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Creature In The Cellar

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07.07.2001
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Creature In The Cellar

Ein idyllischer, wohlhabender Vorort von Boston.
Scheinbar ruhig und friedlich lag die Villa ziemlich einsam weitab der anderen Häuser in umgeben von üppigen Wäldern.
Der Rasen war penibel geschnitten, am Kiesweg vom Eingangstor hin zur Haustür standen schmucke Blumentöpfe.
Vor der geräumigen Garage standen ein schwarzer Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé und ein knallroter Lamborghini Gallardo.
Doch diese Idylle, die von dem prachtvollen Haus ausging, täuschte.
Im Wohnzimmer der Villa duckte sich die verängstigte Helen ins Sofa und hielt ihren Teddy fest umarmt. Wie so häufig musste die unglückliche Neunjährige einen Wutausbruch ihrer Tante Ruth ertragen.
Das Kind war verzweifelt, als es versuchte, gegen die schrille Stimme der hysterischen Tante an zu reden: „Warum kann ich nicht hier im Wohnzimmer spielen? Hier passiert doch nichts.“
Die Tante zischte förmlich vor Zorn ihre Antwort: „Du gehst in dein Zimmer! Ich will dich hier nicht mehr sehen! Du miese kleine Göre störst mich nur! Ich kann deinen Anblick nicht ertragen!“
Helen nahm all ihren letzten Mut zusammen: „Im Zimmer ist es doch langweilig...“
Das Gesicht von Tante Ruth wurde noch eine Spur wütender. Sie ging mit erhobener Hand auf das sitzende Kind zu, das erschrocken vom Sofa hoch sprang.
Tante Ruth murmelte drohend: „Du missratenes kleines Biest gibst mir Wiederworte!“
Sie gab Helen eine schallende Ohrfeige! Das Mädchen begann zu weinen.
Tante Ruth grinste böse, als sie mit wütender Stimme sprach: „Das ist erst der Anfang! Die Ohrfeige ist nur zu deinem Besten!“
Helen drückte den Teddy fest an sich, Tränen liefen über ihre Wangen. Verängstigt rannte sie los, aus dem Wohnzimmer raus Richtung Kinderzimmer, das als rettender Zufluchtsort im ersten Stockwerk des großen Hauses lag. Sie musste nur die Wendeltreppe hinauf!
Tante Ruth schrie jetzt wieder hysterisch hinter ihr her: „Wenn ich dich heute noch mal sehe, kommst du zum bösen Monster in den Keller!“
Helen blieb an der Treppe stehen, drehte sich noch mal zitternd um. Sie blickte ihrer bösen Tante Ruth, die in der Wohnzimmertür stand, in die Augen.
Diese grinste bösartig, als sie nickend sprach.
Mit leise drohender Stimme, ganz im Gegensatz zum Kreischen der vergangenen Sekunden: „Ganz genau. Das böse Monster unten, das ungezogene Kinder frisst. Es wartet nur auf dich.“
Helen lief schreiend mit ihrem Teddy im Arm die Treppe hinauf, begleitet von Tante Ruths bösem Lachen und funkelnden Augen.
Als sie in ihrem rettenden Zimmer war und die Tür hinter sich ins Schloss geworfen hatte, warf sie sich auf ihr Bett und vergrub ihren Kopf im Teddy, der sie bedauernd anzublicken schien. Ihre Tränen schossen ihr aus den Augen, durchnässten ihr treues Kuscheltier. Ihre langen blonden, lockigen Haare bedeckten das Stofftier.
Das Mädchen war verzweifelt!
Seit Monaten fristete sie dieses Leben in diesem goldenen Käfig schon.
Seit ihre reichen Eltern Phillip und Linda Graham den tragischen Autounfall während einer Geschäftsreise in New York hatten. Der millionenschwere Börsenspekulant Phillip und seine Frau waren nicht einmal 40 Jahre alt gewesen, als sie ihr Leben verloren hatten.
