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Dagur

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27.05.2016
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Dagur

Das Publikum wusste, dass der Kampf bereits entschieden war, als Dagur zu den Klängen von Krummavísur in den Ring sprang. Er trommelte sich schreiend auf die Brust, zeigte dann auf seinen Gegner und führte die flache Hand an den Hals, an dem er sie langsam nickend vorbeizog. Die Leere seiner Augen wich einem Funkeln, das die Brauen anhob und die Pupillen schwärzte. Über die Hemmungslosigkeit, die ihm nun auch ins Gesicht geschrieben stand, hätte sich Dagur vor einigen Monaten noch selbst erschrocken. Der Kämpfer in der anderen Ecke des Ringes versuchte, seine Angst zu verbergen, verriet sich aber, als sie sich vor Beginn der ersten Runde gegenüber standen, da er Dagurs Blick nicht standhalten konnte.
Der Richter gab den Ring frei und Dagur hob gar nicht erst die Hände, um sein Gesicht zu schützen, sondern forderte Schläge seines Gegners ein. Statt auszuweichen, ließ er sich dreimal treffen. Fragend gestikulierte er, ob das schon alles gewesen wäre. Der irritierte Gegner holte von Neuem aus, doch Dagur ließ ihn ins Leere schlagen, indem er einen Schritt zurücksetzte und dann zu einem Tritt ausholte, der ihn an der Schläfe traf. Ein präziser Faustschlag an das Kinn besorgte den Rest.
Bei der Siegerehrung zeigte er keine Emotionen.

Dagur hasste den Trubel um seine Person, hasste, was er tat, und hasste sich selbst. Seit diesem einen Tag, an dem er versagt und Birkir verloren hatte. Dieser verfluchte Abend in den Gassen Keflaviks. Er konnte bis heute nicht verstehen, warum sie sich gerade für dieses Hotel entschieden hatten. Der von zwielichtigen Gestalten bewachte Betonklotz mit der brüchigen Fassade und dem ranzigen Eingangsflur hatte sie doch förmlich dazu gezwungen, anderswo unterzukommen.
Dagur machte bis heute das Casino dafür verantwortlich und nicht die Spielsucht Birkirs.

Jener verhängnisvollen Nacht war es geschuldet, dass Dagur in den Ring stieg, wann immer sich ein Anlass bot. Die Kämpfe fanden nicht nur in Kreisen, Vierecken oder Oktagonen statt, sondern auch auf der Straße. Mit einer erschreckenden Willkür, die Dagur längst nicht mehr beeinflussen konnte. Die Wut ließ ihm keine andere Wahl, als blindlings Streitereien zu provozieren, die ausnahmslos in Gewaltausbrüchen gipfelten. Er sah sich psychischen Qualen ausgesetzt, die auf die Leiber anderer projiziert werden mussten. Ihn, den einstigen Studenten der Philosophie, trieb ein unkontrollierbarer Zorn an, unter dem er selbst am meisten zu leiden hatte. Er verachtete sein Selbstmitleid und war stets um grausamere Bestrafungen bemüht.
Die halbstarken Kriminellen, die seinen Freund auf dem Gewissen hatten, sollten all das zu spüren bekommen, was er sich tagtäglich in seinen kühnsten Rachegelüsten zurecht legte und bisher nur verhalten auslebte. Beim Aufstehen dachte er an Birkir, dann an dessen Mörder und gleichwohl auch an sich, weil er gewissermaßen zu ihnen gehörte als der Feigling, der er gewesen war und nie mehr sein wollte. Er, der sich einst dem Grübeln und kritischem Hinterfragen verpflichtet hatte, schwor dem Stift ab, um seiner Trauer fortan über Fäuste, Ellenbogen, Knie und Füße Ausdruck zu verleihen. Sein Körper war eine geladene Waffe und der ausgeschaltete Kopf betätigte den Abzug.

Dagur hatte nichts zu feiern und folglich nichts in Nachtclubs verloren. Dennoch traf man ihn dort regelmäßig an. In Begleitung von Männern, die er vor Birkirs Tod noch gemieden hätte, trank er bis zur Besinnungslosigkeit. Niemand wagte es, ihn herauszufordern, und doch fand er meistens einen armen Teufel, den er für's Angaffen oder etwaige Vergehen bestrafen konnte.
Weil zu Hause nichts und niemand auf ihn wartete, zögerte er den Heimweg stets hinaus. Der Zigarettenqualm verewigte sich fortwährend an den Wänden und ließ darauf schließen, wo einst die Bilder hingen. Dagur hatte die Spuren seines früheren Lebens nahezu gänzlich verwischt. Die Bücher waren sinnlos geworden, da er nicht mehr nach Antworten suchte. Seine einstige Leidenschaft, das Schreiben, büßte an Reiz ein, weil er es leid war, Charaktere zu erschaffen, deren Existenzen zum Scheitern verurteilt waren. Er wollte ihnen das trostlose Dasein ersparen. Seinen eigenen Kampf brachte er nicht zu Papier, weil das eine gründliche Reflexion erfordert hätte, die Eulen nach Athen trug, da die Schuldfrage seiner Ansicht nach längst geklärt war und er nicht nach möglichen Schlupflöchern suchen wollte. Er konnte sich nicht verzeihen.
Außer einem Brief von Tjara besaß Dagur rein gar nichts, woran sein Herz hing. Nacht für Nacht ließ er den verschlossenen Umschlag durch seine Hände gleiten.

Eines Abends suchte er das Casino auf, um sich Birkir nahe zu fühlen. Nach etlichen Gläsern Brennivín war er der Überzeugung, für seinen Freund beim Blackjack gewinnen zu müssen. Er, dem es damals nicht gelungen war, verständlich zum Ausdruck zu bringen, warum er das Glücksspiel für den Teufel hielt, erinnerte sich, dass keine Miene verzogen werden durfte.
Dagur verlor alles, weil das Pokerface weder die Versagensangst noch seinen Selbsthass kaschieren konnte, und erinnerte sich an Birkirs letzten Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich hatte dieser schon um sein Schicksal gewusst, bevor die Kredithaie seinen Schädel gegen die Tischkante schlugen. Immer und immer wieder. Seine Fassungslosigkeit würde er nie vergessen können. Birkirs Augen, deren Ringe auf die nervös zuckenden Wangenknochen sanken und die Mundwinkel nach unten rissen, hingen wie ein Damoklesschwert über ihm, das fiel, weil er erneut versagt hatte. Birkirs Tod stand bereits auf seiner Fahne, nun hatte er auch noch leichtfertig die Ehre seines Freundes verspielt.
„Diese Schweine“, schrie er und warf einen Stuhl in Richtung der Automaten. Die Wachleute versuchten gar nicht erst, ihn festzuhalten. Dagur ging auf die beiden zu und brüllte, dass sie ihn stoppen sollten.
„Das ist eure verschissene Pflicht, ihr feigen Bastarde. Kommt und haltet, was die Uniform verspricht. Schützt die Gäste dieser Hölle. Wo wart ihr, als Birkir starb? Wo, verdammt nochmal?!“
Er spuckte auf den Boden, sprang auf den größeren Wachmann zu und verpasste ihm noch im Flug einen Hieb auf die Nase, die hörbar brach.
„Hilf deinem Kollegen!“, forderte Dagur, doch der kleinere Wachmann war ebenso perplex, wie er es damals gewesen war. Dagur erkannte sich in ihm wieder, was ihn nur noch wütender machte.
„Du sollst herkommen, du elender Nichtsnutz. Wenn du Birkir nicht hilfst, wird er sterben. Siehst du, wie ich seinen Kopf gegen die Tischkante schlage? Meinst du, er wird das noch lange durchhalten?“
„Sein Name ist nicht Birkir ...“
„Halt's Maul und unternimm etwas, oder willst du Schuld an seinem Tod sein? Er stirbt nur deinetwegen.“
Zwei Gäste eilten zur Hilfe, doch Dagur ließ das nicht gelten und bearbeitete beide mit seinen Beinen, ohne dabei aufzuhören, den Schädel des Wachmannes zu malträtieren. Immer und immer wieder.
„Hilf ihm“, brüllte er schluchzend, bis fünfzigtausend Volt seinen Körper durchströmten und er benommen zu Boden ging. Der andere Körper sackte leblos in sich zusammen und fiel auf Dagur.


