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Das Brautkleid
"Brautkleid zu verkaufen. Ungetragen." Sie starrte so lange auf den Bildschirm, auf diese Worte, bis sie anfingen zu tanzen. "Der Bildschirm ist zu hell eingestellt. Das kann gar nicht gut für deine Augen sein." Das hatte er immer behauptet. Er war es auch der ihr diesen Account, auf dem man Kleider verkaufen konnte, einrichtete. Diesen Account, auf dem sie jetzt ihr eigenes Brautkleid verkaufen wollte. Das Brautkleid in dem sie stehen sollte, wenn er sie als Frau nehmen wollte. Schon ironisch irgendwie.
Sie stand auf und ging ins Badezimmer. Im Spiegel war eine andere Person zu sehen. Nicht das junge Mädchen, mit dem stets ordentliche Aussehen und den strahlend blauen Augen. Die Augen, die er so geliebt hatte. Die Augen, die jetzt nur noch dunkel und matt, traurig, in dem blassen Gesicht lagen. Die Augen die ausdrückten was sie fühlte, wie sie sich fühlte.
"Genug!" Sie hatte das Wasser aufgedreht und ließ es kalt über das Gesicht laufen. Als sie mit dem Handtuch um ihren nackten Körper und ihrem Kaffee in der linken Hand zurück in ihr Zimmer kam, war die Seite immer noch offen. War das Kleid immer noch auf der Seite. Bevor sie wieder darüber nachzudenken anfing, ob sie das Kleid nicht doch aus dem Internet nehmen sollte klappte sie den Laptop schnappend zu. So wie sie all die Bilder umgeklappt hatte. Bilder aus der Vergangenheit. Bilder aus einer Zeit in der die Beiden noch "die Beiden" waren. Zusammen. Glücklich. Für einander da. Ein ironisches Lächeln zog sich über ihr Gesicht. Für einander da...
Als sie sich fertig angezogen hatte, setzte sie sich mit ihrem Kaffee in die Küche. Der Kaffee war schon kalt. Aber sie schüttete ihn nicht weg. Sie saß mit ihrem kalten Kaffee in ihrer Küche mit den sonst so warmen Farben, die einmal so frisch und hell, farbenfroh, waren. Sie saß mit ihrem kalten Kaffee in ihrer Küche mit den sonst so warmen Farben, die sie plötzlich zu erdrücken schienen.
Sie hörte ihn noch bevor sie ihn sah. Sie hörte seine Schritte den Flur entlang gehen. Sie hörte ihn die Schlüssel im Schloss umdrehen. Und sie hörte ihn seine vertraute Worte sagen: "Hallo Schatz. Ich bin wieder da. Wie war dein Tag?" Sie hörte ihn, aber sie sah ihn nicht. Sie sah ihn nicht, wie sie ihn sah, bevor er vor ihr auf den Knien saß und um ihre Hand angehalten hatte. "Wir müssen reden.", sagte sie und erschrak über ihre eigene Stimme, welche die Kälte der Wohnung angekommen hatte. In diese Kälte mischte sich Enttäuschung über sie selbst. Die letzten Gefühle, die sie für ihn übrig hatte, als sie sagte:" Ich werde dich nicht heiraten."