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Das Bewerbungsgespräch

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24.01.2013
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Das Bewerbungsgespräch

Nichts hoffe ich so sehr in meinem Leben wie diese Straße und den kleinen, eigentümlichen Ort, der diese umgibt, niemals wieder zu finden. Auch wenn ich davon ausging, dass der Weg dorthin sich aufgrund der schrecklichen Erlebnisse, die ich machen musste, in mein Gehirn eingebrannt hatte, so war ich doch überrascht, dass meine zahlreichen Versuche, dorthin zu gelangen, wo es den Anfang nahm, ohne Erfolg blieben. Ganz nach Gedächtnis gelangte ich nie an die grausige Stelle, die mein Leben für immer veränderte. Natürlich wäre es ein Leichtes, in den Archiven der Rechtsanwaltskammer zu stöbern, um mir somit noch einmal den genauen Weg einzuverleiben, den ich gehen muss, aber das wäre für mich einfach nicht dasselbe, als durch eigene Kraft und sei es nur die, meiner Gedanken, an diesen Ort zurückzukehren.
Es geschah vor mehr als fünf Jahren, als ich mich zu einem Bewerbungsgespräch einer für seinen exzellenten Ruf bekannten Anwaltskanzlei begab, auf die ich nur durch einen besonderen Tipp gestoßen war und welche auch nicht besonders auf sich aufmerksam machte, dass sie Angestellte suchte.
Ich musste fünf Mal mit der Bahn umsteigen und der letzte Zug fuhr nur jeden zweiten Tag die Strecke, die mich nahe der Kanzlei brachte, aber es handelte sich hierbei dennoch um die beste Möglichkeit, da jeder andere Weg, zu Fuß oder mit einem Taxi, zu weit oder teuer gewesen wäre. An der letzten Haltestelle angelangt, war ich der einzige Fahrgast gewesen, der den halb zerfallenen und mehr als uneinladenden Bahnhof betrat und der einzige Mensch, der mir dort begegnete, war ein uralter Bahnhofaufseher, der wie wild in seine Trillerpfeife blies, ohne dass der Grund dafür erkennbar gewesen wäre. Da ich an ihm auf dem durch ramponierte Pflastersteine zusammengesetzten und kaum noch als solchen zu erkennenden Weg vorbeigehen musste, lächelte ich ihm verkrampft zu und fragte dann, aus welchem Anlass er so wütend seine Pfeife benutze. Der alte Mann schien mich zuerst nicht wahrzunehmen, dann jedoch sah er mir angsterfüllt in die Augen, bevor er einen markerschütternden Schrei von sich gab und weinend davonlief. Dieses Schauspiel erschreckte mich derart, dass ich beinahe vergaß, was mich in diese mir zuvor vollkommen unbekannte Gegend hergeführt hatte und am liebsten wäre ich wieder in den Zug gestiegen, der mich von diesem Ort wegbrachte. Aber nicht nur, da ich wusste, dass der nächste Zug erst in sechs Stunden kommen würde, erinnerte ich mich zudem wieder an das Vorstellungsgespräch bei der Anwaltskanzlei, sodass eine verfrühte Heimkehr unmöglich war. Ich beschloss nicht weiter an den alten Mann zu denken, hoffte insgeheim natürlich, ihm nicht wieder zu begegnen, und ging geradewegs in Richtung der Kanzlei, dessen genauen Weg ich mir mehrmals eingeprägt und auch aufgeschrieben hatte.
Da es noch viel zu früh war, beschloss ich in einem kleinen Lokal, das durch große kyrillische Buchstaben auf sich aufmerksam machte, etwas zu essen zu mir zu nehmen und eventuell noch einmal meine Frisur zu richten, die durch den starken Wind, der zudem auch noch Schnee enthielt, in Mitleidenschaft geraten war. Das Lokal war außer mir vollkommen leer und der Wirt an der Theke interessierte sich mehr für seine dreckigen Gläser, als mich, seinem einzigen und vielleicht sogar erstem Gast des heutigen Tages, willkommen zu heißen. Mit einem Blick auf die Speisekarte und auf die schäbig erscheinende Gestalt des Wirtes, angefangen von seinen krausen Haaren, bis zu seiner sehr alten und befleckten Schürze, verging mir allerdings der Appetit und ich bestellte nur etwas zu trinken. Nach ungefähr einer halben Stunde sagte mir der Wirt dann, mit starkem Akzent, dass ich das Lokal demnächst auf der Stelle verlassen müsse, da viele Gäste reserviert hätten und in Kürze erscheinen würden. Aufgrund dessen ich zuvor auf der Straße vollkommen allein gelaufen und das Wetter sehr schlecht war, glaubte ich ihm dies zwar nicht wirklich, aber da es keinen Sinn hatte, darüber zu diskutieren, versicherte ich ihm, dass ich sofort gehen würde.
Ich stapfte durch dichten Schnee zur Kanzlei und versuchte dabei mein Gesicht mit meinem neu gekauften Mantel vor dem Wind zu schützen. Da die maroden Straßen und die dunklen, zum größten Teil aus Holz gefertigten Häuser sehr abstoßend auf mich wirkten, hoffte ich die Kanzlei möge einen besseren Eindruck auf mich machen, womit ich mich allerdings zutiefst täuschte. Selten zuvor hatte ich ein derart düsteres und fast Angst einflößendes Haus gesehen, das, vollkommen in Schwarz gehalten, beinahe wie ein Kerker wirkte. Aber, dass es sich hierbei eindeutig um die richtige Adresse handelte, besagten bereits die Ziffern und Buchstaben, die groß genug waren, um sie von Weitem zu sehen. Erst beim Näherkommen erkannte ich die beiden großen Drachen, die ein wohl vollkommen verrückter Architekt an die beiden äußeren Häuserecken gefertigt hatte und die mit schrecklich grausamen Gesichtsaufdruck genau auf mich herabschauten. Ich spielte zunächst mit dem Gedanken, den beiden Ungetümen in ihr widerliches Gesicht zu Grinsen, aber die bloße Vorstellung, dass sie dieses böse Grinsen erwiderten, hielt mich von meinem Vorhaben ab.
So betätigte ich nur die Türklingel und musste mehrere unruhige Minuten warten, ehe mir eine sehr alte und heisere Frauenstimme endlich Antwort gab. Als das Summen der Tür ertönte, geschah es wieder mit mir, dass ich in helle Panik auszubrechen drohte, wie es mir schon dutzende Male vorher passiert war. Ich hasste Bewerbungsgespräche und trotz der Anzahl derer, konnte ich mich niemals von dem Schwindel lossagen, der mich jedes Mal umgab, sobald ich vor der Türe stand oder im Haus auf meinen Gesprächspartner wartete. Glücklicherweise konnte ich mich diesmal aber zunächst rasch von meiner Litanei befreien, was auch damit zusammenhing, dass ich die dreckige und widerliche Straße hinter mir lassen konnte.
Obwohl das Gebäude äußerlich so grotesk abstoßend wirkte, war es innen durch altes Marmor sehr schön anzusehen und der Flur war angenehm beheizt. Als ich den vierten Stock erreicht hatte, in dem die Wohnung lag, in dem ich das Gespräch führen würde, war ich sehr froh, die unteren Stockwerke hinter mir gelassen zu haben, aus deren Türen zum Teil ekelhafte und widerliche Gerüche in meine Nase traten.
