normalerweise niemals seine Medikamente vergas, aber einen Versuch war es wert. Cain öffnete das Zelt und verlies es, um sich auf den Weg zu machen. Die Taschenlampe in seiner Hand leuchtete grell, und tauchte die Umgebung in unwirkliches, künstliches Licht. Er kam zu der Stelle, wo er gestern gezeichnet hatte, und blickte sich um. Nichts.
Hektisch schob er seinen Ärmel nach hinten um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Es war fünf Uhr! 'Nein!' er wurde von Panik ergriffen. Doch plötzlich fiel ihm etwas ein: 'Ob diese Idioten mir etwa die Tabletten geklaut haben? Aber so doof können die doch gar nicht sein!' Als er den Hügel wieder herunter rannte, spürte einen immer größer werdenden stechenden Schmerz in der linken Hälfte seiner Brust. 'Verdammt!' er konnte nicht mehr stehen und setzte sich. Langsam begann alles um ihn herum zu verschwimmen. In seinem Kopf drehte sich alles, und dann war da nur noch schwarz.
Cain kippte nach hinten um, und sank schweratmend ins feuchte Gras...
Alan
Alan war aufgewacht um kurz auf die Toilette zu gehen. Es war bereits sechs Uhr Morgens und die Sonne war schon ein bisschen aufgegangen. Der Streifen Am Horizont durchbrach das Grau der Nacht als Alan den Hügel hinauf lief, und bemerkte das dort, wo Cain gestern sein Bild gezeichnet hatte, jemand lag. Als er sich der Gestalt näherte, erkannte er, dass es der Unruhestifter selbst war.
'Komischer Ort um zu schlafen.' Dachte Alan und senkte seinen Kopf über Cain. „Hallo! Aufwachen! Was machst du denn hier bitteschön?!" Der Angesprochene rührte sich nicht.
Dies verwunderte Alan und er begann den Versuch, Cain wachzurütteln, und warf dabei zum ersten mal einen Blick auf sein Gesicht, das kreidebleich war. 'Irgendwas ist hier faul!'
Alan lies von Cain ab und rannte zu Barry Jones Zelt. „Mr. Jones?!" schrie er, „Wachen sie auf! Schnell! Ich glaube Cain ist ohnmächtig!" Er schrie so laut, das die anderen ebenfalls aufwachten und sich verschlafen und verwundert aus ihren Zelten begaben. „Was ist los? Was machst du hier für nen Radau?" fragte Tito verschlafen. Alan, der erschöpft vom Rennen war, gab ihm keuchend zur Antwort, dass er Cain ohnmächtig auf der Wiese gefunden hatte, woraufhin dieser erblasste.
Mr. Jones lief, so schnell er konnte zum Sanitärzelt um ärztliche Hilfe zu holen.
Nachdem sie Cains Akten geprüft, und bemerkt hatten, dass er an einer schweren und unheilbaren Herzkrankheit litt, besorgten sie das helfende Medikament und flößten es dem Ohnmächtigen ein. Danach transportierten sie ihn ins Sanitärzelt, legten ihm einige kühlende Eisbeutel in den Nacken, verließen das Zelt und wandten sich dann ernst an die anderen Mitglieder der Gruppe. „Er wird überleben, aber es war wirklich sehr knapp." „Da hatte dein Freund wohl großes Glück, das du zufällig vorbeigekommen bist." Meinte einer der Ärzte freundlich an Alan gewand.
Luciana war geschockt und hatte noch immer nicht richtig verstanden, was passiert war. „Was ist denn nun eigentlich mit ihm?" hakte sie nach. „Nun, eigentlich verschreiben wir Ärzte bei dieser Krankheit ein Mittel, das zu bestimmten Uhrzeiten eingenommen werden muss. Der Patient muss gut darauf acht geben, das er nie vergisst die Tabletten zu schlucken, ansonsten begibt er sich in Lebensgefahr. Ich weiß nicht wie euer Freund so leichtsinnig sein konnte."
Raoul und Tito warfen sich betretene Blicke zu und schluckten. Tito sah ihn fragend an, doch Raoul schüttelte energisch den Kopf. Kurz überlegte der Rotschopf noch, dann ging er einen Schritt nach vorn und gestand: „Wir haben ihm seine Medikamente geklaut... Wir wussten doch nicht, das es so ernst ist, es sollte nur ein Streich sein! Tut mir leid..."
Luciana traute ihren Ohren nicht und fragte: „Wen meinst du bitte mit Wir?"
