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Das Buch auf der Parkbank

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29.01.2010
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Das Buch auf der Parkbank

Jean-Pierre begann ein Buch zu lesen, das auf einer Parkbank lag. Er nahm es mit, da niemand erschien, der es vermisste. Es weckte ihm die Erinnerung an eine eigene Reisegeschichte, welche er vor fünf Jahren erfolglos Verlegern anbot. Eigentlich war es nicht seine Geschichte, er zeichnete sie anhand der Erzählungen seines Vaters auf. Dieser war, bevor er Jean-Pierres Mutter kennenlernte, einmal durch die Toscana gereist und arbeitete zwischendurch im Tagelohn für Weinbauern, obwohl dies nicht sein Beruf war. Die Erlebnisse seines Vaters faszinierten ihn als Jugendlichen sehr. Sein Vater versprach ihm, diese Reise einmal mit ihm zu wiederholen. Leider kam es nicht mehr dazu, da dieser schwer erkrankte und bald starb. Selbst trat er die Reise nie an, lieh sich aber in der Bibliothek Bücher über die Toscana aus. Anhand von Fotografien in den Büchern konnte er die Erlebnisse seines Vaters noch besser nachvollziehen und sie festhalten.

Auf dem Titelblatt war eine südliche Landschaft mit Blick auf das Meer abgebildet, über der »Nathalie Déon« und »Fahrt durch die Provence« aufgedruckt war. Gemäss der Zusammenfassung auf der Rückseite hatte die Autorin, welche in Paris lebt, ihre eigentümlichen Erlebnisse bei einer Reise durch Südfrankreich darin festgehalten.

Jean-Pierre hatte bereits etliche Seiten gelesen, als er stutzte. Déon berichtete von einem aufkommenden Gewitter. Einer der Erntehelfer blickte besorgt zum Himmel, der immer düsterer wurde. In der Nähe vom Meer trat der Regen oft sintflutartig auf. Plötzlich erhellte ein Blitz die Landschaft, unmittelbar von einem schaurigen Donnergrollen gefolgt. Der Blitz schlug in einen alten Olivenbaum ein, der nicht allzu weit entfernt stand, und teilte ihn. Es war ein Glücksfall, dass nicht einer der Erntehelfer getroffen wurde. Diese packten schnell ihre Sachen und eilten zu ihren Autos.

Diese Episode hatte er geschrieben. Nicht wörtlich gleich, doch in der Schilderung übereinstimmend. Sein Vater hatte dies selbst erlebt. Er begann, die Seiten überfliegend zu lesen. Die Orts- und Personennamen waren anders, aber in einigen Teilen entdeckte er ihm bekannte Übereinstimmungen von Erlebnissen.

Da war auch diese unheimliche Nacht. Sie schilderte die Übernachtung in einem kleinen Gebäude, welches mit der Rückwand am Hang angebaut war. Mitten in der Nacht hörte sie Geräusche auf dem Dach. Es war ein Trippeln und Rascheln, als ob jemand darüber huschte. Sie war sehr erschrocken gewesen und zog sich die Decke über den Kopf, damit rechnend, dass Einbrecher eindringen würden. Erst am nächsten Tag erfuhr sie vom Vermieter, dass es Ratten gewesen sein mussten, die sie hörte. Auch dieses Erlebnis hatte sein Vater ihm erzählt, jedoch etwas anders ausgeschmückt.

Beim Weitersuchen stiess er auf das Ereignis vom Erntefest. Der Gutsbesitzer hatte alle Erntehelfer, aber auch Nachbarn und Freunde zu einem grossen Fest eingeladen. Der Sohn des Gutsbesitzers hatte dies zum Anlass genommen, sich zu verloben. Auf dem Höhepunkt des Festes sahen sie in der Nacht plötzlich weit entfernt einen hellen Feuerschein. Bei einem Nachbarhof brannte ein Gebäude. Alle eilten sofort dorthin, um zu helfen.

Er stellte noch weitere Übereinstimmungen fest, wie etwa das Missgeschick des alten Landstreichers, der sich versehentlich selbst in einer Vorratskammer einschloss, in die er eingebrochen war. Oder auch die merkwürdige Geschichte mit den Rosen auf dem Grab des ehemaligen Dorfwirtes, der keine Angehörigen hatte. Niemand im Dorf wusste, wer von Zeit zu Zeit die Rosen dorthin legte. Es wurde aber über eine Romanze aus der Jugend des Wirts spekuliert, deren Blüten nun verspätet wieder trieben.

Einige Erlebnisse waren ihm nicht bekannt, die Autorin musste diese selbst hinzugefügt haben. Er war nun aber sicher, dass das Buch weitgehend nach seinem damals eingereichten Manuskript verfasst worden war. Man hatte zwar vieles umgeschrieben, und die Geschichten von Italien nach Frankreich verlegt, aber ebenso in eine mediterrane Umgebung.

Im Wandschrank begann er nach seinem Manuskript zu suchen. Es war eine indirekte Erbschaft seines Vaters. Unter den Papieren war nichts. Die Absagebriefe der Verlage, welchen er das Manuskript einreichte, waren vielleicht auch noch vorhanden. Doch darüber war er sich nicht mehr ganz sicher. Er war damals sehr enttäuscht gewesen, über die kurz formulierten Abweisungen. Wenn ein Brief des Verlags dabei war, der das Buch von Déon editierte, hätte er ein Beweisstück, das sie sein Werk missbrauchten. Obwohl er die ganze Wohnung auf den Kopf stellte, fand er nichts.

Auf dem Dachboden hatte er ein Abteil, in dem er nicht mehr verwendete Sachen verwahrte. Es war inzwischen zwar schon später Abend, doch er ging auch dorthin, um nachzusehen. In zwei Schachteln waren ausgetragene Kleider. Ein Koffer, der schwer war, enthielt Bücher, deren Vorhandensein er schon vergessen hatte. Er nahm Band um Band heraus, sich an die Inhalte erinnernd. Zuunterst stiess er auf sein Manuskript, welches in einen Schnellhefter eingebunden war.

