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Dann werde ich warten

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26.01.2011
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Dann werde ich warten

Er blickte auf, wobei es für sie wirkte, als wären seine Gedanken bereits gar nicht mehr richtig hier. Er sah sie bloß an, fast schon durch sie hindurch, doch sie wusste, was seine Blicke sagen wollten.
„Nein.“, flüsterte sie tonlos und griff zitternd mit ihrer Hand nach der seinen.
Er lächelte, doch in seinen Augen glänzten Tränen. „Doch.“
Sie wollte nicht weinen, nicht jetzt, nicht wenn die Krankenschwester an der Tür stand und sie beobachtete. Also herrschte Stille, nur das Piepen des EKGs blieb monoton und gleichmäßig. Sie betete, dass es so bleiben würde.
„Du wusstest, dieser Moment würde kommen. Ich wusste es auch.“
Jedes seiner Worte verlangte unheimlich viel Kraft, doch er besaß sie.
„Ich will das nicht.“, sagte sie biss sich auf die Unterlippe.
„Wir haben uns damals dafür entschieden.“, meinte er sanft, sah sie ernst an und strich ihr mit dem Finger eine Haarsträhne vom Gesicht.
„Nein, haben wir nicht. Wir hatten keine Wahl.“, murmelte sie. Dann kamen ihr die Tränen. Sie kamen einfach, obwohl sie es gar nicht wollte, obwohl sie es nicht schlimmer machen wollte als es ohnehin schon für ihn war, und obwohl die Schwester immer noch an der Scheibe stand und gaffte.
„Ich war derjenige, der keine Wahl hatte, aber du hattest immer eine.“ Er sah sie lang an, zögerte kurz, bevor er seine Frage auszusprechen wagte. „Bereust du es?“
Energisch schüttelte sie den Kopf. „Nein!“, rief sie, „Nein, ich bereue es nicht. Ich hatte eine Wahl, du hast Recht. Aber ich würde meine Entscheidung zu jeder Zeit genauso wieder treffen.“
„Ich will dir nicht wehtun. Ich wollte es nie.“
Sie nickte weinend. „Ich weiß das.“
Doch er tat ihr weh. Er tat ihr weh, indem er da lag, hilflos, schwach, ein letztes Mal. Über Schläuche war er an Geräte angeschlossen, er hatte Spritzen bekommen und Schmerzmittel. Das EKG piepte unaufhörlich weiter. Bald würde es einen langen, unendlichen Ton von sich geben. Das war es, was ihr weh tat, aber dafür konnte er nichts.
„Woher weißt du, dass es soweit ist? Woher wusstest du, dass ich kommen muss?“, wollte sie wissen. Und ein Hoffnungsschimmer ragte in ihr auf – dass er sich geirrt hatte. Dass es alles nur ein Albtraum war und sie jeden Moment in seinen Armen aufwachen würde.
„Vielleicht - “, setzte sie an, aber dann schloss sie den Mund.
„Hör auf, davonzulaufen.“, bat er sie. „Das macht es nur schwerer.“
Sie strich ihm die schwarzen Locken aus dem Gesicht, die durchnässt waren vom Schweiß auf seiner fiebrigen Stirn. „Ich lass dich aber nicht gehen. Nicht jetzt.“
„Wann dann?“ Er fasste ihre Hand ganz fest. „Wir hatten eine lange Zeit. Warum genügt sie dir nicht? Wieso willst du mehr haben als das?“
„Es soll mir genügen?“, wiederholte sie, dann schrie sie ihn entsetzt an, „Es soll mir genügen?!“
"Ja, das soll es.“, erwiderte er leise, „Lass mich gehen, bitte. Ich muss gehen. Ich muss gehen, damit ich dich wieder sehen kann. Und dann trennt uns keiner mehr, dann brauchen wir nicht mehr die Gedanken an eine Zukunft zu verdrängen. Weil es keine Zukunft mehr geben wird.“
Verzweifelt und mit geröteten Augen blickte sie ihn an und fragte: „Warum kann dieser Moment nicht jetzt sein?“
„Weil du noch nicht fertig bist mit deinem Leben.“
„Doch, das bin ich. Ich wäre bereit, zu gehen.“
„Hör auf, so zu reden. Du solltest dein Leben nicht wegwerfen. Nicht wegen mir. Du wirst Biologie studieren und nach Neuseeland gehen, wie du es immer wolltest. Du wirst zwei Kinder bekommen mit einem wundervollen Mann. Und mit dem wirst du letztendlich alt werden, nicht mit mir.“
Sie schniefte leise. „Warum sagst du das alles?!“
Er senkte den Blick, schaute sie nicht mehr an. „Weil ich dich hiermit freigebe. Frei von mir.“
„Hör auf!“, schrie sie, „Hör auf so etwas zu sagen, bitte!“
Verzweifelt schluchzte sie auf, krümmte sie sich auf dem Rand seines Bettes zusammen, und war nur noch ein kleines Häufchen Elend. Ihr zierlichern Körper zitterte, die Tränen tropfen auf die schneeweiße, sterile Krankenhausdecke und hinterließen kleine Flecken. Liebevoll streichelte er ihr über den Kopf und den Rücken, bis sie sich sammelte.
„Ich will nicht, dass du so etwas sagst.“, meinte sie dann mit fester Stimme. „Nie mehr.“
„Ich will dich nicht an mich fesseln! Ich will, dass du glücklich bist.“
„Ich werde nur mit dir glücklich sein.“
„Versuch es.“, meinte er flehend. Seine Stimme wurde immer schwächer, und sie merkte es, obwohl er versuchte, es zu vertuschen. Sie mussten schnell machen. „Versuche, ohne mich zu leben!“
„Ich werde niemals jemanden so lieben wie dich!“, entschied sie leise.
„Das meine ich nicht. Versprich mir nur, dass du ein eigenes Leben führen wirst, unabhängig von mir und unserer Vergangenheit. Sie war schön, aber du musst sie zurücklassen.“ Es fiel ihm schwer, diese Worte auszusprechen.
„Und wenn ich mich am Ende dennoch für dich entscheide?“, fragte sie nach einer Weile mit erstickter Stimme.
„Dann werde ich da sein und auf dich warten.“ Er sagte das so leise, dass sie es kaum verstehen konnte. Er lächelte unter Tränen. „Ich liebe dich.“, flüsterte er leise.
Dann geschah es. Seine blauen Augen verblassten, er sank zurück, kraftlos, ohne Widerstand. Nur das Lächeln wich ihm nicht vom Gesicht.
Alles, was nun noch zu hören war, war der gleichmäßige, schrille Ton des EKGs.