Geliebter Dagur,

nie werde ich vergessen, wie du die Plane abgedeckt hast, unter der sich ein Herz aus Brotkrümeln verbarg. Entgegen deiner Befürchtungen kamen die Möwen sofort.
Ich erinnere mich daran, wie wir uns zum ersten Mal geliebt haben. In deinem Nest inmitten all der Regale. „Wofür brauche ich Rousseau und Thoreau? Was könnten sie mir zeigen, das ich nicht schon in dir gefunden hätte? Du bist die Natur, die niemals lügt, und ich baue meine Hütte in deinem Wald.“
Du hast mir eine Kurzgeschichtensammlung gewidmet und noch am gleichen Abend mit der Arbeit an einem neuen Werk begonnen. Alles, was du schreibst, sei entweder für oder über mich. So hart das Leben auch zu deinen Charakteren war, in deinen Zeilen klang stets die Überzeugung mit, dass unser Dasein nicht grundlos ist. Nur wer dem Leid den Kampf erklärte, konnte sich der Gnade deiner Feder sicher sein, und wer zum Selbstmitleid neigte, wurde über die eigene Vorstellungskraft hinaus bestraft. Du hast dem Leben eine grauenhafte Willkür zugeschrieben, hinter der ein Richter mit einem rigorosen Moralkodex stand.

Drum bitte ich dich, sei nicht zu streng zu dir.

Tjara

 

Wofür brauche ich Rousseau und Thoreau? Was könnten sie mir zeigen, das ich nicht schon in dir gefunden hätte? Du bist die Natur, die niemals lügt, und ich baue meine Hütte in deinem Wald

Ohgott. Oooh. Wie wunderschön ist das denn bitte? Ich bin gerade ganz sprachlos ...

Lieber JackOve.

Du verstehst es wirklich, deine Protagonisten zu quälen, genau wie dein Protagonist es selbst in seinen Geschichten tut ;)
Der Junge (kann man ihn denn schon einen Mann nennen?), der Selbstmitleid bestraft, versinkt schließlich selbst darin, so tief, dass er es nicht mehr raus schafft.

Der erste Absatz hat mich noch nicht so gepackt, weil ich Dagur nicht einschätzen konnte.

Seine zugleich leeren und dennoch brennenden Augen ließen auf einen kranken Geist schließen.
Da dachte ich noch, ich habe es mit einem gewaltverherrlichenden Schlägertypen zu tun.

Aber dann ist er plötzlich Philosophie-Student, und spätestens da hattest du mich gepackt!

Du breitest ganz langsam und Stück für Stück die Geschichte vor dem Leser aus, bis er schließlich mit offenem Mund die letzte Szene im Casino liest. Zumindest war es bei mir so.

„Hilf ihm“, brüllte er schluchzend
Und da war ich dann echt fertig. Ich konnte mir das einfach so gut bildlich vorstellen, wie er da die Kontrolle verliert. Da will man ihn eigentlich nur noch ganz fest in den Arm nehmen. Ihm über den Kopf streicheln und "Es ist nicht deine Schuld" flüstern.

Und die Tragik der ganzen Situation machst du dann noch perfekt, indem du uns den Brief von Tjara zeigst, den er nie gelesen hat, und der genau das eigentlich schon vorhersagt, was mit ihm letztlich passiert ist. Da frage ich mich, was zwischen Tjara und Dagur passiert ist - sie scheint ihn ja wirklich verdammt gut zu kennen. Hat er nach Birkirs Tod einfach alle früheren Kontakte abgebrochen? Und lässt eine Tjara das einfach so zu, wenn sie doch weiß, dass er sich das extrem zu Herzen nehmen wird?

Dein Gespür für Namen ist im Übrigen bemerkenswert. Ich habe mich direkt in alle drei verliebt.

Liebe Grüße und vielen Dank für diese tolle Geschichte,
Sommerdieb.

 
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Lieber Sommerdieb,

wie schön, dass du wieder vorbeischaust. Ich habe mich sehr über deine lieben Worte gefreut!

Dragur ist ein junger Mann, der vor seinem traumatischen Erlebnis sicherlich erwachsener gewirkt hat. Wie nahezu alle meine Protagonisten muss er leiden, und vielleicht möchte er das auch ein Stück weit ...

Ich wollte Dagur so "gestört" wie möglich zeigen, um dann aufzudecken, wie es dazu gekommen ist. Das Beleuchten des Wandels ist mir wichtig, und es wäre schön, die Leser so lange an der Stange zu halten, bis das aufgedeckt wird und nicht auf eine falsche Fährte zu locken, die verständlicherweise abschreckend wirken könnte. Also werde ich mir über den ersten Absatz nochmal Gedanken machen. Danke für diese wertvolle Anmerkung.

Dass du die Szene "mit offenem Mund" gelesen hast, ist wahrlich ein Kompliment der ganz besonderen Sorte, das mich sehr glücklich stimmt! :) Ebenso wie dein Kommentar zu der Rousseau & Thoreau Passage.

Das ist lieb von dir, dass du ihn von seiner Schuldlosigkeit überzeugen möchtest, aber dein Zuspruch hätte wahrscheinlich nichts genützt. Tjara hat sich daran auch die Zähne ausgebissen. Sie hat alles versucht, um Dagur zu helfen, konnte es letztlich aber nicht ertragen, wie sehr er sich verändert hatte und musste ihn dann irgendwann aufgeben. So habe ich mir das zumindest vorgestellt.

Ich danke dir ganz herzlich.

Liebe Grüße,
JackOve

 

Hej JackOve,

Martial Arts direkt ins Land der Wikinger zu transportieren, vermischt mit Wut, Tod, Rache, Freundschaft und Liebe, nenne ich ziemlich abgefahren.

Der Einstieg direkt vom Ring ist interessant und ich mache mich gefasst. Dass Isländer kämpfen können haben sie kürzlich in Frankreich erst unter Beweis gestellt.

Ohne das wachsige Siegel je durchtrennt zu haben, ließ er den Umschlag Nacht für Nacht durch seine Hände gleiten.

Wann spielt denn deine Geschichte? Wachsiges Siegel?

Dagur zögerte den Heimweg stets hinaus, weil in seinem fensterlosen Zimmer ohne Bilder an den Wänden nichts auf ihn wartete.

Das finde ich etwas überzeichnet.

Die finale Kampfszene mit Realitätsverlust mutet mir viel zu, und dass niemand den Wahnsinnigen stoppt, wundert mich dann schon nicht mehr.

Und wer und warum liest dann doch noch den Liebesbrief, der so seltsam beginnt:

Geliebter Dagur,

nie werde ich vergessen, wie du die Plane abgedeckt hast, unter der sich ein Herz aus Brotkrümeln verbarg. Entgegen deiner Befürchtungen kamen die Möwen sofort - auch ohne Fischinnereien.


Isländische Romantik?

Du merkst sicher schon, ich habe so meine Probleme. Das liegt aber nicht an deinem Bemühen, einen schlüssigen Text zu schreiben - ich habe ihn gern gelesen - aber irgendwie fühlt er so zerstückelt und nicht stimmig an. Da ist aber nur ein subjektiver Leseeindruck.

Nebenbei: ich liebe Kampfkunst, am liebsten visuell in Filmen. :shy:

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo JackOve,

ein ganz starker erster Absatz, der mich fesselte.

Der Kodex, seine Kampfkünste nicht auf der Straße anzuwenden, ließ ihn kalt, weil er nie gelernt hatte, zu kämpfen.
Was hat denn der Kodex damit zu tun, ob man es gelernt hat? Er kann es doch auch so.