Seite um Seite überflog er seine Aufzeichnungen. Zu jeder Episode, die er auch im Buch der Déon gefunden hatte, mit dem Bleistift jeweils ein bestätigendes Häkchen notierend. Er war sehr aufgeregt, da er nun einen Beweis für wesentliche Übereinstimmungen hatte, auch wenn die Absagebriefe nicht mehr vorlagen.

An Einschlafen war nicht zu denken, nervös blätterte in den Seiten. Die Erinnerung daran, wie er sich die Personen und Örtlichkeiten damals vorstellte, immer wieder Änderungen daran vornahm, da ihm Eigenheiten zu ungenau waren, war wieder gegenwärtig. Er wollte sich nun genau überlegen, welche Schritte er unternehmen musste und was er fordern sollte. Am angemessensten schien ihm, man würde richtigstellend sein Manuskript als Buch veröffentlichen.

In den frühen Morgenstunden, er war doch noch eingeschlafen, schreckte er auf. Draussen war es noch Dunkel. Im Schlaf war ihm ein Gedanke gekommen, der ihn bestürzte. Er griff zu seinem Manuskript und dem Buch der Déon. Im Buch fand er schnell die Geschichte der Rosen. Nun blätterte er hastig in seinem Manuskript. Noch ein zweites Mal begann er es von vorn durchzusehen, diese Begebenheit fehlte. Zur Sicherheit schaute er sich die Seitenzahlen in seinem Manuskript an, sie waren durchgehend. Erneut griff er zum Buch der Déon, sich darauf konzentrierend, welche Inhalte er von seinem Vater kannte und kennzeichnete sie nummerierend. Alsdann nummerierte er auch im Manuskript die mit Häkchen bezeichneten Geschichten. Er fühlte sich erleichtert, alle Geschichten im Manuskript waren mit einer Zahl versehen. Als er das Buch erneut durchblätterte, stellte er verwirrt fest, dass dort höhere Zahlen vorhanden waren als in seinem Manuskript. Er begann, die markierten Erzählungen miteinander zu vergleichen. Nicht nur die Begebenheit mit den Rosen fehlte in seinem Manuskript, auch die Sache mit dem Sonnenbrand war darin nicht vorhanden, ebenso die Erfahrung mit dem abgestandenen Wasser im Brunnenschacht. Ihm wurde unwohl. Es waren Erzählungen seines Vaters, doch er hatte diese damals nicht aufgeführt.

Lange brütete er darüber nach und verglich nochmals alles. Es gab keine andere Lösung. Mit zittrigen Händen blätterte er die ersten Seiten des Buches um, bis zum Impressum. Es war vor einem Jahr in einer Neuauflage erschienen, doch die Erstausgabe datierte etliches vor der Zeit, als sein Vater ihm seine Geschichten zu erzählen begann.

Jean-Pierre fühlte sich Elend, seine Gefühle schwankten zwischen Enttäuschung und Zorn. Alles deutete darauf hin, dass sein Vater die Geschichten im Buch von Nathalie Déon gelesen, und diese ihm als angeblich eigenes Erleben während seiner Reise durch die Toscana schilderte. Doch sagte er dies wirklich so? Waren seine Formulierungen nicht neutral gewesen, sodass die Episoden auch jemand anders erlebt haben könnte? Sein Zorn wandelte sich in Zweifel, die Idealisierung seines Vaters musste ihm einen Streich gespielt haben. Es wäre wohl ein Plagiat gewesen, hätte ein Verlag sein Manuskript als Buch gedruckt.

Das Manuskript gab er noch am gleichen Tag in eine Buchbinderei, um es mit einem wertvollen Einband zu versehen. Er fühlte sich wieder versöhnt mit seinem Vater und sah es als Abbitte, indem er dessen Nacherzählungen in dieser Form als Erinnerung bewahren wollte.

 

Hi!
Ich fand die Idee von deiner Geschichte eigentlich gut und ich will jetzt eigentlich auch keine ausführliche Kritik schreiben, aber: ;)
Ich finde - vielleicht ist das Absicht - dass du viel zu wenig auf die Vater-Sohn-Beziehung eingehst. Du hättest dadurch den Konflikt vielleicht noch etwas besser herausarbeiten können.
Und vor allem gefällt mir der letzte Absatz gar nicht. Ich finde ihn unnötig und komme mir als Leser irgendwie bevormunded vor. Vielleicht könntest du den Absatz einfach streichen.
Sonnige Grüße
Cathy

 

Hallo!

Die Idee finde ich gut, gefällt mir!
Aber die Umsetzung leider nicht so sehr. Dein Stil ist so sperrig, eckig, kantig, dass ich beim Lesen gar nicht ins Gefühl kam, keine verbindung mit dem Prota aufnehmen konnte.
Die häufigen Relativeinschübe (dieser, welcher usw) spreizen die Sätze und lassen sie steif und unnahbar, gekünstelt wirken (auf mich).
Wie am Reißbrett entworfene und nach Plan umgesetzte Literatur, aber der Fluß, der Schwung, der Charme geht mir völlig ab.
Schade!

 

Das Buch, welches Jean-Pierre zu lesen begonnen hatte, war auf einer Parkbank gelegen. Da niemand erschienen war, der es vermisste, nahm er es mit.

Direkt bei dem Einleitungssatz hatte ich Lust, aufzuhören zu lesen. Und als ich merkte, dass das so weiter geht, habe ich es dann auch nur noch überflogen. Wirklich gute Idee, echt! Aber sprachlich leider überhaupt nicht gelungen.

Beispielformulierung für den Anfang:

Jean-Pierre las ein Buch, welches ihm auf merkwürdige Weise vertraut schien. Er hatte es auf einer Parkbank gefunden und da lange Zeit niemand erschienen war, dem es gehörte, hatte er es kurz entschlossen mitgenommen.

