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Das Blaue vom Himmel

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13.09.2007
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Das Blaue vom Himmel

In der Morgendämmerung steht Angelo vor der von ihm gemalten Himmelsleinwand. In der Linken hält er noch die Palette und in der rechten Hand den Pinsel. Zufrieden schaut er zu, wie das gleißende Licht der aufgehenden Sonne seine Farben, das zarte Rosa, Gelborange bis Zinnoberrot, zum Leuchten bringt. Lächelnd dreht er sich um, senkt seinen Blick hinab auf die Erde.
Dort erscheint Magdalena auf ihrem Ostbalkon, wie immer zu dieser Stunde. Andächtig betrachtet sie sein Gemälde.
„Ach wenn du doch auch mich sehen könntest!“, ruft Angelo ihr zu.
Magdalena blinzelt und lauscht in die Stille. Jetzt schaut sie auf ihre Armbanduhr. Sie muss los, sonst schafft sie es nicht zu Fuß. U-Bahn-Tage sind selten zu retten. Magdalena mag dieses hektische Gedränge, die muffige Dunkelheit nicht. Lieber läuft sie die knappe halbe Stunde zu ihrer Arbeitsstelle, dem Stadtpark.
Angelo geleitet sie mit seinen Blicken. Er liebt es, wie sie mit funkelnden Augen seine Himmelsbilder betrachtet. Er mag ihr Lächeln, die Art, wie sie ihr geflochtenes blondes Haar über der rechten Schulter trägt. Und wie sie geht, als würden ihre Füße die Erde kaum berühren. Seine Hände bewegen sich von selbst, er malt nur für sie, malt sie.
Schon ist Magdalena im Stadtpark angekommen. Heute wird sie die Hecken schneiden und neu formen. Ihre Inspiration holt sie sich von den Wolkenbildern.
Angelo malt ohne Unterlass, entzückt, seine Bildnisse in den Hecken des Parks wiederzufinden.
Die Sonne steht im Zenit, als Magdalena ihr Werkzeug aus der Hand legt.
Auch Angelo hält inne. Versonnen betrachtet er Magdalena, wie sie bäuchlings im Gras ruht. Jäh wird er aus seinem Tagtraum gerissen. "Mein Bild, einfach zerschnitten!", schreit Angelo.
Magdalena schreckt hoch, dreht sich auf den Rücken. Kleine Wolken, wie Blumen, schweben über den Himmel. Kondensstreifen eines Düsenfliegers schneiden sie in Stücke. Eine riesige Wolke, ähnlich einer menschlichen Gestalt, bewegt sich auf sie zu. Das Weiß flattert wie ein Gewand, darüber ein Kopf. Sie starrt in Augen, gletscherblau oder doch himmelblau? Magdalenas Augen brennen, sie kneift sie zusammen, blinzelt die Tränen weg. Wo eben noch dieses Abbild war, schwebt nun ein kleines Herz heran. Sie lächelt, stützt sich mit den Ellenbogen hoch und schaut zu, wie das Herz über ihr immer größer wird. Langsam steht sie auf und beginnt, die nächste Hecke herzförmig zu stutzen.
Angelo beobachtet den hageren rothaarigen Mann, der sich von hinten an Magdalena heranschleicht. Er langt ihr an die Schulter, sie dreht sich um, er spricht sie an und lacht, sie schüttelt den Kopf. Er grinst, drängt sich an sie, sie stößt ihn fort, er landet im Gras. Mit beiden Händen fasst Angelo in den Farbtopf, schöpft das Schwarz und schleudert es gegen die Leinwand, wirft eine zweite Ladung nach, die beiden Schwärzen krachen zusammen. Es entladen sich Donner, Blitz und Regen direkt über dem Widerling. Der flitzt im Zickzack Richtung U-Bahn. Schaut sich nach Magdalena um, die im Trockenen steht. Angelo ruft den Wind, um den Rothaarigen mit dem Gewitter zu jagen, bis er im U-Bahnbereich verschwunden ist.
„Genug Wind“, spricht Angelo, wäscht das Schwarz weg und malt das Friedenssymbol quer über den Himmel.
Magdalena starrt nach oben, sucht diese Augen am Himmel. Doch sie findet nur einen Regenbogen, wo eben noch zwei Gewitterwolken tobten. Magdalena kann es kaum glauben, sie hat nicht einen Tropfen abbekommen. Die Sonne brennt, sie wischt sich den Schweiß von der Stirn und setzt ihre Arbeit fort.
Angelo malt große Wolkenbilder um die Hitze zu mildern.
Magdalena formt die letzten Hecken zu Elefanten, Löwen und Affen. Zufrieden betrachtet sie ihr Werk und tritt den Heimweg an. Diese Himmelaugen gehen ihr nicht aus dem Kopf.
Angelo hat auf Magdalena gewartet. Pünktlich zum Sonnenuntergang betritt sie ihren Westbalkon. Gleich einer Sinfonie komponiert er Nuancen von Bernstein bis Blutorange über Krapplackrot hin zum feurigen Magenta, durchwirkt sie mit einem warmen Gelbton, wie flüssiges Gold.
Magdalena kann sich nicht satt sehen an dieser Farbenpracht. Das angebissene Brot bleibt unverzehrt, ein Telefon klingelt und gibt endlich auf. Langsam werden Arme und Beine schwer, gleichzeitig wird ihr ganz leicht, die Augenlider schließen sich.
Das Licht geht aus. Er kann sie kaum noch sehen, doch klebt sein Blick an ihr. Angelo möchte sie so gern aufhalten, die alles verschlingende Nacht.
Magdalena schwebt durch unbekannte Dimensionen - Angelo ihr entgegen.