Davon abgesehen war ihm die Welt gleichgültig (PUNKT)

Stieg er in den Ring, tat er das nicht, um sich auf den großen Kampf vorzubereiten, an den er pausenlos dachte, sondern weil ihm die Wut keine andere Wahl ließ.
Wieso „auf den Kampf vorbereiten“? Er geht doch nur für den Kampf in den Ring, nicht zur Vorbereitung (er trainiert doch nie).

Dagur hatte nichts zu feiern und folglich nichts in Nachtclubs verloren.
Das klingt, als könnte man nur in Nachtclubs feiern. Also ich feiere ab und zu auch mal zuhause oder bei Freunden. :shy:

Dagur zögerte den Heimweg stets hinaus, weil in seinem fensterlosen Zimmer ohne Bilder an den Wänden nichts auf ihn wartete.
Hm … Hätte er denn Bilder an den Wänden, würden diese dann auf ihn warten?

Die Bücher waren sinnlos geworden, da er nicht mehr nach Antworten suchte.
Wenn man studiert, sucht man doch nicht nur nach Antworten in Büchern, sondern will den Stoff büffeln.

Seine einstige Leidenschaft, das Schreiben, büßte an Reiz ein, weil er es Leid war, Charaktere zu erschaffen, deren Existenzen zum Scheitern verurteilt waren. Er wollte ihnen das trostlose Dasein ersparen.
An sich ein schöner Vergleich, aber ich verstehe nicht, warum er dann keine Figuren erfindet, die Erfolg haben.

Ohne das wachsige Siegel je durchtrennt zu haben, ließ er den Umschlag Nacht für Nacht durch seine Hände gleiten.
In welcher Zeit spielt denn die Story? Wenn es in der aktuellen sein soll, würde ich schreiben, dass der Umschlag noch immer nicht geöffnet wurde.

Nach etlichen Gläsern Brennivín war er der Überzeugung, für seinen Freund beim Blackjack gewinnen zu müssen.
Wieso taucht hier auf einmal ein Freund auf? Das wirkt zu konstruiert.

Die Regeln waren ihm fremd, dafür wusste er aber, dass keine Miene verzogen werden durfte.
Das klingt unglaubwürdig, wo er doch mit Birker und auch alleine so oft im Casino war.
Wenn du das streichen würdest, würde der Text auch klappen.

Wo, verdammt nochmal.“
Wo, verdammt nochmal?“

Den leblosen Kopf in seiner rechten Hand zog er mit sich.
Das klingt, als hielte er den Kopf in der Hand. :lol:

Mit dem Brief ist ja eine gute Idee, nur hätte ich gewünscht zu wissen, ob ihn jetzt einer liest/gefunden hat. So kommt mir das so zusammenhangslos.
Außerdem lässt mich der Inhalt relativ kalt. Ich überlege noch, ob ich es besser gefunden hätte, der Inhalt käme nie zum Vorschein.

Starker Anfang, der mich auf eine Catchergeschichte einlenkte, die es leider nicht wurde. ;)
Souverän geschrieben und bis auf die oben genannten Hinweise gut. :thumbsup:

Beste Grüße,
GoMusic

 
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Hallo @JackOve,

ich lese deine Geschichte nun zum zweiten Mal und nun zu Krummavisur, eine schaurig schöne Untermalung, die mir den in den Ring tretenden „Vollstrecker“, den alles niedermetzelnden Kämpfer vor Augen führt und seinen Hunger nach Rache unterstreicht.


Er trommelte sich schreiend auf die Brust, zeigte dann auf seinen Gegner und führte die flache Hand an den Hals, an dem er sie langsam nickend vorbeizog. Seine zugleich leeren und dennoch brennenden Augen ließen auf einen kranken Geist schließen.
Nach dem zweiten Lesen und wenn ich mir das Trommeln auf der Brust und die kopfnickende „Sensengeste“ bildlich vorstelle, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken, beim ersten Lesen habe ich es nicht so intensiv wahrgenommen. Vielleicht liegt es an der Art, wie du den Blick beschreibst oder daran, dass du mir den „kranken Geist“ vor die Füße wirfst.
Ich wollte Dagur so "gestört" wie möglich zeigen, um dann aufzudecken, wie es dazu gekommen ist.
Wütend, zähnefletschend: ja, gestört: nein. Da fehlt mir noch etwas.

Als der irritierte Gegner von Neuem ausholte, tappte Dagur einen Schritt zurück und setzte zu einem Tritt an, der ihn an der Schläfe traf und taumeln ließ.
Dagur tritt sich selbst? ;) Und "tappte" finde ich auch nicht so passend für einen kräftigen Kämpfer.

Bei der Siegerehrung zeigte er keine Emotionen.
Der Satz gefällt mir irgendwie nicht. Vielleicht: Emotionslos ließ er die Siegerehrung über sich ergehen.

Er schwor dem Stift ab und pflichtete den Fäusten bei.
Beipflichten ist eine Zustimmung, „verpflichtete“ sich den Fäusten?

Sein Körper war eine geladene Waffe und der Finger am Abzug litt unter Druckzwang.
Schöner, aussagekräftiger Satz, aber ich störe mich etwas am „Druckzwang“.

büßte an Reiz ein, weil er es Leid war, Charaktere zu erschaffen,
„leid“

weil das eine gründliche Reflexion erfordert hätte, die seiner Ansicht nach nicht nottat.
„nottat“ finde ich etwas unschön, passt nicht so recht zu deinem Schreibstil.

Ohne das wachsige Siegel je durchtrennt zu haben
Wachsene? Ein Wachssiegel, schön und altmodisch, das in meinen Augen Tjaras Liebe zum Detail und zu Dagur zeigt.

Birkirs Augen, deren Ringe auf die erstarrten Wangenknochen fielen und die Mundwinkel nach unten rissen, hingen wie ein Damoklesschwert über ihm, das fiel, weil er erneut versagt hatte.
Sehr schöner Satz, der seine Hilflosigkeit, die sich zuspitzende Not, Wut bestens verdeutlicht. Aber: „erstarrte Wangenknochen“? Sind Wangenknochen nicht immer starr?

Birkirs Tod stand bereits auf seiner Fahne, nun hatte er auch noch leichtfertig die Ehre seines Freundes verspielt.
Beim ersten Lesen war mir der Zusammenhang, die Tatsache, dass Dagur für seinen Freund spielt, nicht ganz klar. Vielleicht könntest du das noch etwas mehr betonen.

Die Wachleute versuchten gar nicht erst K ihn festzuhalten.

„Hilf ihm“, brüllte er schluchzend, bis fünfzigtausend Volt seinen Körper durchströmten und er benommen zu Boden ging. Den leblosen Kopf in seiner rechten Hand zog er mit sich.
Großartiges Bild.

„Wofür brauche ich Rousseau und Thoreau? Was könnten sie mir zeigen, das ich nicht schon in dir gefunden hätte? Du bist die Natur, die niemals lügt, und ich baue meine Hütte in deinem Wald.“
Da muss ich @Sommerdieb zustimmen: Selten etwas so wundervolles gelesen.

Alles, was du schreibst, sei entweder für oder über mich.
Wer würde sich nicht eine solch starke Liebe wünschen?

Du zeichnest einen zerrissenen Protagonisten, der schon in jungen Jahren, nachdenklich, um die dunklen Seiten des Lebens weiß, sie zu Papier bringt. Der Tod seines Freundes, dem er tatenlos zusieht, reißt ihn vollends in ein Loch, das er nur mit brennender Wut, dem Kampf, zu füllen vermag. Der Versuch, seinem Freund eine letzte Ehre beim Blackjack zu erweisen, scheitert an seiner Unfähigkeit, seine Emotionen zu verbergen (?), zumindest aber an seiner fehlenden Erfahrung und gipfelt in seinem Wahn, dem Totschlag des Wachmanns.
Tjaras Brief schließt deine eindringliche Geschichte stimmig ab, verdeutlicht seinen Wandel und lässt mich davon träumen, einmal so zu lieben, wie es die beiden getan haben (oder vielleicht noch immer tun). Ich möchte Dagur geradezu schütteln, damit er den Brief liest, aus seiner Wut, seinem Schuldgefühl herausfindet, und zurück zu seinem alten Leben findet.
Sprachlich sehr schön umgesetzt, ich konnte mich sehr gut in deinen Protagonisten hinein versetzen. Ich habe deine KG sehr gerne gelesen und freue mich auf weitere.

