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Das Abenteuer Paranoia (Angst und Schrecken auf der Obstbaumwiese)

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30.10.2016
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Das Abenteuer Paranoia (Angst und Schrecken auf der Obstbaumwiese)

An jenem Novemberabend 2015 hätte ich wahrscheinlich mit dem Kopf im Schoß meiner Frau liegen bleiben sollen.
Nach einer stressigen Arbeitswoche fühlte ich mich ausgepresst, wie eine Zitrone. Auf meinen Knien lag der Laptop, auf dem Bildschirm waren wieder einmal Nachrichten, Nachrichten, Nachrichten. Erneut brandgefährliche Situation im Nahen Osten, wieder Demos, wieder Kriegstreiberei in der neoliberalen "Qualitätspresse".

"Haltet die Diktatoren auf! Im Namen der amerikanischen Staatsverschuldung, im Namen der Finanzblasen, haltet die Schurkenstaaten unbedingt auf." Verdrehte Welt, verkehrte Werte, Nutte wird Nonne genannt, Nonne Nutte. In den alternativen Medien nichts als Schwarzmalerei und das ewige Geflenne.

"Die Welt geht unter! Die Apokalypse kommt. Bald ist alles vorbei. Der Countdown läuft. Zehn, neun, acht, sieben...."

Zu guterletzt stoße ich auf einen Artikel über die Hellseherin Baba Wanga "Das Ende Europas in 2016". Genau das hat jetzt noch gefehlt. Pünktlich zur Untergangsstimmung eine ordentliche Portion Mystik. Was? Wie? Weshalb? Schnell eine Googlesuche. Tatsächlich! Laut der Alten sollte im kommenden Jahr Europa nahezu menschenleer werden. Krieg, Kathastrophe oder doch Massenauswanderung? Verschiedene Seiten enthielten unterschiedliche Information. Wieder betrachtete ich das Bild der alten Frau. Von seiner Aufmachung erinnerte es an eine Ikone. Ein religiöses Motiv, eine blinde Greisin, die den Tod, das Ende kommen sieht und mit der Hand auf ihn deutet. Die zugeklebten Augen gaben dem faltigen Gesicht eine unbegreifliche Ausstrahlung. Wer war sie? Ein Racheengel, ein Medium oder des Teufels rechte Hand?

An jenem Abend wäre es vermutlich das Vernünftigste gewesen, ins Schwimmbad zu gehen oder irgendeine dämliche amerikanische oder französische Komödie zu schauen, eine Runde zu laufen, zu meditieren oder sonst etwas Entspannendes zu unternehmen. Doch zu diesem Zeitpunkt, da Wanga mich in ihren Bann gezogen hatte und ich wie hypnotisiert auf den Bildschirm starrte, hatte ich bereits die dreifache Dosis LSD im Magen. Drei Zettel - war das zu verkraften? Probieren geht über Studieren. Eine Stunde Erwartung war schnell vergangen. Langsam begann es überall zu kribbeln. Ein bekanntes Gefühl, ein schönes, angenehmes, doch heftiger als sonst, heftiger, viel heftiger. Verdammt nochmal, was war das denn? Ich sprang auf und ging ein wenig im Raum hin und her.

- "Was ist mit dir", hörte ich meine Frau fragen.
- "Alles in Ordnung."

Doch nichts war in Ordnung. Diese Energie, diese Elektrizität in meinen Adern, wo sollte das alles denn nun hin. Die Wände wurden enger.

- "Ich muss weg", sagte ich und ging in den Flur.
- "Hast du schon wieder Drogen genommen?" Ich antwortete nicht. Dafür hatte ich keinen Kopf mehr. Es war unmöglich, das in diesem Zustand mit ihr zu besprechen.

Schnell die Schuhe anziehen und raus. Im Treppenhaus konnte man die Laute aus den anderen Wohnungen hören, alle auf einmal. Die Bewohner kamen mir in den Sinn, mitsamt ihren Problemen. Diese Last drohte mich zu erdrücken. Ich rannte die Treppen hinunter in die frische Luft. Was mich nun packte, war die reinste Panik.
Draußen erklang schließlich eine Stimme aus einem der Fenster.

- "Hey Nachbar. Wohin?"

- "Ich dreh durch, Tarzan. Ich dreh durch."

- "Warte auf mich, bin gleich unten."

Ich ging hin und her. Alles um mich herum verschwamm, die Lichter der Laternen, die betonierte Straße mit den Autos. Ein einziger Gedanke zog in meinem Kopf seine Kreise und kam immer und immer wieder. Ein einziges Wort: hängenbleiben, hängenbleiben, hängenbleiben.

- "Wie gehts dir, Nachbar?" fragte Tarzan. Er war entgegen seiner Gewohnheit, sich wie eine Schnecke zu bewegen, innerhalb einer einzigen Minute nach draußen gesprintet.
- "Alter, ich werde verrückt. Das ist zu stark."
- "Wieviele hast genommen?"
- "Drei."
- "Und, gut?"
- "Verdammt nochmal, siehst du doch."
- "Hehe. Ich bin auch noch drauf, Moruk. Hab heute Nachmittag zwei Stück gefressen. Das wird schon wieder. Mach dir keine Sorgen, Lan."

Ich sagte kein Wort und marschierte los. Tarzan folgte mir.

- "Alter, dich hat es ja richtig gut erwischt."

Ich antwortete nicht, versuchte, mich zu konzentrieren. Ein Gedanke folgte auf den nächsten, einer schlimmer als der andere. Dass Gedanken materiell sein sollen, hatte ich schon oft gehört. Doch diese waren mehr als das. Sie waren spürbar, berührbar, sichtbar wie Ölgemälde an der Wand.

- "Denk an etwas Positives, empfahl mein Nachbar."

- "An was denn?"

Eine neue Panikattacke schlug auf mich ein wie eine gigantische Welle und mir kam es vor, als treibe ich in einem Ozean, wo weit und breit kein Land in Sicht ist. Nichts hätte mich jetzt beruhigen können. Rein gar nichts. Ein höllischer Schrecken zog sich wie schwarze Wolken über meinem Kopf zusammen. Das Eingangstor in
die Welt religiöser Wahnzustände hatte sich geöffnet und ich geriet in die Gewalt von Kräften, die ich nicht erklären, nicht begreifen, nicht nachvollziehen konnte. Mir blieb die Luft weg, obwohl ich in vollen Zügen atmete.

- "Nachbar, Nachbar. Komm wieder zu dir." Tarzan rüttelte an meinem Jackenärmel.

Halt! Stop! Es ist nur das LSD, das verdammte Acid, dieses Teufelszeug. Das ist nur
vorübergehend so. Das wird wieder vergehen? Das vergeht doch wieder? Oder?

Wir liefen bergauf und mein Herz begann zu rasen. Ich spürte es in den Schläfen donnern und war mir sicher, dass ich gleich platze. Noch ein bißchen und es kracht. Ein Infarkt, ein Schlaganfall, mein Schädel wird explodieren. Und wenn er nicht explodiert, dann werde ich den Verstand verlieren. Heute, hier und jetzt. Wie sich das wohl anfühlt? Wie kann man sich das überhaupt vorstellen? Verdammt, warum habe ich nur so wenig Respekt vor Drogen. Was für eine kranke Variante. Einfach so über Nacht. Zack, und du bist nicht mehr du selbst. Bist nicht mehr derjenige, der du immer gewesen zu sein glaubtest.

- "Du bist nur auf Horror, Mann. Morgen ist das vorbei." Unterbrach Tarzan meine Spinnereien.
- "Wann, Alter?" Fragte ich vollen Ernstes.
- "Das hält schon noch eine Zeit, hehe." Mein Nachbar lachte in seiner gewohnten Manier. Ein
kurzes "Hehe", aber tief aus dem Rachen heraus.

Jeder einzelne Gedanke kam mit der Intensität einer Offenbarung, eines wahren Geistesblitzes, der jedoch
nichts als Unheil verhieß. Wenige Momente lang ließ er mich wie ein Stromschlag zappeln und verschwand dann wieder, als sei er nie dagewesen, gefolgt vom nächsten, genauso furchbaren.

- "Denk an etwas Schönes," schlug Tarzan noch einmal vor.

Ich versuchte es. Doch alles, was mir je Freude bereitet hatte, kam jetzt verzerrt, verdreht und
verunstaltet bis zur Unerkennbarkeit. Jeder Gegenstand, den ich betrachtete, bekam einen Leuchtkranz um sich herum, dessen Strahlen wie die Nadeln eines Stachelschweines in alle Richtungen stachen. Schnell, agressiv, erbarmungslos. Jeder Augenblick wurde zu einem gigantischen Bild, das an mir vorbei in die Ferne zog, gefolgt vom nächsten, wie in einem Filmstreifen. Vergleichbar einem Ertrinkenden im Wasser spürte ich keinerlei Halt, nichts Festes, woran ich mich hätte klammern können. Ich setzte mich auf den Asphaltboden und tastete ihn mit meinen Händen ab. Auch Tarzan ging in die Hocke. Dieser dürre, an ein KZ-Opfer erinnernde Sohn türkischer Gastarbeiter. Er war jetzt meine einzige Verbindung zur Realität.

