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Das ausgeliehene Sakko

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02.11.2024
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Das ausgeliehene Sakko

Ich lag auf dem Sofa und wusste wieder nichts mit mir anzufangen. Mir kam eine Idee. Die Jacke kratzte über meine Arme, in die fertiggeschnürten Schuhe konnte ich hineingleiten, die Schlüssel klirrten.
Ich trat vor die Tür. Es regnete schon wieder, doch es machte mir nichts aus.
Am Kiosk nebenan kaufte ich mir eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug. Obwohl ich wusste, dass sie nass wird machte ich mir eine an.
Aufgetakelte Mädchen, die auf eine verschwitzte Nacht im Club zusteuerten. Das Pärchen vor mir kuschelte sich unter einen Regenschirm, ich rollte die Augen und musste überholen. Zwei Jungs schubsten sich und brachen dann in Gelächter aus. Alle so scheiß glücklich.
Ein Tropfen löschte meine Zigarette, ich schmiss sie weg und zündete mir eine neue an.
Die geschlossenen Läden versprühten immer noch ihr unangenehm grelles Licht. Ich musste trotzdem in den ein oder anderen schauen. Ohrringe für fünfzigtausend Euro, wer braucht sowas?
Aus einer Bar taumelte ein Student und rempelte mich an. Meine Zigarette fiel in eine Pfütze, ich zündete mir eine neue an.
Wieso war es heute nur so voll? Gab es etwas um sonst? Die ganze Welt bereitete sich auf einen heiteren Abend vor. Jeder hoffte er wird besonders, vielleicht wird ja dieser nie vorbeigehen? Doch ich wusste es besser und bog in eine ruhige Gasse, weg von all dem Getümmel.
Ich folgte ihr, folgte der Nächsten und auch der danach. Irgendwann wusste ich nicht mehr wo ich war, doch es war mir egal.
Weit und breit erhellte keine Laterne mehr die Straße, nur noch die Lampen hinter einem Schaufenster spendeten Licht. Wie eine Motte zogen sie mich an.
Ich sah Sakkos, sonst nichts. In mir regte sich etwas, was eingestaubt in der Ecke gelegen hatte. Ohne Erwartungen drückte ich die Türklinke runter und zu meiner Verwunderung öffnete sich die Tür. Es war einer dieser alten Läden, von denen jeder schonmal geträumt hatte. Nahezu alles in Holz verkleidet, angenehm unordentlich und dort stand auch schon der charismatische Inhaber.
„Sie haben noch geöffnet?“
Er beachtete mich erst garnicht, hantierte noch mit einem Maßband. Dann fielen seine strengen Augen auf mich. Sie blitzten hinter einer kleinen Brille mit runden Gläsern auf.
„Sicher, sicher.“
Dieser Ort hatte etwas Magisches. In ihm fühlte ich mich zuhause, gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht lange bleiben konnte.
„Dein Sakko ist schon lange fertig. Wurde Zeit, dass du es abholst.“
Mein Sakko? Ich verstand nicht, doch das war egal. Der Inhaber griff in ein Fach in der Wand, was mir vorher nicht aufgefallen war und zog es heraus.
„Morgen bringst du es zurück.“ Er schaute mich eindringlich an, ich erkannte wie ernst es ihm war und nahm das Sakko entgegen.
„Was schulde ich ihnen?“
„Nichts, das kommt noch. Genieß es.“
Schon wieder verstand ich nicht und schon wieder war es egal.
Kaum war ich aus der Tür, zog ich es an. Ohne zu wollen seufzte ich erleichtert. Es fühlte sich so gut an, wie es über meinen Schultern lag, wie der sanfte Stoff sich auf meinen Armen senkte. Ich spürte jede Faser, jeder Knopf vollendete mich.
An der nächsten Ecke schmiss ich meine alte Jacke samt Zigaretten und Feuerzeug in den Müll.
In dieser Nacht schlief ich so gut wie noch nie, natürlich trug ich es auch im Bett.