Und ein Tipp: mach den Einstieg spannender. Lass von dem Buch Spannung ausgehen, hebe das Buch als etwas Bedeutendes hervor, was es für den Ablauf der Geschichte schließlich ist.

... irgendwie so. Aber so ist das sprachlich leider sehr artifiziell. Klingt stellenweise - zugespitzt gesagt - wie aus einer fremden Sprache übersetzt.

 

Hallo Anakreon,

ich schließe mich den anderen an. Gute Idee!

Aber wie bei bisher all deinen Geschichten fehlt mir der Bezug zu deinem Protagonist. Er bleibt mir fremd, zieht mich nicht in seine Gefühlswelt hinein. Ich spüre nicht die Verwunderung, den Ärger über das vermeintliche Plagiat...ich lese es zwar, aber es kommt nicht an.

Nur soviel, da du ja keine ausführlichen Kritiken schätzt. ;)

Gruß
Blue

 

Hallo Anakreon,

der Plot der Geschichte hat mich angesprochen, die Sprache und die Ausführung nur zum Teil. Ein bisschen was altmodisch Verschnörkeltes passt zum Inhalt, aber es wirkt zum Teil hölzern auf mich. Ich versuche es mal am ersten Absatz aufzuzeigen, vielleicht kannst Du ja etwas damit anfangen:

Jean-Pierre hatte ein Buch zu lesen begonnen , welches auf einer Parkbank lag. Da niemand erschienen war, der es vermisste, nahm er es mit. (Vorschlag für die ersten beiden Sätze: Jean-Pierre hatte begonnen ein Buch zu lesen, das auf einer Parkbank lag. Da niemand erschien, der es vermisste, nahm er es mit nach Hause.) Es erinnerte ihn an seine eigene (vielleicht statt "seine eigene" einfach "die") Reisegeschichte, welche er vor fünf Jahren erfolglos Verlegern angeboten hatte. Eigentlich war es nicht seine Geschichte, er hatte sie anhand der Erzählungen seines Vaters aufgezeichnet. Dieser war, bevor er Mutter (Mutter klingt hier komisch, weil Du ja nicht aus der Ich-Perspektive erzählst. Vielleicht "Jean-Pierres Mutter") kennenlernte, einmal durch die Toscana gereist und hatte zwischendurch im Tagelohn für Weinbauern gearbeitet, obwohl dies nicht sein Beruf war (Bei den meisten Erntehelfern handelt es sich um "Laien", zudem geht es aus dem Zusammenhang schon hervor, könntest Du also einfach weglassen). Die Erlebnisse seines Vaters hatten ihn als Jugendlichen sehr fasziniert. (Auch dieser Satz ist eigentlich von der Information her nicht nötig. Außerdem entsteht durch ihn die unschöne Wiederholung von "Vater" im nächsten Satz.) Sein Vater hatte ihm versprochen, einmal mit ihm diese Reise zu wiederholen. Dazu war es leider nicht mehr gekommen, da dieser schwer erkrankte und bald starb. (Vorschlag: Dazu war es leider nicht mehr gekommen, er war vorher gestorben.) Selbst (Vielleicht wieder "Jean-Pierre"?) hatte er die Reise nie angetreten, aber in der Bibliothek Bücher über die Toskana ausgeliehen. Anhand von Fotografien in den Büchern konnte er die Erlebnisse seines Vaters noch besser veranschaulichen (veranschaulichen heißt, anderen etwas zu zeigen, zumindest ohne Reflexivpronomen - das meinst Du wahrscheinlich nicht, sonder eher, dass er sich die Erlebnisse selbst besser vorstellen konnte, oder?) und sie aufzeichnen.

Die Distanz zum Protagonisten mag ich eigentlich. Dennoch könnte der Part, in dem er die Täuschung entdeckt, für meinen Geschmack etwas tiefer ausgearbeitet sein.

Insgesamt gerne gelesen.

Lieben Gruß
Sabine

 

Hallo Anakreon,

in dieser Geschichte fehlt die Leidenschaft des Protagonisten zum Vater, denn der eigentliche Sinn dieser Geschichte ist ja nicht, die Enträtselung des Buchs, sondern, der Betrug des Vaters.
Das kommt viel zu kurz, man erfährt nicht, wie sich der Protagonist fühlt, wie er vielleicht für Momente damit hadert, dem Vater nicht noch mal seine Meinung sagen zu dürfen, wie er vielleicht am Ende vergibt, aber das Happyend darf nicht ein Automatisches sein. Ich möchte als Leser ein wenig mitfiebern, was in dem Kopf des Protagonisten vorgeht.

'Die Geschichte um das Rätsel des Buches ist dir jedoch gelungen, die ist spannend geworden, ohne Frage. Trotzdem hab ich manchmal den Eindruck gehabt, es gäbe hier und da die Möglichkeit, den Text etwas zu straffen.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Sabine

Vorab, es freut mich sehr, dass Du die Geschichte gerne gelesen hast. Deine konstruktive Textkritik gab mir auch etwas Überraschung, war ich mir doch bei der Wortwahl Mutter nicht bewusst, welch ungewollte Komik dies auslösen muss. Wie jene Väter, die ihre Frau mit Mutter betiteln. Allein dies überzeugt mich schon, dass ich der Geschichte nochmals einen Neuanstrich geben muss, wenngleich dies aus Zeitgründen noch etwas dauern wird.
Danke, dass Du Dir die Zeit nahmst, es entsprechend zu kommentieren.

Hallo lakita

Auch Dir vielen Dank für Deine Ausführungen, die wiederum den Lack genau an den wunden Stellen kratzt. Ich werde mich bemühen, das Narrative in einer Überarbeitung zu verbessern. Und natürlich freut es mich, dass Du es doch spannend fandest.

