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Cybersex

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02.02.2002
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Cybersex

Sein Herz rast. Eigentlich ist er nur aus Langeweile in den Chat eingestiegen, als kleine Abwechslung im Einerlei der alltäglichen Arbeit. Doch da ist er wieder, der Nickname, den er jetzt gut eineinhalb Jahre nicht gesehen hat. Er hat geglaubt, das alles vergessen zu haben, verarbeitet, doch nun sind sie wieder da, die Erinnerungen, die Bilder ...

*

Es war ein langweiliger Abend. Seine Frau, schwanger im 6. Monat, saß vor dem Fernseher, sah irgend eine Seifenoper. Er war in den lokalen Chat der Stadt eingeloggt und vertrieb sich die Zeit damit, Frauen anzubaggern. Er betrachtete das als harmloses Spiel, denn erstens machte er nie ein Hehl daraus, verheiratat zu sein, und zweitens hatte er nicht vor, reale Treffen auszumachen. Es ging ihm um Cybersex, den er im Gegensatz zu realem Sex mit anderen Frauen nicht als Untreue betrachtete.

Er betrachtete also die Avatars, die Bilder, die die Chatterinnen zu ihrer Repräsentation am Bildschirm gewählt hatten. Er glaubte fest, bei Frauen aus der Auswahl dieser Bilder auf den Charakter schließen zu können – niemand verwendete hier sein echtes Bild, man konnte sie in sogenannten Prop Rooms herunterladen und später nach Belieben verwenden, meist Bilder unbekannter Fotomodelle, die sich dagegen nicht wehren konnten oder wollten.

Da war eines, das in anzog. Kurzer frecher Haarschnitt, ein Lächeln auf den Lippen. Also nicht lange gezögert, einfach angeflüstert. „Hallo und schönen guten Abend, wie geht’s?“. Immer schön höflich sein, das mochten die Frauen, hatte er gelernt.

Man kam schnell zur Sache, routiniert checkte man sich gegenseitig ab. Beide verheiratet, sie zwei Kinder, wohnte auch in der Stadt, ähnliches Alter. Schließlich lenkte er das Gespräch langsam in die Richtung, die er ansteuerte. Nie zu schnell auf das Ziel losgehen, Frauen mussten erst warm werden, sonst verlor man sie gleich wieder.

Doch irgend etwas war anders. Unmerklich entspann sich etwas zwischen den beiden, was er noch nie erlebt hatte. Echtes Interesse an dem Menschen am anderen Ende. Es war, als säße sie real vor ihm, er konnte sie fast vor sich sehen, ihre Gefühle spüren, die mit ihren knappen Antworten mitkamen. Das Ziel hatte er schon lang aus den Augen verloren, er wollte nur diese faszinierende Frau kennenlernen, die ihn über das Internet so in ihren Bann schlagen konnte. „Ich möchte dich kennenlernen“, tippte er schließlich spontan. „Ja, ich weiß“ kam zurück, und das Lächeln auf ihren Lippen konnte er ganz deutlich spüren.

Man verabredete sich für den nächsten Nachmittag, in einem abgelegenen Cafe am Rande der Stadt. Nach einigen Minuten oberflächlicher Konversation berührte er sanft ihre Hand. Es durchfuhr beide wie ein Stromschlag. Sie verbrachten die nächsten Stunden weltvergessen in der Ecke dieses Cafes, eng umschlungen, wie in längst vergessen geglaubten Teenagertagen, versunken in der Vollkommenheit des Glücks. Das zu tun, was sie beide wollten, gab es an diesem Tag keine Gelegenheit, sie musste schon bald wieder zurück, doch sie tauschten email-Adressen und Telefonnummern aus, wollten sich bald für einen Abend zu zweit verabreden.

Es war nie dazu gekommen. Immer, wenn er bereit gewesen wäre, das Wagnis einzugehen, hatte sie Zweifel, und umgekehrt war es genauso. Nach ein paar Wochen verabschiedeten sie sich endgültig voneinander am Telefon, beide mit Tränen in den Augen, aber entschlossen, ihre Verantwortung ihren Familien gegenüber höher zu bewerten als das eigene Glück.