- "Nachbar, Alter, wohin gehen wir überhaupt?" fragte er.
- "In den Wald. Zu Mutter Natur."
- "In den Wald? Was echt? Doch nicht jetzt."
- "Das letzte was ich brauche, sind Menschen." Sagte ich. "In der Stadt fahren Bullen herum, ein Treffen mit denen, das wird eindeutig zu viel."

In meinem Gedächtnis tauchten die neuesten Zeitungsartikel auf: "Die Russen kommen. Sie sind schon da, überall. Im Internet sind sie, auf den Straßen. Russische Propaganda, KGB Kampfschulen in deutschen Städten, Russlanddeutsche als Putins Geheimarmee, Anhänger eines feindlichen Staates. Der Feind ist vor der Tür. Der Feind steckt im eigenen Haus. Der Feind, das war aller Logik nach ich. Zum Abschuss freigegeben.

- "Moruk, wir können doch nicht im Wald rumhängen, auf Acid. Bist du verrückt?"

Ich sprang auf. Heiliger Strohsack, warum hat der das jetzt gesagt? War ich etwa wirklich schon verrückt geworden. Das Gesicht meines Nachbarn verschob es in alle Richtungen. Eine Grimasse wechselte die nächste ab.

- "Alter, im Wald ist es gut," sagte ich vollen Ernstes. "Mutter Natur liebt uns, die will uns nichts Böses. Menschen sind böse, Mann, sie nicht." Mutter, Mutter war ein guter Gedanke. Doch dieser war ebenso schnell weg wie er gekommen war. Alles was blieb war die strenge mütterliche Anweisung, keine Drogen zu nehmen.

- "Nachbar, du weißt doch. Ich glaube an Dämonen und all son Scheiß, Lan. Amina koyim, gehen wir nicht in den Wald."

- "Dämonen?" fragte ich. Komischerweise löste dieses Wort keinerlei Assoziazionen bei mir hervor. Ich hatte keine Bilder hierzu im Kopf, nicht die geringste Vorstellung zu diesem Thema. Etwas Schwarzes zog im Himmel an mir vorbei und eine Kröte quakte in meinen Ohren.

- "Ja, Mann. Dschinns, Alter. Mein Vater hat die in der Türkei gesehen. Wie sie über Feuer springen. Habe ich dir doch erzählt, Nachbar. Gehen wir nicht in den Wald."

- "Hier gibt es überhaupt keinen Wald", antwortete ich. "Das weißt du doch. Lebst seit
zwanzig Jahren in diesem Kaff. Hier gibt es nur Maisfelder und der Mais ist schon abgeerntet. Bullen sind schlimmer als Dschinns, bljad'. Die hassen Russen, die hassen Türken, die lesen Bildzeitung."

In einiger Entfernung erkannte ich ein Mädchen auf dem geteerten Feldweg mit einem Hund spazieren gehen. Doch als sie uns sah, rannte sie los und der Köter mit ihr. Wie vom Teufel gejagt. Mir fiel ein, dass ich in den letzten Wochen, hier am Stadtrand schon öfter ängstliche Gesichter getroffen hatte, auch tagsüber. Die Einheimischen zuckten zusammen, wenn sie meine unrasierte, südländisch-asiatische Visage sahen. Dann grüßten sie mich und erwarteten mit einem nervösen Blick eine Antwort. Ein akzentfreies "Servus" oder "Grüß Gott" schien sie zu beruhigen. Niemand wusste schließlich, wen genau Mutti ins Land gelassen hatte und
wofür. Niemand hatte einen blassen Schimmer, wer jetzt in den Alubaracken hier hauste, in der Turnhalle am Autobahnzubringer und in der alten Chemiefabrik in Bahnhofsnähe. Es war schon stockfinster und hier auf der Obstbaumwiese fand sich weit und breit keine Seele. Ich musste daran denken, dass innerhalb der letzten Wochen vier meiner Bekannten das Land verlassen hatten. Die zwei Freaks, von denen ich das LSD hatte, waren mit dem Wohnmobil nach Südspanien abgehauen. Eine ehemalige Dozentin hatte auf Facebook gepostet, dass sie
ihre berufliche Zukunft lieber in Japan suchen werde. Ein entfernter Verwandter hatte sich auf Bali abgesetzt. Konnte das Zufall sein? Die ganzen Gehirnamputierten von den Demos waren ohnehin schon lange dabei, ihre kollektive Umsiedlung nach Südamerika zu planen. Sie redeten ununterbrochen vom Dritten Weltkrieg und von einem Bürgerkrieg in Deutschland, der durch Masseneinwanderung aus islamischen Ländern künstlich
herbeigeführt werden soll. Tarzan meldete sich wieder zu Wort.

- "Nachbar, du darfst nicht gegen das Zeug ankämpfen. Du musst es jetzt genießen. Schau dir
diesen Baum an. Die Äste, wie sie sich bewegen."

Ich blickte hinauf. Schwarze Linien schlängelten sich wie Krakenarme, mit dem wolkigen dunklen Himmel im Hintergrund. Wieder hörte ich irgendwo eine dicke, fette Kröte quaken. In mir kam das Bedürfnis auf, den Hügel hinaufzugehen, der an ein Keltengrab erinnerte und von wo aus man die gesamte Umgebung sehen konnte.
Oben angekommen schauten wir in die Ferne. Sahen unsere Stadt, das Industriegebiet, den endlosen Horizont und schließlich den Psychoknast auf dem Berg, direkt im Ortszentrum. Für einen Novemberabend war es recht warm und ich musste an die Erderwärmung denken. Mit der Wärme wandern auch Südvölker in Richtung Norden, zu uns, hierher.

- "Meinst du wirklich?" Fragte mein Nachbar plötzlich. Mir war gar nicht aufgefallen, das ich diesen Gedanken ausgesprochen hatte.

Was wusste denn ich schon, was gerade um mich herum passierte. Vielleicht waren ja inzwischen tatsächlich überall amerikanisch-islamistische Millizen, die Nazikommunisten wie mich jagten. Warum sonst hatte man sie alle ins Land gelassen. Der arabische Frühling - ein Exportschlager.

- "Nachbar, Alter, was wenn ich nie wieder von dieser Scheiße runterkomme?" fragte ich.

- Ach was. Das wird schon wieder. Morgen scheint wie gewohnt die Sonne, Moruk.

Mein Verfolgungswahn gewann an Fahrt. Versuch doch einmal, auf drei Fetzen Acid reale Probleme von irrealen zu unterscheiden. Wo beginnen die einen und wo enden die anderen? Was macht sie überhaupt real und was irreal? Aber auch ohne das, war die Situation nicht wirklich lustig. Wir befanden uns auf den Feldern, einem leeren Territorium, mitten in der Nacht. Woher sollte ich wissen, dass alles wieder so werden würde wie früher. Wer sagte mir überhaupt, dass nicht bereits ein Bürgerkrieg im Land ausgebrochen war und dass radikale Islamisten im Auftrag der CIA und der Finanzeliten nicht bereits alles dafür taten, Chaos in den Städten zu stiften. Die Amerikaner wussten alles über jeden. Was du beruflich machst, deine Lieblingsfarbe, mit wem du ins Bett steigst und selbst das, was du gestern gegessen hast. Sie konnten beliebig Oppositionelle ausfindig machen und sie mit
Hilfe bewaffneter Asylanten vernichten. Vielleicht waren sie ja schon jetzt hinter sämtlichen Andersdenkenden her, ihrer jeweiligen Bedeutung entsprechend mehr oder weniger. Was für ein erbärmlicher Gedanke, dass deine Überlebenschance einzig darin besteht, dass du ein unbedeutender kleiner Wurm bist, der niemandem gefährlich werden kann. War ich das denn? Machten meine Facebook-Bekanntschaften mit Dissidenten und meine Propaganda mich zu einer Gefahr? Im nüchternem Zustand hatte ich nicht einen Gedanken daran
verloren. Doch von Nüchternheit war jetzt nicht einmal zu träumen. Meine Fresse war bei Russia Today erschienen. Oft genug war ich auf Demos gewesen. War das alles Grund genug? Hatte ich mir die Ehre verdient, als gefärlich zu gelten? Was sollte dann der Virus auf meinem Laptop? Ja, Mann: Killerkommandos aus Asylanten - das war es. Der Yankee lokalisiert Freigeister, der Islamist vernichtet sie. So sah der Teufelspakt aus. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Nur so und nicht anders. Warum dann hatten die Bullen überall die
Anweisung erhalten, Araber und Schwarze nicht anzurühren, egal wie sie sich benahmen. Warum sonst vertuschten die Medien all jene Geschichten über Ausländerkriminalität, die unter der Bevölkerung ihre Runde machten.