Oben angekommen wies mir ein Zettel an, auf einem der Sessel Platz zu nehmen und zu warten. Die Zeit auf dem ungemütlichen Untersatz kam mir wie eine Ewigkeit vor und ich fand es merkwürdig, dass mir nicht einmal die Frau begegnete, die mich zuvor hereingelassen hatte. Geschlagene zwei Stunden später, als ich noch immer ganz allein auf meinem Sessel saß und bereits gehen wollte, da ich annahm, dass man mich einfach vergessen hatte und ich nicht den Mut aufbrachte, in der Kanzlei umherzustreifen, um auf mich aufmerksam zu machen, klingelte die Glocke der Tür und zum ersten Mal sah ich die alte Frau, die gerade aus einem der hinteren Zimmer heraustrat. Ihr Gang war sehr gebückt und anstatt mich nun zumindest zu begrüßen, ignorierte sie mich vollkommen, ging mit gesenktem Kopf an mir vorbei zur Sprechanlage, um die vor der Tür stehende Person hereinzulassen.
Ich musste meinen Schock unterdrücken, den ich empfand, als dann ein anscheinend weiterer Bewerber für diese Stelle hereinkam und mich höflich begrüßte. Eilig erwiderte ich seine höflichen Floskeln, allerdings wanderte mein Blick sofort auf seine sehr teure und modische Kleidung, mit der meine eigene auf keinen Fall mithalten konnte. Zudem saß seine Frisur perfekt, für die er mit Sicherheit kurz vorher noch einmal beim Friseur gewesen war und auch die elegante, goldene Uhr um sein Handgelenk fiel mir sofort ins Auge. Der andere bemerkte zu meinem Bedauern den Neid in meinen Augen und sah mich sogleich an, als würde er über mir stehen und als ob er sich fragte, warum man mich überhaupt eingeladen hätte, da er schließlich auch einen Termin hatte und nur ein einziger Anwalt in diesem Haus gesucht wurde.
Die alte Frau nutzte die Zeit in der ich und der andere uns abschätzend beäugten, um in ein anderes Zimmer zu gehen.
Kurz darauf erschien der Inhaber der Kanzlei höchstpersönlich. Genau zu seinem Erscheinen erklang auf einmal die große altertümliche Uhr im Flur und eine unheimliche Melodie erklang, die wahrscheinlich viele Kinder vor dem Schlafen gehen nicht hören dürften, da sie ihnen unendliche Alpträume bescheren würde.
Auf der Stelle erhob ich mich, um meinen Gastgeber zu begrüßen, dieser schenkte mir allerdings kaum Beachtung, sah stattdessen nur zu dem anderen und signalisierte mir dann, dass ich ihm folgen solle. Sein Zimmer war sehr geräumig, es standen allerdings nur zwei große Schreibtische, ein sehr großer, fast majestätisch wirkender Stuhl, auf dem der Gastgeber Platz nahm, und zwei kleinere Stühle im Raum sowie in der hinteren Ecke ein großer Schrank, der fast bis an die Zimmerdecke reichte.
Da ich noch immer auf einen Handschlag wartete, von dem ich natürlich wusste, dass ich die ausgestreckte Hand des Anwalts ergreifen müsse und nicht etwa von selbst auf die Idee kommen sollte, ihm die meine zu reichen, da dies unhöflich war, blieb ich zunächst irritiert in der Mitte des Raumes stehen, bis mir der Gastgeber schließlich nur einen Platz auf einem der Stühle anbot. Der Mann stellte sich als Herr Dagon vor und seine zum Teil sehr laute und deutliche, zum anderen Teil aber auch nuschelnde und stotternde Aussprache irritierte mich von Beginn an. Es schien fast, als spräche Dagon das, was ihm als wichtig erschien, deutlich aus, währenddessen andere Dinge von ihm kaum zu verstehen waren und ich mir die genaue Absicht dahinter selbst zusammenreimen musste. Erst während des Gesprächs, bei dem ich mich erstaunlich gut hielt und jede Antwort wohl bedacht, zügig und gut verständlich von mir gab, hatte ich die Möglichkeit Dagon näher zu betrachten und ich wunderte mich, dass mir seine auffällige Frisur nicht bereits vorher aufgefallen war.
Dagon hatte sehr lange Haare, die er penibel zurück gekämmt trug und die ihm fast wie eine Mähne auf seinen Schultern lagen. Seine Haare waren zum größten Teil schon vollständig weiß, obwohl er wohl noch keine 60 Jahre alt gewesen war und auch sein Gesicht zeigte sehr tiefe Furchen, die ihn älter machten, als er wahrscheinlich war. Sein Anzug verunsicherte mich vom ersten Moment an, seitdem ich ihn deutlicher betrachtete, denn es schien fast, als trug Dagon einen schwarzen Einteiller, den ich so noch nie zuvor gesehen hatte.
Die ganze Zeit über behielt er mich im Auge und selbst wenn er einmal den Blick senkte, hatte ich das Gefühl, dass ich mich nur für sehr kurze Zeit in Sicherheit wiegen sollte, ehe er den Blickkontakt wieder aufnahm. Manchmal umgaben seine Lippen dann ein kleines, kräuselndes und kaum einzuschätzendes Lächeln, das mich jedes Mal erschauern ließ, da es im krassen Kontrast zu seinen Augen stand, die mich fast raubtierartig betrachteten. Ich ließ mir von alledem aber nichts anmerken und nach den ersten Sätzen, die ich in ähnlicher Form schon unzählige Male bei vorherigen Bewerbungsgesprächen gehört hatte, schaute ich meinem gegenüber noch immer gespielt selbstbewusst in die Augen.
Dann klatschte Dagon auf einmal sehr laut in die Hände und schlug einen anderen, härteren Ton an.
„Bevor ich mich jetzt von ihrer Person weiter langweilen lasse, komme ich doch dann sogleich auf mich selbst zu sprechen“, sagte er, dieses Mal betont deutlich in der Aussprache.
„Ich bin der beste Anwalt der gesamten Welt und ich versichere ihnen, dass sie niemanden jemals finden werden, der sich mit dem Gesetz besser auskennt, es besser deuten kann als ich. Ich arbeite jede Woche mindestens 80 Stunden und wenn ich nicht arbeite, so lese ich ausschließlich die größten Philosophen, die es gibt, um mich aus anderer, vielleicht sogar höherer Sicht mit dem Gesetz zu befassen. Ich hoffe, dass sie das beherzigen, wenn sie allen Ernstes mit mir zusammen arbeiten wollen, denn wenn nicht, haben sie hier von vornherein nichts zu suchen.“
Bereits bei seinen ersten Worten musste ich lautstark schlucken, was Dagon belustigte und es dauerte einen längeren Moment, ehe ich mich von seinem Gesagten erholt hatte. Doch trotz der Arroganz, die ich in dieser Form noch niemals zuvor erlebt hatte, stachelte mich eigentlich gerade diese an, jetzt nicht klein bei zu geben, sondern Dagon von meinen Qualitäten zu überzeugen, von denen ich sicher war, dass ich sie hatte. Zunächst erwähnte ich meine enorme Wertschätzung ihm gegenüber, was ein großes Risiko in sich barg, da ich noch nie von ihm oder seiner Arbeit zuvor gehört hatte und eine Gegenfrage seinerseits mich in tiefe Beklemmung werfen könnte. Dann lobte ich meine Zielstrebigkeit, meinen Fleiß sowie meine Arbeitsmoral über alle Maße, was ich ansonsten niemals tun würde, ich aber glaubte, dass Dagon genau an solchem Pathos gefallen fände. Ich wollte gerade fortfahren und mich weiter lobenswert charakterisieren, wobei mich meine eigenen Worte seltsamerweise stolz machten, ehe Dagon mich barsch unterbrach und mich auf meine Schwächen ansprach, von denen er seinerseits ganz sicher war, dass ich sie hätte. Seinen vorwurfsvollen und fast anmaßenden Ton ignorierend, wollte ich meine Schwächen in eigentliche Stärken umwandeln, wie ich es schon oft zuvor getan hatte und was für mich reine Routine darstellte. Wahrscheinlich ahnte Dagon, was ich ihm nun erzählen wollte, weswegen er einige Blätter auf den Tisch legte, die mein Abschlusszeugnis an der Universität sowie meinen Lebenslauf enthielten.