Am Tag darauf war es so weit, ich musste das Sakko wieder zurückgeben.
Wieso? Die Frage plagte mich. Wieso kann es nicht einfach bleiben?
Doch das Schicksal hatte kein Erbarmen mit mir. Um die selbe Zeit wie gestern ging ich von Zuhause los. Lief in die heiße Menschenmasse, bog wieder ab, dann wieder und dann wieder.
Dort war er, die Klinke gab nach, widerwillig trat ich ein. Schon auf dem Weg hatte ich mir vorgestellt was jetzt passieren würde. Wie eingeprobt sprach ich:
„Ich kann ihnen das Sakko heute nicht zurückgeben, das geht einfach nicht. Ich brauche es und ich denke es braucht auch mich. Wieso müssen sie es unbedingt haben?“ Der Innhaber spürte meine Verzweiflung, das wusste ich und doch blieb er ungerührt.
„Es gehört dir nicht.“ Kühl streckte er mir seine Hand hin, wir beide wussten, was zutun war. Der Stoff glitt an meinem Rücken hinunter und ich fing ihn auf. Schmerzlich legte ich ihn über seinen Arm.
„Übermorgen kannst du wiederkommen.“ Das Sakko verschwand wieder in seinem Fach und ich wusste es war Zeit zu gehen.
Auf dem Weg nachhause wurde mir kalt und diesmal war es mir nicht egal.

Am nächsten Tag machte es mich verrückt es nicht mehr zu tragen. Ich musste nochmal den Laden aufsuchen und den Innhaber anflehen.
Menschen, Gasse, Gasse, Gasse. Doch diesmal erhellte kein Licht die Straße. Absolute Dunkelheit, wo ich auch hinschaute. Mir war eiskalt, ich lief weiter und weiter, doch nichts. Wo ist dieser scheiß Laden denn nur?
Die halbe Nacht verstrich, bis ich endlich aufgab. Durchgefroren und hungrig kam ich in meine Wohnung. Ich schmiss mich aufs Sofa ohne etwas zu Essen, der Appetit war mir vergangen.
Mir fiel es schwer einzuschlafen, irgendwann schaffte ich es dann.

Meine gesamte Welt bestand nur noch aus einem einzigen Gedanken: Heute Abend würde ich es wieder tragen. Den ganzen Tag machte ich nichts als auf und ab zu gehen und jede zwei Minuten auf die Uhr zu schauen. Nach einer Ewigkeit war es endlich so weit. Ich lief aus der Tür und rannte den altbekannten Weg. Einmal verlor ich das Gleichgewicht und rempelte einen Jungen an, der mich übel beschimpfte. Es war mir egal.
Endlich! Von Weitem sah ich schon das warme Licht, O dieses Licht. Als ich die kalte Klinke runterdrückte kam auf einen Schlag die Gelassenheit, wie bei einem Süchtigen, der nach langem Warten wieder eine raucht.
„Guten Abend.“
Ich täuschte vor nicht verrückt nach diesem Sakko zu sein. Er betrachtete mich von Kopf bis Fuß.
„Du solltest mehr essen.“
Ich hörte nicht zu, schaute nur auf das Fach in der Holzwand. Endlich bewegte er sich und brachte es mir.
„Morgen Abend, wie das letzte Mal.“
Hastig schmiss ich es über meine Schultern, schon wieder diese Gelassenheit. Mit ihm fühlte ich mich einfach vollkommen.
Einige Zeit ging ich noch spazieren, weil ich so erregt war. Schließlich kamen wir zuhause an und legten uns ins Bett. Stundenlang hätte ich gedankenlos an die Decke starren können. Wenn es bei mir war, dann konnte ich mich entspannen.

Am nächsten Tag stellte ich mir vor, wie ich einfach mit ihm weglaufe. Was passieren würde, wenn ich es heute nicht zurückgeben würde. Ich wünschte es wäre so einfach, doch das war es nicht. Ich bin diesen Pakt eingegangen und jetzt musste ich mich auch an seine Regeln halten.
Jede Sekunde hatte ich mit ihm genossen, ich hoffte ich würde es bald wiedersehen.

Dann war es soweit, ich stand vor dem Schaufenster und betrachtete mein Spiegelbild. Ich zögerte es so lange wie möglich hinaus, griff dann schließlich doch zur Klinke. Alles war wie gewohnt. Der Innhaber schaute mich an. In seinen Augen sah ich, dass er wusste was ich dachte.
„Ich kann das nicht. Ich kann es jetzt nicht zurückgeben. Es hat sich so gut angefühlt.“
„Doch, du kannst… weil du es musst.“
Mich packte die Verzweiflung.
„Verdammt wieso???“
Sein Seufzen hörte sich nach Erfahrung an.
„Weil es nicht dir gehört. Von Anfang an wusstest du es, trotzdem hast du es ausgeliehen. Es spielt keine Rolle wie gut es dir passt, oder wie du dich fühlst, weil es nicht deines ist.“
Eine Schwere legte sich über meinen Körper. Der Innhaber musste mir helfen das Sakko auszuziehen, alleine hätte ich es nicht geschafft.
„Am Ende des Tages liegt dieses Sakko bei jemand anderem im Schrank. Es hat seinen Weg zu dir gefunden und du hast es zugelassen.“
Vorsichtig legte er das Sakko zusammen, als sei es das Wertvollste der Welt, dann verschwand es wieder im Fach. Wie ich das hasste.
„Was schulde ich ihnen?“
„Hier bezahlt man nicht mit Münzen.“
Das erste Mal verstand ich.