Kaum hatte ich diesen Gedanken verarbeitet, da sah ich aus der Ferne Fahrradlichter in meine Richtung kommen. Genau auf uns zu. Vier Lampen glühten in der Finsternis. Wer macht denn schon eine Radtour kurz vor Mitternacht, kurz vor Wintereinbruch. Es ist soweit, dachte ich mir und tastete in meiner Jackentasche nach dem Klappmesser, das ich natürlich wieder einmal zuhause vergessen hatte, während die Lichter immer näher kammen und begannen, uns zu blenden. Was nun? Was tun? Wohin? Womit? Nichts als Fragen im Angesicht der Gefahr. Als sie schon ganz nah waren, erkannte ich schwarze Männer. Afrikaner, das konnte niemand anderer sein. Hoch gewachsen und mager, wie gerade erst von den Schiffen heruntergestiegen. Verdammt nochmal. Weit und breit niemand sonst. Im Vorbeifahren waren sie langsamer geworden, immer langsamer und langsamer. In
einem zögerlichen Tempo fuhren sie schließlich an uns vorbei und kamen einige Meter weiter zum Stehen. Die Lichter gingen aus.

Das wars, dachte ich mir, während meine Augen krampfhaft nach herumliegenden Gegenständen suchten. Stöcke, Steine, irgendwas. Es sah schlecht aus. Wenigsten ein Feuerzeug hatte ich in der Hosentasche gefunden. Das würde meinen Schlag härter machen und die Verletzungsgefahr an der Faust mindern. Nur, was sollte das bringen, gegen vier Männer, die zudem mit Sicherheit fitter waren als ich und mein Spargeltarzan von Nachbar. Wieviel Kilogramm brachte er überhaupt auf die Wage? Sechzig, fünfundsechzig? Mehr nicht. Doch gerade hatte ich an ihn gedacht, da erklang sein lauter Schrei.

- "Verpisst euch bloß hier, drecks Asylanten. Geht dahin, wo ihr hergekommen seid. Sick ter lan."

Was war das denn. Warum sagte er das? Hatte er jetzt völlig den Verstand verloren? Ich war irritiert.

- "Wir dürfen keine Angst zeigen", flüsterte Tarzan mir überzeugt zu, als hätte er meine Gedanken gelesen.

Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Was würden wir jetzt verlieren? Die Geldbeutel, ein Paar Zähne oder doch mehr als das? Was wusste ich denn jetzt schon.

- "Zurück nach Afrika, Jumble Jumbel", setzte mein Nachbar noch einen drauf.

Wir waren ganz klar in der Unterzahl. Ich habe nie etwas von leeren Drohungen gehalten und war mir absolut sicher, dass diese türkische Muckertaktik gleich nach hinten losgehen würde. Im Gegenzug erklang irgendein Gemurmel, von dem ich jedoch kein einziges Wort vernehmen konnte. Die Afrikaner tauschten Information untereinander aus. Irgendwelche Laute erklangen, die offensichtlich an uns adressiert sein sollten. Ich konnte die Kerle sehen. Zwar nur die Konturen, aber da waren sie, alle vier. Sie standen da, sie berieten sich, sie
fingen an sich zu bewegen, stiegen auf ihre Fahrräder, drehten diese um und fuhren unerwartet weiter, einfach so. Es war kaum zu fassen. Sie ließen uns einsam in der Dunkelheit stehen. Völlig ohne action. Wir konnten aufatmen. Tarzan hatte recht gehabt. Unglaublich. In dem Bewusstsein, dass die Gefahr noch nicht vorabei war, hielten wir aus und blickten den Wegfahrenden hinterher, zu allem bereit. Davon überzeugt, dass sie endgültig das
Weite gesucht hatten, drehte ich mich schließlich um und wollte gerade weiterlaufen, als urplötzlich ein weiteres Fahrrad aus der Dunkelheit direkt auf mich zukam, ganz ohne Licht, kaum zu erkennen. Der Feldweg war an dieser Stelle von Hecken umgeben. Das Rad war uns schon so Nahe, dass ich nicht einmal die Zeit hatte, mich zu erschrecken. Eine alte Frau saß darauf, mit einer Kapuze, das ihr Gesicht verdeckte. Ich war wie angewurzelt stehen und wie erstarrt mit meinem Blick an der Alten kleben geblieben, da ertönte wie ein Donnerschlag:

- "Bismillahirahmenirahim."

Verdammt, was war das denn? Aus dem Rachen heraus ein gespenstisches:

- "Bismillahiramenirahim."

Ich drehte meinen Kopf um hundertachzig Grad um nachvollziehen zu können, woher dieser, an einen Schlachtruf erinnernde Klang kam. Es war mein Nachbar. Er warf diese Worte der Oma ins Gesicht, als würde er einen Hund anschreien. Sie zog an uns vorbei, doch

- "Bismillahirahmenirahim."

Was sollte das? Wollte er etwa, dass die arme Alte mit einem Herzanfall umfällt. Jetzt, da Gott weiß was im Land passiert, laufen zwei Idioten auf Acid durch die nächtliche Landschaft und rufen zu armen deutschen Rentnerinnen "Bismillahirahmenirahim", "im Namen Allahs, des Barmherzigen".

- "Alter, was machst du? Hörte ich mich selbst rufen und schaute meinen Nachbarn an. "Willst du sie umbringen, bljad'?"

Doch Tarzans Gesicht, das sich noch immer in alle Richtungen verbog, war wie erfrohren. Er sagte kein Wort und starrte nur in die Richtung, aus der die Großmutter gekommen war.

- "Nachbar! Was geht?" Fragte ich noch einmal hinterher.
- "Mann, ich schwör, ich hab die für einen Dämon gehalten. Leck mich doch am Arsch, was hat die mich erschreckt." Stotterte er schließlich vor sich her.

Ich war viel zu paranoid um mich über die Komik der Situation zu amüsieren. Die Oma ließ mich wieder an Baba Wanga denken. Nichts wie weg hier. Zurück in die Zivilisation, scheiß auf die Bullen. Weg von den Feldern und allen Wesen, die sich hier herumtrieben. Wir marschierten wieder in Richtung unseres Hauses. Am Keltenhügel vorbeilaufend sah ich darauf die Afrikaner mit ihren Rädern sitzen. Wie die Geier blickten sie auf uns herab und
schwiegen.

Sobald wir das Wohnviertel erreicht hatten, meinte mein Nachbar schließlich:

- "Jetzt bist du wieder nüchtern."

Das war natürlich schwer übertrieben. Ich war nach wie vor drauf. Nur wusste ich nunmehr,
dass ich nicht durchdrehen würde. Wirtschaftliches Desaster, Massenauswanderung, Bürgerkrieg, atomare Vernichtung - all das stand natürlich noch bevor. Auch hatte ich nicht ausschließen können, einen gewaltigen Schaden von diesem Trip genommen zu haben. Doch meine Gedanken wurden wieder rationaler, strukturierter, klarer und das gab mir allen Anlass, zu hoffen.

Wir gingen die leere Straße entlang unter den Laternen. Weit und breit nichts und niemand. Ich fühlte mich wie der einzige Überlebende nach einer nuklearen Katastrophe in einer verlassenen Stadt, in einer verlassenen Welt. Was für ein erbärmliches Ding, diese Angst.

- "Angst?" Fragte mein Nachbar. "Hast du etwa Angst?"

Ich nickte. Um mich herum war noch immer alles verschwommen, eine einzige Wellenflut, in
der ich zu ertrinken drohte. Wenn die Gefahr auch nicht allzu akut erschien. Unerklärliche Kräfte flößten mir ununterbrochen Verfolgungswahn ein. Was gab es denn in diesem Zustand zu beschönigen. Verdammt, ja, ich hatte Angst. Vor mir stand mein Nachbar und kein Mädchen, dessen Herz es zu erobern galt. Vor mir stand mein guter Freund, mein Kampfgefährte, mein Bruder. Genauso ein Mutant wie ich, genauso ein Produkt gescheiterter Integration. Ein Konsument, der keiner sein will, auf der Suche nach Erleuchtung. Als ich einmal einen Radfahrer mit dem Auto umgehauen hatte, belog er die Bullen ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

- "Angst, Alter. Ja, ich habe Angst."

Unerwartet schlug mir Tarzan auf die Schulter und ich schaute zu ihm. Er hatte einen kämpferischen Blick.

- "Du kannst keine Angst haben, Mann. Hörst du? Du kannst keine Angst haben. Du bist Russe. Weißt du, was das heißt?"

- "Nein, Alter. Was denn?" fragte ich.

Tarzan hob seine Hände in Brusthöhe und ballte die Fäuste zusammen.

- "Terminator, Alter. Das heißt Terminator, Moruk." In seinen Augen leuchtete feste Überzeugung. Was er da von sich gab, war sein purer Ernst.

Währenddessen hampelte er wie ein Affe vor mir rum und machte böse Mienen. Tarzan erzählte irgend etwas von Ghettos, Schlägereien und Ausländerehre. Über Grünbühl, Sonnenberg, Plattenwald und Diezenhalde, über Ahmet, Sergei, Dschengis, Lirem, Viktor, Mirsad, Igor und Aslan, Schlagstöcke, Messer, Untersuchungshaft und Rapvideos. Doch ich konnte ihm beim besten Willen nicht zuhören. Seine enthusiastische Rede flog fast
vollständig an meiner Aufmerksamkeit vorbei. Wie von selbst bewegten sich meine Augen in Richtung Himmel. Dieser war noch immer dunkelblau und bewölkt und die Wolken nahmen die verschiedensten Formen an bis sie sich endlich zu einer erkennbaren Gestalt zusammengezogen hatten. Ich sah vor mir das faltige Anlitz Baba Wangas mit den zugeklebten Augen und dem unruhigen Gesichtsausdruck.