„Mich und Raoul natürlich." Entgegnete Tito, woraufhin Luciana Raoul einen hasserfüllten Blick zuwarf und ihn anbrüllte: „Was seid ihr denn für Schweine?! Habt ihr kein Gehirn? Ihr hättet ihn fast umgebracht!" Raoul rechtfertigte sich mit den Worten: „Wir haben doch nicht gewusst, das es so wichtig ist, das er die Tabletten nimmt!" „Er nimmt sie natürlich nur zum Spaß oder wie?! Ich hasse dich Raoul!" mit diesen Worten versetzte sie ihrem Freund eine Ohrfeige und lief weinend davon...
Cain
Cain erwachte auf einem Krankenlager, und das erste was er wahrnahm war ein unmenschliches Stechen in seinem Herz und ein brummen in seinem Kopf. Er lebte noch! Wie war das möglich? Er sah sich in dem Zelt, in dem er lag um und erblickte auf einem Klappstuhl der neben dem Bett stand seine Tabletten. Unter Schmerzen setzte er sich auf, nahm sie und schluckte sie.
In dem Moment betrat jemand das Zelt. Es war ein Mann in einem weißen Kittel, der ihn freundlich anlächelte, doch Cain erwiderte das Lächeln nicht. „Ich weiß, das tut jetzt erst mal sehr weh." Sagte der Arzt in netter Tonlage. „Aber glaub mir, in ein, zwei Stunden ist alles wieder okay. Da haben sich deine angeblichen Freunde aber einen ganz üblen Scherz mit dir erlaubt."
'Also doch!'
Der Arzt schüttelte den Kopf. „Das so etwas passieren konnte... Wieso hast du deinen Kameraden denn nicht gesagt wie wichtig es ist, das du deine Medikamente rechtzeitig bekommst?"
Genervt entgegnete der Kranke: „Würden sie solchen Idioten, die fähig sind sie fast umzubringen von ihren privaten Problemen erzählen?"
„Nein, vermutlich nicht!" Lachte der Arzt. 'Wie Scheißfreundlich der ist! Das kotzt mich gleich wieder an.' Dachte Cain und legte sich wieder hin.
„Jemand will mit dir sprechen." Verkündete der Arzt. „Deine Freundin?"
„Quatsch nicht!" blaffte Cain den ihn an. Luciana betrat das Zelt. Um ihre Augen waren rote Ringe, an denen man erkannte, das sie geweint hatte. Sie stürzte auf Cain zu und entschuldigte sich schnell. „Es tut mir ja so leid, ich wusste doch nichts davon!" „DU hast die Tabletten gestohlen?" schrie Cain aufgebacht.
„Nein! Natürlich nicht, so etwas hätte ich niemals..." „Geh jetzt!" schnauzte Cain sie an, „du und deine Freunde seid sowieso gleich! Verpiss dich eh mir schlecht wird!"
Einige Sekunden lang stand Luci da ohne etwas zu sagen oder zu tun. Dann lief sie weg.
Draußen brach sie wieder in Tränen aus. 'Er hat allen Grund mich zu hassen!' dachte sie unglücklich. Ein Arzt der in der Nähe stand und darauf aufmerksam wurde, sprach sie an: „Was ist denn los? Wieso weinst du denn?"
Sie blickte ihn tränenüberströmt an und erklärte ihm alles. Dann stellte sie ihm eine Frage: „Könnten sie mir den Gefallen tun, und mir erklären was das eigentlich für eine Krankheit ist und was es damit auf sich hat? Ich würde Cain gern besser verstehen."
Der Arzt schluckte betreten. „Die Sache ist die, dass diese Krankheit unheilbar ist und drei Jahre nach dem Erkranken zum Tod führt. Üble Sache."
Luciana riss die Augen auf. Jetzt wurde ihr schlagartig alles klar. Das hatte er also mit dem „kostbaren" Leben gemeint! Das war ja furchtbar! „Wie lange hat er das schon?"
„Ungefähr zweieinhalb Jahre..." murmelte ihr Gegenüber.
Sie blickte zu Boden. Stille trat ein.
Alle möglichen Gedanken schwirrten durch ihren Kopf. Wie würde sie sich wohl anderen gegenüber verhalten, wenn sie nur noch knapp ein halbes Jahr zu leben hätte? Sie verstand nun einiges besser und hasste sich selbst dafür, das sie so oberflächlich gewesen war und nicht nachgefragt hatte. Aber, wen sie noch mehr hasste, war Raoul! Dieses verflixte Arschloch!...
Neutral
Nach einiger Zeit stand Cain wieder auf den Beinen und versuchte den anderen aus dem Weg zu gehen. Als Cain sich etwas zu Essen holen wollte überwand sich Tito und sprach ich an was Cain nicht im geringsten erfreute: „Ahmmm... Cain? Wegen der Sache mit den Tabletten...das... tut mir echt leid ich hatte ja keine Ahnung davon das es so wichtig ist, ich meine die Medi...kament..." Tito konnte nicht die richtigen Worte finden, denn Cain warf ihm nur einem eiskalten Blick zu und ging ohne ihm zu zuhören weiter. Tito blickte ihm traurig über den missglückten Versöhnungsversuch hinterher.