Viele Grüße,
Rotmeise

 

Er schwor dem Stift ab und pflichtete den Fäusten bei.

Das ist also die kleine Saga aus Keflavik von Dagur,

lieber Jack,

den ich zunächst für einen Gorilla (Brust trommeln!) hielt, bis sich der Name Birkirs dazugesellt.

(Kann man nach einer solchen Geschichte das Adjektiv noch in der Anrede verwenden?, klar doch, muss man doch alles in Worte fassen können, wenn einer gut schreiben will - und das Du was drauf hast, hastu ja schon letztens gezeigt und hier an solch unscheinbaren Stellen wie dem Eingangszitat oder auch am Ende mit dem grammatisch korrekten Vorgehen nach "entgegen"!, leuchtet es auf.)


Doch schon früh hab ich ein Problem:

Seine zugleich leeren und dennoch brennenden Augen ließen auf einen kranken Geist schließen.

Können ausdruckslose oder verdrehte Augen „brennen“? „Leere“ Augen meint, sofern sie nicht nur leeres Weiß sind und auch keine „verdrehten“ Augen, ausdruckslose Augen – wofür die gleich erwähnte Emotionslosigkeit doch spräche. Augen können nun brennen (infolge einer Überanstrengung/-lastung des Gesichtssinn der Person) oder sie bohren sich in die Augen eines andern fest, was sicherlich nicht ohne einen (vermutlich herausfordernden) Ausdruck geht.

Trivialeres

Der Richter gab den Ring frei, und Dagur hob gar nicht erst die Hände, um sein Gesicht zu schützen, sondern forderte Schläge seines Gegners ein.
I. d. R. ersetzt bei gleichrangigen Wörtern, Wortgruppen, Satzteilen und Sätzen die Konjunktion „und“ das Komma (es sei denn, der Autor wolle etwas besonders betonen ...)

Davon abgesehen[,] war ihm die Welt gleichgültig.
Die Wachleute versuchten gar nicht erst[,] ihn festzuhalten.
(Infinitivgruppe ist von einem Substantiv abängig, wenn auch durch dessen Stellvertreter im Personalpronomen

Wo wart ihr, als Birkir starb? Wo, verdammt nochmal.“
(Klingt mir nach dem zwoten „wo“ nicht so sehr nach Aussage und auch nicht Frage, wie GoMusic es vermutet, sondern eher nach Ausruf, Fluch!
Im Prinzip könntestu auch beide Zeichen setzen ...

Fragend gestikulierte er, ob das schon alles gewesen sein solle.
Warum das gequirlte Ende, wenn ein „wäre“ die Frage doch ordentlich verkürzte?

, der alles andere nebensächlich erschienen ließ.
Tippfehler

Bis zum nächsten Mal

Friedel

 
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Hallo Kanji,

da die Geschichte in unserer Zeit spielt, passt das wachsige Siegel nicht, wenngleich die Rotmeise erkannt hat, was ich mir dabei gedacht habe. Danke für den Hinweis.
Auch dir danke ich, GoMusic, und werde wohl deinen Vorschlag übernehmen.

Ihr erwähnt beide das fensterlose Zimmer. Was genau ich ändern werde, weiß ich noch nicht, da ich den trostlosen Einblick eigentlich nicht streichen möchte, aber auf jeden Fall werde ich zeigen, dass er auch nicht nach Hause gehen wollen würde, wenn Bilder an der Wand hingen. Das wäre ja zu schön ...

Was den Brief betrifft, Kanji, sind es wahrscheinlich die Fischinnereien, die befremden, weil die Geste an sich ja eigentlich süß ist, oder? Dagur hat Tjara zuliebe auf die Innereien verzichtet, obwohl sie Erfolg versprechender wären als Brotkrümel. Da ich im Text aber gar nicht erwähne, dass ich mir Tjara als Vegetarierin vorgestellt habe, weil das völlig unbedeutend ist, können die Innereien getrost rausfliegen.

Ich hoffe doch sehr, dass Dagur den Brief im Gefängnis liest und dann, obwohl es bereits zu spät scheint, sein Urteil überdenken wird.

Danke für deinen Leseeindruck, liebe Kanji.


***

Hallo GoMusic,

erstmal danke ich dir für deine Zeit und die Einschätzung meiner Sprache, die mich sehr gefreut hat.

Ich werde über jede deiner hilfreichen Anmerkungen nachdenken.
Vor allem über den "Kodex", der erwähnt wird, weil trainierte Kämpfer ja eine Art Gelübde abgelegen müssen, aber eigentlich hinfällig ist, weil Dagur ja nie trainiert wurde, und über den "Kopf" in seiner Hand, der schließlich nicht abgetrennt, sondern nur leblos ist.

Man muss das "Suchen von Antworten in Büchern" wohl losgelöst von dem Studium betrachten. Bzw. hinterfragen, warum Dagur sich überhaupt für die Philosophie entschieden hat. Jedenfalls nicht, um zu büffeln, sondern um sich mit dem Sinn oder der Sinnlosigkeit zu beschäftigen. Dagur war ein belesener Mann, der sich mit den großen Fragen beschäftigt hat und zum Grübeln neigte - bis zu dem folgenschweren Abend im Casino, der alles verändern sollte.

Lieber GoMusic, an dieser Stelle habe ich erstmals befürchtet, an dir vorbei geschrieben zu haben, was sich dann später auch bestätigt hat. Das ist schade, und die Schuld trifft nicht dich als Leser, sondern mich als Autor.
Der Freund ist Birkir und taucht nicht tatsächlich auf. Vielmehr redet sich Dagur ein (realitätsfern, wie er ist), dass er seinem toten Freund einen Gefallen damit tun würde, für ihn an dem Tisch zu gewinnen, an dem er damals ermordet wurde.
Dagur, der einstige Philosophiestudent hat damals nicht gespielt, weil er Glücksspiel verabscheut (hat). Aber ich seh schon ... Das gehört in den Text.

Der Brief am Ende würde dich wahrscheinlich nicht kaltlassen, so hoffe ich, wenn es mir gelungen wäre, dir Dagurs Konflikt verständlich nahezubringen. Er hasst sich für seine damalige Passivität, die ihm unverzeihlich scheint und verliert völlig den Verstand, was dann in einem Totschlag gipfelt. Er projiziert sein Trauma auf die beiden Wachmänner.
Der Brief ist in sofern "wichtig", dass er auf den eigentlichen bzw. einstigen Charakter von Dagur schließen lassen soll. Auf seine Vorstellungen von Moral, die ihm letztlich selbst zum Verhängnis werden ...

Du hast mich auf jeden Fall zum Nachdenken angeregt. Hab vielen Dank!

***

Liebe Rotmeise,

wenn ich gefragt werde, was ich an den Wortkriegern so schätze, verweise ich immer auf die ausführlichen Antworten, die teilweise länger sind als die Geschichte selbst. Nun bin ich geneigt, fortan einfach deinen Kommentar zu zeigen ...

Wow. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, dass du all die Gefühle nachempfinden kannst, die ich beim Schreiben gefühlt habe und unbedingt zum Ausdruck bringen wollte. An dieser Stelle muss ich mich auch nochmal beim Sommerdieb bedanken! Das bedeutet mir wirklich viel. :)

Vielleicht werde ich Dagur noch "gestörter" schreiben, eher aber reicht mir die zähnefletschende Wut, die du erkannt hast.