An der Wall Street wollten sie noch einmal einen weiteren großen Coup an der Börse landen, aber dazu kam es nicht mehr. Ihr Anthrazitfarbener Lincoln Town Car war mit einem Lastwagen zusammen gestoßen, dessen Fahrer über eine rote Ampel gebraust war.
Ruth war die ältere Schwester von Helens Vater. Die 45jährige Tante und ihr 48jähriger Mann Gordon Lassiter, ein wohlhabender Immobilienmakler, waren nun Helens Stiefeltern und die Verwalter des Vermögens, das die Kleine von ihren toten Eltern geerbt hatte.
Sie liebten das viele Geld, das nun zu ihrem eigenen ebenfalls nicht unerheblichen Wohlstand hinzu gekommen war. Das Kind war für sie jedoch von Anfang an nur eine lästige Dreingabe.
Und eben das ließen sie diese auch bei jeder Gelegenheit deutlich spüren.
Mit herzzerreißendem Schluchzen hob Helen ihren Kopf und ließ ihren Blick über die Spielsachen in ihrem Zimmer gleiten. All die Puppen, das Schaukelpferd, die Spielekonsolen und der große Flachbildschirm, all diese wertvollen Artikel, die ihr früher so viel Freude bereitet hatten, konnte sie nunmehr kaum noch genießen, denn sie waren auch untrennbar mit Erinnerungen an ihre geliebten Eltern verbunden, die immer so gut für sie gesorgt hatten.
Tiefe Trauer überkam sie wieder und sie ließ ihrem seelischen Schmerz freien Lauf. Doch ihr Jammern blieb von der Außenwelt ungehört.

Ein paar Tage später saß Helen mit Tante Ruth und Onkel Gordon am Abendessenstisch.
Sie trödelte ganz in Gedanken mit dem Essen, und Ruth und Gordon guckten genervt.
Gordon fuhr Helen direkt an: „Helen, verdammt! Iss jetzt endlich und stocher' nicht so rum!“
Helen erwiderte leise mit eingeschüchterter Stimme: „Mir fehlen meine Eltern so...“
Ruth stöhnte auf und erwiderte barsch: „Du wirst dich jetzt zusammen reißen. Wir sind jetzt für dich da.“
Helen versuchte, die Zähne zusammen zu beißen, aber der Zorn stieg in ihr hoch. All die Wut und Trauer mussten sich Luft machen.
Vom Mut der Verzweiflung gepackt, ließ sie es aus sich heraus platzen: „Ihr seid böse! Ihr kümmert euch nur um mein Geld!“
Gordon und Ruth blickten sich irritiert über die respektlose Äußerung des Kindes an. Gordon reichte es nun und er ohrfeigte das Mädchen, das anfing zu wimmern.
Gnadenlos schrie der Onkel auf Helen ein: „Wenn du frech wirst, werde ich dir Manieren beibringen, du kleines Miststück! Die Ohrfeige ist nur zu deinem Besten, damit du Respekt lernst! Wir sind nicht die Bösen hier! Du bist ein böses Mädchen, das ungezogene Dinge spricht! Und Strafe muss sein! Ich kann aber auch viel weiter gehen. Du kennst doch meinen Gürtel...“
Helen starrte ihn mit weit aufgerissenen, Tränen schimmernden Augen entsetzt an.
O ja, und wie sie den silbernen Gürtel ihres bösen Onkel Gordon kannte. Der hatte ihr vor ein paar Wochen erst eine Zwangspause vom Schwimmunterricht in der Schule beschert, damit niemand die blauen Flecken auf ihrem Rücken zu Gesicht bekam. Unter dem Vorwand eines geprellten Rückens, weil das ungezogene Kind doch laut Angabe ihrer Stiefeltern die Frechheit besessen hatte, den Apfelbaum im Garten der Villa zu erklimmen und dabei gestürzt war, wurde ihr von der ach so besorgten Tante Ruth doch die Entschuldigung ausgestellt. Zwei Wochen keine Teilnahme am Schwimmen.
