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Das Buch

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14.06.2015
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Das Buch

Als ich das Buch Die gruseligsten Geschichten aller Zeiten im Antiquariat der alten Frau Brunner erstand, konnte ich doch nicht ahnen, was mir bevorstehen würde. Man munkelte zwar, dass Frau Brunner eine Hexe sei – eine Voodoo-Priesterin gar - aber ich hielt mich immerhin für realistisch genug, um nicht an Hexen, Geister und dergleichen zu glauben.
„Hüten Sie sich wohl, dieses Werk nach Mitternacht zu lesen!“, hatte mir Frau Brunner als Warnung mit auf den Weg gegeben und mich dabei mit ihren wasserblauen Augen fixiert. Ich hatte bloß den Kopf geschüttelt, als die Ladentür hinter mir ins Schloss gefallen war. Was für ein Unsinn!
Selbstverständlich las ich Gruselgeschichten in der Nacht. Es war die schaurig-romantische Atmosphäre der finsteren Tageszeit, die ich brauchte, um bei dieser Art Literatur überhaupt auf meine Kosten zu kommen. Schon der Anfang der ersten Geschichte war spannend und bald war ich gefesselt von den bösartigen Kobolden, die heimlich Feuer legten oder kleine Bomben versteckten, um nichtsahnende Menschen grundlos in den Tod zu schicken. Während des Lesens kaute ich auf meinen Nägeln herum und konnte es kaum erwarten, zu erfahren, ob die wenigen Überlebenden die Schlacht gegen die Feuerkobolde gewinnen würden, oder nicht, als mir plötzlich ein eigenartiger Geruch in die Nase stieg.
Als ich irritiert den Kopf hob und in alle Richtungen schnupperte – es roch, als würde ein Kabel langsam verschmoren, bemerkte ich durch einen zufälligen Blick auf die große Wanduhr, dass es bereits nach Mitternacht war. Frau Brunners eindringliche Worte fielen mir ein. Ach was, dachte ich. Nichts als Einbildung. Ich beugte meinen Kopf wieder über das Buch, um weiterzulesen, doch nun schien der Brandgeruch nur noch intensiver zu werden und glühende Hitze schlug mir ins Gesicht. Es war, als würde das Papier in meinen Händen zu brennen beginnen, obwohl keine Flammen zu sehen waren. Ich bildete mir sogar ein, ein leises, hohes Lachen zu hören, nur konnte ich nicht ausmachen, woher es kam. Mit einem Satz sprang ich auf und ließ das glühend heiße Buch fallen. Doch es war zu spät. Ich konnte nur noch die Explosion hören und gleichzeitig spüren, wie mein Kopf vom Hals gerissen und gegen die Wand geschleudert wurde.

 
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Extrem kurz. Zu kurz. Man kann sich nicht in die Protagonistin einfühlen und es kommt auch keine wirkliche Spannung auf. Das Ende ist auch nicht gerade der Hit... Eine Frau (oder ist es ein Mann?) liest ein Buch. Nach Mitternacht gibt es eine Explosion und der Kopf wird ihr weggerissen. Den Inhalt kann man auf ein, zwei Sätze reduzieren. Gruselig ist es auch nicht, da es viel zu emotionslos erzählt wird. Es liest sich wie eine Aufzählung von Ereignissen.

 

Für mich war das auch nichts.

Es ist nicht so, dass der Plot nicht genügen würde, das könnte er schon, aber dann müsste das ganz anders erzählt werden, damit es mich vom Hocker reißen könnte.

Einen Ich-Erzähler, der am Ende der Geschichte tot ist, finde ich grundsätzlich immer schwierig. Wird, wie hier, im Präteritum geschrieben, erzählt er ja quasi aus dem Grab. "Gestern bin ich gestorben", sowas geht für mich nur, wenn auch wirklich ein Toter erzählen soll. So wie bei Desperate Housewives etwa. Will ich den Protagonisten sterben lassen, würde ich immer einen personalen Erzähler wählen.

Dann ist das alles so runtererzählt. Ich habe überhaupt keine Gelegenheit, mich in den Protagonisten einzufühlen, irgendetwas mitzuerleben. Spontan musste ich an den Anfang von Eine unendliche Geschichte denken, das ich als Kind verschlungen und heiß geliebt habe. Am Anfang des Buches stolpert Bastian in einen Buchladen, wo er schließlich mit der Unendlichen Geschichte wieder herauskommt. Die Zeit vom Betreten bis zum Verlassen des Ladens hätte Michael Ende wie du in vier lapidaren Sätzen abhandeln können. Stattdessen hat er daraus eine richtig spannende Szene gemacht. Da gab es tolle Dialoge, lebhafte Beschreibungen, sogar etwas Nervenkitzel. Als Bastian den Buchladen verließ, hatte ich bereits ein recht klares Bild von seiner Persönlichkeit und war total neugierig darauf, was als nächstes geschehen würde.
Verstehst du, was ich meine?
Du könntest deine(n) Prot - und damit den Leser - etwas erleben lassen in der Buchhandlung. Anstatt zu behaupten, dass irgendwas über irgendwen gemunkelt würde, könntest du die Frau zum Leben erwecken und mir durch ihr Verhalten, ihr Aussehen, ihre Kleidung usw. zeigen, was für eine Person sie ist. Auch der Laden selbst könnte so interessant sein. Ist es ein modernes Geschäft mit kaltem Licht, Plastikpflanzen und penibel exakt mit dem Rücken am Regalrand positionierten Büchern? Ist der Laden klein, verwinkelt, schlecht beleuchtet, riecht die Luft nach Räucherstäbchen, liegen Sitzkissen auf dem Boden und Häkeldeckchen auf dunklen alten Holzmöbeln?
Du könntest erzählen, wie das Buch aussieht, wie sich sein Einband anfühlt, erzählen, wie sich die/der Prot auf die Lektüre vorbereitet, sich ins Bett oder vor den Kamin kuschelt, vielleicht mit einem Glas Wein ... usw. usf. Ich hoffe, ich konnte ein bisschen erklären, was ich meine.

So, wie sie jetzt da steht, ist die Geschichte für mich völlig blutleer.

Einen Tipp hätte ich noch: Ich würde den Buchtitel entweder mit Anführungsstrichen oder durch Kursivschrift hervorheben. Nicht, dass jemand denkt, es hieße Die gruseligsten Geschichten aller Zeiten im Antiquariat der alten Frau Brunner. ;)

 

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