 

Hallo MoonShine

Ich verstehe, was du sagen willst:

Er blickte auf, wobei es für sie wirkte, als wäre er gar nicht mehr richtig hier. Er sah sie bloß an fast schon durch sie hindurch, doch sie wusste, was seine Blicke sagen wollten.

Doch wäre es vielleicht eleganter und zugleich das Folgende überraschender, wenn es im ersten Satz enden würde: … als wären seine Gedanken gar nicht mehr hier. Aber vielleicht schneidet es sich dann mit dem Kommenden, dass der Leser dann erfährt.

Ansonsten finde ich den Einstieg stark. Mit wenigen Worten vermittelst du mir als Leser schnell das Gefühl, die Gegenwart eines Sterbenden zu spüren.

... Aber ich würde meine Entscheinung zu jeder Zeit genau so wieder treffen.“

Entscheidung / genauso

... Wieso musst du mehr haben als das?“

Wäre hier ein willst du nicht treffender als ein musst du? Natürlich, wäre dann die Gewichtung weniger zwanghaft, als das musst es suggeriert.

„Weil ich dich hiermit freispreche. Frei von mir.“

Freisprechen klingt so richterlich, ich könnte mir anstelle dessen ein freigeben als der Sache entsprechender vorstellen.

Ach, die Geschichte ist so schön romantisch, ohne für mein Empfinden ins Kitschige abzugleiten. Warum steht sie eigentlich in der Rubrik Sonstige und nicht in Romantik?

Übrigens, der Titel hatte meine Neugierde geweckt.

Sehr gern gelesen. :)

Gruss

Anakreon

 

Hallo MoonShine!

Es gibt ja viele Arten, wie man vom Abschied erzählen kann, aber deine hier hat mich nicht sonderlich mitgerissen. Ich weiß auch nicht genau, warum nicht. Vielleicht wars mir doch bisschen zu kitschig, auch dieses "Ich gebe dich frei" und so, das ist mir zu dick aufgetragen.

Das ist ja ein ganz normaler Abschied, von dem du da erzählst. Warum wählst du die Ebene, auf der gleich jemand sterben muss? Ich hab das Gefühl, der Tod soll der Geschichte Dramatik verleihen, aber bei mir klappts nicht. Ich habe das Gefühl, ich sehe einem Pärchen zu, er steigt in den Zug ein und sagt, wir sehen uns nächste Woche, ich gebe dich bis dahin frei, und sie sagt, oh nein, wie soll ich die Zeit ohne dich überstehen? Und dann fährt er und es ist klar, am Ende werden sie sich wiedersehen.

