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- 20.12.2001
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Das alte Radio mit den lustigen Knöpfen
Schneeflocken wirbelten sanft dem Boden entgegen, als täten sie eine Kür, die nach den Tugenden der Moral benotet werde, trafen auf und fügten sich zu einer weißen eisigen Masse zusammen. Ich stand an meiner Fensterbank und trank den letzten Schluck Tee aus meiner Tasse, die ich vor Jahren schon wegwerfen wollte, da sie einen kleinen Riß am Rande des Henkels aufwies, sie aber dennoch aus Gründen des schlechten Gedächtnisses tausendfach verschonte. Zucker hatte sich am Boden abgesetzt und so griff ich nach einem Löffel - um umzurühren, was sonst. Die Kristalle wirbelten nach oben und taten so, als würden sie sich auflösen wollen in der Hitze der Umgebung. Nichts war mehr von ihnen zu sehen und ich stellte die Tasse auf einem kleinen Teller ab. Nur einen Meter von mir entfernt stand das alte Radio mit den lustigen Knöpfen daran, die man unterhaltsam von links nach rechts und wieder zurück drehen konnte. Eine herrliche Sache daran herumzuregeln - und so wagte ich nicht der Versuchung zu widerstehen und schaltete es einfach ein. Beliebiger Sender, Lautstärke human. Hörbar eben. Die Musik stimmte mich fröhlich und so trat ich wenig später zur Fensterbank zurück, schaute nach draußen, nahm den aller letzten Schluck aus der Tasse und sah vor dem Hause etwas in den Schnee fallen - ich wußte nicht was. Wieder stellte ich die Tasse ab, guckte skeptisch und kratzte mich leicht am Kopf. Die Haare hätte ich mir waschen sollen, naja. Meine Füße schlüpften in die bequemen Filzstiefel und ich nahm den grauen Mantel, da es wohl kalt war. So öffnete ich die Tür, erst langsam und vorsichtig und dann entschlossen, richtig kraftvoll, doch sicherheitshalber wollte ich sie nicht schließen. Die Welt war ja gefährlich geworden, so egoistisch und kriminell. Die weiche weiße Masse gab wunderbar nach - Schritt für Schritt, bis ich an die vermutete Stelle kam. Dort lag ein Englein - abgestürzt vom Himmel wohl. Etwas bleich im Gesicht und zitternd vor Kälte, Lippen und Flügel schön blau. Mit großen Augen sah es herauf. Etwas mulmig war mir schon und ich sah mich erst einmal vorsichtig um, nicht daß ich noch verdächtig erscheine. Niemand würde das glauben, dachte ich mir so nebenbei und sah nach links, rechts, ja nach vorn und auch nach hinten. Dann trat ich gegen seinen Kopf, bis es nicht mehr zitterte, noch jappste, ging zurück ins Haus, durch die Türe, die noch offen war und hörte schon wieder die Musik aus dem Radio. Sie stimmte mich fröhlich und ich konnte nicht widerstehen an den Knöpfen und Reglern herumzudrehen.