„Wie ich sehe ist ihr Zeugnis gerade noch gut, was mich für sie natürlich freut. Allerdings haben sie hier einen Fehltag stehen, der zwar entschuldigt, aber dennoch da ist. Wie konnte das denn passieren?“
Ich stotterte eine verlegene Entschuldigung und konnte meine Verblüffung über seinen Vorwurf nur schwer überspielen, da mich in der Fülle meiner bisherigen Vorstellungsgespräche noch niemand auf diesen einzigen Fehltag angesprochen hatte, an dessen Ursache ich mich nicht einmal mehr erinnern konnte.
„Oder hier, ein ganzes halbes Jahr im Lebenslauf, in dem sie anscheinend überhaupt nichts gemacht haben. Zumindest steht da nichts davon.“
Dagons Blick, der nichts als Mitleid ausdrücken wollte, war nicht das, was er zu sein vorhatte. Mein Maß an Empathie ging so weit, dass ich dahinter seine gesamte Widerwärtigkeit, seinen höhnischen Spott, geradezu sein dreckiges, zynisches Grinsen sah, das er mir nur wenig später von allein offenbarte und das, wie es mir vorkam, nur allein aus dem Grund, dass er bemerkt hatte, dass ich seinen Blick vollkommen richtig eingeschätzt hatte.
Ich musste tatsächlich ein halbes Jahr warten, ehe ich auf der Universität angenommen wurde, aber jeder, der wusste, wie schwierig es war, überhaupt einen Platz an dieser Universität zu bekommen, hätte mich wohl kaum darauf angesprochen.
In der Zeit hatte ich meinem Vater bei der Arbeit helfen müssen und bei der schwere der Lasten, die ich hatte tragen müssen, hatte ich mir beinahe einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Natürlich erwähnte ich dies Dagon gegenüber nicht und die Arbeit, die ich tätigte, nur flüchtig.
„Sind sie denn vollkommen gesund?“, fragte Dagon als nächstes und als ich anfing zu stammeln, schrie er mich an, dass ich die Wahrheit sagen solle, da ich ansonsten auch nachträglich suspendiert und voller Schmach vor die Tür gesetzt werden würde. Mein Zeugnis, das er daraufhin schreiben werde, würde von derartiger Verachtung und Abscheu sein, dass mich niemals irgendein anderer Anwalt jemals einstellen werde und wenn doch jemand Zweifel an der Grausamkeit des Niedergeschriebenen haben möge, so würde Dagon demjenigen auch persönlich sagen, dass jedes einzelne Wort davon zutreffend sei.
Es hätte so viel Einschüchterung gar nicht bedurft, als ich Dagon gestand, dass ich zuckerkrank bin, was mich in diesem Moment allerdings selbst schockierte.
„Aha, sogar noch etwas privates, was sie für diese Stelle nur schwer tragbar macht. Nicht, dass sie deswegen etwas können, aber es gibt nun einmal Bewerber, die auch noch ein soziales Plus aufweisen, wohingegen sie jetzt natürlich mit einem Minus dastehen, das sehr große Schatten wirft.“
Ich wollte mir diese Gehässigkeit auf keinen Fall weiter gefallen lassen, mir fehlten aber die Worte, um mich gegen Dagons wüste Beschimpfungen zur Wehr zu setzen und irgendwie hegte ich noch immer den Traum, dass ich gerade nur getestet wurde und ich noch immer gute Karten hatte, die Stelle zu erhalten. Dagon musste diesen Zweifel und meinen Argwohn in meinem Gesicht abgelesen haben, als er mich weiter provozierte.
„Ich wette mit Ihnen, dass der junge Mann da draußen, der mit Ihnen um den einzigen freien Platz in meinem Büro wettstreitet, kerngesund ist und auch weitere persönliche und soziale Stärken aufzuweisen hat, von denen Sie wahrscheinlich nicht einmal wissen, dass es sie gibt.“
Dagon klatschte laut in die Hände, was mich in diesem Moment zutiefst erschütterte und ich überlegte schnell, ob ich mir irgendwelche sozialen Kompetenzen einfallen lassen sollte, die ich mein eigen nannte. Da aber bereits zu viel Zeit verstrichen war, würde mein gegenüber meine Lügen auf der Stelle durchschauen und allein die Vorstellung, ein weiteres lautes Klatschen seinerseits, womöglich noch gepaart mit seinem widerlichen Lächeln, von seinen ekelhaften Lippen, die nun nur noch gekräuselt waren, ausgehend, zu provozieren, würde ich nur noch schwer verkraften.
„Und erst Ihre Kleidung“, sprach Dagon, schief lächelnd, weiter. „Also, der junge Mann da draußen erschien hier mit Krawatte, wohingegen sie nur ein einfaches Hemd anhaben, welches wahrscheinlich ihre Mutter für Sie ausgesucht hat, um hier Eindruck zu machen. Tja, liebe Mutter, leider fehlt die Krawatte.“
Der Punkt war nun erreicht, an dem ich ernsthaft wütend wurde. Es hätte ja gereicht, wenn ich, wie so oft zuvor, eine Ablehnung bekäme, aber, dass ich dazu nun noch aufs Schlimmste gedemütigt wurde, dazu hatte nicht einmal Dagon das Recht, ganz gleich, in welcher Position er gerade war. Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt, als ich dort vor meinem Peiniger saß, bereits drei erfolglose Jahre für eine Stellung beworben und jedes Mal aufgrund meiner aufkommenden Panik vor oder gar in den Gesprächen die Stelle nicht bekommen. Dies war für mich zwar zunächst beklemmend und mittlerweile auch einfach tragisch, dennoch wusste ich, dass dieser Mensch nicht auf meiner Ehre und meinem Stolz herumtrampeln und mich zudem nicht wie ein kleines Kind behandeln durfte, das noch von seiner Mutter angezogen wurde. Das mit der Krawatte stimmte leider, denn gerade an diesem Tag hatte ich diese mit einem Kaffeefleck besudelt, was für mich doppelt bitter war, da ich gewöhnlich so gut wie nie Kaffee trinke und ich mich auch nur wegen des Koffeins dafür entschied, am Morgen eine Tasse zu mir zu nehmen. Da die anderen, wenigen Krawatten, die ich besaß, nicht zu meinem neuesten Anzug passten, den ich nur der Vorstellungsgespräche wegen, für teures und lange gespartes Geld gekauft hatte, sah ich mich dementsprechend gezwungen, ganz ohne Krawatte zu erscheinen, was in fielen Anwaltskanzleien auch überhaupt kein Problem dargestellt hätte.
Nun saß ich aber einem besonders harten Fall gegenüber, der so penibel, wie bislang noch niemand vor ihm zuvor auf meine Fehler hinwies und diese sehr zu genießen schien. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch überhaupt keine Ahnung, nicht einmal die leiseste Vorstellung von dem, was mich durch Dagon noch erwarten sollte und wenn ich es irgendwie bewerkstelligen könnte, sei es durch Zauberhand oder andere höhere Kräfte, noch einmal diesen Tag, diese Stunde und sei es nur diese verdammte Minute voller Beklemmung, in der ich ihm dort damals gegenüber saß, noch einmal von vorn erleben zu können, so würde mein Schicksal ein anderes sein, dessen bin ich mir ganz sicher.
