Döner wohnen
Zwei Dinge werden in meinem Leben wohl niemals passieren. Zum einen, dass ein schöner, fettiger Fast-Food-Burger frühmorgens im Hausflur vor meiner Tür steht, mich wachklingelt und mich von seiner Fußmattenperspektive aus mit zwei riesigen Revolvern bedroht. Und dass er mich dann erschießt, wird wohl glücklicherweise auch nicht geschehen. Zum anderen werde ich leider wohl auch nie zu altern aufhören.
Eigentlich dachte ich immer, dass ich noch ganz jung sei. Bin ich aber gar nicht mehr. Ich bin steinalt. Ein alter Sack. Ist nix mehr mit der Blütezeit meines Lebens. Aber zum Glück wird das früher oder später jedem so ergehen. Und einige Menschen sollen ja sogar schon gestorben sein, man glaubt es kaum.
Und wer ist Schuld daran, dass ich mich so alt, verbraucht und faltig fühle? Das "Wörterbuch der Jugendsprache"! In diesem Machwerk stehen so viele Wörter und Redewendungen, die ich nicht mehr kenne. Und wer die nicht kennt, der gehört garantiert nicht mehr zur Jugend. Der wird verbannt, verdrängt und, wenn man ganz viel Pech hat, sogar geteert und gefedert. Manchmal schaffen es eben auch alte Wilde-wilde-Westernzeitrituale zurück in die Jugendkultur.
Ich wusste beispielsweise nicht, was das Wort „abdönern“ bedeutet oder was „einen Bob in die Bahn werfen“ heißen mag. Und als ich durch dieses schöne Nachschlagewerk von Pons herausfand, dass beides etwas mit der menschlichen Verdauung zu tun hat, wollte ich es eigentlich auch gar nicht mehr wissen. Aber zum Glück haben alte Menschen ein schlechtes Gedächtnis, und deswegen werde ich diese Erkenntnisse morgen oder spätestens übermorgen vergessen haben, zumindestens hoffe ich das. In meinem Alter wird man ja wohl wenigstens noch hoffen dürfen.
Und dass man Dummheit im Jargon der Jugend in Feldwegmetern misst, war mir bislang auch neu („Feldweg, der: so dumm wie zehn Meter Feldweg (sehr dumm)“. Alt fühle ich mich. Und ausgeschlossen. Da kann ich nun wohl wirklich nicht mehr mitreden. Dumm wie drei Kilometer Feldweg bin ich jetzt wahrscheinlich in den Argusaugen der Jugend.
Und auch mit der nachrückenden Generation werde ich nicht mehr kommunzieren können, denn auch sie braut sich jetzt schon ihre eigene Sprache zusammen.
Da stehe ich nun also in der Schlange einer Fast-Food-Ketten-Filiale, vor mir ein Vater mit seinem kleinen, kindergartenalten Sohn.
„Und?“, fragt der Vater den Sohn. „Was möchtest du essen? Einen Cheeseburger?“ Das Kind wird cheeseburgerkäsegelb im Gesicht und schaut seinen Vater erschrocken an. „Aber ist das nicht gefährlich?“, fragt der Junge besorgt.
Und wie gefährlich dieser Hörfehler war, wird mir erst jetzt bewusst, wo es viel zu spät ist. Ich hätte den Hörfehler vergessen sollen, gestern, wenn nicht sogar besser noch vorgestern hätte ich diesen Gedanken aus meinen Hirnwindungen verbannen sollen.
Doch jetzt steht er im Hausflur vor meiner Tür, hat mich wachgeklingelt und bedroht mich aus seiner Fußmattenperspektive mit zwei Revolvern. Aber so sind sie nun einmal, die Schießburger dieser Welt. „Du bist zu alt, Django!“, haucht er mir zu und rückt sich dabei die Salatgurke zwischen seinen beiden Brotscheiben zurecht. „Ich muss dich beseitigen, weil du zu alt für diese Welt bist.“
Ich will nicht glauben, was sich da vor meinen Augen abspielt. Und wenn nun doch passiert ist, was ich nie für möglich gehalten hätte, wenn mich nun doch ein Fast-Food-Burger mit seinen Revolvern bedroht – heißt das dann auch, dass ich zu altern aufhören werde? Im gewissen Sinne wohl schon. Denn gleich wird er mich erschießen, der fettige Fast-Food-Schießburger. Dabei hatte ich mir noch so viel vorgenommen.