Er hatte alles vernichtet, emails, Adressen, Telefonnummern. Nur das Bild in seinem Kopf, das hatte er nie vernichten können.

*

Unwiderstehlich zieht ihn das Avatar über dem Nick an. Er klickt darauf, wählt den Flüstermodus. „Hallo“, tippt er, „bist du A.J.?“ - „Ja, ich hab dich schon gesehen“, kommt zurück, das Lächeln ist deutlich zu spüren.

[Beitrag editiert von: Strider am 09.03.2002 um 04:48]

 

Ich glaube nicht, dass es viele Leute gibt, die Kurzgeschichten mögen, die einfach so mittendrin enden, ohne Sinn und Verstand. Sorry. Was soll das? :eek: :eek:

Ich kann auch keinen tieferen Sinn dahinter erkennen, so nach dem Motto, nun versucht er es doch wieder... Nee, ein Ende muss schon her... ;) :p :D

[Beitrag editiert von: Roswitha am 08.03.2002 um 06:26]

 

Ich sehe das Ende darin, dass er auf dem besten Wege ist, wieder rückfällig zu werden. Natürlich nur unter der Bedingung, dass sie es auch tut. Aber das wäre halt eine andere Geschichte. Für mich ist diese Geschichte vollständig.

Und ich finde sie gut geschrieben. Sie hatte Spannung, man will unbedingt wissen, was als nächstes passiert. Letztendlich ist es Roswitha auch so gegangen, vermute ich mal.
Insoweit wünsche ich mir auch einen Teil 2, der da anfängt, wo diese Geschichte aufhört, denn jetzt erst geraten die beiden in heftige Schwierigkeiten, wenn sie ihrem ursprünglichen Vorsatz untreu werden. ;)

 

Ich finde auch, dass die Geschichte vollständig ist und stimme Lakita mit ihrer Ansicht, dass er auf dem besten Weg ist, rückfällig zu werden, zu.

Wie so viele Geschichten oder auch (Kino)filme wurde das Ende relativ offen gelassen, sodass man leicht eine Fortsetzung schreiben kann.

Unwiderstehlich zieht ihn das Avatar ober dem Nick an

Ich glaube, da hat sich ein Fehler eingeschlichen. Das Wort "Avatar" hast du zwar am Anfang der Geschichte erklärt; aus "ober" werd' ich aber nicht ganz schlau. Schätze, das soll "über" heißen...

Michael

[Beitrag editiert von: Michael am 08.03.2002 um 15:28]

 

Hallo Strider!

Ich finde, Du hast das Thema gut bearbeitet, sowohl sprachlich, wie auch von der Aussagekraft her. Besonders der Schluß gefällt mir gut, der wieder an den Anfang der Geschichte anschließt und gleichzeitig Platz für eigene Fantasie läßt.

@Zitat: "aus "ober" werd' ich aber nicht ganz schlau."

- Mich störte das "ober" nicht, mir fiel es gar nicht auf, da ich es im allgemeinen Sprachgebrauch genauso gewöhnt bin. - Bist Du Österreicher, Strider?

Liebe Grüße
Susi

 

Ok, ok, das lasse ich dann mal gelten... ;) Was mich stört am Ende ist die Frage: " „Hallo“, tippt er, „bist du A.J.?“"

"Hallo, A.J." wäre dann besser gewesen, meiner Meinung nach ;) :p , weil es zeigt, DASS er rückfällig wird. Was ist, wenn die Frau NICHT besagte Dame ist? Dann wird er nur nicht rückfällig, eben weil... versteht Ihr? ;) :cool: :D Ahh, oder er wird auf jeden Fall rückfällig, dieser Gauner!! :o

 

Hallo allseits,

danke für eure Hinweise.

@Roswitha: ich sehe dein Argument bis zu einem gewissen Punkt ein, habe den Schluss jetzt ein bisschen deutlicher gemacht.

@Häferl: ja ich bin aus Ö-Reich, aber hab unsere Alltagssprache ("ober") trotzdem eliminiert.

 

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