Ihr ganzer Mut hatte sie wieder verlassen, und sie flehte: „Bitte nicht, Onkel Gordon!“
Zufrieden grinsten Gordon und Ruth sich zu.
Ein paar Sekunden aßen sie weiter, dann traute sich Helen zu einer zaghaften Frage: „Tante... Tante Ruth?“
Die verbitterte Tante schaute drohend von ihrem Teller auf und funkelte das Kind an. Gordon legte ebenfalls die Stirn wieder in Falten. Helen schien die Verachtung ihrer beiden Vormunde beinahe körperlich zu spüren und sie zitterte am ganzen Leib. Sie hatte das Gefühl, ihr Magen wäre mit Zement gefüllt.
Ruth sprach mit leise gedämpfter, lauernder Stimme: „Was willst du nun schon wieder? Verflucht...“
Helen lief blass an vor Angst, als sie ihre Frage äußerte: „Können... Können wir mal das Grab meiner Eltern besuchen gehen?“
Die beiden Erwachsenen schienen sie mit ihren wütenden Blicken glatt zu durchlöchern.
Tante Ruths Antwort war schroff und unerbittlich: „Wir waren damals zu ihrer Beerdigung dort, das reicht. Dein Onkel und ich haben keine Lust, uns die knappe Freizeit auf dem Friedhof zu versauen.“
„Dürfte ich nicht alleine hin? Ich vermisse sie...“
„Du hast wohl 'nen Knall, du Göre! Der Friedhof ist zu weit weg für dich. Wenn dir auf dem Weg dorthin was passiert, kriegen wir den Ärger mit der Polizei. Du kannst doch keine zehn Schritte tun, ohne was auszufressen. Was anderes hast du doch nie gelernt!“
Helen versuchte ihre grantige Tante zu erweichen: „Bitte!“
„Es reicht jetzt, du Mitbalg! Du hast gehört, was ich gesagt habe. Kein Wort mehr! Oder wir werfen dich dem Monster im Keller zum Fraß vor!“
Helen hielt sich die Hände vors Gesicht und schluchzte. Ruth riss ihr die Hände weg und hielt ihre Handgelenke hoch. Dabei umklammerte sie die Unterarme des Mädchens so, dass das Kind vor Schmerz das Gesicht verzog.
Ruth wurde wieder schrill: „Wirst du dich jetzt zusammen reißen? So verhält man sich nicht am Tisch!“
Onkel Gordon setzte einen schon sadistisch bösen Gesichtsausdruck auf: „Das Monster wartet unten auf dich...“
Helen lief kreidebleich an. Wie eine Marionette nahm sie das Besteck und begann zu essen, ganz roboterhaft. Ruth und Gordon grinsten sich zu.
Draußen vor dem Fenster, zogen Wolken am Himmel auf, es dämmerte. Wie zur Unterstreichung der grenzenlosen Boshaftigkeit in den Gesichtern der Stiefeltern, die einmal mehr das lästige Kind mit dem verlockenden Vermögen erfolgreich eingeschüchtert hatten.
Zitternd saß Helen am Zisch, wich den Blicken aus und ließ sich nicht anmerken, dass in ihrem Kopf ein verzweifelter Plan für heute Nacht Gestalt annahm.

Nacht in den Straßen des Bostoner Vorortes. Hastige Schritte waren auf dem Asphalt zu hören.
Helen war ausgerissen. Verzweifelt rannte sie durch die menschenleeren Straßen, vorbei an scheinenden Laternen. Richtung Friedhof. Verängstigt, schlotternd, mit rasendem Herzen.
Sie versuchte sich selbst immer wieder Mut zu machen.
