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Dackelschach
Dackelschach
Es war 20.05 Uhr als Hagenbuch in das Schachlokal stürmte und sofort auf seinen ewigen Gegner Schulz zuging.
Mit Schulz spielte Hagenbuch am liebsten, ging dieser doch immer wieder in den Turnierpartien auf seine "selbstgeschnitzte" Eröffnung ein.
(Hagenbuch nannte sie - wie konnte es anders sein - den „Hagenbuch-Angriff.“) .
Der Hagenbuch-Angriff barg nämlich als überraschende Wende im 2. Bauernzug den Zug vom Feld a2 nach a3 in sich (davor zog Hagenbuch im 1. Zug immer den Bauern von f2 nach f3) - und gegen diese Hagenbuch-Eröffung hatte Schulz jedesmal große Probleme beim
Versuch der Widerlegung.
"Ich habe endlich eine Möglichkeit gefunden, meine Spielfähigkeit erheblich zu verbessern“ so Hagenbuch und sein Gesicht glänzte als habe er leichtes Fieber.
"Mein Hund...."
"Was, wie?" erwiderte Schulz. "Dein Hund?
"Ja", sagte Hagenbuch - "der versteht was von Schach."
"Neee" - sagte Schulz - "also nee, das kann ich nicht glauben."
"Dooooch" - so Hagenbuch - "der guckt immer zu - und neulich habe ich mit Franz Wessmann gespielt und jedesmal, wenn ich einen Zug machen wollte , dann hat mein Dackel entweder mit dem Kopf geschüttelt oder mit dem Schwanz gewedelt!"
Schulz ließ den Unterkiefer hängen und guckte verständnislos - eigentlich schon fast blöde.
"Heißt das etwa....??"
„Ja! genau“ erwiderte Hagenbuch und fuhr fort, er habe das hinterher analysiert , und so Hagenbuch - die starken Züge seien alle die gewesen, wo sein Dackel mit dem Schwanz gewedelt habe - und besonders nachdem er die Partie aufgeben mußte, habe der Dackel zum Schluss fast nur noch mit dem Kopf geschüttelt und einmal sogar laut gebellt.
Schulz wurde aufmerksam, sein Blick wirkte jetzt lauernd.
Er ahnte, dass ihm hier eine Sensation anvertraut wurde, die – er wusste noch nicht wie – ihm vielleicht selbst irgendwie, irgendwann nützlich sein könnte.
"Wieso kann das Deine Spielfähigkeit verbessern? " fragte er Hagenbuch.
"Ist doch klar," so Hagenbuch, "den nehme ich jetzt immer zum Turnier mit."
und erzählte weiter, er wolle nun jedesmal vor einem Zug gucken was der Hund dazu sagte, und jedesmal wenn der den Kopf schüttelte, wolle er nochmals die Stellung vor der Ausführung seines Zuges genauer überprüfen .
Am nächsten Sonntag war Mannschaftskampf und Hagenbuch kam mit Siegermiene und seinem Rauhaardackel in den Saal.
Sein Gegner (ein fetter Kerl vom Nachbarverein) hatte ihn,Hagenbuch schon mehrfach vernichtend geschlagen – denn zu dieser Zeit war Hagenbuch noch nicht mit seiner neuen Eröffnungsidee angetreten.
(Wir wissen natürlich, dass hiermit der Hagenbuch-Angriff gemeint ist)
Hagenbuch hatte sich gerade gesetzt, als ihn etwas am rechten Bein streifte.
Er lüftete die Tischdecke, sah unter den Tisch, und glaubte zunächst, er sähe seinen Hund - aber der saß friedlich und schwanzwedelnd hinter ihm - und da merkte er erst, daß der fette Kerl auch seinen Hund mitgebracht hatte – obendrein einer von diesen parfümierten Pudeln mit Nagellack auf den Krallen – eine von ihm total verabscheute Rasse, die nach seiner Ansicht nicht würdig genug war,die Bezeichnung Hund zu erhalten.
