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Dank sei Sobrius

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13.07.2006
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Dank sei Sobrius

Professor Sobrius genoss die Einsamkeit der 1. Klasse im Transrapid.
Er verfiel rasch in seichtes Dösen und sank in seinem bequemen Sitz in sich zusammen. Sobrius wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als der neue Fahrgast das Abteil betrat.
Der Mann trug einen dunklen Anzug mit Hut, der den Professor an seine Kindheit, in den 50er Jahren, erinnerte.
„Darf ich?“ Die Stimme des Fremden klang angenehm sonor. Er wartete die gebrummte Antwort Sobrius’ nicht ab, setzte sich ihm gegenüber und schlug die langen Beine übereinander.
Einer der schwarzen Lederschuhe schien eine orthopädische Sonderanfertigung zu sein.
„Sind Sie nicht dieser Professor?“
Sobrius blickte auf. „Wie meinen?“
„Der das Buch über Gott geschrieben hat…“
Sobrius deutete ein Lächeln an. „Der finale Beweis der Nichtexistenz Gottes.“
Der Fremde riss die Augen weit auf.
Die Iris war rot wie bei einem Albino. „Ganz genau. Alle Achtung. Beeindruckend.“
Der Professor richtete sich nun kerzengerade in seinem Sitz auf.
Er seufzte schwer. “Ja, schön…“
Der Fremde nickte eifrig. „Wissen Sie, was mir besonders gefällt? Sie bringen das dermaßen überzeugend rüber… Super!“
Sobrius unterdrückte ein Gähnen. „Guter Mann, das ist ja erfreulich. Aber wissen Sie, ich bin schon recht lange unterwegs… Morgen werde ich in Wiesbaden erwartet…“
Der Fremde breitete die Arme aus. „Es tut mir leid. Aber ich bin ehrlich begeistert, Professor. Kaum Fehler in der Beweisführung! Endlich Schluss mit dem alten Aberglauben!“
„Ja, schön. Aber ich möchte jetzt…“ Sobrius stutzte für einen Moment, zog die Stirn in Falten und beugte sich dem Unbekannten entgegen. „Kaum Fehler? Was soll das heißen?“
Der Fremde senkte die Arme. „Na ja, dass Gotteserlebnisse nur Impulse im Frontallappen sind… habe ich das richtig gesagt?“
Der Professor zückte den rechten Zeigefinger und richtete ihn auf sein Gegenüber wie eine Waffe. „Fehler? Wo soll der sein, mein Herr? Das sind Ergebnisse exakter wissenschaftlicher Studien. Exakt!“
Der Fremde offenbarte grinsend eine Reihe makellos weißer Zähne, von denen einige mit Schmucksteinen besetzt waren.
„Kein Zweifel, Herr Professor. Wirklich nicht.“ Er machte eine kurze Pause und blinzelte heftig. “Aber, was soll ich sagen? Könnte es nicht sein, dass es einen äußeren Anlass gibt. Für die Impulse, meine ich. Dafür ist Gehirn ja nun…“
„Unsinn!“ Auf Sobrius’ hoher Stirn pulsierte eine Ader. „Es gibt kein Instrument, das irgendetwas messen kann. Keines! Wenn diese Impulse auftreten, dann ist da objektiv nichts, gar nichts.“ Schnaufend lehnte er sich zurück. “Epileptische Anfälle.“ Der Zeigefinger schrieb Kringel in die Luft. „Elektrische Kurzschlüsse. Der Rest ist Psychologie. Verdrängung, Unwissen, Aberglaube.“
Der Finger zog einen imaginären Schlussstrich.
Das Grinsen des Fremden verbreiterte sich. Er hob die Hände wieder und deutete ein geräuschlosen Applaus an.
„Wunderbar. Einfach phantastisch. Ich bin begeistert.“
Sobrius kniff die Brauen zusammen. „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Was soll diese Provokation?“
Der Fremde legte die Hände wie zum Gebet aneinander und deutete eine Verbeugung an. „Haben Sie Nachsicht. Ihr Buch hat mich sehr bewegt. Es hilft mir ungemein…“
Sobrius legte den Zeigefinger an die Lippen, unschlüssig darüber, ob er geschmeichelt oder verärgert reagieren sollte.
„Beruflich, meine ich“, fuhr der Unbekannte fort.
„Was soll das heißen?“
„Consulting. Ich bin beratend tätig. Und Sie können sich nicht vorstellen, wie mich dieser Aberglaube behindert.“
Professor Sobrius lächelte nun. “Kann ich mir vorstellen…
Dieser Glaube an Gott… Welcher Art Consulting?"
Der Fremde erhob sich abrupt. „Nun, leider muss ich nun gehen. Die Geschäfte.“
Der Professor blickte verwirrt zum Fenster hinaus.
Der Zug war noch immer in voller Fahrt, weit mehr als zwanzig Kilometer vom nächsten Halt entfernt.
Der Fremde war schon an der Abteiltüre, als er sich noch einmal umwandte. „Besten Dank, Herr Professor. Wirklich.“
Er lüpfte den Hut zum Gruß, und Sobrius starrte entsetzt auf die beiden roten Hörner, die zum Vorschein kamen.

 

Hej Udo,
willkommen hier :)

Der Dialog könnte böser, pointierter sein. Ansonsten ist die Geschichte zu sehr auf die Pointe ausgerichtet, die zumindest für mich nicht ganz überraschend kam. Aber schön ironisch. "...wie mich dieser Aberglaube behindert", das sagt der richtige...
Sprachlich souverän, ohne zu glänzen.
Gern gelesen.

Bis die Tage!

Uwe

 

Hallo Udo Warstein,

die Geschichte habe ich gern gelesen, was bei der Länge auch nicht schwer war. Ich hatte während des Lesens aber schon so ein Gefühl, dass diese Pointe kommen musste. Entweder würde der Unbekannte am Ende einen Heiligenschein oder Hörner haben ;-)

Sehe ich das richtig, dass sich die ganze Beweisführung des Professors darauf stützt, den weltlichen Ursprung von Gotteserlebnissen zu begründen? Meiner Meinung nach ein bisschen wenig für einen Beweis der Nichtexistenz.

Gruß aus Sundern
Andreas

 

Okay, die Geschichte ist (zu?) vorhersehbar. ;-)
Aber schön, dass formal nichts zu bemängeln ist...

findur:
Die Beweisführung des Professors habe ich nicht in aller Länge dargelegt, weil das zu lang wäre. Im Grunde ist es für mich auch müßig, diese Diskussion wieder zu geben. Der Satan spielt mit Sobrius akademischer Eitelkeit und mißbraucht dessen wissenschaftliche Arbeit zu seinem Zwecke...

 

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