Gruss Euch beiden

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

gern gelesen. Du schreibst "typisch männlich" (meine Meinung): sehr sachlich und etwas trocken. Ist nicht ganz meins.
Die Idee ist sehr gut, ich habe gleich wieder an Hokus Pokus gedacht. Aber Deine Auflösung ist viel besser.

Déon schilderte von einem aufkommenden Gewitter.

Meiner Meinung nach: schilderte ein aufkommendes Gewitter, berichtete von einem aufkommenden Gewitter o.ä.

LG Damaris :-)

 

Hallo Anakreon!

Thema deiner faszinierenden Geschichte ist die Vateridentifizierung: Es gehört zu den Erkenntnissen der Psychoanalyse, dass sich jeder Sohn mit seinem Vater identifiziert, das heißt: Er nimmt ihn sich zum Vorbild, eifert ihm nach, möchte es ihm gleichtun, und natürlich: ihn bewundern.
Jean-Pierre schummelt dabei: Er gibt die Abenteuer seines Vaters als seine eigenen aus (das ist schon so etwas Ähnliches wie ein Plagiat, das ja als Verdacht in deiner Geschichte vorkommt) und muss entdecken, dass sein Vater auch geschummelt hat – da hat sich der Sohn in der Tat mit seinem Vater identifiziert, hat ihm mit Erfolg nachgeeifert, aber im Schlechten: als Aufschneider, als Plagiator.

Nun wäre da noch ein Aspekt: Als Anhänger der Freudschen Psychoanalyse betrachte ich die Identifizierung eines Sohnes mit seinem Vater immer als ödipales Drama. Diese Nacheifernwollen, Es-dem-Vater-Gleichtun-Wollen ist ein Rivalisieren um die Gunst der Mutter, was dann auf eine andere Frau verschoben wird, die es zu erobern, einem Konkurrenten auszuspannen gilt – der Freudianer deutet nach der Richtlinie: Cherchez la femme!

Aber wo ist in deiner Geschichte die Frau? Nun, da sind ja Symbole, die man als Frau deuten kann. Die Mutter ist für den Sohn die verbotene Frucht – und in deiner Geschichte gehört zum Abenteuer des Vaters, das der Sohn zu seinem eigenen Abenteuer macht, das Pflücken von Weinreben. Und die Landschaft, die Toscana, ist ein Urlaubsparadies, also Paradies – verbotene Frucht im Paradies – man denkt an die biblische Geschichte vom Sündenfall. Da darf auch nicht der bedrohlich strafende Vater fehlen: Er kommt wie der zürnende Vatergott Zeus mit Donner und Blitz, der durchaus einen dieser Früchte pflückenden Erntehelfer hätte treffen können – ein Aufatmen, dass es nicht geschah, ist in deinem Text zu spüren.

Grüße
gerthans

 

Hallo Damaris

Ah, du hast die die kleine Geschichte vom Buch auf der Parkbank aufgegriffen. Ich habe sie eben wieder gelesen und mag sie noch, auch wenn ich sie heute wahrscheinlich anders abfassen würde.

gern gelesen. Du schreibst "typisch männlich" (meine Meinung): sehr sachlich und etwas trocken. Ist nicht ganz meins.

Stimmt, es ist sachlich und trocken, schnörkellos. Wenn ich mich recht erinnere, sah ich damals darin eine Schreibübung, den Versuch einen solchen Konflikt in eine Geschichte zu packen. Dass der Stil nicht unbedingt bei allen Lesern Gefallen findet, kann ich durchaus verstehen. Da es nicht ganz deines ist, freut mich das dennoch gern gelesen umso mehr. :)

Meiner Meinung nach: schilderte ein aufkommendes Gewitter, berichtete von einem aufkommenden Gewitter o.ä.

Du hast recht, berichtete ist die treffendere Formulierung. Ich habe es entsprechend angepasst.

Danke dir herzlich für das Lesen, Kommentieren und den verbessernden Hinweis.


+


Hallo gerthans

Thema deiner faszinierenden Geschichte ist die Vateridentifizierung: Es gehört zu den Erkenntnissen der Psychoanalyse, dass sich jeder Sohn mit seinem Vater identifiziert,

Ich musste schmunzeln, als ich sah, dass du die Geschichte im Lichte der Psychoanalyse beleuchtest. Obwohl ich mit Freuds Theorien seit einem halben Jahrhundert vertraut bin, hatte ich es weder seinerzeit bei der Abfassung, noch später, engmaschig in diesem Sinne ausgelotet. Die Vateridentifizierung nimmt für den Protagonisten natürlich eine dominante Stellung ein, die sich mit dem Tod des Vaters noch glorifizierte. Ich fasste es nicht vorrangig im Fokus der Psychoanalyse ab, da sie mir jedoch verinnerlicht ist, hatte sie unterschwellig bewusst dennoch ihren Anteil. Insofern ist deine Deutung durchaus richtig.

da hat sich der Sohn in der Tat mit seinem Vater identifiziert, hat ihm mit Erfolg nachgeeifert, aber im Schlechten: als Aufschneider, als Plagiator.

Im Hintergrund sah ich den Vater in der Figur eines fabulierenden Geschichtenerzählers. Ich selbst hatte mal ein Kindermädchen, das mir Gespenstergeschichten erzählte, angeblich frei erfunden. Erst viele Jahre später kam mir der Gedanke auf, es könnten Wiedererzählungen gewesen sein. Als Kind nimmt man solches für bare Münze, bewundert die Erzähler, die es einem aus dem Stegreif präsentieren. So erging es auch Jean-Pierre. Sein Vater hatte wohl nicht geahnt, welch nachhaltige Wirkung es auf den Sohn haben könnte, wenn er diesem gegenüber, sein wahrscheinlich normal gestricktes Leben mit adaptierten Abenteuern bereicherte. Dass sich das Plagiat damit fortpflanzte, sah ich dabei als unterhaltsame Ironie des Schicksals.