Erstaunlich war nun, dass die Hunde sich wenig interessiert beschnüffelten, und als der Turnierleiter die Partien eröffnet hatten, da wichen sie sogar voneinander zurück und jeder von ihnen hüpfte auf einen freien Stuhl neben seinem Herrchen um ziemlich unruhig mehr von den Zügen zu sehen, die diese jeweils ausführen wollten.
Hagenbuch startete mit Weiss zur Eröffnung die Schachuhr, schob seine Hand zum f-Bauern und kurz bevor er diesen ziehen wollte sah er seinen Dackel heftig mit dem Schwanz wedeln, hörte dessen aufgeregtes und zustimmendes Hecheln und führte frohgemut über diese Hilfe seinen Lieblingsbauernzug f2 nach f3 aus.
Der fette Kerl zuckte etwas zusammen (schließlich kannte er einen solchen Zug zu Beginn einer Partie überhaupt nicht), sein Pudel knurrte etwas - und wir ahnen es schon, er guckte seinerseits nach rechts zu seinem Pudel die Hand nahe am Bauern der noch auf Feld g7 stand.
Und tatsächlich auch der geschminkte Pudel wedelte mit dem Schwanz, und dann kam für Hagenbuch völlig unerwartet ein Bauernzug seines Gegners vom Feld g7 nach g5.
Hagenbuch wurde nervös und guckte vor dem nächsten Zug wieder nach links, wo sein Dackel diesmal nachdenklich den Kopf hin und her wiegte, fast so als berechnete er immer noch die möglichen Folgen, die sich nun aus dem gegnerischen Bauernzug von g7 nach g5 ergeben könnten.
Es fiel ihm ein Stein vom Herzen als er nun in die Nähe seines a-Bauern mit der Hand kam und sein Hund wiederum mit dem Schwanz wedelte
Die Stunden bei der Partie vergingen, und irgendwann passierte es – das Brett war schon von vielen Figuren befreit - Hagenbuch war am Zug und wollte gerade seinen Zug mit einem Springer vom Feld a4 aus durchführen.
Da sah er gerade noch im letzten Moment wie sein Dackel angewidert mit dem Kopf schüttelte dabei sogar noch mit der linken Pfote an seine Dackelschläfe zeit, um seine Abneigung gegen den von Hagenbuch geplanten und für ihn als Rauhaardackel jedoch absolut idiotisch wirkenden Zug zu dokumentieren.
Als Hagenbuch dies sah, zuckte seine Hand wie elektrisiert von seinem Springer auf a4 weg zu seinem Läufer, der immer noch auf dem Feld c3 stand.
Auf einmal bellte der Pudel des fetten Kerls wie verrückt und deutete mit der Pfote zum Springer auf dem Feld a4, den Hagenbuch ursprünglich ziehen wollte.
"Sie müssen den Springer ziehen " sagte der dicke Kerl triumphierend und sein Finger zeigte herrisch auf diesen den Springer auf a4 - "berührt - geführt" lautet die Regel - das wissen Sie doch wohl, oder?"
"Wieso sagte Hagenbuch - ich hab doch noch gar nicht gezogen!"
"Natürlich " sagte der fette Kerl jetzt und wurde lauter - "aber sie haben den Springer auf a4 berührt, und deshalb müssen Sie den nach den Regeln die bereits berührte Figur auch ziehen."
Alle Spieler im Spielsaal guckten sich nun nach den beiden Streithähnen um.
"Sie haben den Springer auf a4 berührt" wiederholte der Dicke ungerührt - "und ob sie es glauben oder nicht - mein Pudel bellt immer nur, wenn die berührt-geführt-Regel verletzt wird. "
Hagenbuch will jetzt beim Internationalen Schachverband erreichen, daß Pudel nicht mehr mit in den Turniersaal genommen werden dürfen.
© K. Briesemeister 02/2003