Am Nachmittag war klaren wolkenloser, blauer Himmel über dem Camp. Es wer sehr heiß geworden und die meisten Camper trieben sich draussen im Wald herum, der als einziger kühlenden Schatten spendete. Luciana hatte zum Fusse alten Eiche gesetzt und musste das geschehene des Tages verarbeiten. Sie sah hinauf zum tief grünen Blätterdach der Eiche, durch das die Sonne strahlte.
In den letzten Tagen kam ihr Rauol total entfremdet vor, sie musste das einfach mit ihm klären.
Mit diesen Gedanken erhob sie sich und machte sich auf die Suche nach ihrem Freund.
Diesen fand sie zusammen mit Erika und Leyla, die ausgelassen lachten, was Luciana verärgerte. „Raoul?" begann sie mit ernster Stimme „Ich muss mit dir reden. Allein!" Raoul verstand das dies keine Bitte, sondern ein Befehl war und ging ohne ein Wort mit.
„Also worüber willst du mit mir reden?" fragte er lässig, was Luciana äußert verwunderte. „Das weißt du. Es geht um Cain, ich weiß zwar nicht warum das mit ihm gemacht hast aber ich glaube das du nichts davon wusstest..." Luciana stoppte kurz, denn Raouls Aufmerksamkeit schien mehr dem Gras als ihr zu gelten. „Hörst du überhaupt zu?!" schrie sie wütend. Er sah sie darauf hin mit einem 'Was für eine Bekloppte...'-Blick an und entgegnete: „Komm wieder runter! Es ist doch nichts passiert und außerdem geschah es diesem Typ doch Recht!" „Wie kannst du so etwas nur sagen?" Fragte sie ihn leise, „ das passt doch nicht im geringsten zu dir, vielleicht hat er ja ein Grund für sein Verhalten aber an so etwas denkst du ja erst gar nicht! Was ist nur los mit dir? Seit du hier bist hast du dich total verändert!" schnauzte sie ihn an, worauf er mit sonderlichem Desinteresse: „pfff...der Kerl ist doch der übelste Arsch, und verändert habe ich mich nicht im Geringsten mir ist nur in letzter Zeit aufgefallen das DU seit wir diesen bekloppten Cain kennen irgendwie total verspannt bist!" sagte.
Luciana verschlug es einen Moment lang die Sprache. Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich wieder gefasst hatte.
„Du hast doch keine Ahnung Raoul! Cains Verhalten hat nicht das Geringste mit seinem Charakter zu tun!" Raoul lächelte überheblich. „Ach nein? Und womit dann bitteschön?" er lachte, „Mit seinem Sternzeichen?"
In Lucians Augen traten Tränen, und sie starrte zu Boden. „Diese Krankheit, an der er leidet... sie endet tödlich... Cain hat nur noch knapp ein halbes Jahr zu leben, falls es dich interessiert!"
Raoul war wenig beeindruckt. „Das geschieht ihm Recht, dann ist er endlich, wo er hingehört." Luciana Nerven platzten. „Du verdammtes Drecksschwein!" kreischte sie ihren ehemaligen Freund an. „Geh mir aus den Augen, und lass mich allein! FÜR IMMER!" Sie versuchte auf ihn einzuschlagen, doch er hielt geschickt ihre Fäuste fest. Schließlich ließ er sie los, woraufhin sie einige Schritte nach hinten stolperte. Raoul drehte sich um und lief weg, ohne sich umzublicken.
Cain
Der See glitzerte in der heißen Sonne, und die Kaulquappen sammelten sich am warmen Ufer. Drei große, schöne, rosafarbene Seerosen schwammen auf der Wasseroberfläche, und auf einem ihrer Blätter saß ein Wasserfrosch. Das Schilf wiegte sich im Wind...
Cain saß auf dem Moosbedeckten Boden und zeichnete das, was er sah. Er drückte ungewöhnlich fest mit seinem Bleistift zu, sodass schließlich die Mine zerbrach. Er warf das Zeichengerät weg und schaute sich sein unfertiges Bild an. Es sah nicht so schön aus, wie seine sonstigen Werke, was wohl daran lag, dass er es, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, nur gezeichnet hatte um sich abzulenken. Wieder ein Monat war vorüber. 'Drei Jahre... Plus- minus fünf Monate' hatte der Arzt damals zu ihm gesagt. Also ging sein Leben langsam seinem Ende entgegen. Er würde zusammenbrechen und unter grauenvollen Schmerzen sterben.
