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Das 2. Mal
Das 2. Mal
Das 2. Mal durfte es nicht passieren.
Einmal, ja, das war okay, ein Schlag des Schicksals unter die Gürtellinie, so unerwartet, so brutal, dass ich es gar nicht richtig verstanden habe, unterging im Trommelfeuer, das zu dieser Zeit meine Grenzen sprengte:
Als ich warten musste, auf dem langen Gang, vor der Tür des Professors, bin ich einfach eingeschlafen.
Als sie mir eine Art Badehaube aufzogen, mit den vielen Kabeln dran, hab ich gelacht, konnte mich nicht mehr einkriegen bei dem Gedanken, wie ich jetzt wohl aussehe.
Aber dann kam der Tunnel, meine große Angst vor Enge. Sie schnallten mich fest auf dem Tisch, den Kopf in Schrauben, als sie das Gitter über mein Gesicht klappten, schloss ich die Augen, meine einzige Möglichkeit, diese um keinen Preis der Welt wieder zu öffnen, nicht, bevor der Tisch wieder aus dem Tunnel fahren würde...
Ich bin überrascht, dass es eine Frau ist. Sie sieht gut aus oder besser gesagt, ist glatt: alles passt, sitzt, ist wohl proportioniert.
Händedruck zur Begrüßung, nettes Lächeln und die Augen dann schnell gesenkt, nein, nicht mal eingeübt, aber trotzdem zielgerichtet.
Der Tisch fährt in den Tunnel, verbissen halte ich meine Augen geschlossen.
Sie bittet mich nach hinten, ein Stuhl hinter Palmen, ihr gegenüber, ein mächtiger Schreibtisch dazwischen, wieder dieses scheue Lächeln, dann beginnt sie...
Es hört sich an wie ein Presslufthammer, in dem Tunnel, laut, ohrenbetäubend.
Geldmarktfonds, das scheue, aber gewinnende Lächeln, es sei nicht ihr Schreibtisch, der Taschenrechner findet sich trotzdem, schnell die Zahlen eingetippt, ein Ergebnis, ein LCD-Display mir vor die Nase gehalten.
Ein halbe Stunde Tunnel, Presslufthammer, als der Tisch wieder nach draußen fährt, hab ich gewonnen..., meine ich.
Sie sagt, nach 6 Jahren....und dann 14 %, da bemerke ich den unscharfen Punkt in ihrem linken Auge. Der wird größer, verwischter, kann ihr Auge kaum noch sehen.
Dann fahren ihre glatten Finger auf dem Prospekt herum, eindeutig Tortendiagramm, Prozente globaler Fondsanteile, ich kann es nicht sehen, möchte laut schreien.
Den Tunnel hab ich besiegt, damals, vor 2 Jahren, aber dann bat mich der Hüter des Tunnels in weiß zum Gespräch.
Wir sollten uns doch besser setzen, er war so unsicher, tat mir so leid.
Ich musste ihm helfen, mein eigenes Urteil auszusprechen, ich wüsste doch bestimmt...
Die Anlageberaterin freut sich nun wirklich, ob sie mir den Prospekt der Euro-Gold-Card auch mitgeben dürfte...all die zusätzliche Sicherheit - für 5 Euro im Monat geradezu geschenkt.
Ihr Bild verschwimmt vor meinen Augen, irgendwo in meinem Sehzentrum setzt was aus, keine Ahnung, wie weit es gehen wird, keine Ahnung, was wieder kommt, als ich mich raustaste aus der Bank.
Aber wissen tu ich, dass ich die 14 % nach 6 Jahren sehr gern nehmen würde, bloß, beim 2. Mal ist es kein Zufall mehr.
Beim 2. Mal wird man sterblich.