Nein, Dagur tritt sich nicht selbst. Das werde ich korrigieren.

"Bei der Siegerehrung zeigte er keine Emotionen." -> Das war ein Experiment. Der kühle, lieblose Satz sollte so wirken, wie Dagur in dem Moment gefühlt hat.

Ich erlaube mir, deine anderen Anmerkungen zusammenfassend zu beantworten: Alles, was du sagst, ist schlüssig und wird von mir gründlichst überdacht. Ich werde nicht nur die offensichtlichen Fehler ("beipflichten", "leid", das fehlende Komma und die "erstarrten Wangenknochen") berichtigen, sondern auch deine feinen Tipps berücksichtigen.

Zu der Tatsache, die dir nicht klar war, frage ich, ob du überlesen hast, dass "Dagur der Überzeugung war, für seinen Freund beim Blackjack gewinnen zu müssen". Wenn nicht, das also einfach nicht für Klarstellung gesorgt hat, wäre ich dankbar für einen Tipp.

Wie schön, dass auch dir das Zitat gefällt. Ich wollte damit die Liebe zum Ausdruck bringen, nach der wir uns - du sagst es - alle sehnen.

Ob Tjara und Dagur noch immer so lieben (können)? Ich weiß es nicht. Wenn ja, bleibt die Frage, ob sie tatsächlich noch einander lieben oder die Erinnerung an das, was war.
Wenn sie sich nicht mehr "so" lieben, frage ich mich, ob sie je wieder so empfinden können, für andere wohlgemerkt, wie sie es damals getan haben.
Erstmal muss Dagur wieder (?) lernen, sich selbst zu lieben, denke ich.

Deine fragende Deutung, Dagur hätte verloren, weil er kein Pokerface aufsetzen konnte, ist wunderschön. Soweit habe ich gar nicht gedacht, jetzt kommt für mich aber nichts anderes mehr infrage.

Liebe Rotmeise, ich danke dir ganz herzlich!

***

Lieber Friedrichard,

wie schön, dass du wieder vorbeischaust und schon von einem nächsten Mal sprichst, auf das ich mich sehr freue!

Ich weiß die lieben Worte fast so sehr zu schätzen wie deine hilfreichen Hinweise. Die Fehler werden berichtigt, die Anregungen dankend übernommen.

Auf bald, lieber Friedel.

 
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Lieber JackOve,

das „wow“ kann ich nur zurückgeben. Auf meiner Pro-Liste für die Wortkrieger wird deine Antwort von nun an ebenfalls weit oben rangieren. Vielen Dank, dass du antwortest und dann auch noch auf eine so nette Art, wo ich dir doch einfach nur meine Meinung mitgeteilt habe. Das wichtigste Lob gilt allerdings weiterhin eindeutig deiner Geschichte, hätte ich doch, ohne deine wundervolle Art zu erzählen, die Gefühle nicht so nachempfinden können.

"Bei der Siegerehrung zeigte er keine Emotionen." -> Das war ein Experiment. Der kühle, lieblose Satz sollte so wirken, wie Dagur in dem Moment gefühlt hat.
Wenn du es so erklärst, gefällt mir der Satz schon eher. Er sticht einfach sehr ins Auge. Aber er zeigt tatsächlich genau, was du aussagen willst. Vielleicht würde ich ihn an deiner Stelle doch drin lassen.

Zu der Tatsache, die dir nicht klar war, frage ich, ob du überlesen hast, dass "Dagur der Überzeugung war, für seinen Freund beim Blackjack gewinnen zu müssen". Wenn nicht, das also einfach nicht für Klarstellung gesorgt hat, wäre ich dankbar für einen Tipp.
Ich vermute, dass mir Stoffel einfach dieser Satz beim ersten Lesen durch die Lappen gegangen ist. Warum ich es in meinem Kommentar erwähnt habe? Ich weiß es nicht, denn beim nunmehr dritten Lesen ist es ganz eindeutig. Ignorier den Hinweis einfach.

Erstmal muss Dagur wieder (?) lernen, sich selbst zu lieben, denke ich.
Ja, da hast du recht, Dagur hat noch einen langen Weg vor sich, aber vielleicht kann er dabei dennoch auf die Unterstützung einer neuen Frau in seinem Leben hoffen, wenn nicht sogar auf Tjaras. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass Dagur nur einmal in seinem Leben so intensiv lieben darf. Aber dank dem offenen Ende bleibt das ja zum Glück unser aller Phantasie überlassen.

Liebe Grüße,
Rotmeise

 

Hallo ihr Lieben,

ich habe meine Geschichte gründlichst überarbeitet, ohne Dagur sein Schicksal zu ersparen, und hoffe, dass ich den Wendepunkt in seinem bedauerlichen Leben nun nachvollziehbarer darlege und besser zeige, dass hinter dem brutalen Schläger ein Mensch steckt, dem sein wahres Ich aufgrund von Schuldgefühlen entglitten ist, die ihn letztlich in den Wahnsinn treiben.

Ich wollte euch an dieser Stelle nochmals für die hilfreichen Anmerkungen danken, lieber Sommerdieb, liebe Kanji, lieber GoMusic, liebe Rotmeise und lieber Friedrichard, die ich nahezu vollständig berücksichtigt habe. Meine Lösungen für die Problemstellen gefallen wir nun deutlich besser.

Wo und von wem der Brief am Schluss gelesen wird, lasse ich bewusst offen. Ich mag das, wenn es dem Leser freisteht, das selbst zu entscheiden. :)

Liebe Rotmeise, dir gebührt ein Extradank! Was du dir für Gedanken zu meinem Dagur machst, ist wirklich rührend. :kuss:

Herzliche Grüße,
JackOve

 
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Hej JackOve,

Dagur hasste den Trubel um seine Person, hasste, was er tat, und hasste sich selbst

das brauchst du jetzt gar nicht mehr. Man spürt in allem, was Dagur macht, wie sehr er sich ablehnt. Spürt die Wut, die Verzweiflung.
Dass er den verschlossenen Umschlag in den Händen hält, ist eine wundervolle Idee und gibt Dagur eine sanfte Seite.

Gut, dass du daran gewerkelt hast.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
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Ich noch mal, und wieder mit den „leeren“ Augen,

lieber Jack:

Die Leere seiner Augen wich einem Funkeln, das die Lider weitete und die Pupillen schwärzte.

Das „Lid“ war ursprünglich der (ahd., mhd. lit, [h]lit) „Deckel/Verschluss“ und wurde erst hernach auf den „Augendeckel“ begrenzt, also die Haut, welche das eigentliche Auge schützen soll. Kurz: Das Lid/die Lider lässt/lassen sich in aller Regel nicht „weiten“, selbst wenn uns einer mit „großen“ Augen anstarrt/anstiert, wie's ja der Gegner erfährt, wenn er dem Blick nicht standhalten kann.

Hier nun verwechselstu den Plural des Laib (Brots) mit dem Leib (der noch seine ursprüngliche Bedeutung als „Leben“ in der Wendung „Leib und Leben“ erhalten hat): Laibe und Leiber

Er sah sich psychischen Qualen ausgesetzt, die auf die Leibe[r] anderer projiziert werden mussten.

Dagur ging auf die beiden zu und brüllte, dass sie ihn stoppen soll[t]en.

Auf jeden Fall wurde der Text verbessert (es kann auch mal nach hinten los gehen, hier im Pott nennt man das "verschlimmbessern". Aber da wirstu schon aufpassen, dass dergleichen nicht geschieht,

bin ich von überzeugt!