 
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„1) Geister schweben (vignettenhaft) hinter der rechten Schulter. Kühle in dieser Schulter. In diesem Zusammenhang: »Ich habe das Gefühl, daß außer mir 4 im Zimmer sind.« (Umgehung der Notwendigkeit sich mitzuzählen.)
...
5) Unbegrenztes Wohlwollen. Versagen der zwangsneurotischen Angstkomplexe. Die Sphäre »Charakter« tut sich auf. Alle Anwesenden irisieren ins Komische. Zugleich durchdringt man sich mit ihrer Aura.
6) Das Komische wird nicht nur aus Gesichtern, auch aus Vorgängen herausgeholt. Man sucht Anlaß zum Gelächter. Vielleicht stellt sich auch nur darum so vieles, was man sieht, als »arrangiert«, als »Versuch« dar: damit man darüber lachen kann.
...
11) Unlust zu Auskunft. Rudimente von einem Zustande von Entrücktheit. Große Empfindlichkeit gegen offne Türen, lautes Reden, Musik.
12) Gefühl, Poe jetzt viel besser zu verstehen. Die Eingangstore zu einer Welt des Grotesken scheinen aufzugehen. Ich wollte nur nicht hereintreten.
13) Ofenröhre wird Katze. Beim Worte Ingwer ist anstelle des Schreibtisches plötzlich eine Fruchtbude da, in der ich sofort darauf den Schreibtisch wiedererkenne. Ich erinnerte an 1001 Nacht.
14) Unlustig und schwerfällig den Gedanken anderer zu folgen.
...
22) Auffallend ist, daß man Hemmungsgründe, die im Aberglauben etc. liegen und die man sonst nicht leicht benennt ziemlich impulsiv ohne starken Widerstand frei heraussagt.
In einer schillerschen Elegie heißt es »Des Schmetterlings zweifelnder Flügel.« Dieses zum Zusammenhange des Beschwingtseins mit dem Gefühl des Zweifels.
23) Man geht die gleichen Wege des Denkens wie vorher. Nur sie scheinen mit Rosen bestreut."
(aus den Drogenexperimenten des Walter Benjamin 1927 bis 1934, in Über Haschisch)​

Der Gedanke an Polizisten löste eine weitere Panikattakcke in mir aus. Was hätte ich denen
in diesem Zustand erzählen sollen. Ihre strengen Visagen hätten mir endgültig den Rest
gegeben.

Warum stehen die paar Zeilen Benjamins am Anfang dieses Kommentars,

Sputnik2000 -
und damit erstmal willkommen hierorts, wo Du hoffentlich nicht durch LSD abgestürzt bist, als eine

neue Panikattacke […] auf mich ein[schlug] wie eine gigantische Welle und
mir kam es vor, als treibe ich in einen Ozean[,] wo weit und breit kein Land in Sicht ist.
Sie setzen einen guten Kontrast zu Deinem zu entwirrenden Werk von acht Seiten Manuskript.

Denn ich bezweifel, dass Du zu Deinen Text über den Russen Moruk (dem Icherzähler) und einem Türken von Spargel-Tarzan, einem schier zu langgeratenem Werk, in dem Dschinns – übersinnliche Wesen im Islam, die übrigens auch in Rushdies letztem Roman ihr Wesen treiben – Kaffesatzleserei einer Wahsagerin und Verschwörungstheorien, Angst vorm Fremden und wie nebenbei „Muttis“ wir schaffen das mit dem Dritten Weltkrieg und der kriselnden Weltwirtschaft in einem Eintopf zusammengerührt und gebraut werden ohne Hexeneinmaleins.

Dabei hätte Walter Benjamin, der die politische Entwicklung der Welt, insbesondere in Europa und den Aufstieg des Faschismus und Nationalbolschewismus beobachtete, allen Grund zur Sorge um sein eigenes Leben haben müssen. Gleichwohl kommen bei ihm vollständige und grammatisch korrekte Sätze zustande, die zudem sinnvoll sind.

Bei Dir ist es wohl ein Gedankenstrom von Höcksken auf Stöcksken, denn ich bezweifel, dass die Zeilen im Rausch geschrieben sind. Irgendwo hatte ich dann sogar das Gefühl, dass so was wie Rassismus durchleuchtet, den ich schon mal bei Deutschen polnischer Abstammung erlebt hab, die sich zu Hütern über Flüchtlingen aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg aufspielten.

Oder wird man wie besoffen durch zu viel Internet-Aufenthalte?, was ich nicht beurteilen kann. Was ich beurteilen kann sind Formatierung (eigenwillig, an sich nix Schlimmes) und Rechtschreibfehler, für die ich Dir die Hilfen hierorts und die ersten hundert Seiten des Rechtschreibdudens empfehle.

Mutti Merkel verhängt Wirtschaftssanktionen gegen Syrien und lässt
hunderttausende neuer Moslems nach Deutschland einreisen. Ohne Passkontrollen, ohne
Wissen, wer sie sind. Hunderttausende Männer im wehrfähigen Alter aus Gebieten, wo
Glaubenskriege toben und radikaler Islamismus den Interessen derjenigen dient, die
andernorts Demokratie und Menschenrechte predigen. Wie Pilze nach dem Regen erscheinen
überall Flüchtlingsheime.
[...]
Hier gibt es nur Meisfelder und der Mais ist schonabgeerntet. Bullen sind schlimmer als Dschinns, bljad'. Die hassen Russen, die hassen
Türken, die lesen Bildzeitung.
[…]
Nun, nach acht Seiten Eintopf, seh
Ich ... vor mir das faltige Anlitz Baba Wangas, mit den
zugeklebten Augen und dem unruhigen Gesichtsausdruck.

Nix für ungut

Friedel

PS: Benjamins Textauszug leidet in Wirklichkeit nicht unter der zentralen Formatierung

 
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Auch wenn’s offtopic klingen mag, lieber Friedel: Ich glaub, es ist im Sinne von sputnik2000 und auch anderer Leser, wenn ich dich bitte, mir die Aussage dieses Satzfragments zu erklären:

Friedrichard schrieb:
Denn ich bezweifel, dass Du zu Deinen Text über den Russen Moruk (dem Icherzähler) und einem Türken von Spargel-Tarzan, einem schier zu langgeratenem Werk, in dem Dschinns – übersinnliche Wesen im Islam, die übrigens auch in Rushdies letztem Roman ihr Wesen treiben – Kaffesatzleserei einer Wahsagerin und Verschwörungstheorien, Angst vorm Fremden und wie nebenbei „Muttis“ wir schaffen das mit dem Dritten Weltkrieg und der kriselnden Weltwirtschaft in einem Eintopf zusammengerührt und gebraut werden ohne Hexeneinmaleins.
Egal, wie ich ihn drehe oder wende, ob ich mir da noch ein Komma dazu denke oder dort eins weglasse: Ich kapier den Satz einfach nicht.
Wenn ich den mit „dass“ eingeleiteten Nebensatz all seiner eingeschobenen Erklärungen und Relativsätze entledige, ihn quasi komprimiere, bleibt schließlich das über:

Denn ich bezweifel, dass Du zu Deinen Text […] ohne Hexeneinmaleins.
Was nichts anderes heißt, als dass der Nebensatz mangels Prädikat einigermaßen aussagelos wirkt, im Grunde also entbehrlich ist. Es also genügen würde, wenn du schreibst:

Denn ich bezweifel.
Ich bezweifle nun, dass es deine Absicht war, ausgerechnet einem armen Debütanten sich den Kopf darüber zerbrechen zu lassen, was es mit dieser kryptischen Aussage auf sich hat, was denn nun du eigentlich bezweifelst.


Friedrichard schrieb:
(irgendwann im Frühling 2015)

Und Du solltest Sätze nur von einer Länge konstruieren, denen Du selbst noch folgen kannst, ohne Dich in Fußfallen zu verheddern.

… hast du vor gut eineinhalb Jahren in einem Kommentar geschrieben, Friedel.
Ist es zu viel verlangt, wenn ich dich bitte, diese Binse auch selber zu beherzigen?


offshore

 

ernst offshoreschreibt und dampft zusammen:"Wenn ich den mit „dass“ eingeleiteten Nebensatz all seiner eingeschobenen Erklärungen und Relativsätze entledige, ihn quasi komprimiere, bleibt schließlich das über:
Denn ich bezweifel, dass Du zu Deinen Text […] ohne Hexeneinmaleins.
was nichts anderes heißt, als dass der Nebensatz mangels Prädikat einigermaßen aussagelos wirkt, im Grunde also entbehrlich ist.