'Das ist anders, als bei Leuten die umgebracht werden... wenn man es weiß, und sich darauf einstellt, ist es schlimmer! Und es ist auch schlimmer, als bei Menschen die am Alter vergehn... Sie hatten wenigstens etwas von ihrem Leben. Wie unfair das ist...'
Noch vor drei Jahren hatte er so viele Träume gehabt. Er hatte Maler werden wollen, irgendwann auf dem Lande leben und dort alles zeichnen. Nach dem Wissen von der Krankheit änderte sich alles. Von so vielen Träumen blieb ihm nichts, außer enttäuschter Hoffnung, innerem Zerfall und zersplittertes Glas.
Er hatte keine Lust mehr, nett zu anderen zu sein. Wozu auch? Es hatte eh alles keinen Zweck. Er starb sowieso ohne etwas zu hinterlassen.
Und dann waren da noch seine Eltern... Sie taten stets so, als wäre nie etwas passiert, und da er in der Schule keine Freunde mehr hatte, hatten sie ihn hierher geschickt. Er wusste, das sie es nur gut meinten, aber das war nach hinten losgegangen. Wenn er früher gewusst hätte, das sein Leben mit 16 enden sollte, dann hätte er es anders genutzt. 'Aber was nützt dieses „wenn" und „hätte", es ist doch sowieso alles gleich...'
Viel zu wenig hatte er gesehen und erlebt, viel zu viel versäumt. Gedankenverloren starrte er, noch Stunden, auf die Oberfläche des Sees...
Raoul
Raoul stapfte wütend durch den Wald, er liebte Luciana aber diese hatte einen Narren an diesem Arschgesicht Cain gefressen. Wenn der nicht wäre, hätte der Sommer bestimmt einen ganz anderen Verlauf genommen. Er und Luci hätte ihre Ferien glücklich verbringen können. Nur deswegen war er mit gekommen, aber dieser Idiot musste natürlich alles kaputt machen. Er verlies schnellen Schrittes den Wald und trat auf die Wiese mit den Zelten, lief weiter in Richtung See und erblickte schon von Ferne die Silouette von Cain. Raoul wollte schon um kehren wurde aber von plötzlicher Wut auf Cain gepackt, die ihn dazu trieb weiter zu gehen.
Cain
Cain sah auf seine Hände und bemerkte erstaunt das diese zitterten, Angst, er hatte tatsächlich Angst. Er wollte noch nicht sterben. Jetzt noch nicht...
Plötzlich hörte er Schritte hinter sich, er drehte sich um und sah Raoul der wütend auf ihn zu kam. Ehe Cain begreifen konnte schlug er ihm die Faust ins Gesicht. Cain fiel nach hinten und flog rücklings den Hang hinunter zum See. Einige Meter vor dem Ufer blieb er liegen. Aufstehen wollte er nicht, warum auch? Sollte ihn dieser Muskelprotz, warum auch immer, doch tot schlagen. Folgte ihm mit raschen Sätzen und als er Cain erreicht hatte trat er ihn in den Bauch. Cain krümmte sich unter Schmerzen...
Nach drei, vier weiter Tritten ging Raoul wieder und Cain lag bewegungslos auf der Erde. Er Blickte gen Himmel, wie schön blau der doch war. Er hatte noch nie einen so wunderschönen Himmel gesehen. Er blieb noch liegen bis sich der Himmel langsam rötlich färbte. Cain richtete sich langsam auf, den Sonnenuntergang musste er noch malen. Er liebte Sonnenuntergänge obwohl sie ankündigten das er wieder einen Tag verloren hatte. Wieder ein sinnlos vergeudeter Tag...
Neutral
Raoul kam im Camp an, und gesellte sich zu den anderen Campern. Keiner fragte nach wo Cain denn bliebe. Tito war sauer auf Raoul und schlug vor das er sich bei Cain entschuldigen sollte, so wie er selbst es getan hatte, doch Raoul tat so als hätte er die Bemerkung überhört. Da wurde Tito ärgerlich und sagte mit lauterer Tonlage: „Du solltest dich bei Cain entschuldigen, was wir mit ihm gemacht haben war echt nicht fair!" „Wieso, verdammt noch mal, sollte ich mich bei dem Arsch entschuldigen? Und für was eigentlich? Dafür das er unsere Ferien zunichte gemacht, oder wie?" Tito sah ihn verdutzt an „Nein, aber vielleicht dafür das du ihn fast umgebracht hast!" „Das wäre dem Kerl doch ganz recht geschehen!" entgegnete Raoul spöttisch. Der Rothaarige wurde langsam ernsthaft sauer auf ihn: „Was soll das? Du hörst dich ja an wie ein Mörder, keinem geschieht der Tod recht, nicht mal dir!" Damit hatte er keine Lust mehr sich mit Raoul abzugeben, wandte ihm den Rücken und schritt aus dem Zelt.