Oft bin ich danach noch die Gassen entlanggelaufen, mal suchend, mal in Gedanken schwelgend. Nie wider sah ich das warme Licht des Ladens, nie wieder sah ich das Sakko.

 
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Hallo @L. Sauer,

die story hat mich nicht so ganz mitgenommen, möglicherweise habe ich deine Intention nicht erfasst, trotzdem ein paar Überlegungen dazu:
Den Untertitel "Bloody Sunday" verstehe ich nicht, ich bin kein Fan oder Kenner von U2, aber der Text bezieht sich auf ein Massaker britischer Soldaten an unbewaffneten Demonstranten. Wählt man diesen Untertitel, hätte ich einen Bezug erwartet, der sich mir aber nicht erschließt. Komma-Sachen werde ich nicht besprechen, weil es sonst zu langwierig wird. Aber von vorn:

schon wieder einer dieser Tage an denen man nicht weiß, was man mit sich anfangen soll.
Der Anfang holpert, das erste man könnte evtl. gestrichen werden. (einer dieser Tage, an denen man nichts mit sich anfangen kann?) Und auch das:
Regen, schon wieder Regen, es machte mir nichts aus.
Zunächst wird durch die Wiederholung des Regens angedeutet, dass der Regen nervt, dann macht es ihm nichts aus. Das klingt für mich nicht flüssig.
Am Kiosk nebenan kaufte ich mir eine Packung Camel und ein Feuerzeug. Obwohl ich wusste, dass sie nass wird machte ich mir eine an.
Die Nennung einer Marke scheint mir nicht notwendig zu sein, Zigaretten würden reichen. Warum er sich eine anzündet, obwohl er weiß, dass sie gleich ausgeht, erschließt sich mir nicht. Soll sicher atmosphärisch etwas beschreiben, genauso wie die aufgetakelten Mädchen und die Leute, die so "scheißglücklich" sind, aber das könnte vielleicht mehr unterfüttert, erzählt werden, weil es sich später auch nicht erschließt.
Die geschlossenen Läden versprühten immer noch das unangenehme LED-Licht
LED-Licht ist nicht per se unangenehm, vielleicht eher Neon-Licht?
Am nächsten Kiosk überlegte ich mir ein Bier zu holen, ließ es dann aber doch bleiben. Für heute reichten mir die Camel.
Wieder die Camel, ist die Überlegung, ein Bier kaufen zu wollen und es dann nicht zu tun,
wichtig für die story? Kann man evtl. weglassen.
bog in eine ruhige Gasse, weg von all dem Getümmel.
Ich folgte ihr, folgte der Nächsten und auch der danach. Irgendwann wusste ich nicht mehr wo ich war, doch es war mir egal.
vielleicht "folgte einer Gasse nach der anderen"? So klingt es für mich nicht flüssig. Dann ist es ihm wieder egal, ohne dass klar wird, warum ihm eigentlich alles egal ist.
Weit und breit brannte kein Licht, nicht einmal eine Laterne, nur die Lampen hinter einem Schaufenster.
Es brennt doch Licht, nämlich die Lampen, würde ich evtl umformulieren.
Dann fielen seine strengen Augen auf mich. Sie versteckten sich hinter einer kleinen Brille mit runden Gläsern.
Verstecken sich Augen hinter einer kleinen Brille? Vielleicht hinter einer Sonnenbrille. "Streng" würde ich ebenfalls streichen.
Es war einer dieser alten Läden, von denen jeder schonmal geträumt hatte
Könnte vielleicht mehr beschrieben, denn behauptet werden. Ich weiß vermutlich, was du meinst, aber besser erzählen. Schonmal ist eine Kurzform von schon einmal, besser getrennt.
Doch das Schicksal hatte kein Erbarmen mit mir
Bißchen drüber?
Lief in die heiße Menschenmasse
Warum ist die Menschenmasse heiß?
Der Innhaber spürte meine Verzweiflung, das wusste ich und doch blieb er ungerührt.
Flüchtigkeitsfehler.
Mit ihm fühlte ich mich einfach vollkommen.
Einige Zeit ging ich noch spazieren, weil ich so erregt war. Schließlich kamen wir zuhause an und legten uns ins Bett. Stundenlang hätte ich gedankenlos an die Decke starren können. Wenn es bei mir war, dann konnte ich mich entspannen.
"Erregt" hat für mich eine sexuelle Nuance, vielleicht eher aufgeregt oder aufgekratzt? Und ist es wirklich alles, dass er mit dem Sacco stundenlang gedankenlos an die Decke starren und entspannen kann? Da fehlt mir der Grund für die Sucht nach dem Sacco, möglicherweise habe ich es auch nicht verstanden.