„Wissen Sie eigentlich, was Ihr Hauptproblem ist“, fuhr Dagon ungeachtet meines Gesichtsausdrucks fort und als meine Augen sich angsterfüllt weiteten, da er seine Hände wieder lautstark zu einem Klatschen zusammenführen wollte, fing er stattdessen so laut an zu lachen, dass vor Abscheu mein gesamter Körper zitterte und gar fröstelte. Sein Blick war nun derart herausfordernd auf mich gerichtet, sodass ich schlagartig eine Abwehrhaltung einnahm, was bei einem Vorstellungsgespräch alles andere als vorteilhaft ist, mir aber in diesem Moment vollkommen gleichgültig war. Voller Ekel betrachtete ich nun seine schleimigen, fetten Lippen, die sich gerade aufhörten zu kräuseln, um sich zu öffnen und schon konnte ich seine mir unerträgliche Stimme wieder hören.
„Die Rhetorik und das korrekte Auftreten sind einfach nicht Ihre Stärke und werden es wohl auch niemals sein. Als Anwalt ist dies aber natürlich sehr wichtig. Man muss sich eben ausdrücken können. Sie dagegen wirkten vom ersten Augenblick an total abwesend und neben der Spur und manchmal reden Sie so schnell mit Ihrer verblödeten Aussprache, dass wahrscheinlich nur Sie selbst oder Ihre verkorksten Eltern, von denen Sie diese wohl geerbt haben, verstehen können, was sie sagen.“
Voller Schock realisierte ich wenige Sekunden später erst, was Dagon eben in mein Gesicht gesagt hatte. Ich kniff meine Augen wütend zusammen und starrte ihm ins Gesicht, was er vollkommen belanglos hinnahm, bevor ich unschlüssig aufstand und auf die Tischplatte schlagen wollte, da ich das zu diesem Zeitpunkt für eine gute Idee hielt. Bevor ich allerdings dazu kam, überraschte mich Dagon damit, dass er stattdessen wieder sehr laut in die Hände klatschte und mich dabei anlächelte. Er wiederholte dies noch zwei Mal, was mich merkwürdigerweise von meinem Wutausbruch abhielt, bevor er mir ein Geschäft anbot, das bei genauerer Betrachtung nur von einem Anwalt stammen konnte. Mit einer Höflichkeit in der Stimme, die höchst wahrscheinlich nur seine besser gestellten Mandaten jemals zu hören bekamen, sprach er nun zu mir und sein Gesicht strahlte von einem zum anderen Moment nichts als Weisheit aus, was seine vorherigen Worte fast vergessen machte.
Natürlich war ich immer noch wütend und ich wusste, dass man Dagon nicht trauen durfte, aber, dass er sein Verhalten und seine Stimme nun derart freundlich veränderte, machte, auch wenn ich mir das natürlich nur ungern eingestehe, großen Eindruck auf mich.
„Ich möchte Ihnen etwas vorschlagen, bei dem Sie eigentlich nur gewinnen können“, sagte er betont langsam und aufrichtig. Selbst seine Augen hatten nun einen milden Ausdruck angenommen und es schien mir fast, als würde er seine Beleidigungen bereuen, was mich dazu veranlasste, mir seinen Vorschlag anzuhören.
„Ich freue mich, dass Sie kompromissbereit sind, mein junger Herr. Das ist eines der sozialen Pluspunkte, von denen ich sprach und ich muss sagen, dass sie diesen Pluspunkt wirklich verdienen. Der Handel, den ich Ihnen anbiete ist sehr simpel. Sie hören jetzt auf der Stelle auf, sich weiter zu ärgern und ich erzähle Ihnen, was ich noch niemandem zuvor erzählt habe und zwar, wie meine ersten Schritte in das Berufsleben waren; genauer gesagt, meine ersten Bewerbungen zum Rechtsanwalt, was Sie garantiert interessieren wird.“
Mit nur einem sehr kurzen Nicken gab ich Dagon zu verstehen, dass ich die Bedingungen akzeptierte und augenblicklich begann er zu erzählen, wie er es zuvor versprochen hatte.
Mit einem völlig abstrus wirkenden, selbstironischen Lächeln auf den Lippen, erzählte er mir, dass er über vier Jahre lang keine Stellung als Anwalt und noch nicht einmal als niedere Bürohilfe bekommen konnte, da er damals sehr stark gestottert hatte und es auf diesem Bereich zur damaligen Zeit auch keine wirklichen Experten gab, die ihm von seinem Leiden befreien konnten. Dagons nun lethargischer Gesichtsausdruck überraschte mich und sein Gesicht wirkte nun lebhafter und nicht mehr so maskenhaft und bösartig. Mit einem tiefen Seufzer berichtete er weiter, dass seine Eltern deswegen zutiefst traurig und verzweifelt gewesen waren und auch er sich kaum noch Hoffnungen machte, sich seinen ersehnten Berufswunsch erfüllen zu können.
Dagon hielt für einige Sekunden inne, ehe sich sein Gesichtsausdruck stark verdüsterte und er mir hart in die Augen sah.
„Wissen Sie überhaupt, was das für ein Gefühl ist, mit sehr guten Noten von der Universität zu kommen und dann an der eigenen Muttersprache zu scheitern?“, fragte er mich wütend, wobei seine Augen finster funkelten. Da ich wusste, dass keine Antwort von mir verlangt wurde, hielt ich den Mund und ließ Dagon weiter von seiner Vergangenheit erzählen.
„Und dann diese Blicke von diesem widerlichen Abschaum, der mir Hoffnungen machte und mich dann doch ablehnte; schriftlich, von ihren dämlichen Sekretärinnen gedruckt, mit zig Rechtschreibfehlern im Text, da man auf besondere Sorgfalt bei mir ja anscheinend nicht Acht geben musste und man mir diese Unverfrorenheit zumuten konnte, immerhin brachte ich selbst ja nicht einen einzigen geraden Satz heraus!“
Dagons Faust knallte ohrenbetäubend auf den Tisch und ich wunderte mich, dass er nach all den Jahren noch immer einen derartigen Hass empfand und vor allem, dass er mir diesen nun lebhaft zeigte. Um die Situation zu entspannen und mit einem nun wieder guten und hoffnungsvollen Gefühl, da ich und Dagon das selbe Schicksal teilten, wollte ich etwas aufmunterndes, höfliches sagen, von dem ich sicher war, dass es gut ankommen würde, jedoch hatte mich Dagon die ganze Zeit über beobachtet und bevor ich meinen Mund öffnen konnte, sprach er bereits langsam und fast bedrohlich weiter, wobei er sich weit über den Schreibtisch zu mir beugte und mir in die Augen starrte.
„Wissen Sie, wie ich meine erste Anstellung dann doch bekommen habe?“
Meine Nackenhaare krümmten sich schon bei dem merkwürdigen Klang seiner Stimme auf und als ich seine verrückten Augen erblickte, wusste ich, dass er mir etwas grauenvolles beichten würde.
„Jeder Mensch wurde durch irgend etwas gebrandmarkt, nehme ich an.“ Dagons nun wiederkehrende, raubtierartige Züge, die bis zu seinen Augen reichten, lösten in mir eine starke Furcht aus und irgend etwas grauenvolles schrie in mir geradezu, dass er den Mund halten solle. Da mir meine eigenen Lippen aber nicht gehorchten, sprach Dagon langsam und sehr gut verständlich weiter.
„Ich hatte vor vielen Jahren nach all meinen Enttäuschungen dann doch das Glück, auf einen alten Anwalt zu treffen, der bereits ein Jahr später in Rente gehen würde und der seine Arbeiten nicht mehr eigenständig erledigen konnte, weswegen er Verstärkung brauchte. Dieser Mann galt als ungemein gewissenhaft und milde, was ihn bereits bei anderen Anwälten in Verruf gebracht hatte, die ihn heimlich verspotteten.
Ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich von seiner Sekretärin erfuhr, dass ich der einzige Bewerber für diese freie Stelle war und dass der Anwalt bereits händeringend nach einem Anwaltsgehilfen Ausschau hielt, damit er zumindest seine Mandanten nicht enttäuschte, die sich auf seine Zuverlässigkeit verließen. Noch im Gespräch mit diesem Mann wusste ich, dass ich die Arbeitsstelle bekommen würde. Meine mangelhafte Sprache erwähnte er nicht ein einziges Mal, sondern er nickte stattdessen fast mitleidig, aber auch verständnisvoll. Bei der Verabschiedung signalisierte er mir, dass er sich über eine Zusammenarbeit zwischen uns sehr freute und dass er sich bereits einen Tag später bei mir melden und mir dann wahrscheinlich schon meine Arbeitszeiten zusenden würde. Da ich meine Freude unterdrücken musste, gab ich ihm nur eilig die Hand und marschierte hinaus, damit mir ja kein Fehler mehr unterlief.
Ich erinnere mich noch genau an die Freude, die ich damals empfand und sogar noch besser an den darauffolgenden Schock, der mein Herz fast zum Stillstand brachte. Noch im Hinausgehen stieß ich fast mit einem sehr elegant gekleideten jungen Mann zusammen, der sich höflich bei mir entschuldigte und der mir sagte, dass er zu dem Anwalt wolle, da er durch einen Tipp erfahren habe, dass dieser verzweifelt einen Helfer suche.
Es kam mir so vor, als wäre ich dort eine Ewigkeit gestanden, in der ich meinem gegenüber in die Augen starrte und ich nicht fähig war, auch nur ein einziges Wort von mir zu geben. So lag es an ihm, das einseitige Gespräch fortzuführen und er fragte mich sogleich, ob der Mann im Hause sei. Natürlich wollte ich nicht, dass sich die beiden trafen und so versuchte ich mir eine Lüge auszudenken, die aber viel zu unglaubwürdig erscheinen musste, weswegen ich es auch unterließ. Der Anwalt, dessen Gunst wir uns beide erhofften, war zwar sehr gutmütig, aber leider eben auch gerecht. Seine kleine Kanzlei hatte nur Platz genug für einen einzigen weiteren Mann und ich wusste genau, dass ich derjenige nun nicht mehr sein würde. Es war mir, als spielte mir mein eigenes Gehirn Streiche, das zu logischem Denken gar nicht mehr fähig war und wie im Bann zog ich den Mann etwas von der Tür weg und sprach dabei hysterisch auf ihn ein. Da ich meine eigenen Worte aber nicht verstehen konnte, war es ihm umso weniger möglich, meinen Gedanken zu folgen und stattdessen versuchte er nur, sich von meinem schwachen Griff zu befreien. Ich kann gar nicht genau sagen, was dann geschah, da ich es nicht weiß. Plötzlich hielt ich einen alten Kaminstock in der Hand, der, mir zuvor gar nicht aufgefallen, gegen die Hauswand gelehnt war, und wenig später tropfte das Blut aus der linken Seite der Schläfe des Mannes, der mein Leben und meine Träume nur einen einzigen Augenblick zuvor zunichte machen wollte. Immer noch unfähig auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, schmetterte ich immer wieder den spitzen, harten Gegenstand in das nun völlig blutverschmierte Gesicht, bis dieses kein einziges Zucken mehr von sich gab. Wie durch einen Geistesblitz wickelte ich den leblosen Körper in den Teppich, auf den ich zuvor gestanden hatte und warf diesen in eine Luke, die für den gesamten Müll des Häuserblocks zuständig war und die in riesige Müllbehälter führte.
Noch heute kann ich es nicht fassen, dass seine Leiche nie gefunden wurde und dass ich tatsächlich nur einen Tag später die Stelle erhielt. Nachdem der alte Anwalt in Rente ging, übernahm ich seine Mandanten, die mit mir äußerst zufrieden waren und mir sehr viel Geld zahlten, sodass ich mir alle paar Jahre eine größere Kanzlei leisten konnte.“
Nachdem Dagon geendet hatte, hielt ich seinem Blick mehrere Sekunden lang stand, da ich hoffte, dass noch eine Pointe kommen würde und er mir sein Gesagtes als grausigen Scherz offenbarte. Leider sollte nichts von dem geschehen und als er mir zudem sein grausamstes Lächeln zeigte, das nun fast dem Gesicht eines Haifischs glich, wusste ich, dass er mir nichts als die reine Wahrheit erzählt hatte.
„Was man nicht alles für eine Anstellung tut, nicht war?“, fragte er merkwürdigerweise mehr zu sich selbst, als an mich gewandt und ich war froh, dass seine wahnsinnigen Augen in eine andere Richtung starrten.
„Ich hoffe, Ihnen hat meine Geschichte gefallen, aber eigentlich bin ich mir dessen ganz sicher. Denn wenn Sie genauer darüber nachdenken, so werden Sie sehen, dass sie große Parallelen zu Ihrem eigenen Leben aufweist.“
Wegen meines verdutzten Gesichtsausdrucks fing Dagon so laut und schrecklich an zu lachen, sodass ich seinem zuvor Gesagten nicht einmal widersprach, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er damit meinte. Als hätte Dagon meine Zweifel erkannt, sprach er weiter und offenbarte mir gleichzeitig seine schlimmsten und wahnsinnigsten Gedanken.
„Nun, junger Mann. Ich werde nächstes Jahr in Rente gehen. Ich habe viel erlebt und durchgemacht und bin nun einfach müde. Ich benötige somit zum ersten Mal in meinem Leben Verstärkung... aber eben nur von einem einzigen Mann. Das Problem ist, dass dort draußen ein weiterer Bewerber sitzt. Ich habe Sie vollkommen bewusst so lange warten lassen, sodass Sie Ihrem Konkurrenten begegnen müssen. Ich muss Ihnen zudem aber leider sagen, dass mir Ihre Sprache missfällt und Ihre Kleidung mangelhaft ist. Der dort draußen machte einen viel besseren Eindruck auf mich und ich werde wohl ihm diese Stelle und all meine wohlhabenden Mandanten anvertrauen. Sie hingegen können ja weiter nach einer Stellung Ausschau halten, wie Sie es schon seit Jahren tun und es noch viele Jahre tun werden. Nicht jeder hat so ein Glück wie ich, irgendwann auf einen gutmütigen Menschen zu treffen, von denen es wohl heute auch keine mehr gibt.“
Ich bin mir sicher, in diesem Moment vehement widersprochen zu haben, auch wenn ich mich nicht an ein einziges Wort davon erinnern kann, da mich Dagon auf der Stelle unterbrach und mir ins Gesicht schrie, wobei ich einiges von seinem Speichel abbekam.
„Sie haben noch die Wahl, junger Mann! Ich dagegen musste meine Entscheidung spontan treffen und habe diese manchmal tatsächlich bereut. Meine alte Sekretärin da draußen ist so gut wie blind und hört kaum noch etwas. Machen Sie sich um sie also keine Sorgen. Also, hören Sie mir jetzt gut zu. Sie sind momentan meine zweite Wahl und das, obwohl ich Ihren Konkurrenten noch nicht einmal angehört habe. Sie haben keinerlei Chancen, hier anfangen zu können, es sei denn, Sie schlagen den Weg ein, den auch ich gehen musste. Und ich bin mir ganz sicher, dass Sie wissen, was ich meine! Ihn dann verschwinden zu lassen, das lassen Sie meine Sorge sein, es ist für Sie wahrscheinlich zu viel verlangt. Wie Sie sehen, bin ich sogar noch gnädig mit Ihnen. Und nun tun Sie, was Sie tun müssen, um ein ehrenwerter, respektierter Mensch zu sein!“.