Inzwischen hatte auch Luciana beschlossen, zurück zu gehen, obwohl sie eigentlich überhaupt keinen Grund dazu hatte. Was wollte sie denn bei den anderen, jetzt, wo Raoul sich zu so einem miesen Schwein entwickelt hatte? Was nützte es noch, sich einzubilden, man hätte Spaß? Ihr war die Laune gründlich verdorben worden! Sie musste immer noch an Cain denken und empfand großes Mitleid für ihn. Die Vorstellung, genau zu wissen, das man nicht mehr lange lebt, und das Ende mit schon 16 Jahren zu erreichen stellte sie sich grauenvoll vor. Wie schlimm musste das für ihn sein, und wie gerne hätte sie ihm irgendwie geholfen. Aber das war natürlich unmöglich.
Als sie den Wald verlies, und den Hügel zum Campingplatz hinunterging, fiel ihr Blick auf die wunderschöne, tiefrotleuchtende Sonne, die gerade unterging. Dann sah sie Cain, der auf halbem Weg, saß, und zeichnete. Diesmal nicht nur mit Bleistift, sondern mit Wasserfarben. Sie seufzte und ging, ohne ein Wort an ihm vorbei. Sie an seiner Stelle, wäre nicht gern angesprochen worden.
Von weitem hörte sie ärgerliche Stimmen, aus einem der Zelte. Es war Tito, und er schrie fast. „Was soll das? Du hörst dich ja an wie ein Mörder, keinem geschieht der Tod, nicht mal dir!"
Mal wieder Streit, das war ja nichts neues mehr... Der Sommer hatte Lucianas Erwartungen nicht im Mindesten erfüllt. Wie sie sich darauf gefreut hatte, und wie furchtbar es geworden war! Was sollte sie jetzt tun? Wenn sie Raoul für den Rest des Sommers ignorierte, dann war ihre Beziehung beendet, und sie war wieder ganz alleine. Mit ihm reden wollte sie auch nicht, es war alles schon gesagt. Wie hatte sie sich nur so in ihm täuschen können? Es war wie verkehrte Welt.
Ja, zu beginn der Ferien, hatte selbst sie gedacht, das Cain einfach nur ein mieser Typ war, der ihnen den Sommer vermiesen wollte, und Raoul ein herzensguter Mensch. Jetzt hatten sie plötzlich die Rollen getauscht. 'Verrückt!' dachte Luciana und ging in ihr Zelt, wo Adely schon war. Aber sie schlief nicht.
Adely erzählte Luciana irgendetwas über Mode und die neue Saison, was sie eigentlich nicht sonderlich interessierte. Irgendwann hörte das mollige Mädchen auf zu reden und fragte: „Ist irgendwas mit dir?"
War etwas mit ihr? Nun, eigentlich schon. Aber sie hatte jetzt wirklich keine Lust, ausgerechnet Adely davon zu erzählen, also antwortete sie mit: „Nein, es ist nichts..."
Cain
Nachdem er das Bild fertig gestellt hatte, ging er zurück ins Lager. Nur in einem der Zelte brannte noch Licht und zwar im Gemeinschaftszelt. Wer da wohl noch drin ist? Aber wirklich interessiert es ihn nicht, erst als er Raouls und Erikas Stimmen hörte, wurde er neugierig. Einen Moment lang fragte er sich noch, ob ihn das eigentlich etwas anging, doch dann ging er zu dem Zelt und öffnete es. Erika hatte die Beine und Raoul geschlungen und sich auf seinen Schoss gesetzt. Die beiden küssten sich gerade, als Cain sie entdeckte. Irgendwie belustigte ihn das Bild, er wusste selbst nicht warum.
Raoul drehte seinen Kopf in Cains Richtung und blaffte ihn an: „Was hast du denn hier zu suchen? Geh sterben!" Der muskulöse Jugendliche stand auf und schubste Cain vom Zelt weg. Dann schloss er es wieder. Diese Reaktion war zu erwarten gewesen, aber was zählte das schon? Was interessierten ihn schon die Beziehungsprobleme dieser kleinen Idioten? '"Geh sterben", ja, vielleicht würde er das sogar. Aber sicher nicht, um Raoul einen Gefallen zu tun."
Schlafen wollte er nicht. Schlafen vergeudete Zeit, wertvolle Zeit... Vielleicht sollte er dasselbe tun, was er schon vor anderthalb Jahren getan hatte. Wer würde schon in seinem Zelt nachsehen? Diesmal könnte er ganz allein und in Frieden sterben. Das war besser, als auf den Tod zu warten, wenn man wenigstes wusste, wann es zu Ende ging.
In dem Moment kam Erika aus dem Gemeinschaftszelt und lief zu Leyla und ihrem Schlafplatz. Auch Raoul kam wenige Sekunden danach zum Vorschein. Er entdeckte Cain, der dort an einem Baum stand, rauchte, und nicht wusste was er jetzt tun sollte.