Sprach zu sich selbst: „Die können es mir nicht verbieten... Diese gemeine Tante... Meine Eltern... Wenn sie mir nur helfen könnten... Mom! Dad!“
Schweiß und Tränen rannen über ihre Wangen. Sie hatte sich in ihrem Zimmer den Wecker für kurz nach Mitternacht gestellt, um rechtzeitig wach zu werden und sich davon zu schleichen. Über ihr Kleid, das sie am Tage getragen hatte, hatte sie jetzt eine dünne Jacke geschwungen.
Sie musste aufpassen, dass keine Cops sie zu dieser Zeit auf der Straße erwischten. Welcher Alptraum ihr bevor stand, wenn sie von einem Streifenwagen nach Hause gebracht wurde, das wagte sie sich nicht auszumalen. Schließlich hatte sie auch so schon genug unter den ewigen Schuldzuweisungen und Erniedrigungen ihrer Stiefeltern zu leiden.
Sie fühlte sich schon selber schäbig, dass sie überhaupt gewagt hatte, gegen das Besuchsverbot auf dem Friedhof zu verstoßen. Gordons und Ruths perfide Art, dem Mädchen selber Schuld einzureden, zeigte schon lange Wirkung.
Helen hielt es für unrecht, überhaupt den Wunsch nach einem Besuch auf dem Friedhof zu verspüren, aber ihre tiefen Emotionen, geprägt von Trauer über den schmerzlichen Verlust, schimmerte zu sehr durch. Denen konnte sie nicht widerstehen.

Helen stand nun zögernd im offenen Gittertor des Friedhofs. Sie musste sich überwinden. Die Grabsteine machten ihr Angst.
Sie wagte kaum zu atmen.
Sie flüsterte: „Mom. Dad. Ich komme zu euch...“
Sie lief los, über den Kiesweg an Grabsteinen vorbei. Blickte sich dabei ängstlich um.
Sie schrie kurz erschrocken auf, denn ein Ast streifte sie. Nach einigen Sekunden Innehaltens lief sie vorsichtiger weiter.
Ein Familiengrab lag vor ihr. Das Grab ihrer beiden Eltern.
Phillip Graham, 1973 – 2011.
Linda Graham, geborene Mitchell, 1976 – 2011.
Helen fiel schluchzend auf die Knie.
„Mom! Dad!“ schrie sie weinend in die Nacht hinaus.
Sie vergrub ihren Kopf in den verschränkten Armen und legte sich über die Grabplatte, verfiel in Jammern und Klagen.
Leichter Nebel zog auf und waberte über den Friedhof. Ein kühler Wind wehte. Der Herbst in Neuengland versprach düster und ungemütlich zu werden.

Knapp zwei Stunden hatte ihr heimlicher nächtlicher Ausflug gedauert.
Helen kletterte vorsichtig über die Grundstücksmauer zur Villa ihrer Tante und Onkel. Langsam und vorsichtig ging sie auf das Haus zu, wollte durch ein Fenster, das sie sich offen gehalten hatte, wieder rein klettern.
Glück gehabt! Das Fenster stand noch offen! Hatte also niemand etwas gemerkt, dachte sie bei sich.
Sie schaffte es, sich am Sims hoch zu ziehen und hinüber zu klettern.
Helen stand in der Vorratskammer, als sie hinein kletterte. Langsam drehte sie sich um.
Plötzlich erschreckte sie sich fürchterlich, denn in der Eingangstür zur Vorratskammer stand Onkel Gordon. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände!
Er drohte: „Du warst ungehorsam, böse Helen. Wirklich ungehorsam. Dafür gibt es eine Sanktion...“
Helen schrie: „Nein Onkel Gordon, bitte nicht!“
Gordon verpasst ihr eine Ohrfeige.