Hübsch geschrieben, hat mir aber zu wenig Kontraste. :)

Bis bald,
yours

 

Hallo Moonshine,

hm, yours sagt, er weiß nicht, warum der Text nicht mitgerissen hat. Also ich kann das für mich schon erklären.
Bei solch Texten, die mit einem harten Thema konfrontieren, setzt man sich mit einer Kritik schnell den Vorwurf des herzlosen Menschen aus, aber das Thema allein bringt keine Punkte, kein Mitfühlen. Es liegt immer an der Umsetzung, und die finde ich alles andere als gelungen.

Im EInzelnen:

Bereits der Einstieg

Er blickte auf, wobei es für sie wirkte, als wären seine Gedanken bereits gar nicht mehr richtig hier. Er sah sie bloß an, fast schon durch sie hindurch, doch sie wusste, was seine Blicke sagen wollten.
das ist so geballt, dass es einfach nur noch hölzern klingt. Wie wäre es mit Namen? Würde vieles erleichtern.

„Nein.“, flüsterte sie tonlos und griff zitternd mit ihrer Hand nach der seinen.
das ist zu viel des fetten und eine Kitsch-Note bekommt der Satz durch diese Abgegriffenheit. Verstärkt durch die pathetische Ausdrucksweise, die ich unterstrichen habe. Nach seiner wäre viel mehr im Jetzt verwurzelt.

nicht wenn die Krankenschwester an der Tür stand und sie beobachtete. Also herrschte Stille, nur das gleichmäßige Piepen des EKGs blieb monoton und gleichmäßig
durch Wiederholungen erzeugt man keine Tiefe, nur einen geistigen Rotstift, der einem aus dem Lesefluss schmeißt.
Und dass die Krankenschwester da so nervig kleben bleibt? Was ist das für ein Hospital? Normalerweise haben die kaum die Zeit bei jemanden Fieber zu messen und so lange zu warten, bis die Temperatur angezeigt wird

„Ich will das nicht.“, sagte sie tonlos und biss sich auf die Unterlippe.
wieder aml tonlos und dann die UNterlippe. Zu viele verbrauchte Bilder ballen sich hier auf zu engem Raum
Zudem: Punkt aus der wörtlichen Rede raus, wenn danach ein Redebegleitsatz folgt. Hast du häufiger drin

Jedes seiner Worte verlangte unheimlich viel Kraft, doch er besaß sie.
wer sagt das?
Und wie passt das zum Bild des Sterbenden?

meinte er sanft, sah sie ernst an und strich ihr mit dem Finger eine Haarsträhne vom Gesicht.
wieder ein verbrauchtes Bild, dann sollte ein aber nach dem Komma. Außerdem wieder dieses engbeiéinandersetehen von ersieerihr.

So, das ist jetzt nur der erste Abschnitt. Das könnte ich bis zum Ende des Textes durchhalten, aber ich höre an dieser Stelle mal auf, weil ich hoffe, dir auch so aufgezeigt zu haben, weshalb der Text für mich nicht funktioniert. Er bleibt einfach Text, bemüht und mit zu vielen Stolpersteinen. So kann ich mich da nicht fallen lassen, nicht drauf einlassen.

Beim Umschreiben würde ich den Tipp von yours beherzigen und das Setting verschieben. Dieses Sterbe-Szenario verlangt eine Menge Können, um da nicht ins melodramatische abzurutschen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Moonshine!

Diesmal hats mir leider nicht sehr gefallen. Ich fands auch nicht völlig daneben. sagen wir, dass ich mich zwischen Anakreon und Weltenläufer befinde...

Ich finde das alles zu kitschig. Es fiel ihm schwer, diese Worte auszusprechen, aber er tat es, weil er sie liebte.
„Nein.“, flüsterte sie tonlos und griff zitternd mit ihrer Hand nach der seinen.
Ach, das geht so weiter.... Ich spreche dir keineswegs die Leidenschaft am schreiben ab, die hast du bestimmt und ich bin sicher, dass du einiges dazu lernen wirst. Aber in diesem Text ist eindeutig zu viel Schmalz. Du willst meine Tränen, aber so bekommst du sie nicht.

Gruß
Herrlollek

 

Hallo herrlollek,

ales klar. ich bearbeite das alles wohl nochmal (:
Danke für den kommentar.

Gruß
MoonShine

 

Mich hat die Geschichte beim Lesen berührt. Sehr.

Zu Formulierungen kann ich nicht viel sagen, aber dafür gibt es ja andere hier ;)
(Es war übrigens auch der Titel, der mich klicken ließ)

Saludos,

S_Cat

 

Dankeschön, das freut mich zu lesen. :)
Die Meinungen gehen hier ja sehr weit auseinander ...

Liebe Grüße
MoonShine

 

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