„Na? Schläfst du noch gar nicht?" fragte er spöttisch, aber der Angesprochene reagierte nicht. Er hatte jetzt wirklich größere Probleme, als sich mit diesem Trottel zu streiten. Das ärgerte Raoul, denn er mochte es gar nicht, ignoriert zu werden. Er ging zu Cain und stieß ihn ein bisschen mit der Handfläche. Doch dieser war so in Gedanken, dass er es fast überhaupt nicht mitbekam. Immer noch tat er so als währe Raoul nicht da.
Unter den Arm geklemmt, hatte er seine schwarze Mappe, in der er sicher alle seine Bilder verstaut hatte. Es war ihm unheimlich wichtig, das diesen Bildern nichts zustoß, denn sie waren das einzige, dass er nach seinem Tod hinterlassen würde.
Plötzlich griff Raoul nach der Mappe, woraufhin Cain ihn zum ersten Mal beachtete.
„Gib sie wieder her." Sagte er ruhig, „Ich glaube die gehören dir nicht..."
Raoul lachte mit künstlicher Stimme: „Was ist da eigentlich drin?" Er öffnete sie und sah einen Stapel, fein säuberlich geordneter Bilder, die sich darin befanden.
Er drehte die Mappe auf den Kopf, sagte: „Ups!" und alle Blätter fielen heraus und auf den Bode vor den Beiden. „Oh, das tut mir jetzt aber leid." Lachte er und schleuderte die Mappe gegen Cain. Dieser stand regungslos an dem Baum und sagte nichts.
Raoul trat auf eines der Bilder und machte sich dann auf den Weg zu seinem Zelt. Es war ein wenig Wind aufgekommen, und die Blätter flogen wild durch die Luft. Cain wartete, bis Raoul in seinem Zelt verschwunden war, und machte sich dann daran, die Blätter wieder aufzulesen, was sich als nicht so einfach wie gedacht herausstellte.
Was wollte Raoul damit bezwecken? Hasste er ihn so sehr, das er ihm schaden musste, egal wie? In dem Moment hörte Cain ein Rascheln, und dann einige Schritte. Es war Luciana, die nicht schlafen konnte und ein wenig frische Luft schnappen wollte.
'Nicht Die schon wieder!' Er wollte nicht, dass sie ihn sah, doch es war zu spät.
„Hallo." Erklang ihre Stimme, doch Cain antwortete nicht. Er wollte nur schnell seine Bilder wieder und dann zurück in sein Zelt. „Was machst du hier?" fragte sie neugierig.
„Geht dich nichts an." Entgegnete er kühl. „Ist gut... Dann eben nicht..." meinte Luciana, fast, als wolle sie sich entschuldigen. Als Cain alle seine Bilder eingesammelt hatte, verschwand er wieder, und lies Luci allein zurück... Im Weggehen lachte er noch, und rief ihr zu: „Hey, du hast dir ja nen tollen Freund ausgesucht. Sobald er dich nicht mehr hat poppt er jede erstbeste die ihm vor die Finger kommt." Mit diesen Worten öffnete er den Eingang seines Zeltes und kletterte hinein...
Luciana
Luciana blieb einige Minuten verdattert stehen. War das eben ernst gemein? Da entdeckte sie vor sich auf dem Boden ein Blatt Papier. Sie hob es auf, und erkannte, das es der Sonnenuntergang war, den Cain noch vorhin gezeichnet hatte. 'Ich sollte es ihm zurückgeben' dachte sie und klopfte an sein Zelt. Von drinnen drang seine genervte Stimme: „Was willst du denn noch?"
„Ähmm... Ich... du, hast ein Bild vergessen! Der Sonnenunter..."
„Behalt es." Sagte er, „Schenk ich dir."
Luciana traute ihren Ohren kaum. Wie war das? Warum machte Cain ihr ein Geschenk? „Bist du sicher?" hakte sie nach. „Ja, ganz sicher und jetzt hau ab und lass mich in Ruhe!"
Neutral
Als Adely bemerkte, das Luci wiederkam, tat sie so, als würde sie schlafen. Vielleicht würde sie noch irgendetwas interessantes erfahren! Sie schaute auf ihre Freundin und bemerkte, das diese ein Blatt in der Hand hielt und darauf starrte.
Was das wohl war? Nun konnte sie ihre Neugier nicht mehr halten, öffnete ihre Augen und fragte Luciana: „Was hast du denn da?"
In dem Moment war Luciana sehr danach, genau wie Cain, „Geht dich nichts an" zu sagen, doch dann überlegte sie es sich anders. „Das ist ein Bild." Erklärte sie trocken.