Mir schwindelte sehr stark, als ich zur Tür wankte und diese öffnete. Noch nie im Leben hatte ich mich so hilflos gefühlt und ich musste aus diesem Raum, diesem Haus und am besten aus diesem gesamten Viertel so schnell wie möglich verschwinden. Ich kann mich an Dagons wilde Flüche und Beleidigungen, die er mir hinterherrief, nicht einmal mehr erinnern, als ich an dem Kleiderständer angelangt war und meinen Mantel holen wollte. Erst dort bemerkte ich wieder den anderen Bewerber, der immer noch auf sein Vorstellungsgespräch wartete und der mich nun fragend ansah. Als ich etwas zu ihm sagen wollte, war es mir so, als verhedderte sich meine Zunge und ich stotterte so stark, dass ich nur ungläubige Blicke erhielt. Durch einen Impuls, den ich mir nicht einmal selbst erklären konnte, empfand ich urplötzlich rasende Wut auf diesen Mann, der schon bald sehr wohlhabend sein würde, ohne dafür etwas geleistet zu haben. Wie im Wahn torkelte ich blindlings auf ihn zu, sodass er etwas zurückwich, allerdings nicht schnell genug, um meinen Händen auszuweichen, die sich, wie vom Körper losgelöst, um seinen Hals schlangen. Mehrere Augenblicke später stand ich, seine wilden Schläge vollkommen ignorierend, noch immer ganz nah bei ihm und zerrte und quetschte solange, bis das Leben aus seinen Augen vollkommen erloschen war und ich ihn daraufhin sachte zu Boden gleiten ließ.
Nur einen Moment später sah ich Dagon auf mich zukommen, der mir fast einen größeren Schrecken einjagte, als meine Handlungen selbst, die ich zuvor begangen hatte.
„Ist es erledigt? Gut, dann bringen Sie ihn in mein Büro“, hörte ich ihn sagen, obwohl ich sicher bin, dass er noch viel mehr von sich gab und seine fleischigen Lippen sich unentwegt öffneten und wieder schlossen.
Ich kann nicht einmal mehr sagen, ob ich den toten Körper tatsächlich ins Büro schleifte oder ob Dagon das selber erledigen musste. Das nächste, woran ich mich wieder erinnere, ist, dass der nun tote Mann auf dem Stuhl abgelegt wurde, auf dem ich zuvor Platz genommen hatte.
Fast ein wenig stolz schaute mir Dagon nun kurz in die Augen, ehe er mehrere Sekunden auf den durch meine eigenen Hände zu Tode gekommen Mann starrte. Irgendetwas in seiner Mimik erschrak mich so sehr, dass nicht einmal der Tote damit konkurrieren konnte. Fast väterlich, aber auch mitleidig und voll wahnsinniger Freude starrte Dagon noch immer in das Gesicht des zweiten Bewerbers, der niemals sein Bewerbungsgespräch erreichen sollte – zumindest nicht lebendig.
„Ja, so wird es gehen, das wird gut.“
Als ich Dagon darauf ansprach, was er damit meinte, traf mich seine Antwort fast wie ein Schlag ins Gesicht. Er drehte sich sehr langsam zu mir um und lächelte mich dann mitleidig an.
„Es tut mir sehr leid, junger Mann, aber ich werde doch den anderen Bewerber nehmen. Er wirkt so tüchtig und eifrig und seine Kleidung passt wirklich haargenau. Ich nehme doch stark an, dass die maßgeschneidert ist. Nett von Ihnen, dass Sie sein Gesicht nicht beschädigt haben. Er scheint fast so, als wäre er in Gedanken.“
Mittlerweile kannte ich Dagon gut genug, um zu wissen, dass er nicht scherzte. Ich hatte seinen wahnsinnigen Auftrag ausgeführt, ich hatte gezeigt, dass ich der Richtige war, um, wie er sagte, ein ehrenvoller und respektierter Mensch zu werden und nun wagte er es, mir zu sagen, dass er sich gegen mich entschied.
Der Wahnsinn brannte nun auch in meinem Kopf und ich würde mir seine Ablehnung auf keinen Fall bieten lassen.
„Ich habe alles getan, was Sie wollten!“, schrie ich Ihn an. „Ich habe gemordet! eben gerade habe ich einen Menschen mit meinen eigenen Händen getötet! ich habe das getan, was Sie tun mussten, um der zu werden, der Sie sind. Wir teilen dasselbe Schicksal und ich werde Sie beerben! Sie suchen einen Anwalt und hier bin, ich habe mich genug bewiesen. Der da auf dem Stuhl ist tot und Ihnen keine Hilfe mehr!“
Nun versuchte mich Dagon tatsächlich mit hektischen Handbewegungen zu beschwichtigen und sah mich dabei an, als wäre ich einer seiner Kunden, denen er gerade etwas beichten müsste.
„Es tut mir wirklich aufrichtig leid, aber ich kann mich nicht von diesem herrlichen Anblick lösen, der mich so sehr motivieren wird, dass ich das letzte Jahr noch gut alleine schaffen werde. Es ist wirklich kein weiterer Platz hier für Sie da. Das würde dann einfach alles durcheinander bringen. Und Sie wissen ja, dass ich auch nur einen Bewerber nehmen kann. Ich bedaure Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich mich für einen anderen Bewerber entschieden habe.“
Wut und Verzweiflung wechselten sich so schnell in mir ab, dass ich Dagon nur noch vollkommen losgelöst, mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, bis ich überraschend einen rationalen Gedanken fasste, der mir wie die Lösung vorkam.
„Sie können diesen Toten doch nicht ein Jahr lang hier auf diesem Stuhl sitzen lassen und außerdem wird er unfassbar anfangen zu stinken und was wollen Sie dann mit ihm machen?“
Nicht im Mindesten überrascht, zeigte mir Dagon ein Lächeln, als hätte er eine Antwort parat, die mich tatsächlich erfreuen sollte. Zügigen Schrittes ging er zu dem großen Schrank am Ende des Zimmers und öffnete diesen mit einem großen, rostigen Schlüssel. Als ob ich an diesem Tag nicht schon genug grausiges mitansehen musste, fielen nun zwei große Säcke aus dem Schrank heraus, die beide unten voller Blut waren und bei einem von ihnen ich deutlich die Umrisse eines menschlichen Körpers erkennen konnte. Durch Dagons freudigen Gesichtsausdruck zusätzlich noch weitaus mehr angewidert, verlor ich beinahe das Bewusstsein, ehe ich schreiend und wimmernd aus dem Zimmer rannte und Dagons Worte nur noch schleierhaft verstand.
„Wir alle haben so unsere kleinen Ticks, mein Junge.“