Er ließ seinem Zorn freien Lauf: „Die Ohrfeige, damit du weißt, wie ungezogen du warst, und jetzt... Das hast du dir selbst zuzuschreiben, was jetzt mit dir geschieht!“
Helen startete in blinder Panik einen Fluchtversuch. Lief schreiend raus aus der Kammer über den Hausflur. Gordon hinter ihr her. Er bekam sie nach wenigen Metern zu fassen. Sie schrie und strampelte! Versuchte zu entkommen!
Gordon redete gegen die Angstschreie an: „Jetzt wird das Monster gefüttert! Du wurdest lange genug gewarnt!“
Er schleppte das Kind in die Eingangshalle der Villa, wo sich am Boden eine Luke zum Keller mit all seinen verschachtelten Gängen befand. Tante Ruth stand lachend da und öffnete die Kellerluke.
Sie lachte den beiden schon entgegen : „Das aufsässige Biest hat wieder nicht gehorcht? Runter in den Keller!“
Gordon antwortete ihr, aber Helen zugewandt: „Ja, jetzt bist du zu weit gegangen, kleines Mitbalg! Mal sehen, wie du dem Monster im Keller gefällst!“
Helen schrie vor Panik, als sie auf die offene Luke zugedrückt wurde.
Die offene Luke wirkte wie ein bedrohlicher Schlund ins Ungewisse. Von unten schienen in Helens Einbildung schmatzende Geräusche zu kommen.
Sie wurde mit dem Kopf voran in die Luke gehalten. Hinter sich die bösen Stiefeltern.
Sie schrie aus Leibeskräften: „Nein! Bitte nicht! Ich will nicht!“
Gordon entgegnete eiskalt: „Das hast du dir selbst zuzuschreiben...“
„Ich werd' nie wieder abhauen! Ich schwöre es! Bitte lasst mich hier oben!“
Ruth und Gordon warfen sich kurze Blicke zu, hielten inne. Die verängstigte Helen richtete sich auf und guckte abwechselnd ihre Stiefeltern und das dunkle Kellerloch an.
Ruth sprach langsam, aber forsch: „Du versprichst jetzt ganz sicher, du wirst in Zukunft auf uns hören? Wirst du das wirklich tun?“
Helen nickte wild: „Bitte nicht da runter... Nie wieder... Ich verspreche es!“
Es war wie ein Wunder: Gordon warf mit dem Fuß die Luke zu.
Er hob beim Sprechen etwas die Stimme: „Wir werden nicht zulassen, dass du uns auf der Nase rum tanzt. Das Ungeheuer lauert da unten nur auf dich. Es hat kleine Kinder zum Fressen gern.“
Ruth gab hinterher: „Verschwinde jetzt. Los, hau ab! Ich will dich nicht mehr sehen!“
Helen lief schluchzend davon.

Keine halbe Stunde später lagen Ruth und Gordon nebeneinander im Bett.
Ruth murmelte vor sich hin: „Also haben wir uns den Keller eben noch mal gespart.“
Gordon stimmte zu: „Ja. Ist besser, dieses Pulver verschießen wir noch nicht so schnell. Wenn das Gör erst mal ein paar Stunden unten war, ohne auf ein Monster zu treffen, lässt die Schockwirkung bestimmt nach.“
„Ja, ist besser, das noch aufzusparen. Die war ganz schön aus der Haut eben...“
Gordon lachte kurz auf: „Ja, so muss es sein. So schnell macht die keinen Ärger mehr.“
„Hoffentlich. Damit nichts passiert, wenn unsere Freunde uns am Wochenende besuchen kommen.“
„Bringen die eigentlich ihren verzogenen Sohn mit?“
Ruth schnaubte verächtlich: „Wird sich nicht vermeiden lassen. Die sind doch so entsetzlich kinderlieb.“
Beide schüttelten den Kopf und guckten verständnislos.

Die O'Learys waren ein Ehepaar in Ruths und Gordons Alter, das wenige Straßenecken weiter im Villenviertel wohnte.
Familienvater Edward war ein alter Branchenkollege von Gordon. Seine Ehefrau Betty und der acht Jahre alte Sohn Kevin sein ganzer Stolz. Sie waren eine glückliche Familie.