„Und was für eins?" hakte Adely nach. „Ein Sonnenuntergang..." fast hätte Luciana geweint, doch sie wollte ihre Gefühle nicht vor dieser Idiotin preisgeben. „Zeig mal!" verlangte das blonde Mädchen, und Luciana gab ihr das Blatt. „Schön..." meinte Adely und setzte gleich nach: „Hast du das gemalt?" Luci schüttelte den Kopf. „Nein... Das hat Cain gezeichnet."
Die Fette gab ihr das Bild zurück. „Wie kommst du dazu, ein Bild von Cain zu besitzen?" fragte sie neugierig. „Er hat es mir geschenkt... Gute Nacht!" sagte Luciana um das Gespräch zu beenden. Adely schaute kurz verdutzt drein, dann gab sie sich zufrieden und legte sich schlafen.
Noch immer war sie der festen Überzeugung, das Cain Pit getötet hatte. Doch sie interessierte sie eigentlich gar nicht mehr für Pit, sondern für Raoul. Er hatte ja in letzter Zeit soviel Streit mit Luciana, vielleicht konnte sie sich an ihn heranmachen? Aber was, wenn sie damit Lucis Gefühle verletzte?...
Es vergingen die Tage, und der Sommer neigte sich dem Ende entgegen. Raoul hatte den größten Teil seiner Zeit damit verbracht, Mädels anzubaggern oder Cain zu quälen. Das bereitete ihm offensichtlich Spaß. Luciana redete kaum noch, sie wollte wieder nach hause. Allen fiel auf, das Cain in den letzten Tagen blasser geworden war, und noch weniger als normalerweise sprach. Der vorletzte Tag im Camp brach an...
Luciana
Als Luciana an diesem Morgen aus ihrem Zelt kletterte fühlte sie sich komisch. Eigentlich war sie froh, das der Sommer vorüber war, aber... Irgendwie erschein ihr alles sinnlos. Als sie zum Wasserhahn lief, hörte sie Geräusche hinter sich. Es war Cain, der schon lange wach war und sich auf einen Stein gesetzt hatte. Sie beachtete ihn nicht. In den letzten Wochen war sie mit ihm kein Stück vorrangekommen. Beide waren sich aus dem Weg gegangen, und hatten nicht mehr gesprochen. Als er sie bemerkte, begrüßte er sie, mit einem „Hallo."
„Hallo" erwiderte sie und wandte sich dann wieder dem Wasserhahn zu. Schon komisch, das er auf einmal grüßte. Aber langsam wunderte sie gar nichts mehr.
Es war schon elf Uhr, als die anderen langsam erwachten. Es war für alle ein merkwürdiges Gefühl. Eigentlich war der Sommer doch gar nicht so toll gewesen, aber es würde ihnen schwer fallen, wieder ihrem normalen Leben nachzugehen. Nach den vergangenen vier Wochen, war die Beziehung zwischen Raoul und Erika kein Geheimnis mehr. Doch Luciana trauerte ihm nicht nach. Sie hatte zum Glück rechtzeitig erkannt, was für ein Mensch er wirklich war - ein arrogantes Arschloch.
An diesem Morgen waren aber auch andere Dinge komisch! Zum Beispiel das Cain sich allen gegenüber ungewohnt freundlich verhielt, und das ohne Ausnahme!
Das Mittagessen schmeckte nicht, und der Nachmittag war vollkommen ereignislos.
Am frühen Abend, schlenderte Cain noch ein letztes Mal am See entlang. Er setzte sich ins hohe Graß und blickte auf die Wasseroberfläche. Die zwei Monate waren vorbei, endlich konnte er nach Hause gehen.
Luciana wollte sich unbedingt verabschieden, und wusste, das dies der beste Zeitpunkt war. Also ging sie ebenfalls zum Ufer und setzte sich in die Sonne. Cain reagierte nicht, schien aber nicht verärgert zu sein. „Hm..." machte Luciana. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Doch Cain begann das Gespräch als erstes, was sie äußert verwunderte: „Na? Hat dir der Sommer gefallen?" seine Tonlage war ungewohnt fröhlich. Sie schaute darauf hin nur auf die Wasseroberfläche und Cain verstand das dies als Antwort genügte: „Also, nicht... Na ja, mir ehrlich gesagt auch nicht aber das tut ja hier nichts zur Sache..." „Ich wollt mich von dir verabschieden..." wechselte sie das Thema. „Hast du das Bild noch?" fragte er und sie entgegnete: „Ja, natürlich!". „Gut..." Cain tat so als wäre Luciana nicht mehr da und nahm seine Mappe zur Hand. Er überflog alle Bilder noch einmal und blieb bei einem ganz bestimmten Bild stehen: Ein Mädchen von ungefähr 14 Jahren war darauf abgebildet, die Zeichnung sah genial aus. Damit legte er sich ins Gras und hielt das Bild mit ausgestreckten Armen vor sich nach oben. Das Mädchen hatte einen rotbraunen Pferdeschwanz und blaue Augen. Sie lächelte und hielt einen Strauss Blumen in der Hand. Luciana wusste das Cain eh blocken würde, fragte aber trotzdem wer das Mädchen auf dem Bild sei.