Ich erwachte direkt auf dem Rasen vor der Kanzlei, von einer Gruppe von Menschen umringt. Einer von Ihnen hielt meinen Kopf nach oben, wohingegen ein anderer versuchte, mir eine Flüssigkeit einzuverleiben. Mitten unter ihnen erkannte ich den Wirt, bei dem ich mehrere Stunden zuvor gesessen hatte und der mich nun aufmunternd anschaute. Es dauerte einen Augenblick bis ich verstand, dass ich wohl einen Anfall erlitten hatte. Schmerzhaft kam mir zu Bewusstsein, dass ich am heutigen Tage zu wenig gegessen hatte und dass ich total unterzuckert sein musste. Die Menschen, die nun um mich herumstanden und mich durch höfliche Gesten zum Trinken animieren wollten, sodass ich wieder zu Kräften kam, waren aller Wahrscheinlichkeit nach die Gäste, von denen der Wirt gesprochen hatte, dass sie bei ihm reserviert hatten. Einer von ihnen musste mich hier liegend entdeckt und die anderen zu Hilfe geholt haben. Voller Dankbarkeit nahm ich nun das warme Getränk, das nach Suppe schmeckte, zu mir und ich freute mich über die lieben Gesichter, die mir nun voller Zuversicht zugewandt waren. Eine ältere Frau aus der Gruppe machte sich sogar die Mühe, sich zu mir herab zu beugen, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben. Die anderen quittierten dies mit einem lauten Lachen, in das ich nur zu gerne mit eingestimmt hätte, wenn dies meine Verfassung zugelassen hätte. Meine Dankbarkeit galt in diesem Moment aber nicht nur diesen Menschen, sondern auch der Tatsache, dass der Traum, den ich geträumt hatte, wohl meinem Delirium zuzusprechen war, in dem ich mich befand und dieser tatsächlich auch nur ein schrecklicher Traum gewesen war, den ich hier, in der Kälte liegend, gehabt hatte. Vielleicht könnte ich das Bewerbungsgespräch, für das ich in diesem Moment natürlich viel zu schwach war, sogar nachholen und man würde mich aus Mitleid anstellen, da ich genau vor der Kanzlei zusammengebrochen war und das zumindest immer eine tolle Geschichte zum Erzählen war. Ich sann diesem Gedanken voller Zuversicht nach und ich fühlte gleichzeitig, wie ein Ruck durch meinen Körper ging und meine Kräfte ein wenig zurückkamen. Zwei der Männer vor mir halfen mich wieder aufzurichten und das gutmütige und fröhliche Gelächter der Menschen konnte ich dieses Mal freudig erwidern.
Die Stimmung wandelte sich zum Heiteren und mir wurden viele Dinge auf einer Sprache gesagt, die ich nicht einmal kannte. Ich antwortete jedes Mal mit einem Lächeln, welches mir stets freudig entgegnet wurde, als plötzlich jemand zu unserer Gruppe stieß, der so gar nicht zu ihr passte.
Die Menschen um mich herum machten ein wenig Platz und ich konnte ein Gesicht erkennen, das mir bekannt vorkam. Es ähnelte nicht nur verblüffend dem Schrecken meines Traums, sondern ich begriff, dass es sich hierbei tatsächlich um Dagon handelte. Er trug seine Haare allerdings anders und er schenkte jedem ein offenes, positives Lächeln, zu dem der Dagon aus meinem Traum niemals fähig gewesen wäre.
Er erkundigte sich sehr höflich was hier vorgefallen sei und nachdem einer der Männer ihm klarmachte, dass ich einen Anfall erlitten hatte, kam er auf mich zugelaufen und fragte voller Sorge nach meinem Wohlbefinden.
Nein, das war nicht der Dagon aus meinem Traum. Ich musste sein Foto schon einmal irgendwo gesehen haben und meine Panik vor dem Vorstellungsgespräch, gepaart mit meinem Anfall, hatte mir einen Alptraum beschert, in welchem er die Hauptrolle spielte. Ich wechselte ein paar Worte mit ihm und war dankbar über seine vollkommen andere, weiche und warme Stimme. Die Gruppe um uns herum erkannte, dass es mir wieder gut ging und machte sich freudig zum Aufbruch, wohl zurück ins Wirtshaus, bereit. Einige drückten mich noch einmal oder gaben mir die Hand.
Noch mitten im Trubel sagte ich Dagon lachend, dass ich derjenige sei, der bei ihm ein Vorstellungsgespräch habe und fragte höflich, ob man dieses auf einen anderen Tag verlegen könne.
Wohl darauf bedacht, dass auch der letzte aus der Gruppe nun gegangen war, schaute sich Dagon noch einmal um und sah mir dann direkt in die Augen. Schlagartig und mit dem Gefühl vollkommener Bestürzung begriff ich nun, wer der Mann vor mir tatsächlich war. Die Milde aus seiner Stimme war erloschen und seine Augen waren raubtierartig, als er erwiderte.
„Wie schön für Sie, junger Mann, aber ich sagte Ihnen doch schon:
Der Platz ist bereits besetzt!“