Friedel

 

Hallo JackOve,

du schreibst

hoffe, dass ich den Wendepunkt in seinem bedauerlichen Leben nun nachvollziehbarer darlege und besser zeige, dass hinter dem brutalen Schläger ein Mensch steckt, dem sein wahres Ich aufgrund von Schuldgefühlen entglitten ist, die ihn letztlich in den Wahnsinn treiben.

und ich denke, das ist dir gelungen. Ich habe den genauen Wortlaut des ursprünglichen Texts nicht mehr im Kopf, aber ich glaube, dass du den Punkt mit dem Bestrafen für die Schuldgefühle besser herausgearbeitet hast - also diese Parallele zwischen
und wer zum Selbstmitleid neigte, wurde über die eigene Vorstellungskraft hinaus bestraft.
und
er verachtete sein Selbstmitleid und war stets um grausamere Bestrafungen bemüht.
.
Das ist mir beim ersten Lesen nicht so bewusst geworden, aber ich muss gestehen, es ist ja schon ein bisschen länger her ;)
Auf jeden Fall ist es so, wie es jetzt ist, gut und nachvollziehbar!

Was mir noch nicht so gut gefällt, ist der letzte Satz:

Der andere Körper sackte leblos in sich zusammen und fiel auf Dagur.

vorher klang es zwar auch noch nicht perfekt ("Den leblosen Kopf in seiner rechten Hand zog er mit sich."), aber ich mochte dieses 'zog er mit sich', das fehlt mir jetzt in der neuen Version :D

Aber gut, es ist ja nur ein Satz - am Rest hab ich nichts zu bemängeln, gefällt mir nach wie vor sehr gut :)

Liebe Grüße,
Sommerdieb

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kanji,

wie schön, dass das funktioniert hat. Vielleicht werde ich die Passage tatsächlich streichen oder zumindest vom Präsentierteller nehmen und etwas subtiler gestalten.
Danke für den erneuten Besuch.

Lieber Friedrichard,

gut, dass es "nur" die Augen sind und nicht die nach Athen getragenen Eulen in Bezug auf meine Überarbeitung. Die Lider weiten sich nun nicht mehr, dafür werden die Brauen angehoben.

Laibe und Leiber habe ich in der Tat verwechselt. Danke. Auch für das fehlende "t", mit dem du grammatikalisch natürlich richtig liegst und mein Sprachgefühl daran erinnerst, dass es nicht nur daran denken sollte, was schöner klingt.

Liebe Grüße an euch beide,
JackOve

***

Lieber Sommerdieb,

ich freue mich sehr, dass auch du nochmal vorbeischaust. Danke für deine Erinnerungen und Rückmeldungen.

Den Schlusssatz habe ich x-mal bearbeitet und bin nach wie vor unzufrieden. Ich kann dich gut verstehen und werde auf jeden Fall nochmal in mich gehen. Die Frage ist nur, ob Dagur den Körper des Wachmannes tatsächlich noch "mit sich ziehen" kann, nachdem er von dem Elektroschocker getroffen wurde. Glücklicherweise habe ich damit keine Erfahrung, bezweifle das aber dennoch stark. Mal sehen ...

Ganz liebe Grüße :)

 

Hallo JackOve,

an deiner schönen, stimmigen Geschichte um einen verzweifelten Kämpfer, der einmal Philosoph war, haben mich zwei Dinge gewundert:
1. das isländische Szenario. Ich hatte beim ersten Lesen Dagur, Birkir und Tjara noch für Namen aus dem Fantasy-Namensgenerator gehalten und insgeheim erwartet, dass irgendwann ein Drache auftaucht. :) Erst bei Erwähnung von Rousseau und Thoreau bin ich auf die Idee gekommen, mal "Keflavik" zu googlen. Und wunderte mich.
2. die späte Erwähnung Tjaras. Oder ihre Erwähnung überhaupt. Wäre der Brief von Birkir, hätte ich es verstanden. Aber nichts in der Geschichte deutet auf Tjara hin: Dagur ist verzweifelt, rachsüchtig, verachtet sich selbst, alles Birkirs wegen. Er schwört seinetwegen dem Stift ab (also der Philosophie). Aber auch der Liebe zu Tjara? Und wenn nicht, wo ist sie geblieben?
Keine Frage: der Brief ist wunderschön. Aber er ist von einer Frau, die ich nie kennengelernt habe.

Nur so mein Eindruck. Gelesen habe ich es auf jeden Fall gern. Und wenn es sonst niemanden wundert, darf es auch gerne so bleiben. :)

Viele Grüße
Ella Fitz

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JackOve

Mir ging es sehr ähnlich wie maria.meerhaba. Ich denke, dass die Struktur deiner Erzählung dem Spannungsbogen schadet. Ich brauchte eine Weile, um zu merken, was wann geschah (u.a. wegen der Formulierung "Eines Abends ...") Da dachte ich zunächst, das sei noch immer Rückblende. Also ich finde das schwierig, auf so kurzer Strecke mit Ereignis x (der Kampf im Ring) zu beginnen, dann zu erzählen, wie es zu x kam (der Tod Brikirs), um schliesslich zu einem Ereignis zu springen, das nach x zu verorten ist (die Schlägerei im Casino). Vielleicht könnte es eine interessante Erfahrung sein, den Text neu zu schreiben, mal eine lineare Fassung davon zu erstellen, oder eine Fassung, die mit der Schlägerei im Casino beginnt und dann mit Rückblenden arbeitet. Meiner Meinung nach würde eine linerare Erzählung der Thematik am ehesten gerecht, es geht um eine Entwicklung, da bewegt sich ein Mensch von A nach B, vom Philosophiestudenten zum Mörder, was es nahelegt, diese Entwicklung einfach zu erzählen. Rückblenden haben oft den Ton eines "Ich-erzähl-euch-jetzt-mal-wie-es-dazu-gekommen-ist" und da ist einfach auch die Gefahr grösser in einen Erklär- und Zusammenfassmodus zu verfallen, was ja auch maria angemerkt hat.

In diesem Zusammenhang denke ich auch, dass der Text mehr Raum braucht, um die Geschichte, die Dramatik zu entfalten, vielleicht auch mal einen Dialog (muss nicht sein, aber könnte helfen). In dieser Kürze eine solche Entwicklung nachzeichnen zu wollen, so dass der Leser wirklich mitgeht und mitfiebert und versteht, das halte ich für beinahe unmöglich.
Ich denke, es würde sich lohnen, wenn du was Längeres daraus machst, das Potential ist nämlich sowohl vom Plot her als auch von deinen Fähigkeiten als Autor gegeben. :)

Symptomatisch für beide Punkte, die ich jetzt erwähnt habe, ist der Brief, den du in dieser Version ans Ende der Geschichte ankleben musstest, weil du ihn sonstwo nicht untergebracht hast. Wenn du linearer erzählst und dem Text mehr Raum gibst, dann wird sich der Brief bestimmt eleganter platzieren lassen, so meine Hypothese.

Der dritte Punkt, den ich zu bedenken geben möchte, betrifft die Perspektive. Die ist mir noch etwas zu unentschieden. Im ersten Abschnitt zum Beispiel schreibst du auktorial und beschreibst ausschliesslich Handlungen und Aussehen der Figuren, aber mittendrin ist dann so eine Aussage, dass der Prota sich vor einigen Monaten selbst über seine Hemmungslosigkeit erschrocken hätte. Da zoomst du in die Person rein und dann auch noch in die Vergangenheit, aber dann zoomst du im nächsten Satz gleich wieder raus. Also mich hat diese Aussage an dieser Stelle etwas gestrört, die hätte besser in den zweiten Abschnitt gepasst, wo du eher personal erzählst.
Überhaupt: Ich habe mir überlegt, ob sich die ganze Geschichte nicht viel besser vollständig aus der Perspektive des Protagonisten erzählen liesse. Du hast da nämlich Sätze drin, zum Beispiel, dass er das Casino verantwortlich macht und nicht die Spielsucht seines Freundes, die wirken so von aussen und kommentierend, das habe ich dann auktorial gelesen.
Das wäre vielleicht eine Idee, aus Dagurs Perspektive zu erzählen, mit seinen Augen, mit seiner Stimme. Auch dadurch könnte man nämlich die Gefahr minimieren, zusammenfassend und berichtend zu werden. Zudem denke ich, dass sich dadurch die Leser näher bei Dagur fühlen würden, seine Entwicklung besser nachvollziehen könnten.