„Katy... Meine frühere Freundin..." antwortete Cain, was Luci sehr verwunderte. Wieso sagte er ihr das? Sie blieb stumm...
Plötzlich sah sie Raoul, der den Hang hinunter lief, direkt auf Cain zu. Dieser bemerkte ihn zu spät, rührte sich nicht, so dass Raoul, das Bild, das er in der Hand hielt schnappte. Cain riss die Augen auf. „Gib das wieder her!" diesmal blieb er nicht ruhig, sondern schrie. Luciana bekam gar nicht alles schnell genug mit, da war es schon passiert. Raoul hatte mit einem Lächeln das Bild in den See geworfen...
Entsetzt blickte Cain auf das Blatt Papier das nun, aufgeweicht, auf der Oberfläche des Wasser trieb.
Dann ging alles ganz schnell.
Der schwarzhaarige packte seinen Klappstuhl, hob ihn hoch in Luft und schleuderte ihn auf Raoul´s Kopf. Dieser schrie auf, und sank dann, mit einer blutenden Platzwunde an der Stirn zu Boden. Cain schleuderte den Stuhl auf den Körper des Muskelprotz und lief dann zum See.
Luciana war ein bisschen verängstigt über diesen Wutausbruch von Cains Seite, fing sich aber recht schnell wieder, und lief hinauf zum Campingplatz um Hilfe zu holen. Egal was er für ein Schwein war, sie musste helfen!
Cain
Cain derweil stocherte mit einem Stock verzweifelt in dem See herum und versuchte das Bild wieder herauszufischen. Dem halbtoten Raoul neben sich schenkte er nicht die geringste Aufmerksamkeit. Schließlich bekam er das Blatt zu fassen und zog es aus dem Wasser. Die Farben waren ein bisschen verschwommen, aber man erkannte noch alles. Cain seufzte erleichtert auf, und stieg dann über den bewusstlosen Raoul, um ins Camp zurückzugehen...
Als er in seinem Zelt angekommen war, trocknete er das Bild mit Taschentüchern ab. Den Trubel, der um ihn herum war, war ihm egal. Jetzt zählte nur noch dieses Blatt Papier!
Neutral
Die Ärzte kamen einmal wieder voll zum Einsatz und brachten die Sache mit Raoul in Ordnung. Er schwebte nicht in Lebensgefahr. Cain bereute nichts. Was ging es ihn noch an, was mit diesem Trottel passierte? Der Campleiter, Mr. Samson allerdings, zog ihn zur Rechenschaft. Er sollte das Camp verlassen, doch da morgen sowieso alle heim fuhren war das gleich. Raoul verlangte, nachdem er aufgewacht war, ein Schmerzensgeld von 5000 Euro. Da Cains Eltern sehr wohlhabend waren, sollte sich daraus kein Problem ergeben. Nur geschockt waren sie, über seine Tat. Sie kannten den Grund nicht, und er würde es ihnen auch nicht sagen...
Als Die Busse am nächste Tag losfuhren, mit all den Campern und ihren Zelten und Taschen, da fühlte Luciana wieder dieses komische Gefühl. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, irgendwie mochte sie Cain, und nun würde der Abschied schmerzlich sein. Seine gewalttätige Tat, nahm sie ihm nicht übel. Raoul war viel schlimmer, und es geschah ihm eigentlich recht.
Der Bus bremste und die Jugendlichen gingen nach Draußen, wo ihre Eltern freudig auf sie warteten. Lucianas Mutter umarmte sie und stellte gleich tausend Fragen. Doch ihre Tochter hörte nicht hin, sondern sah nach Rechts, wo Cain von seinen Eltern empfangen wurde. Sie musterten ihn kurz, und nahmen ihn dann in die Arme. Plötzlich drehte er sich in Lucianas Richtung und winkte ihr zu.
'auf Wiedersehen' dachte sie... 'Nein,'.. Sie würden sich nicht wiedersehen... ihre Mutter zerrte sie ins Auto, und die Heimfahrt begann. Die Ältere plapperte munter drauf los und stellte ihrer Tochter alle möglichen sinnlosen Fragen. Diese reagierte nicht, sondern schaute auf das Bild mit dem Sonnenuntergang. 'Nein...' dachte sie. 'Sicher nicht...'
Nächstes Jahr würde er nicht wieder ins Camp kommen...
Ende