Da kann man wieder mal sehn, wie schnell man von einem Eintopf aus Resten, die man im Kühlschrank gefunden hat, überwältigt wird und wie wichtig ein Archiv ist und ein aufrechter Archivar. Das hab ich nun davon, mich einem eigenen Gedankenstrom um und über einen andern Gedankenstrom hinzugeben und von der vereinigten Strömung mitgerissen zu werden und die nötige Distanz, die ich ja auch noch predige,

lieber ernst,

zum Objekt und von der Flut des Eintopfs ersäuft zu werden.
Gleichwohl werd ich den Komm unverändert stehen lassen zur Erbauung des Publikums, aber auch zum eigenen Beleg, wie schnell man zwo seiner eigenen Prinzipien über Bord werfen kann. Ach ja, drittens, dass jeder irrtumsfähig ist und wer wollte behaupten, ich schlösse mich davon aus? Und tatsächlich find ich am Ende beim nochmaligen und erlittenen Lesen des quasi entleibten oder – ganz wie man will – seelenlosen Komms die fehlende Passage, wenn es heißt,

denn ich bezweifel, dass die Zeilen im Rausch geschrieben sind.
Eigentlich ganz einfach zu finden. Aber manchmal ist man halt blind, dafür füg ich jetzt an, um auf das/die Eingangszitat/e zurückzukommen:

Hatte Benjamin auch nicht, dafür beherrschte er aber die Grammatik.

Stille Tage diese Tage wünscht der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Friedel, Friedel,

scheinst ja unglaublich klug zu sein. Ich muss gestehen, es hat eine Zeit gedauert, bis ich deine Kommentare entziffert habe und ohne Duden wäre ich dabei völlig chancenlos gewesen. Grammatische Fehler hat mein Text natürlich, Flüchtigkeitsfehler auch. Ich bin geständig und bitte das Gericht um Gnade. Doch was Walter Benjamin mit seinen Haschischexperimenten hier zu suchen hat, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Vielleicht hast du ja einen Text von ihm parat, wo er auf einem LSD-Horrortrip durch Portbou rennt. Dann könnten wir über reale oder irreale Gefahren oder die Angst, den Verstand zu verlieren, weiterdiskutieren. Ansonsten vergleichen wir hier Hund und Katze, Arsch und Finger miteinander. Mit deinem literarischen Häufchen in meiner Ecke hast du mir leider nicht wirklich weitergeholfen. Vielleicht dir selbst? Weiß ich nicht. Hast ein wenig Wissen präsentiert. Schön! Moruk heißt auf Türkisch "Alter". Rassimus entdeckt man überall, wo man ihn entdecken möchte. Ansonsten können offshore und du eure Diskussion unter meinem Text gerne weiterführen. Mit mir hat sie ja nichts zu tun.

LG
Sputnik

 
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Hallo Sputnik 2000,
herzlich Willkommen, du ärgerst dich über die Vorkommentatoren. Bitte trotzdem einigermaßen sachlich bleiben.
Ich habe aus deinem Komm einen Satz entfernt.
Viele Grüße
Novak

 

Hallo, Sputnik2000,

ich habe das jetzt (zum größten Teil, Vieles habe ich nur überflogen), gelesen und weiß nicht, was ich da gelesen habe.

Überflogen habe ich, weil es irgendwie vorhersehbar war, was da jetzt stehen würde, und dieses paranoide Schwarzepeter-Spiel inzwischen kaum mehr erträglich für mich ist, egal in welcher Form.
Es ist auch unklar, ob es nicht tatsächlich du bist, der da spricht, und das irritiert mich, den Leser.

Der ganze Text wirkt wie ein Rechtfertigungsakt für etwas, das ich nicht ganz benennen kann. Davon abgesehen, dass er, durch willkürliche Zeilensprünge und undeutlich markierte wörtliche Rede, schlecht lesbar ist, verstehe ich nicht, was du damit vermitteln willst. Der LSD-Trip steht da irgendwie grundlos drin, er hat keine Funktion, zumindest erkenne ich keine, außer der, dass dein Prota irgendwie hochpatriotisch drauf ist am Ende.

Der ganze Text ist mir sehr unsympathisch, weil er mehr Statement als Mittel ist, und dafür ist diese Plattform, denke ich, nicht geeignet.

Vielleicht verstehe ich auch alles falsch. Keine Ahnung.

PSS

 
Zuletzt bearbeitet:

purersternenstaub,

danke für deinen Kommentar. Endlich etwas Sachliches. Der Text sollte kein Statement sein. Schade, wenn er wie einer rüber kam. Das war vielmehr ein Experiment. Ich habe versucht, meine Laune im letzten November wiederzugeben. All die Gedanken, die ich hatte. Der LSD-Trip diente mir hier als Mittel, um Narrenfreiheit zu erlangen, alles schreiben zu dürfen, was ich damals empfunden und gedacht habe, etwa auch reale Ängste offen einzugestehen. Ich verstehe natürlich, dass die Geschichte viel zu lang geraten ist und dass sie schwer nachzuvollziehen ist für jemanden, der keinen Horrortrip hatte und der nicht dabei war. Der Einzige, dem sie bisher gefallen hat, ist Tarzan.
LG

 

Hallo nochmal, Sputnik2000,

aber damit ist der Text doch genau das, wofür ich ihn hielt.
Und der LSD-Trip ist m.E. noch immer unnötig, da schon der Abschnitt vorher im Nirwana zwischen Paranoia und Verschwörung herumzutapsen scheint.

Also das ist keine Geschichte, finde ich. Du hast deine Ängste aufgelistet, und das, verzeih mir, ganz schön wirr. :/ Am Anfang dachte ich, es sei eine verquere Art Essay, bis die wörtliche Rede kam.
Außer, dass dein Prota (du?) irgendwie Russe ist und Tarzan (dein Nachbar) Türke und du vor allem Möglichen Angst hast (und die Angst wird noch nicht mal richtig klar, sie bleibt total konfus) steckt da nichts in deinem Text.

Das ist keine Geschichte. Also da ist keine Entwicklung, keine Wendung, kein Oha!-Moment, keine Charakterisierung, nichts. Dein Prota hat Angst, und am Ende besinnt er sich darauf, irgendwie Russe zu sein. Verstehst du? Da passiert nichts, und die Handlung (LSD-Trip) ist bloß eine irrtümlich angenommene Handlung. Selbst mit den diffusen Ängsten deines Protas kann ich mich nicht identifizieren, und somit habe ich Null Anknüpfpunkte.

An deiner Stelle würde ich den Text gründlich überarbeiten.

Grüße,
PSS

 

“Purple haze, all in my brain
Lately things they don't seem the same
Actin' funny, but I don't know why
Excuse me while I kissed no sky“
frei nach J. Hendrix​

Ich noch mal,
Sputnik,

denn da steht man ziemlich allein, selbst wenn ein Tarzan und Freund im Geiste den Text gut findet.

Es ist zunächst mal wurscht, ob ich oder ein anderer Kommentator/Leser für jedes bissken googeln oder den Duden oder Lexika heranholen muss, ohne Grundlagen, die man unterm Schädel trägt, geht eh nix und wenn doch, ausnahmsweise und in einem Reservat wie etwa dem des „Alten“ und Tarzans.

Ich vermute, dass Du ziemlich jung bist. Nun wirstu den Text nirgends als Bewerbungsgrundlage nehmen, aber lass Dir dass von einem ehemaligen Ausbildungsleiter sagen, der zudem noch aus dem Schema der sonstigen Ausbilder herausfiel, weil er etwa mit seinen Schützlingen Fußball spielte und auch mal in Kneipen/Discos versackte, wenn also eine Bewerbung auch nur mit einem Bruchteil von den Schnitzern, die sich im Text finden, um eine Stelle bittet, brauchte sie erst gar nicht eingereicht zu werden.

Warum fang ich so umständlich an?

Jeder Text enthält Fehler und strittige Punkte, aber die sind überschaubar und fangen nicht mit einer eigenwilligen Formatierung an (gegen die ich hierorts überhaupt nix hab), die dem Leser, einem Fremden sofort ins Gesicht springt – sie allein kann schon entscheiden, was der Bewerbung – nicht dem Text hierorts – widerfährt.

Wenn dann aber popelige Rechtschreibfehler (und sei‘s Groß- und Kleinschreibung , auch da hab ich hierorts nix gegen, oder Zeichensetzung – wenn einer eine eigenwillige, also individuelle, kurz: SEINE eigene begründen kann, geht auch das in Ordnung, hierorts), aber außerhalb dieser literarisch ziemlichen Freihandelszone (und den Begriff auch mal positiv zu verwenden) wird das wenig Anerkennung finden.

Und – jetzt kommt der Schlenker – was ist der erste Text eines Frischlings selbst hierorts anderes als eine Bewerbung? Selbst wenn er gar nicht auf Wohlwollen aus ist. Mir ist es egal, ob Du lautschriftliche oder spiegelbildliche (gleich welcher Achse) Formate einstellst, so lange du es begründen kannst.

Kunst kommt tatsächlich, wie der Volksmund behauptet, von „können“ (mhd. noch „künnen“) und erhebt sich dann erheblich übers handwerkliche. Ist quasi Luxus, den man an sich nicht braucht. Wie die Droge, und sei‘s LSD, die uns vorgaukelt, das Bewusstsein zu erweitern und doch nur Ängste fabriziert - wie's der Titel ja behauptet. Von John Lennon gibt‘s die (vermutlich) schöne Mär, dass er zu einer Drogenparty den Partyraum gleich nebenan nachbilden ließ – indem spiegelbildlich die Einrichtung des Partyraumes an der Decke des Nachbarraumes befestigt wurde.