Ich seh' da einfach noch ganz viel Potential bei diesem Text.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber @JackOve,

Liebe Rotmeise, dir gebührt ein Extradank! Was du dir für Gedanken zu meinem Dagur machst, ist wirklich rührend. :kuss:
Wenn du es mir so nett dankst, nochmal so gern!


Deine Überarbeitung gefällt mir gut und die Ziele, die du dir gesetzt hast, hast du in meinen Augen auch damit erreicht.
Allerdings muss ich dem @Sommerdieb recht geben, der letzte Satz gefällt mir nun überhaupt nicht mehr, die erste Version war deutlicher.
Und die Idee von @Peeperkorn, aus Dagurs Sicht zu erzählen, finde ich sehr interessant, das solltest du dir ernsthaft überlegen, auch wenn das umfangreiche Änderungen bedeuten würde.

Birkirs Augen, deren Ringe auf die nervös zuckenden Wangenknochen sanken und die Mundwinkel nach unten rissen
Nun zucken die Knochen? Warum nicht einfach „Wangen“?

Liebe Grüße,
Rotmeise

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ella Fitz,

dass du die "stimmige" Geschichte gerne gelesen hast und sie als schön bezeichnest, freut mich sehr.
Auf die zwei Sachen, die dich verständlicherweise verwundert haben, gehe ich ebenfalls nummeriert ein.

1. Tja, das isländische Szenario ist so ne Sache ... Ich war einen knappen Monat lang in Island und habe dementsprechend einige Isländer kennengelernt. Darunter auch Männer, die auf den ersten Blick einen recht ruppigen Eindruck machen und denen man nicht unbedingt blöd kommen möchte. Eben so ein Mann, dessen Äußeres allein schon einschüchtert und erahnen lässt, wozu er in der Lage wäre, sollte mein Dagur sein. Jemand, dem man das abkauft und kein Maximilian - oh je, die Klischees ... - der im Zusammenhang mit dem Philosophiestudium nicht unbedingt gefährlich wirkt.
Das kurz beschriebene "Hotel" (mit dem Casino) in Keflavik habe ich selbst gesehen und das war wirklich mehr abstoßend als einladend. In jeder Hinsicht.
Das isländische Volkslied "Krummavisur" wollte ich unbedingt als Einlaufmusik für Dagur nehmen, da es atmosphärisch und düster wie kein zweites ist. Vielleicht magst du mal reinhören, in der passenden Stimmung - welche das auch immer sein mag - lohnt es sich definitiv.
Bei den Namen kann ich deine Irritation, um ehrlich zu sein, nur bei Dagur nachvollziehen, der einen Fantasy-Touch hat. Tjara könnte man schon gehört haben und Birkir "sollte" spätestens seit der EM ein Begriff sein. Zumal ich ja unmittelbar nach dem einleitenden Absatz und der Erwähnung Birkirs die Stadt erwähne, in der die Geschichte stattfindet. Ich bin davon ausgegangen, dass an dieser Stelle der Groschen fällt.

Wie du siehst, sind die aufgezählten Gründe für den Standort Island eher persönlicher Natur. Die Geschichte könnte überall spielen, weil ich mich weder an der isländischen Kultur bediene (na ja, miniminimal schon) noch auf die atemberaubende Natur verweise.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich verstehe, was du meinst, sehe aber keinen zwingenden Grund, etwas an dem Ort des Geschehens zu ändern. Über eine Vertiefung werde ich mir allerdings Gedanken machen. Speziell, wenn ich die kurze Kurzgeschichte in ein längeres Werk umwandeln sollte.

2. Gleiches gilt für Tjara, bei der ich im Prinzip ganz bei dir bin.
Sie soll lediglich zeigen, was Dagur für ein Mensch gewesen ist. Birkir konnte ich mir nur schwer als Mann der "großen" Worte vorstellen, sonst hätte ich mir Tjara vielleicht gespart.
Eigentlich ist es sekundär, wo sie geblieben ist, da nur klar werden soll, dass die Beziehung wegen Birkirs Tod in die Brüche gegangen ist, was ich durch den verschlossenen Brief zu zeigen versucht habe.

Liebe Ella, um das mal abzurunden: Ich danke dir für deinen Kommentar und werde deine Anregungen berücksichtigen, sobald ich die Zeit finde, meinen "Dagur" in eine größere Geschichte umzuwandeln!

*****

Hallo maria.meerhaba,

ich verfolge deine Kommentare stets mit großem Interesse, bin meistens deiner Meinung und habe mich folglich gefragt, wann auch mir die Ehre zuteil wird.
Dass du vorbeischaust und den Anfang "saustark" findest, freut mich sehr.

"Protokollierend" kann ich nachvollziehen und muss mir eingestehen, dass ich der Atmosphäre damit wahrscheinlich echt keinen Gefallen getan habe.
Allerdings habe ich mir was dabei gedacht und muss dir deshalb auch widersprechen, wenn du den Kampf als "dermaßen sinnlos" bezeichnest.
Das ist vielleicht nicht das, was man erwartet, Dagur kann sich schließlich nicht an den Kredithaien rächen, aber hinter dem Mord/Totschlag steckt ein "tieferer" Sinn.
Dagur gibt sich die Schuld an Birkirs Tod, weil er damals nicht eingegriffen hat, als die Kredithaie seinen Kopf gegen die Tischkante geschlagen haben. In seinem Wahnsinn, in den Dagur sich aufgrund der Schuldgefühle gesteigert hat, projiziert er sein Trauma auf die Wachmänner. Er schnappt sich den einen, schlägt auf ihn ein und fordert den anderen auf, ihn zu stoppen. Ich bin mir sicher, dass er tatsächlich gestoppt werden wollte ...

Es ist gut, dass auch du mich nochmal auf Tjara aufmerksam machst. Du hast recht, der Brief kommt aus dem Nichts und steht in der Tat im Kontrast zu der Geschichte. "Voller Gefühle" soll allerdings nicht nur der Brief, sondern auch die Geschichte selbst sein. Eben Gefühle anderer Art wie Schuld, Hass, Verzweiflung etc. ...
Zum Brief und Tjara selbst magst du vielleicht schauen, was ich Ella geantwortet habe.
Danke aber nochmal, denn mittlerweile habe ich wirklich eingesehen, dass ich Tjara ein Gesicht verleihen müsste, damit die Passage, die mir echt am Herzen liegt, bedenkenlos funktioniert.

Zu den Namen bzw. Island habe ich mich auch schon gegenüber Ella geäußert und sehe ein, dass das zu Irritationen führen kann. Aber "südländisch" und "deutsche Namen in Geschichten zu erwarten, weil man teilweise deutsch ist", wundern mich doch sehr ... Trotzdem nehme ich deinen "Stolperstein" sehr ernst und werde versuchen, ihn bei der (eventuellen) Großbearbeitung zu beseitigen.

Liebe Maria, ich danke dir für deine Rückmeldung. Bis bald, hoffentlich.

*****

Hallo Peeperkorn,

"Ich denke, es würde sich lohnen, wenn du was Längeres daraus machst, das Potential ist nämlich sowohl vom Plot her als auch von deinen Fähigkeiten als Autor gegeben." -> Das von dir zu hören, bedeutet mir viel und macht mich schon ein kleines bisschen Stolz, um ehrlich zu sein. :)

Ich werde etwas Längeres aus der Geschichte um meinen Dagur machen, ganz gewiss, nur weiß ich noch nicht, wann das geschieht, weil das dann wirklich "größer" werden soll.
All die Gedanken, die ich mir zu Birkir und Tjara, ja selbst zu Dagur, gemacht habe, kann ich in dem Rahmen meiner jetzigen Version nur andeuten und hoffen, dass der Leser sich selbst seinen Teil denkt. Letzteres soll auch so bleiben, wenn +x Seiten dazukommen, aber es gibt einfach noch so vieles, dass ich erzählen könnte. Und eigentlich auch möchte.