Als Anhänger der freudschen Psychoanalyse betrachte ich die Identifizierung eines Sohnes mit seinem Vater immer als ödipales Drama. […]
Aber wo ist in deiner Geschichte die Frau?

In der Geschichte ist es so gesehen ein ödipales Drama, das nur die eine Seite beleuchtet. Der Konflikt birgt sich darin, dass Jean-Pierre erkennen muss, sein Vater hat ihn mit Lebensträumen unterhalten, die er sich (von einer Frau) entlehnte.
Bei Träumen kommt mir als Gegebenheit in den Sinn, dass Freud die ersten Ideen zur Sexualität beim Korrekturlesen der «Traumdeutung» einfielen, wie er in einem Brief an Fliess berichtete. Daraus erwuchs dann seine Sexualtheorie. Freuds Tochter, Anna, und zugleich dessen engste Mitarbeiterin, hatte in ihrem eigenen umfangreichen Werk zur Kinderpsychologie den Ödipuskomplex dann auch mehrfach wieder aufgegriffen. Diese, Freuds Erkenntnisse, würden heute in der Libidotheorie fehlen, wäre er damals dieses Thema nicht angegangen. Dennoch ist so manches der klassischen freudschen Psychoanalyse zu relativieren, auch wenn ich es nicht so extrem sehe, wie es die Freud-Kritik der letzten Jahrzehnte tat. Seine Nachfolger hatten noch vor seinem Tod begonnen, partielle Korrekturen an seinen Theorien vorzunehmen. Ich denke da etwa auch an Melanie Klein oder in der nahen Gegenwart an Karl König, der mit seinem praxisorientiertem Werk diese Entwicklung mitvollzog.

Nun, da sind ja Symbole, die man als Frau deuten kann.

Deine nachfolgenden Deutungen des Inhalts auf weibliche Entsprechungen haben mir ausgesprochen gut gefallen. Eine Analyse, die ich selbst gar nie in Betracht gezogen hatte und mir ermöglichte, es nochmals von dieser Warte aus neu zu lesen. Mir war es, als ob ich auf meinem eigenen Schatten stehen würde, ohne ihn wahrzunehmen, da ich ihn selbst erzeuge. :D

Für das Lesen und das interpretierende Kommentieren danke ich dir herzlich. Es freut mich besonders, dass du einen solch unterhaltsamen Gewinn aus dem Stück ziehen konntest.

Schöne Grüsse euch beiden

Anakreon

 

Lieber Anakreon,

was soll schon groß passieren mit so einem Buch auf der Parkbank? Die Idee der Geschichte finde ich sehr gut, diese Ver-innerungen an einen Vater, den es so gar nicht gab. Leider verliert deine Erzählung einiges an Stärke, weil das Ende zu erklärend daherkommt, die Auflösung ist ein Zum-Leser-sprechen-und-ihm-sagen-was-los-ist, das fand ich schade. Auch die verpasste Möglichkeit, mehr über die Vater-Sohn-Beziehung zu schreiben. Es scheint, sie haben nur über eine Reise gesprochen, die es so nicht gab. Das wäre eine sehr traurige Vater-Sohn-Beziehung, nicht wahr? Ansätze hast du ja drin, dass beide zusammen in die Toskana fahren wollen.

Ein Buch zu einem Moment machen, dass einem das Weltbild verdreht, ist eine schöne Geschichte und ich finde sie teilweise richtig gut umgesetzt. Die Sprache versperrt vielen den Weg zu deinem Protagonisten und wenn man die Sperre der Sprache durchbrochen hat, fehlt die Vater-Sohn-Beziehung, aber ich wiederhole mich.

Ein paar Anmerkungen:

Er nahm es mit, da niemand erschien der es vermisste.
... da niemand erschien, der es vermisste.

die Toscana
die Toskana
C oder K, entweder oder.

Er begann, die Seiten überfliegend zu lesen.
Vielleicht: Er begann, die Seiten zu überfliegen?

Es war ein trippeln und rascheln
Trippeln und Rascheln

Es war ein trippeln und rascheln, als ob jemand darüber huschte. Sie war sehr erschrocken gewesen und zog sich die Decke über den Kopf, damit rechnend, dass nächstens Einbrecher eindringen würden. Erst am nächsten Tag erfuhr sie vom Vermieter, dass es Ratten gewesen sein mussten, die sie hörte.
Da bin ich irgendwie gestolpert. Vielleicht liegt es daran, dass ich "nächstens" selten bis nie als "bald" benutze.

Oder auch die merkwürdige Geschichte mit den Rosen auf dem Grab des ehemaligen Dorfwirtes, der keine Angehörigen hatte.
Das hat mir sehr gut gefallen. Weiß auch nicht, warum. Sehr schön!

Im Wandschrank begann er nach seinem Manuskript zu suchen, das er irgendwo noch aufbewahrte.
Braucht es den Nebensatz. Er würde nicht suchen, wenn er es nicht aufbewahrt hätte.

Es war indirekt eine Erbschaft seines Vaters.
Es war eine indirekte Erbschaft seines Vaters.

Doch darin war er sich nicht mehr ganz sicher.
Darüber statt darin.

Er war damals sehr enttäuscht gewesen, über die kurz formulierten Abweisungen. Obwohl er die ganze Wohnung auf den Kopf stellte, fand er nichts.
Da ist ein kleiner Bruch. Warum nicht: Er war damals sehr enttäuscht gewesen, über die kurz formulierten Abweisungen. Jetzt hätte er sich über sie gefreut. Obwohl er die ganze Wohnung auf den Kopf stellte, fand er nichts.

Er war sehr aufgeregt, da er nun den Beweis hatte.

An Einschlafen war nicht zu denken, er war viel zu aufgeregt.

Gewiss keine absichtlich Wiederholung, oder? Zeig doch, wie er aufgeregt ist. Blättert er immer wieder durch die Seiten, ständig vergleichend. Markiert er identische Sätze? In die Richtung. Später kommt das ja, nachdem er aufwacht. Warum also nicht hier?