Als der letzte Gast schlief, verschleppte das angeheuerte Personal die Schlafenden in den spiegelbildlichen Raum – und als der erste auf dem Boden aufwachte, brach sofort das Chaos aus.

Aber dieses Chaos ist eine andere Geschichte.

Nichts offenbart mehr unser Bewusstsein, als das gesprochene Wort, das aufgrund seiner Flüchtigkeit, kaum ausgesprochen von der Zunge in des Hörers Ohr eindringt und binnen Sekundenbruchteilen durchs andere wieder entfleucht. Der Hörer versteht‘s sofort oder auch nicht und muss dann darüber nachdenken oder fragen. Tarzan ist wahrscheinlich ein Zuhörer - oder?

Schriftlich eingefangen, offenbaren sich zudem alle Schwächen vor allem des Schreibenden. Der Leser kann seine noch verbergen und verschweigen und bleibt stumm. Wenn er aber schriftlich kommentiert, quasi auf den anderen Schriftzug schriftlich antwortet, gibt er auch über sich selbst einiges Preis. Ein Ossi würde mich dann als Besserwessi bezeichnen, was in Deiner Antwort ein wenig durchdringt (egal, ob Du jenseits oder diesseits der Elbe oder sonstwo aufgewachsen bist). Was mir ziemlich egal ist.

Ein schlechter Text wird nicht dadurch besser, dass man ihn schönredet. Und Rassismus und Verschwörungstheorien findet man nicht, weil man wo auch immer sie finden wollte, vor allem nicht, wenn sie schriftlich ausgebreitet werden. Denn was behauptet der Titel

Das Abenteuer Paranoia (Angst und Schrecken auf der Obstbaumwiese)

Abenteuer = es wanderte bei uns aus dem Vulgärlateinischen advenire (Advent!) übers Altfranzösische aventure als aventiure im Hochmittelalter direkt in die höfische Dichtung ein und schleifte dabei die vorweihnachtliche Stimmung ab zum außergewöhnlichen, gefahrvollen Erlebnis, wie es Deine Geschichte bemüht sein will.

Paranoia = griech. pará = neben und noũs = Verstand, also der , der neben der Kappe ist, im gr. noch die Torheit bis hin zum Wahnsinn.

Nach den Erfahrungen des Dritten Reichs, wo eine Clique unter Verschwörungstheorien (wie sie im Internet fleißig Urständ feiern) und durch sich von Minderheiten verfolgt wähnenden, größenwahnsinnigen Paranoikern von vermeintlichen Herrenmenschen ein ganzes Volk ansteckte, das durch preußisches Training eh gewohnt war, zu kuschen, ist die griechische Torheit alles andere als harmlos.

Besonders, wenn der Anglergruß schon nahe beim deutschen Gruß lauert.

Versuch's einfach noch mal. Überarbeite den Text oder lass es und schreib was anderes. Es muss bei mir kein mainstream sein. Ich schwimm lieber gegen den Strom als mit den Lemmingen zu wandern.

Gut nacht,

Friedel

 

Wow! Was war das denn? Werde noch ein wenig brauchen, die Informationsflut zu verarbeiten. Dennoch, vielen Dank!
Eine Clique von paranoiden Verschwörungstheoretikern im Dritten Reich ist das Eine. Da gibt es nicht viel zu lachen. Zwei drogenbedingt verängstigte Ausländer, die Angst vor radikalen Islamisten haben und dabei selbst "Bismillahirahmenirahim" in der nächtlichen Landschaft herumschreien, ist etwas völlig anderes. Bin ich denn der einzige, der hier eine Komik sieht???Außerdem ist in Syrien gerade ein russisches Flugzeug von der türkischen Armee abgeschossen worden, während hier ein Russe und ein Türke gemeinsam die Gegend unsicher machen. Wo riecht es denn nach Rassismus? Ich wollte hier ein Atmosphäre der Angst erzeugen, die zugleich jedoch komisch, ja lustig ist. Genauso mit dem Terminator. Das hat doch nichts mit Patriotismus zu tun. Das soll lächerlich wirken.

 
Zuletzt bearbeitet:

Bin ich denn der einzige, der hier eine Komik sieht???
Jetzt will ich doch mal was dazu sagen. Ich finde viele Stellen und Situationen in deinem Text total komisch. Ja. Ich vestehe es auch nicht, warum diese Ideen so schlecht wegkommen, ich nehme an, es liegt an dem Aufbau deines Textes. Und vielleicht auch an der Dynamik, die hier in deinem Faden passiert ist, manchmal hat man ja einen schlechten Start.
ich hab über manche Stellen total gelacht, also als die Oma zum Beispiel auftaucht und Tarzan, was für ein Name schon mal, ihr Bismillah hinterherschreit oder vorher, wo die radelnden Afrikaner, einfach abdrehen und sich von Tarzan gar nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ich fand das auch komisch und unerwartet. Tarzan ist schon ein ziemlicher Feger, der immer das Falsche macht. Das Spazieren mit ihm kommt mir ein bisschen vor wie Federball mit einer Handgranate.

Ja, wahrscheinlich kann man solche Stellen wie die mit den Afrikanern auch als rassistisch sehen. Irgendwie ist das immer ein hochsensibles Zeug. Und immer langt man in ein falsches Töpfchen. Hmm, bin trotzdem ein bisschen verwundert darüber, mir erschien das eher wie eine selbstironische Spielerei mit den eigenen Vorurteilen und mit den eignen Ängsten. Die Krudheit, mit der du da verschwörungsmäßig Zeugs zusammenschmeißt zum Beispiel erschien mir eher als Stilmittel denn als ernstzunehmende Botschaft des Textes. Die wäre für mich eher die Intention gewesen, diese Novemberstimmung selbstreferentiell zu karikieren.
Denn der Text macht sich ja an zahlreichen Stellen über die Angst des Protagonisten, die vorher fast übertrieben aufgebaut wurde, so, dass man sie eben nicht mehr wirklich ernst nehmen kann, weil sie schon ins Groteske gezogen wurde, selbst lustig.

Ja, so sehe ich das, aber man muss das akzeptieren, was andere schreiben. Und ich finde es auch immer gut, sich zu überlegen, womit das textlich zu tun hat, wenn ein Text so ganz anders ankommt, als man das erhofft hat.
Hier liegt es glaube ich einfach daran, dass es wahnsinnig lange dauert, bis du mal zum Punkt, also zu dem eigentlichen Beginn kommst, also der wörtlichen Rede von Tarzan und dem Protagonisten. Da hab ich überhaupt erst kapiert, worauf du rauswollen könntest. Und mancher Leser ist da halt vielleicht schon völlig abgenervt.
Und eine Sache gibts noch, es ist halt auch sehr eine Frage des Geschmacks, ob man es mag, wenn sich absurde Szenen einfach so aneinanderreihen, ohne dass ein Charakter jetzt noch genauer ausgeformt oder dem Leser nahegebracht wird und sich ein Konflikt entwickelt. Ich mag auch das Pingpong, so empfinde ich deinen Text im Hauptteil, der folgt nicht einer gewohnten Struktur, sondern hüpft von Einfall zu Einfall. Aber das ist halt sehr Geschmackssache.

Ich weiß nicht, was man an dem Aufbau deiner Geschichte ändern kann, um sie sozusagen mehr zuzuschleifen, ob man den Anfang z. B. einfach nur stark kürzt, oder in eine Szene verbaut. Keine Ahnung, aber der Beginn ist auf jeden Fall viel zu lang, da schreckst du viele Leute mit ab. Vor allem, weil man nicht weiß, worauf du rauswillst. Und vor allem ist es wie ein Essay mit nicht zusammenpassenden Teilen. Wie ein Redner der agitiert, aber gar nicht weiß, wohin, der das Ende der Welt ankündigt.
Und aus meiner Sicht brauchst du das alles gar nicht.

Auch den Drogenteil finde ich viel zu lang und zu ausufernd, ich bin mir auch nicht sicher, ob es der richtige Weg ist, diese Angst quasi vermittels des Drogeneinflusses explodieren zu lassen.

Für mich ist der stärkste Teil deines Textes der, wenn die beiden laufen und Tarzan ihn von dem Horror wieder runterbringen will. In den Dialogen und absurden Einsprengseln da gabs einfach Momente, das hatte was.
Also von daher würde ich einfach mal in Ruhe sortieren, warum der Text noch nicht funktioniert, denn arbeiten solltest du schon an dem Text, finde ich, wenigstens nicht gleich die Leser mit formaler Unleserlichkeit vergraulen. Das ist ja hier nicht nur eine Werkstatt für Texte, sondern vor allem auch eine Lesemöglichkeit. Viele gibts, die lesen einfach mal in der UBahn eine neue Geschichte. Und auf so einem kleinen Phone, das ist schon heavy, wenn dann vieles nicht stimmt.
Diese wesentlichen Punkte haben die anderen ja schon gesagt, Kommata, Formatierung - das ganze Zeug halt.