Die Idee einer linearen Handlung ist absolut spannend. So wäre es mir möglich, den Wandel, der mir so am Herzen liegt, detailliert und vor allem glaubhaft zu schildern. Das nehme ich mir definitiv zu Herzen. (Und schreibe in Gedanken schon die Szenen aus dem Brief auf, den es somit dann nicht mehr bräuchte.)

Bevor ich damit begonnen habe, Dagurs Geschichte aufzuschreiben, erschien es mir ebenfalls am sinnvollsten, aus der Sicht von Dagur zu schreiben. Da gibt es nur ein Problem und zwar in vielerlei Hinsicht.
Dagur soll früher ein sensibler Mensch gewesen sein, was sich bestimmt gut zeigen ließe, indem ich ihn über ganz banale Eindrücke aus dem Alltag philosophieren lassen würde. Auch Tjara wäre eine große Hilfe.
Was mich aber davon abgehalten hat, ist die Wandlung, die er durchmacht. Es ist nicht so, dass ich mir nicht zutrauen würde, das aus seiner Perspektive in Worte zu fassen, aber ich weiß nicht, wie er diesen Wandel selbst erlebt. Ginge es darum, aufzuzeigen, wie er peu a peu oder auch von jetzt auf gleich abstumpft, wäre das etwas anderes, aber er hört ja nicht auf zu empfinden, sondern kann sich nur noch darauf konzentrieren, was er sich selbst vorwirft, und das bleibt immer gleich.

Um das Problem beim Namen zu nennen: Ich denke, Dagur hört unmittelbar nach dem Mord an Birkir auf zu reflektieren und möchte sich nicht damit auseinander setzen, ob er tatsächlich die Schuld daran trägt. Für ihn steht das fest. Dass das realitätsfern ist, steht außer Frage, aber mir scheint es schlicht unmöglich, das glaubwürdig aus seiner Sicht zu beleuchten. "Unmöglich" ist natürlich blöd, aber ich müsste mich halt echt verbiegen, um das in die Tat umzusetzen. Ich scheue nicht das Wagnis, sondern befürchte von vornherein, dass mir das Ergebnis nicht vollends zusagen würde, weil mir das eben nicht realistisch erscheint.

Ähnlich geht es mir mit der finalen Szene im Casino. Das Präsens scheidet aus, sollte die Szene drin bleiben, und das soll sie auf jeden Fall. Präteritum also und somit nach dem Mord. Vielleicht im Gefängnis, wo er seine Tat bereuen wird, wie ich denke. Er fühlt (wieder) aber garantiert anders, als er es damals getan hat. Selbst wenn Dagur einen treffenden Ton anschlägt, kann er unmöglich die Tragik zum Ausdruck bringen, die ein simples ""Hilf ihm", brüllte er schluchzend ..." impliziert bzw. implizieren soll.
Auch die Kampfszene im Ring könnte ich aus seiner Sicht nicht so atmosphärisch gestalten, befürchte ich, wobei die bei einer längeren Version auch nicht zwingend notwendig ist.

Du siehst, Peeperkorn, ich setze mich intensiv mit deinen Vorschlägen auseinander und werde wenigstens auf einen der beiden zurückgreifen. Linear ist nicht immer besser, aber in diesem Fall schon.

Diese Geschichte bleibt bestehen, bis das geplante Größere Form annimmt. Hier plane ich, vorerst nur den Schlusssatz zu ändern - Danke, liebe Rotmeise, für die Erinnerung und die freundliche Rückmeldung. Über die Wangen(knochen) denke ich nochmal nach. - und den Satz mit der Hemmungslosigkeit zu streichen, über die sich Dagur damals noch erschrocken hätte. Du hast völlig recht! Ein überaus unschöner "Zoom". Der Satz ist übrigens bei der Überarbeitung reingerutscht und sollte zeigen/vorwarnen, dass hinter Dagur mehr steckt(e) als ein brutaler Kämpfer.

Ich danke dir ganz herzlich, lieber Peeperkorn, für deine Zeit und deine Anregungen.

*****

Ich grüße euch, ihr vier lieben Wortkrieger :)
JackOve

 

Hallo JackOve

ich hab's gern gelesen. Frontal rein in die Geschichte mit einem Blick auf deinen Prot. Nur danach wird es mir zu neblig, deine Hauptfigur wird nicht richtig auserzählt, ich verstehe ihn nicht ganz und leider bleibt auch Tjara ein Schatten, der mehr Raum verdiente...

Bisschen was zum Text:

Die Leere seiner Augen wich einem Funkeln, das die Brauen anhob und die Pupillen schwärzte.
kann ich mir so nicht vorstellen, der hebt die Brauen und dadurch werden die Pupillen schwarz?

da er Dagurs Blick nicht standhalten konnte.
mm, so ne Boxerpose, als ob das was nedeuten würde :)
Fragend gestikulierte er, ob das schon alles gewesen wäre.
auch das so ein Posing

Dagur hasste den Trubel um seine Person, hasste, was er tat, und hasste sich selbst. Seit diesem einen Tag, an dem er versagt und Birkir verloren hatte.
ich fände es besser, wenn du erst erklärst, dass er sich hasst, wäre mehr show drin...

Er sah sich psychischen Qualen ausgesetzt, die auf die Leiber anderer projiziert werden mussten.
psychisch klingt unschön, könntest du ohnehin weglassen, ist ja klar, dass es keine körperlichen Qualen sind....

Sein Körper war eine geladene Waffe und der ausgeschaltete Kopf betätigte den Abzug.
schönes Bild, obwohl mir nicht ganz einleuchtet wie ein Philosophierstudent zum Straßenkämpfer wird, da fehlt was,m da müsste mehr als die Sache mit Birkir sein...

Seine einstige Leidenschaft, das Schreiben, büßte an Reiz ein, weil er es leid war, Charaktere zu erschaffen, deren Existenzen zum Scheitern verurteilt waren.
vielleicht hätte er es mit Charakteren probieren sollen, die nicht scheitern :)

Außer einem Brief von Tjara besaß Dagur rein gar nichts, woran sein Herz hing.
aha: die Liebe ...

warum er das Glücksspiel für den Teufel hielt, erinnerte sich, dass keine Miene verzogen werden durfte.
ein Gläubiger, der Teufel? wie sieht der aus?

Du bist die Natur, die niemals lügt, und ich baue meine Hütte in deinem Wald.“
das ist hübsch :Pfeif:
Du hast mir eine Kurzgeschichtensammlung gewidmet
... das weniger...

Bin gespannt auf deine weiteren Geschichten :D
viele Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Isegrims,

schön, dass du meine Geschichte gerne gelesen hast. Deine Anregungen decken sich größtenteils mit denen deiner Vorredner und bestätigen, dass es sich lohnen würde, etwas Größeres aus meinem "Dagur" zu machen.

Ich muss dir widersprechen, die Psychospielchen bedeuten eine ganze Menge beim Kampfsport, wenngleich es sicherlich auch Kämpfer gibt, die sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Das mit dem "Erfinden von Charakteren, die nicht scheitern", ist gar nicht so einfach, glaube ich. Wenn Dagur das könnte, bzw. einen Sinn dahinter sähe, würde er es wohl probieren, aber die Menschen schreiben aus den unterschiedlichsten Beweggründen ... Dagur schreibt über Antihelden, weil er sich mit ihnen identifizieren kann. Vielleicht genießt er auch die Macht, die er über sie ausübt und findet Gefallen an seiner Rolle als Richter.

Danke für unsere zweite Begegnung und deinen Kommentar, über den ich mich gefreut habe. Gleiches gilt auch dafür, dass du etwas mit meinen Leseeindrücken zu deinem Luis anfangen konntest. Wie ich deiner bearbeiteten Geschichte entnommen habe, auch mit Banalitäten, die es nicht in die Antwort geschafft haben. Das ist schön.

Liebe Grüße und bis bald.
JackOve

 

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