Vielleicht ist irgendetwas Hilfreiches dabei, schöne Adventszeit wünscht

Jaylow

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Jaylow,

Danke für deinen Kommentar und dein Auseinandersetzen mit dem Text. Ich bin mir meiner Fehler in der Grammatik, vor allem in der Kommasetzung, bewusst. Diese Schwäche plagt mich leider.
Die Logikfehler habe ich korrigiert. Gute Tipps, danke :) Manchmal fällt einem sowas irgendwie nicht auf.
Und zum Verständnis: Schade, dass ich es nicht geschafft habe Athmosphäre und Verständnis bei dir rüberzubringen. Ich bin mir nicht sicher, ob eine Erklärung das Richtige wär, deshalb lasse ich es mal.

Den Untertitel "Bloody Sunday" verstehe ich nicht, ich bin kein Fan oder Kenner von U2, aber der Text bezieht sich auf ein Massaker britischer Soldaten an unbewaffneten Demonstranten.
Alles klar, das war nicht in meinem Sinne, ist rausgenommen.

Bißchen drüber?
Ich bin mir sicher, dass das Übertriebene an der Stelle einen verwirrt, wenn man den Sinn nicht sieht.

Warum ist die Menschenmasse heiß?
"Heiß" sollte hier das Unangenehme beschreiben. Den warmen Atem, die laute Musik, die hektischen Gespräche. Der Tumult war für mich einfach als Knubbel... heiß. Es hat für mich beim Schreiben Sinn gemacht.

"Erregt" hat für mich eine sexuelle Nuance, vielleicht eher aufgeregt oder aufgekratzt?
Erregung ist für mich nicht nur etwas sexuelles, aber auch in meinem eigentlichen Sinne würde es Sinn ergeben. Ich wiederhole mich, aber: Es ist schade, dass ich die eigentliche Bedeutung nicht rüberbringen konnte. Das liegt an mir.

Vielen Dank für das Lesen :)

Lieben Gruß
L. Sauer

 

Ich habe die Geschichte vor meiner Anmeldung hier gelesen. Also vor etwa 4 oder 5 Stunden. Leider habe ich sie nicht verstanden. Ich möchte nicht ausschließen, dass ich zu müde gewesen sein könnte (mir wurde die Immer-Schlaffähig-Krankheit Hypersomnie diagnostiziert).

Andererseits hat mich Dein Schreibstil durch die ganze Geschichte getragen, ohne einzunicken. Allerdings auch die Frage: Was ist die Pointe? Demzufolge würde ich mich freuen, wenn Du den Kern der Geschichte stärker herausarbeitest. Viel Erfolg.

 

Moin @L. Sauer
Ich musste zu Beginn der Geschichte an Handkes "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" denken. Daher dachte ich, dass es in deiner Geschichte vielleicht auch um eine Krankheit/Wahrnehmungsstörung gilt, aber dann kam der Teil mit dem Sakko... Da muss ich nochmal drüber nachdenken :D

 

Hallo, L..Sauer,
ich habe die Geschichte nun 2 x gelesen aber nicht verstanden. Was genau macht das Sakko mit ihm? Es macht ihn glücklich, weil er sich darin gut fühlt? Warum darf er es nur alle 2 Tage tragen? Worin besteht der Pakt? Womit bezahlt er, wenn nicht mit Münzen?
Das ist jetzt ein sehr kurze Rückmeldung, aber da andere auch nicht alles verstanden haben, finde ich die Rückmeldung nicht unwichtig...

 

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