Am angemessensten schien ihm, man würde richtigstellend sein Manuskript als Buch veröffentlichen.
Das wäre was!


Noch zu zwei Kommentaren:

NikitaF schrieb:
Dein Stil ist so sperrig, eckig, kantig, dass ich beim Lesen gar nicht ins Gefühl kam, keine verbindung mit dem Prota aufnehmen konnte.
Die häufigen Relativeinschübe (dieser, welcher usw) spreizen die Sätze und lassen sie steif und unnahbar, gekünstelt wirken (auf mich).
Das schreibe ich dir jetzt nicht mehr unter die Geschichten. Das ist dein Stil und du wirst daran nichts mehr ändern. Stattdessen habe ich meine Leseweise etwas verändert, an manchen Stellen sogar versucht, in deinen Stil einzutauchen, um dir konstruktive Kritik zu deiner Sprache geben zu können.

Palle schrieb:
Und ein Tipp: mach den Einstieg spannender. Lass von dem Buch Spannung ausgehen, hebe das Buch als etwas Bedeutendes hervor, was es für den Ablauf der Geschichte schließlich ist.
Würde ich nicht machen. Das Buch ist anfangs unbedeutend, gewinnt an Bedeutung und schließlich verändert es den Blick auf seinen Vater, wie er ihn sieht, wie er sich an ihn erinnert, total. Das darf ruhig das langweilige Buch auf der Parkbank sein.

Ich habe deine Geschichte nicht ungern gelesen, habe mich aber teilweise im Stich gelassen gefühlt, vom Erzähler. Ich weiß, dass das Buch alles ändert, verdammt viel Bedeutung hat. Aber ich fühle es nicht.

Beste Grüße
markus.

 

Ja, wie konnte mir das nur passieren als gelegentlicher Bankbesitzer im Stadtpark mit der Zeit als Bettwäsche, die somit immerhin wöchentlich einmal gewechselt wird. Die Schmutzwäsche findet als Altpapier auch noch ihren Sinn -
wie also konnte mir das nur widerfahren, die Parkbank mit dem Buch zu übersehen,

lieber Anakreon,

und im Rückblick auf die Kommentare kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen (das man sogar sehen könnte, ist die Gesichtsmatratze vor Nikolaus noch gestutzt worden, denn zum Heiligen bin ich untauglich), weil sie an sich anzeigen, dass man wohl einen „altmodischen“ Stil hervorhebt, ohne dass es einen solchen überhaupt geben kann: ich nenn mal als Extremist (und jeder hier vor Ort darf es wissen: als Regel- und somit Rechtbrecher mit liebevoller Pflege im KC) in Sachen Sprache den Mundartdichter Johann Heinrich Voß und die ersten Übersetzungen des Homer und überlege, was daran „modisch“ sein wollte oder überhaupt könnte. Wann hätte eine nicht-modisch wirkende Sprache je auf Moden, die kommen und vergehn wie der Schnee von gestern und wahrscheinlich schon kalter Kaffee sind, wenn sie verwendet werden (ich nenn nur das Doppelunwort Opfer-Abo, für das sich bis gerade kein Arsch interessierte, bis eben wohl doch eher ungewollte Werbung dafür gemacht wurde hierzulande).
Nicht, dass jemand es nicht so ausdrücken und benennen dürfe, wie er wolle, und dass einer nicht weiß, was er da sagt, ist jedem Schreibenden geläufig, dessen Text auch anders gelesen werden kann, als die Intention des Schreibenden eigentlich ist. Ausgesprochen gefallen hat mir Gerthans’ Beitrag, um auch dieses genannt zu haben.

Was mich als zweites wundert, ist der bemängelnde Hinweis auf die Zahl der Relativsätze, ohne dass jemand die Zeichensetzung bemängelt, wahrscheinlich wissen sie nichts davon, dass der Bankier aus dem Stadtpark stöhnt „allet muzze selba machen“, schon beim zweiten Relativsatz überhaupt:

Er nahm es mit, da niemand erschien[,] der es vermisste.
Es ist ein hartes Los auf dem armen Sünderbänkchen!

Gewagt find ich allein diesen Satz

Darüber, der Name »Nathalie Déon« und der Titel »Fahrt durch die Provence«, aufgedruckt,
nicht so sehr, weil da die Kommas an sich entbehrlich wären oder die ellipsoide Aussage
Darüber … aufgedruckt,
sondern weil der subjektlose Satz nicht nur entbehrliche Aussagen enthält, sondern auch noch nahtlos im vorhergehenden Satz integriert werden kann, etwa so
Auf dem Titelblatt war eine südliche Landschaft mit Blick auf das Meer abgebildet[, über der … »Nathalie Déon« und … »Fahrt durch die Provence« aufgedruckt war]
Denn warum sollten wir uns vor einem kleinen Hauch Kleist jemals gefürchtet haben und nicht wissen, dass dort ein Name und der Titel des Buches genannt wären?

Trivialere Dinge wären

Es war ein trippeln und rascheln, …
Substantivierte Verben …
Der Satz hier will mir arg holprig und umständlich erscheinen
Es war inzwischen zwar schon später Abend, doch er ging auch dort noch nachsehen.
Eleganter wäre vielleicht eine Infinitivkonstruktion, etwa
…, doch er ging auch dort [hin, um nachzusehen]

Wie immer, wenn auch verspätet, gern gelesen vom

Friedel,
der sich auch bei Damaris fürs Wiederbeleben und bei gerthans und markus fürs Warmhalten bedankt!

 

Lieber markus

Die Idee der Geschichte finde ich sehr gut, diese Ver-innerungen an einen Vater, den es so gar nicht gab.

Es freut mich, dass dieser Aspekt der Geschichte deinen Gefallen fand.

