Dachs oder Dax?
Dachs oder Dax ?
Es hat geläutet. Schulschluss. Alle stürmen aus der Klasse. Halt, nicht alle. Ich bleib hier sitzen. Muss nachsitzen. Nicht vor-, hinter-, zwischen-, durch-, über-, unter-, nein: nachsitzen.
Ich gehe in die vierte Klasse und bin eigentlich ein guter Schüler, sagt mein Klassenlehrer. Aber nur zu meinen Eltern beim Elternsprechtag. Schleimer! Zu mir hat er das noch nie gesagt.
Zu dumm, dass Meyer-Hinterhöfer, so heißt er, den Zettel einkassiert hat. Stand drauf:
„Wie lange will dieser Wixer hier denn noch rumlabern?“
Es soll keine Strafe sein, hier rumzuhocken. Ich soll nur nachdenken sagte er. Worüber soll ich denn nachdenken in diesem miefigen Raum. Und ich soll Wörter schreiben. Meyer-Hinterhöfer sagt, ich soll Wörter aufschreiben wie Dax, Fux, Lux usw. Wenn´s weiter nichts ist. Über den Dax wird jeden Abend in den Nachrichten berichtet. Das interessiert mich. Der hat was mit Geld zu tun. Wenn Firmen pleite gehen, ist der Dax niedrig, wenn sie Vollbeschäftigung haben, geht er hoch. Ganz einfach. Trotzdem hab ich´s falsch geschrieben, sagt er.
In Mathe bin ich gut. Das macht mir richtig Spaß. Aber das nervt Meyer-Hinterhöfer auch. Wenn die anderen gerade einmal ihr Heft aufgeschlagen haben, bin ich schon fertig. Bringt einfach Bock. Aber dann hab ich Langeweile und spiele den Kasper.
Ich bin gut im logischen Denken hat er meinen Eltern erzählt. Was nützt mir das? Bin ich vielleicht deshalb Legastheniker? Ich denk einfach gar nicht nach, wenn ich schreibe, nur wenn ich mein Diktat zurückbekomme und alles rot unterstrichen ist, dann mach ich mir schon meine Gedanken. Zum Beispiel das Wort Dax. Max wird auch so geschrieben. Weshalb schreibt man denn Luchs, Fuchs, Wachs mit ch, wenn ich es wie x spreche? Das soll mir mal einer erklären. Manchmal wird Meer mit zwei e geschrieben, aber manchmal schreibt man es auch mit h. Hört sich doch genauso an. Warum schreibt man leben und geben ohne h, aber nehmen, kehren mit h? Wer soll das denn begreifen? Strohm wird auch ohne h geschrieben, obwohl das o lang ausgesprochen wird wie zum Beispiel bei Sohn. Tja, was kann ich denn dafür? Wenn Meyer-Hinterhöfer die Diktathefte austeilt merke ich immer gleich, wenn er meins zu fassen hat. Das sehe ich an seinem Gesichtsausdruck. Als hätte er in eine Zitrone gebissen. Ich versuche das dann nachzumachen. Aber meine Eltern sagen mir immer: „Das ist nicht so schlimm. Es gibt schlimmeres“ Finde ich auch. Ich geh nun schon immer in dieses blöde Institut. Da soll ich die deutsche Rechtschreibung lernen. Mal gucken, ob´ s was bringt. Ich sehe da schwarz, oder ich muss mir das logische Denken abgewöhnen.