Sputnik, ich glaube, dass die Sache gerade so läuft, wle sie läuft, das ist, weil da eine blöde Dynamik passiert ist in diesem Faden, an der du nicht ganz unbeteiligt warst. Und Friedels Reaktion fand ich ehrlich gesagt sehr sehr sachlich und überhaupt nicht nachtragend, ich hatte schon ein bisschen die Luft angehalten. Deine Reaktion jetzt fand ich übrigens auch sehr cool. Aber das nur am Rande.
Also blöder Start vielleicht, sowas kommt einfach vor. Aber gut, dass du einfach nochmal nachgefragt hast.
Viele Grüße
Novak

 

Hallo Novak,

vielen vielen Dank für diese konstruktive Kritik! Das war zwar nicht mein erster Text, aber an diesem habe ich sehr lange gesessen, weil ich aus dem Erlebten unbedingt eine Geschichte formen wollte. Vielleicht war das deshalb zu zwanghaft geschehen, keine Ahnung. Ich bin persönlich sehr stolz auf den Text, unabhängig von seiner künstlerischen Wertigkeit. Es ist mir halt gelungen, das Geschehene in Worte zu fassen, quasi ein Foto fürs Album zu machen. Die ganze Photoshop-Arbeit hatte ich nicht gemacht, weil ich auch daran gezweifelt habe, ob dieses Bild überhaupt für ein Publikum von Unbekannten taugt. Habe es trotzdem ins Forum gestellt und dementsprechend waren auch die Reaktionen. Nunmehr habe ich den Text jedoch geändert und dabei (weitgehend deinem Ratschlag folgend) den ganzen Einleitungsteil rausgeschnitten. Der ist nämlich wirklich nicht unbedingt vonnöten. Gleiches gilt für die Beschreibung der Halluzinationen. Diesen Teil habe ich ebenfalls verkürzt. Es ist halt ein gewaltiger Unterschied, ob man etwas liest, was man selbst zunächst erlebt und dann beschrieben hat, oder ob man als Leser diesen Gedankensalat aufgetischt bekommt.

Purersternenstaubs Kommentar:

"Das ist keine Geschichte. Also da ist keine Entwicklung, keine Wendung, kein Oha!-Moment, keine Charakterisierung, nichts. Dein Prota hat Angst, und am Ende besinnt er sich darauf, irgendwie Russe zu sein. Verstehst du? Da passiert nichts, und die Handlung (LSD-Trip) ist bloß eine irrtümlich angenommene Handlung."

kann ich allerdings nicht zustimmen. Da ist durchaus eine Geschichte. Sie beginnt damit, dass mein Prota (ein Informationsjunkie) schlichtweg mit der politischen Situation und all den negativen Nachrichten aus der Welt überfordert ist. Er weiß schon gar nicht mehr, was er glauben soll. Doch anstatt einfach einmal den PC auszuschalten und eine Pause einzulegen, treibt er es so richtig auf die Spitze und wirft sich LSD ein. Dies geschieht zudem unter den denkbar ungünstigsten Voraussetzungen. Noch während der einstündigen Erwartungszeit ließt er Prohezeiuungen über das Ende Europas. Daraufhin beginnt der Verfolgungswahn (das Abenteuer Paranoia), wobei er aus rein virtuellen Gründen in eine Situation realer Gefahr getrieben wird, einer Schlägerei mit unbekannten Männern mitten in der Nacht. Doch glücklicherweise geht alles gut aus und diese reale Gefahr entpuppt sich als wesentlich weniger schlimm verglichen mit all der Panik, die er sich durch drogenbedingte Spinnereien eingefangen hatte. Mehr noch: Aus Angst vor Gefahren wird er selbst zu einer. Seine rein virtuelle Angst ist der wahre Grund für die gefährlichen Situationen (glücklicherweise hat er sein Messer vergessen, die Oma wird fast zu Tode erschreckt).

LG
Sputnik

 
Zuletzt bearbeitet:

"Picture yourself in a boat on a river
With tangerine trees and marmalade skies
Somebody calls you, you answer quite slowly
A girl with kaleidoscope eyes"
Lennon/(McCartney), Lucy in the Sky with Diamonds​

Mit der Wärme wandern auch Südvölker in Richtung Norden, zu uns, hierher.
Ja, so ist die Geschichte des Homo sapiens immer schon gewesen und auch des Homo sapiens neandertalensis-

„Versuchet noch ma‘, Sam, äh, ‚tschuldigung, Friedel, bistoch sons‘ nich‘ so und‘n netten Kerl sowieso“, lächelt mich heut morgen überm Waschbecken der Spiegel auf Ruhrlatein an (hat ja nix anderes bisher zu hören gekriegt) und als ich zurückgrins (kann nur er und kein anderer erkennen bei dem Wildwuchs in meiner Visage), ermahnt er mich doch glatt: „Ich meinet eenst, kanze mich glauben!“

Und weil ich ihn sehr ernst nehme, schau‘n wir mal – und siehe, es geht doch,

Sputnik,

schon von der Formatierung her, und dass Du Anregungen annimmst, beweisen mir schon im Text die Maisfelder im Text ...

Warum nicht gleich so, wobei ich mich frag, was man oder doch der Icherzähler so im Internet für ernsthaft recherchierte Nachrichten so findet. Als die Nachricht vom Nobelpreis für Literatur vor wenigen Tagen für Dylan bekannt wurde, veröffentlichte die sich seriös gebende Redaktion von gmx (zu der sicherlich auch web.de, 1 & 1 und einige andere gerechnet werden müssen) mit heiligem Ernst eine Gratulation George Harrisons – vermutlich gesendet von Cloud nine. Da werden Microsoft, Googel, Telekom usw. keine intelligenteren Redaktionen haben. Vor allem, was sollen das für Nachrichten sein, die sich über Werbung finanzieren müssen?

Aber wenn es denn „an jenem Novemberabend 2015“ so gewesen wäre, ich alter Sack kann mich an keine Demo erinnern oder dass meine Tageszeitung, die Wochenzeitung oder die monatlichen Blätter für deutsche und internationale Politik, oder auch Tagesschau oder die Aktuelle Stunde des WDR oder auch nur ein politisches Magazin irgend Kriegstreiberei betrieben hätte. Nun ja, über die „Qualitätspresse" die neben den Online-Ausgaben der genannten Quellen imWeltWeitengeWerbe herumgeistert, hab ich schon was gesagt. Und über Europa will ich mal kein Wort verlieren.

Zu [guter Letzt] stoße ich auf einen Artikel über die Hellseherin Baba Wanga …
Ja, so ist das Internet auch, Kaffeesatz und Glaskugel … „Zu guter Letzt“ übrigens immer auseinander! Du wirt mir verzeihen, wenn ich dann die Weissagung in Frage stelle, aber ihr stehn ja noch acht Wochen zur Verfügung.
Verschiedene Seiten enthielten unterschiedliche Information.
So soll es auch sein, selbst wenn drei Ärzte sich treffen, gibt es fünf Meinungen zum Simulanten von Zimmer 123. „Der muss auch immer übertreiben!“, heißt es letztlich aus dem Trio, als es die Todesnachricht des Simulanten vernimmt.

Gleichwohl:

Du kannst schreiben, und das ganz manierlich!

Wieder betrachtete ich das Bild der alten Frau. Von seiner Aufmachung erinnerte es an eine Ikone. Ein religiöses Motiv, eine blinde Greisin, die den Tod, das Ende kommen sieht und mit der Hand auf ihn deutet. Die zugeklebten Augen gaben dem faltigen Gesicht eine unbegreifliche Ausstrahlung. Wer war sie? Ein Racheengel, ein Medium oder des Teufels rechte Hand?

Und dann erfahren wir auch über die Ursache (den Einschub kann ich mir jetzt nicht verkneifen: Denn was kann Walter Benjamin dafür, dass so was wie Lucy in the Sky with Diamonds noch nicht erfunden war?)

- "Was ist mit dir", hörte ich meine Frau fragen.
- "Alles in Ordnung."
Nix falsches an der wörtlichen Rede, aber doch die Frage: Warum die „übriggebliebenen“ Gedankenstriche vorneweg, wenn die Gänsefüßchen doch ordentlich gesetzt sind und die wörtl. Rede eingrenzen?

Doch nichts war in Ordnung. Diese Energie, diese Elektrizität in meinen Adern, wo sollte das alles denn nun hin. Die Wände wurden enger.
Hier hör ich mehr, als zwei bloße Aussagesätze, der erste klingt mir wie ein Not- oder Ausruf, der zwote formal wie eine Frage, tatsächlich aber eher auch wie ein Ausruf (Frage- und Ausrufezeichen gleichzeitig zu setzen ist auch möglich.). Und noch ein Drittes: Die "enger" werdenden Wände, in denen das unscheinbare Adjektiv „eng“ seine Nähe zur Angst aufzeigt, wenn der Superlativ „am engsten“ zum Plural der Angst in den „Ängsten“ die Enge als Ursache und Wirkung zugleich aufzeigt. Be- wie Einengung erzeugen Angst, die im Gegensatz zur Furcht erstmal nicht zu benennen ist, und schon ist der Erzähler auf der Flucht
- "Ich muss weg", sagte ich und ging in den Flur.
Und nun, nach diesem kleinen Aufflackern des Präsens
Schnell die Schuhe anziehen und raus. Im Treppenhaus konnte …
der nun eigentlich ein „schnell die Schuhe angezogen“ hätte sein sollen, fällt mir beim Weiterlesen auf, warum er/Du nicht das Tempus insgesamt wechselst und das Geschehen nicht ein Jahr zurück schilderst, sondern als jederzeit aktuell eben im Präsens darstellst und so ein immer aktuelles Schauspiel aufführst.