Leider verliert deine Erzählung einiges an Stärke, weil das Ende zu erklärend daherkommt, die Auflösung ist ein Zum-Leser-sprechen-und-ihm-sagen-was-los-ist, das fand ich schade. Auch die verpasste Möglichkeit, mehr über die Vater-Sohn-Beziehung zu schreiben.

Ich verstehe deine Einwendungen diesbezüglich, so erging es anscheinend einigen Lesern. Es berührt, da der Vater an Glanz der Idealisierung zumindest vorübergehend verliert, auch wenn der Sohn am Schluss wieder versöhnliche Gedanken hegt. Ein starkes Motiv also, das meine Intention dieser Geschichte jedoch mit einem Schatten überdeckt, da diese das Plagiat in den Fokus stellte und die Vater-Sohn-Beziehung hierfür nur das „Transportmittel“ war. Mir war es jedoch eine interessante Erfahrung, wie ein untergeordnetes, hinführendes Motiv ungewollt die Dominanz übernimmt, da dies in der Lesersicht eine höhere Attraktivität einnimmt.

Es scheint, sie haben nur über eine Reise gesprochen, die es so nicht gab. Das wäre eine sehr traurige Vater-Sohn-Beziehung, nicht wahr?

In der Geschichte bleibt gewollt offen, wie diese Beziehung ansonsten war. Der Vater war aber anscheinend nicht oft zu Hause, oder die Eltern lebten getrennt und er besuchte den Sohn von Zeit zu Zeit. Dass sie nur über seine Reisen sprachen, denke ich nicht, doch für den Knaben waren diese Erzählungen Abenteuer, die faszinierten. In meiner Kindheit gab es etwa die Rolf-Torring-Hefte, welche etwa im Karl-May-Stil Abenteuerliches aus den Dschungeln von Asien und Afrika berichteten. Es waren unrealistische Beschreibungen, doch als Kind nahm man es einfach spannend wahr und hinterfragte dies nicht. Solches bleibt dann in Erinnerung.
Würde ich nun die Vater-Sohn-Beziehung in den Fokus stellen, diese vertiefter thematisieren, würde sich der Sinn der Geschichte verkehren, der Plagiatsversuch wäre dann eine beiläufige Nebensächlichkeit.

Die Korrekturhinweise von dir habe ich, teilweise abweichend, mit wenigen Ausnahmen übernommen.

Ich entschied mich für die italienische Schreibweise von Toscana, da mir dies vertrauter ist und ich Namen nur verdeutsche, wenn sie missverständlich sind. Nizza statt das französische Nice ist so etwas, nahe bei dem Ort gelegen, der meine zweiten Heimatgefühle birgt, Cagnes-sur-Mer, dass man wiederum nicht verdeutschen sollte.

Vielleicht: Er begann, die Seiten zu überfliegen?

Im Kontext zur ganzen Passage sehe ich in der Kürzung keinen Vorteil.

Da ist ein kleiner Bruch.

Stimmt, an dieser Stelle ist ein Bruch im Text. Doch statt sich über ein allfälliges Auffinden der Verlagsabsagen zu freuen, habe ich ihm nun unterstellt, dass er in diesen ein Beweisstück gesehen hätte, wenn auch ein Brief jenes Verlags dabei wäre, in dem Déons Buch erschien.

Gewiss keine absichtlich Wiederholung, oder? Zeig doch, wie er aufgeregt ist.

Die Doppelung des aufgeregt habe ich aufgelöst und die Passage textlich erweitert, ohne jedoch späteres Geschehen vorab zu nehmen.

Das ist dein Stil und du wirst daran nichts mehr ändern. Stattdessen habe ich meine Leseweise etwas verändert, an manchen Stellen sogar versucht, in deinen Stil einzutauchen, um dir konstruktive Kritik zu deiner Sprache geben zu können.

Den Stil in der ganzen Geschichte umzukrempeln, nein, das wäre nicht meine Absicht, auch wenn ich sie heute anders abfassen würde als damals. Dass du dich in der Leseweise daran angepasst hast, finde ich schön.

Das Buch ist anfangs unbedeutend, gewinnt an Bedeutung und schließlich verändert es den Blick auf seinen Vater, wie er ihn sieht, wie er sich an ihn erinnert, total. Das darf ruhig das langweilige Buch auf der Parkbank sein.

Am Anfang Spannung zu setzen, wie es Palle vorgeschlagen hatte, wäre eine Möglichkeit gewesen. Doch hier fand ich Neugierde ein stärkeres Moment für das Motiv eines liegengelassenen Buches. Der Leser deutet solches natürlich nach seinem eigenen Empfinden. Mir erweckt ein Buch, das ich irgendwo liegen sehe, immer Interesse, schaue auf den Titel, den Autor, und versuche das Thema abzuschätzen. Von manchem, wende ich mich auch mit Achselzucken ab, aber es unbeachtet lassen, nein.


+


Es ist keine Verschmähung des literarisch umstrittenen Themas, das dich seinerzeit von diesem kleinen Text fernhielt. :bounce: Du siehst, ich springe vor Freude entlastet auf,

lieber Friedel,

und gebe meiner Neugierde freien Lauf, was du da Anstössiges oder Heiteres aufdecken magst.

wie also konnte mir das nur widerfahren, die Parkbank mit dem Buch zu übersehen,

Na ja, als Bankier in einem Park, schweift der Blick natürlich weit herum, es gibt da immer interessante Sachen und man kann nicht jedes Detail fixieren. Den Unrat bemerkt man meist erst, wenn man drauf tritt, wobei ein Buch natürlich nie dazu gezählt werden darf, es sei denn …

im Rückblick auf die Kommentare kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen

Ich weiss, wer den Schaden hat, hat den Spott. Wobei das Lachen über mich selbst, mir nicht so leicht vergeht. Und hier umso mehr, da ich weiss, dass es kein Zynismus ist, der deine Mundwinkel strapazierte – ich wusste doch, dass du Heiteres in dieser ernsten Sache finden würdest.