 

Hallo jonni500,

es wäre schön, wenn du deiner Geschichte noch ein oder mehrere Stichworte ("Tags") hinzufügst.
Dann ist dein Text dem richtigen Genre zugeordnet, ist leichter zu finden und die Leser wissen, worauf sie sich einlassen. Außerdem ist dann auch eine Zuordnung zu einem Moderator möglich.

VG, GoMusic

 

Hallo jonni500,

leider enthält dein Text zu viele Fehler, sodass ich ihn zu deiner Hilfe ins Korrektur-Center (findest du oben unter "Service") verschoben habe. Hier findest du nützliche Threads zu gängigen Fehlern und hast vier Wochen Zeit, deinen Text zu verbessern. Wenn du meinst, fertig zu sein, schick eine PN an Tserk, er verschiebt dann ggf. zurück. Tut sich in dieser Zeit nichts, wird der Text gelöscht.

Ein paar Bsp.:

Nichts hoffe ich so sehr in meinem Leben wie diese Straße und den kleinen, eigentümlichen Ort, der diese umgibt, niemals wieder zu finden.
Leben, wie; wiederzufinden (Das ist unglücklich; will er, doof gefragt, seinen Orientierungssinn verlieren?)
(Außerdem angemerkt: Dieser Satz ist - wie viele andere auch - umständlich. Generell würde ich dir empfehlen, Dinge möglichst einfach auszudrücken, damit man sich auf die Story konzentrieren kann und nicht immer damit ringen muss, deinen Gedanken zu folgen und nicht den Faden zu verlieren. Wie wäre es hier z.B. mit "Ich hoffe nichts so sehr, wie diesen kleinen, eigentümlichen Ort mit dieser Straße niemals wiederzusehen."? Sagt dasselbe aus und ist um einiges einfacher zu lesen.)

Auch wenn ich davon ausging, dass der Weg dorthin sich aufgrund der schrecklichen Erkenntnisse, die ich machen musste, sich in mein Gehirn eingebrannt hat, so war ich doch überrascht, dass meine zahlreichen Versuche, dorthin zu gelangen, wo es den Anfang nahm, ohne Erfolg blieben.
Erkenntnisse werden nicht "gemacht", sondern man hat sie (du meinst wohl eher Erlebnisse?). "in mein Gehirn eingebrannt hat" ist die falsche Zeit: hatte (Und der Satz ist wieder umständlich.)

Natürlich wäre es ein leichtes, in den Archiven der Rechtsanwaltskammer zu stöbern, um mir somit noch einmal den genauen Weg ein zu verleihen, den ich gehen muss, aber das wäre für mich einfach nicht das Selbe, als durch eigene Kraft und sei es nur die, meiner Gedanken, an diesen Ort zurückzukehren.
ein Leichtes; meinst du "einzuverleiben"? Dann besser: einzuprägen o.Ä.; dasselbe (Wieder umständlich.)

Es geschah vor mehr als fünf Jahren, als ich mich zu einem Bewerbungsgespräch einer für seinen exzellenten Ruf berüchtigten Anwaltskanzlei begab, auf die ich nur durch einen besonderen Tipp gestoßen war und welche auch nicht besonders auf sich aufmerksam machte, dass sie Angestellte suchte.
Schlag mal bitte nach, was "berüchtigt" heißt. (Und wieder umständlich.)

da jeder andere Weg- zu Fuß oder mit einem Taxi zu weit oder teuer gewesen wäre.
Was macht der Bindestrich da? 2 Kommas hin.

An der letzten Haltestelle angelangt, war ich der einzige Fahrgast gewesen, der den halb zerfallenen und mehr als uneinladenden Bahnhof betrat und der einzige Mensch, der mir dort begegnete, war ein uralter Bahnhofaufseher, der wie wild in seine Trillerpfeife blies, ohne dass der Grund dafür erkennbar wäre.
"uneinladend" ist nicht gebräuchlich, da findest du was Besseres; statt "wäre" am Ende müsste es entweder "gewesen wäre" oder "war" heißen

dann jedoch sah er mir angsterfüllt in die Augen, bevor er einen Mark erschütternden Schrei von sich gab und weinend davon lief.
markerschütternden; davonlief

Dieses Schauspiel erschreckte mich derart, dass ich beinahe vergaß, was mich in diese, mir zuvor vollkommen unbekannte Gegend hergeführt hatte und
diese mir

Also, ich weiß nicht, wie du schreibst, vielleicht hattest du die Geschichte ganz grob im Kopf und hast drauflosgeschrieben, und das hier ist das Ergebnis, dann wäre das hier die Basis, auf der du aufbauen kannst. In meinen Augen muss da jedenfalls noch viel aufbereitet werden, damit man als Leser damit Spaß hat.

Viel Erfolg beim Überarbeiten & viele Grüße,
Maeuser

 

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