- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 1
Dankbarkeit
Ein ganz normaler Arbeitsalltag. Ich mochte meine Arbeit. Es war zwar oft langweilig, aber ein sehr entspannter Job. Stress hatte ich fast nie. Wie jeden Tag schaute ich in meinem Kalender nach, was heute anstand und guckte, wer von den Kollegen da war. Der erste Schritt war immer auszusuchen, wer welche Arbeit am Besten kann und dann lief ich von Tür zu Tür und fragte, ob sie mir helfen könnten. Meistens erbarmten sie sich. Ich machte nie was selbst und der Chef lobte mich für die Arbeit. Ich machte also alles richtig.
An der vierten Tür wurde ich böse angeguckt.
,, Linda langsam reicht es. Du kannst das auch machen. Ich hab selber viel zu tun und keine Zeit deinen Kram zu machen, damit du das Lob bekommst.´´ sagte mein Kollege.
Ich nickte nur, sagte dass es mir leid tue und ging weiter. Wer könnte das sonst machen? Eigentlich war keiner zuständig für meine Arbeit hier. Sie machten das eher nebenbei.
Ich überlegte. Ein anderer neuer Kollege guckte aus seinem Büro:,, Ich hab hier was für deinen Fachbereich. Kannst du dir das vielleicht mal angucken und mir helfen?`´
Ich schüttelte ungläubig den Kopf:,, Ich hab doch keine Zeit für so was. Befasse dich doch einmal damit. Ich muss mich um meine Sachen kümmern.``
Der Tag verging. Ich hatte immer noch keinen gefunden, der die Arbeit für mich machte. Selber konnte ich das aber nicht. Der Kollege war auf einmal im Außendienst und ich konnte ihn nicht mehr fragen. Ich saß vor der Aufgabe und verstand nichts.
Kurz vor dem Feierabend packte ich schon meine Sachen und war bereit zu gehen. Morgen war ja auch noch ein Tag.
Plötzlich kam der Chef herein:,, Was ist mit ihnen los? Sie hatten eine Deadline bis 15 Uhr . Warum hab ich den Auftrag noch nicht auf meinem Tisch? Der ist wichtig. Sie sind doch sonst nicht so``
Ich versicherte ihm das morgen alles fertig sein würde und er belehrte mich nochmals darüber, wie wichtig das Projekt sei.
Alles nur wegen dem Kollegen. Warum macht er das auch nicht für mich? Man könnte doch einmal nett sein und anderen Leuten helfen. Mir wurde ganz heiß vor Wut. Der kann morgen was erleben. Der Chef war nur sauer, wegen ihm.
Ich ging noch durch die Flure und versuchte die anderen Kollegen zu überzeugen wenigstens etwas zu machen. Hauptsache die fingen schon mal an. Ich bettelte sie schon an und fühlte mich erniedrigt.
Alle lehnten ab mit der Begründung Feierabend zu haben.
Missmutig ging ich nach Hause. Warum ließen die mich denn alle hängen? So schlimm war ich doch nicht. Sie könnten mir doch helfen, damit ich den Job machen kann. Wie sollte ich den sonst behalten? Mein Chef wird mich rausschmeißen. Und dann? Ich kann doch nicht viel. Den Job habe ich auch nur über Freunde gefunden. Ich kann gar nichts.Auf die Kollegen bin ich tagtäglich angewiesen und sie lassen mich einfach hängen.
Zuhause nehme ich das Telefon und rufe Bekannte an, die den selben Job haben, wie ich. Vielleicht können sie mir helfen. Keiner wollte. Der eine sagte, dass bei mir immer klar ist, dass man von mir keine Gegenleistung bekommt und nie Dankbarkeit empfängt. Ich lege auf. Wie kann er mir so etwas bloß an den Kopf werfen? Ist doch auch normal. Ich hab selber mein Leben und ich hab da doch nichts davon, wenn ich dauernd jemanden helfen muss.
Wirkliche Freunde habe ich nicht die ich Fragen kann oder denen ich mein Schicksal erzählen kann. Was mache ich nur falsch. Bin ich so ein schlechter Mensch? Niemand mag mich.
Am nächsten Tag gehe ich bedrückt und müde zur Arbeit. Ich habe die ganze Nacht über versucht das Projekt alleine zu machen. Ich bin fertig aber so gut, wie sonst ist es nicht geworden.
Ich gebe es meinem Chef schnell ab und beginne meine anderen Aufgaben zu bearbeiten. Ich frag mal lieber nicht ob jemand mir hilft. Irgendwann muss ich das ja auch mal alleine können. Ich versuch mich erst einmal dran und frage dann meine Kollegen.
Mittags kommt ein Praktikant bei mir rein und fragt, ob ich ihm etwas erklären kann, was er für den Chef machen muss, weil er nicht weiterkommt.
Ich denke an gestern und erinnere mich daran, wie dringend ich Hilfe gebraucht hab und dass ich nie etwas für jemanden tu.
Ich helfe ihm und nehme mir genügend Zeit für ihn, bis er alles verstanden hat.
Er freut sich so sehr darüber und lächelt voller Dankbarkeit, dass sich jemand Zeit für ihn nimmt. Ich muss auch lächeln. Es macht mich glücklich, dass ich ihm eine Freude machen konnte.
Er sagt, er wird es dem Chef gegenüber betonen, dass ich ihm geholfen hab.
Man bekommt also umso mehr zurück, wenn man auch mal etwas gibt. Vielleicht sollte ich öfter mal jemanden einen Gefallen tun anstatt ihn immer nur um etwas zu bitten.
Ich realisiere mein Verhalten. Ich hatte immer nur von anderen Menschen genommen, aber nie etwas zurück gegeben. Die anderen Menschen sind doch genauso wie ich. Jeder brauch mal Hilfe, um weiter zu kommen. Das Leben ist ein Geben und Nehmen. Und Geben kann auch glücklich machen.