weil sie an sich anzeigen, dass man wohl einen „altmodischen“ Stil hervorhebt, ohne dass es einen solchen überhaupt geben kann: […] Wann hätte eine nicht-modisch wirkende Sprache je auf Moden, die kommen und vergehn wie der Schnee von gestern und wahrscheinlich schon kalter Kaffee sind, wenn sie verwendet werden

Ja der Stil begleitet mein Dasein hier, wie es eben diese Geschichte aus den Anfängen zeigt und auf sprachlich archäologisches Wundern trifft. Wenn auch der Mumifizierung näher als der Geburt, wurde mir doch auch schon – hört! – Entwicklung attestiert. So freue ich mich, lieber Friedel, immer, wenn du die Lanze gegen sprachlich vermeintliche Einmütigkeit oder auch Eintönigkeit erhebst, dafür die seit jeher farbliche Vielfalt preisend.

Was mich als zweites wundert, ist der bemängelnde Hinweis auf die Zahl der Relativsätze, ohne dass jemand die Zeichensetzung bemängelt,

Der Schauer, welcher mich da erfasste, die Geschichte könnte nun doch noch relativ zerzausen, erwies sich so nicht, ich kam da noch glimpflich davon. Vielmehr gewann das Buch auf der Parkbank, in seiner äusseren Darstellung, noch an Ausdruck. So habe ich auch die andern sündhaften Punkte tunlichst in diese Form gebracht.

Ausgesprochen gefallen hat mir Gerthans’ Beitrag, um auch dieses genannt zu haben.

Eine Meinung, die ich mit dir teile.

Wie immer, wenn auch verspätet, gern gelesen

Das freut mich sehr. Und die Zeit, die ist ja relativ, besonders heute, da viele Hektik synonym mit ihr verwechseln.

Für das Lesen, Kommentieren und die sprachlichen Hinweise danke ich euch beiden herzlich.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Lieber Anakreon,

Würde ich nun die Vater-Sohn-Beziehung in den Fokus stellen, diese vertiefter thematisieren, würde sich der Sinn der Geschichte verkehren, der Plagiatsversuch wäre dann eine beiläufige Nebensächlichkeit.
Verkehren und aus dem Fokus rücken, sich den Fokus teilen, sind doch zwei total unterschiedliche Sachen. So wie die Vater-Sohn-Beziehung jetzt ist, ist sie für mich als Leser unbefriedigend, weil sie dafür eine zu große Rolle spielt. Sie als bloßen Zweck zu benutzen für deine Erzählung, finde ich schade. Du kannst sie durchaus tiefer gestalten, ohne dass dein Hauptaspekt verloren ginge. Vielleicht verstärkt das die Wirkung nur. Wer weiß.

Beste Grüße
markus.

 

Lieber markus

Ich danke dir herzlich, dass du dich nochmals zu Wort meldest und deinen Einspruch vorbringst. Deine Hartnäckigkeit ehrt dich und schenkt meiner Geschichte ein Hauch "Patina", da sie dir diese Intervention Wert ist. Dennoch, denke ich, dass meine Entscheidung aus folgenden Überlegungen richtig ist:
Als Autor erschuf ich eine Geschichte, die sich in meiner Vorstellung nach bestimmten Kriterien entwickelte. Im Nachhinein können sich Retuschen aufdrängen, Konturen nach einer stärkeren Zeichnung verlangen, ein Verwerfen und eine Neugestaltung des Geschehens ergeben, wenn dies in der Erkenntnis des Autors liegt, oder - sich ihm das Eingeständnis des Misslingens dieser Arbeit eintritt. Letzteres bedingte jedoch den Rückzug des Textes. Eine grundsätzliche Umarbeitung der Geschichte – ich hatte dies früher mal bei drei andern getan und bereut – wäre mir hier jedoch keine Option.
Wäre es eine Auftragsarbeit, die nicht akzeptiert wird, ein Verlagstermin, der einzuhalten ist, würde ich sie kurzerhand vernichten und umgehend eine völlig neue schreiben, die sich streng an den Erwartungen und Vorgaben des Auftragsgebers orientiert.
Auch ein freier Autor, der sich ein Teil seines Einkommens mit dem Schreiben sichern will und muss, steht unter einem ähnlichen Druck. Er wird gezwungen sein, ungeachtet seiner Intentionen, die Erwartungen der Leser weitgehend zu erfüllen. Wäre mein Ziel also auf Professionalität ausgerichtet, käme ich nicht umhin, es so auszuführen, wie es am ehesten eine Mehrheit finden kann.
Auch wenn ich mich damit vielleicht wieder einmal in die Nesseln setze, denke ich, trotz meiner Verpflichtung mich um Bestes zu bemühen, dass ich meine Intentionen letztlich höher gewichten darf, wenn die eigene Erkenntnis nicht dagegen spricht.
Dies ist kein Akt von Kompromissunfähigkeit, aber ein Eingriff, wie du vorschlägst, lag und liegt nicht in meiner Absicht. Ich käme mir selbst gegenüber nicht sehr ehrlich vor, wenn ich einzig um eines Konsens willen oder um die Sympathien von Kritikern nicht endgültig zu verscherzen, anders handeln würde.
Deinen Standpunkt verstehe ich desungeachtet ungeteilt. Es ist diese Vater-Sohn-Beziehung, die dir am Herzen liegt, und aus der du in der Vorlage mehr herauslesen möchtest. Da ich es war, der dieses Bedürfnis zu wecken vermochte, tut es mir leid, wenn ich dich darin enttäusche.

Auch wenn ich schrieb, dass ich sie (das Thema an sich) heute anders abfassen würde, finde ich sie wie vorliegend in meinem Sinne ausgelotet.

Ich danke dir, dass du dir noch die Zeit nahmst, die Rechtfertigung meiner Haltung hierzu zu lesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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