Wohlgemerkt, ist nur ein Vorschlag, denn die Schuhe „anziehen“ im Indikativ – es könnte ja auch ein/e Gedanke/Rede sein) würde sonst an die umliegende Zeitform Prät. sich anpassen müssen, anders als beim Infinitiv

… konnte man die Laute aus den anderen Wohnungen hören, ...
Ich rannte die Treppen hinunter in die frische Luft.
Nix falsches, aber erstmal kommt er „an die frische Luft“, bevor er darinnen sich bewegt.

- "Wie gehts dir, Nachbar?"[,] fragte Tarzan.
(Komma, weil der Begleitsatz, der Duden nennt ihn auch den übergeordneten Satz („fragte Tarzan“) der wörtl. Rede direkt folgt – oder weitergeführt wird.)

- "Wie[...]viele hast genommen?"
(In „wie viele“ i. d. R. Auseinander, weil es eine unbestimmte Summe benennt und keine Konjunktion ist)
- "Drei."
- "Und, gut?"
- "Verdammt nochmal, siehst du doch."
(Hier hör zum Schluss schon wiede mehr ls einen Aussagesatz, vielleicht sogar eine leichte Verärgerung, wie‘s halt im Leben so vorkommt.)

Eine neue Panikattacke schlug auf mich ein wie eine gigantische Welle und mir kam es vor, als treibe ich in einem Ozean, wo weit und breit kein Land in Sicht ist.
(Eine Erfahrung, von der auch Walter Benjamin und seine Kumpel von berichten. Musstu einfach mal reinschauen. Aber den Konj. I „treibe“ solltestu in den radikaleren Konjunktiv irrealis „triebe“ umwandeln und nicht nur der Zweifel halber, sondern allein schon wegen der Nähe zum „Trieb“ und jetzt wird sogar die (alte) Formatierung als Einheit von Form und Inhalt verständlich!

Für die realen Teile der Erzählung solltestu aber auf die normale Formatierung weiterhin zurückgreifen.

Noch ein bi[ss]chen und es kracht.

Ein Infarkt, ein Schlaganfall, mein Schädel wird explodieren. Und wenn er nicht explodiert, dann werde ich den Verstand verlieren. Heute, hier und jetzt. Wie sich das wohl anfühlt? Wie kann man sich das überhaupt vorstellen? Verdammt, warum habe ich nur so wenig Respekt vor Drogen. Was für eine kranke Variante. Einfach so über Nacht. Zack, und du bist nicht mehr du selbst. Bist nicht mehr derjenige, der du immer gewesen zu sein glaubtest.
Ja, sogeht's mir auch manchmal. I. d. R. aber setz ich mich einfach in den Sessel und schlaf ein ... und vergess einfach, was ich da träume.

Wenige Momente lang ließ er mich wie [an einem/alternativ „ durch einen“] Stromschlag zappeln und verschwand dann wieder, als sei er nie dagewesen, gefolgt vom nächsten, genauso furch[t]baren.
(Hier ist ein logischer Fehler – abgesehen von der kleinen Flüchtigkeit am Ende des Satzes: Der Stromschlag zappelt nicht, kann aber den Erzähler zum Zappeln bringen

Doch dieser war ebenso schnell weg[,] wie er gekommen war.
(Komma vor vergleichenden Konjunktionen – als z. B. -, wenn sie einen vollständigen Satz einleiten („er war gekommen“. In der als-Konstruktion weiter vorne ist es Dir doch gelungen.)

Alles[,] was blieb[,] war die strenge mütterliche Anweisung, keine Drogen zu nehmen.

- "Dämonen?"[,] fragte ich. Komischerweise löste dieses Wort keinerlei Assozia[t]ionen bei mir hervor.
Hier gehts nicht nur um das Komma - hatten wir ja schon - sondern um die Flüchtigkeit beim Assoziieren ...

- "Nachbar, du darfst nicht gegen das Zeug ankämpfen. Du musst es jetzt genießen. Schau dir diesen Baum an. Die Äste, wie sie sich bewegen."
L(ucy in the)Sky ... halt ...

In mir kam das Bedürfnis auf, den Hügel hinaufzugehen, der an ein Keltengrab erinnerte[,] und von wo aus man die gesamte Umgebung sehen konnte.
(der eingeschobene, zwote Relativsatz ist da zu Ende und das „und“ schließt an den ersten „den Hügel ...“ an)

- "Meinst du wirklich?" Fragte mein Nachbar plötzlich. Mir war gar nicht aufgefallen, das ich diesen Gedanken ausgesprochen hatte.
So könntestu auch die Kommasetzung bzg. des "übergeordneten" Satzes - s. o. - umgehen ...

Mil[...]izen

Ich fürchte, nun wird der Komm länger als der Muttertext. Da solltestu noch mal alles durchgehen, ich kann nämlich erstaunlicherweise auch was übersehen. Aber dann doch die Frage, was das sei:
Nazikommunisten
Tucholsky sprach vom "Nationalbolschrwismus und meinte damit Faschisten wie Stalinisten

Warum sonst hatte man sie alle ins Land gelassen. Der arabische Frühling - ein Exportschlager.
Wo?

- "Nachbar, Alter, was wenn ich nie wieder von dieser Scheiße runterkomme?"[,] fragte ich.
Sind hier die Gänsefüßchen vergessen oder ists ein Gedankenstrom ...

- Ach was. Das wird schon wieder. Morgen scheint wie gewohnt die Sonne, Moruk.
ist ein schönes Schlusswort für heute,

findet der

Friedel

PS

Der nächste Abschnitt hat‘s dann richtig in sich, wobei ich mich frag, warum einer sich zB der NASA ausliefert, wenn er dann solche Ängste bekommt, wo man sich doch einfach nur fragen braucht, wessen Interessen die großen Betreiber des WeltWeitengeWerbes und ihrer Handlanger vertreten. Das sind Geschäftsleute, keine Wohltäter der Menschheit, selbst wenn sie zu Marketingzwecken gelegentlich ihren Segen verbreiten. Da empfehl ich Dir

Jaron Lanier. Den muss man auch nicht insgesamt lesen, aber die Friedenpreisrede kannstu im Internet finden Jaron Lanier. "Für einen neuen Humanismus. Wie wir der digitalen Entrechtung entkommen". Rede zum Empfang des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 12. Oktober 2014 in der Frankfurter Paulskirche.

oder auch hierorts die Rezension zum Jubiläum des "Eindiemensionalen Menschen"

Arbeit, Konsum und Freiheit – Schiller, Marcuse, Lanier: „Der eindimensionale Mensch“

Jetzt ist aber gut.

Tschüss!

 

Hey du,
find ich jetzt viel besser, viel zugespitzter im Vergleich zu vorher. Habe es aber nur quer und sehr schnell gelesen, einfach um mir ein Bild zu machen und dir eine kleine Rückmeldung zu geben.
Hab heut einfach nicht viel Zeit.

Eines aber noch. Es gab im alten Text sowas Ähnliches wie das hier:
[QUOTE ich war ein ethnischer Russe, vom Aussehen her Türke. Unter den ganzen Arabern würde ich nicht mal auffallen.[/QUOTE]
Also nur sinngemäß, du hattest es lockerer, irgendwie rhythmischer geschrieben, dieser Satz jedenfalls fehlt mir jetzt, vielleicht hab ich ihn aber auch überlesen.Der Satz hatte deinen Text für mich irgendwie gewichtet, da wusste ich (trotz der Zivilisationsklage am Anfang deines alten Textes), was du vorhattest. Dass der Text sich mit den Merkwürdigkeiten beschäftigt, die die Entscheidungen der Politik produzieren und wo jemand, der Deutscher ist, auf einmal unter den Generalverdacht gerät, er sei fremd, müsst sich erst mal integrieren etc.
Kannst ja mal überlegen, ob du so was Ähnliches nicht an den Anfang wieder stellst oder wenn sie zu den Flüchtlingsunterkünften laufen. Oder an anderer geeigneter Stelle. Man versteht sonst ja gar nicht, warum das Mädchen Panik kriegt. In deinem alten Text war klar, sie verwechselt sie mit Flüchtlingen und haut ab, weil Flüchtlinge ja bekanntlich bayrische Mädchen fressen mitsamt Hund. Und erst durch ein "Servus" wieder beruhigt werden können. Dein Text wimmelt ja eigentlich von Absurditäten die die aktuelle Politlandschaft uns beschert.
Naja, irgendwo hat sie das schon immer getan.


Anbei: Ich empfehl dir einfach auch mal den Text von zigga, Noah der Deutsch, der steht bei den empfohlenen Texten.
Ich empfehl es einfach nur so, nicht als Anregung für deine Geschichte, sondern einfach nur so, denn er hat zwar im weitesten Sinne ein ähnliche Thema, damit meine ich die Absurdität der Politik, aber er macht natürlich was ganz anderes als du. Aber ja, vielleicht vom Stil her könnt es dir gefallen.


Also bis denn und machs gut
Novak

 

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