 

Hola Damaris,

das geht ja Schlag auf Schlag! Vor vier Tagen der „Rausch“, der mich sehr vergrätzt hat – und heute „Das Blaue vom Himmel“, das ganz wundervoll zu lesen ist. Hast eine ganz schöne Bandbreite.
Die neue Geschichte hat mir von Anfang bis zum vorletzten Satz*) sehr gefallen. So stelle ich mir Spaß am Lesen vor – und Dir unterstelle ich Spaß am Schreiben.
Schöne Sachen sind dabei, das ist beschwingt wie der Frühling und heiter wie der Sommer.
Kompliment, meine Liebe. Dein Text passt perfekt zu Deinem Portrait im Profil; ein charmanter Überflieger mit Grips und Schalk.

Viele Grüße!
José

PS: *)Angelo ihr entgegen.
Vielleicht sollte man die beiden letzten Sätze verbinden, mit Semikolon oder den von mir zu häufig benutzten Gedankenstrich:).

 
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Gleich einer Sinfonie komponiert er Nuancen von Bernstein bis Blutorange über Krapplackrot hin zum feurigen Magenta, durchwirkt sie mit Butterblumengelb und schimmerndem Gold.
Sag mal, Damaris, was für Zeug mischt du dir denn ins Frühstücksmüsli?
Ehrlich, für mich hat der Text was beinahe Rauschhaftes, klingt irgendwie so, als wärest du schwer bekifft unter einem Sommerhimmel gelegen und einfach deinen wild assoziierenden Gedanken nachgehangen, hättest - immer wieder albern kichernd - vor dich hin gesponnen und irgendwer hätte das heimlich protokolliert.
Ein Märchen? Ein Fiebertraum? Egal, auf jeden Fall mitreißend geschrieben, mit wunderschön farbigen Bildern und der angemessenen Portion Unernst.

Eine wahrlich gelungene Rehabilitation nach deinem letzten Text, Damaris. Vielleicht solltest du öfter verbotene Rauschmittel zu dir nehmen.

offshore

 

Ich will nicht viel schreiben, Damaris, ich hoffe, das geht auch mal so einfach nur mit einem völlig platten und uninspirierten Lob.
Josefelipe war schon hier, der offshore auch, jetzt ich. Siehst, alle Romatiker kriegst du mit diesem Text.
Das ist eine wirklich hinreißende, poetische Geschichte.

Wenn ich was zu bemerken hätt, dann das: Den letzten Absatz könntest du vielleicht auch streichen. Musst du aber auch nicht. Die Geschichte ist trotzdem sehr hübsch und süß.
Der letzte Absatz erklärt halt noch einmal das, was da passiert aus der Sicht des Erzählers ganz dahinter. Dass das ein Text über die Liebe ist.
Das Gegenargument zu mir selbst geb iach auch gleich dazu: Der letzte Absatz kleidet den Text in einen erzählerischen Rahmen, was ich eigentlich mag. Also nimms einfach nur als Stoff zum Nachdenken.
Lieben Gruß von mir
Novak

 
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Hallo josefelipe, ernst offshore und Novak,
vielen Dank für euer Lob und eure Kritik. Hab mich irre gefreut!
Nein, es waren keine Drogen beteiligt. Das war knochenharte Bearbeitung eines 9 Jahre alten Textes von mir, der übrigens 20 minütig lang war. Bin glücklich, dass es so gut gelungen ist.
Hab mich nun doch auch vom Erzählerrahmen getrennt, weniger ist hier wohl mehr.
Lieben Gruß Damaris

 

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