Die Lassiters hingegen spielten wie so oft nur nach außen hin die Liebe zu ihrer Stieftochter, um vor ihren langjährigen Freunden gut und ehrenhaft dazustehen.
Als Edward und seine Familie aus dem dunkelgrauen Bentley Arnago stiegen, war der Empfang herzlich. Gordon Lassiter war selten zu jemandem so freundlich wie zu seinem Studien- und Berufskollegen Edward.
Mit gespielter Höflichkeit stellte er den O'Learys Helen vor, die ja nun seit ein paar Monaten bei ihnen wohnte und ein echtes Goldstück sei.
Gordon legte seien rechte Hand, mit der er sonst so viele harte Schläge verteilte, auf Helens Schulter: „Sei schön brav und gib Händchen...“
Helen zitterte innerlich etwas, als sie die Hand spürte, aber sie sagte mit fester Stimme: „Mr. O'Leary, guten Tag...“
Edward gab ihr die Hand und lachte herzlich: „Du kannst Edward zu mir sagen, Kleine. Reizendes Mädchen.“
Er kraulte ihr über die Wange und sprach zu Gordon: „Ihr müsst ja wahnsinnig stolz sein und glücklich, dass dieses Goldlöckchen hier jetzt euer Leben bereichert.“
Gordon setzte ein Lächeln auf: „O ja, und ob. Jetzt haben wir viel mehr Leben in unserem Haus.“
Er klopfte Helen auf die Schulter und vergewisserte sich bei ihr: „Nicht wahr Helen? Wir sind alle glücklich zusammen.“
Das Mädchen hielt notgedrungen die Fassade aufrecht: „Sicher doch, Onkel Gordon.“
Edward übersah die Kälte in Gordons Augen, und lächelte Helen abermals zu.
Von diesem Moment an wusste Helen ganz genau, dass dieses Ehepaar glücklich und zufrieden war. Ihr Herz füllte sich mit Trauer bei dem Gedanken daran, wie gut sie es haben würde, wenn diese ihre Stiefeltern wären. Und als sie das glückliche Gesicht von Sohn Kevin sah, musste sie stark gegen die Tränen ankämpfen.

Der Nachmittag in der Villa der Lassiters verlief harmonisch. Die beiden Paare hielten sich im Wohnzimmer auf.
Die Kinder redeten im Eingangsbereich des Hauses miteinander. Nahe bei ihnen befand sich die berüchtigten Kellerluke, die Helen so viel Angst machte.
Kevin hatte im Laufe der Stunden schon bemerkt, wie folgsam, ja eingeschüchtert Helen doch war. Ein wenig belustigt zeigte er sich über sie.
Kevin sprach sie darauf mit einem etwas provozierendem Unterton in der Stimme an: „Sag mal Helen, du bist ja wirklich ganz schön brav, wie es aussieht. Voll langweilig, oder nicht?“
Helen reagierte etwas beleidigt: „Du riskierst 'ne dicke Lippe. Dabei wärst du auch lammfromm, wenn man dich sonst da runter sperren würde.“
Sie zeigte auf die Kellerluke in Sichtweite: „Siehst du? Da unten ist ein Monster.“
Der Junge guckte erschrocken.
Gordon und Ruth standen mit ihren Gästen im Wohnzimmer und prosten sich mit ihren Sektgläsern zu. Plötzlich Schreie.
Kevin stürmte ins Wohnzimmer und schrie aufgeregt: „Mum! Dad! Wir müssen hier verschwinden! Hier unten im Keller haust ein Monster!“
Edward O'Leary guckte amüsiert, seine Frau Betty etwas irritiert, und Ruth und Gordon einfach nur wütend Richtung Helen, die in der Tür stand.
Gordon wandte sich sofort an Edward, um die Situation in den Griff zu bekommen: „Komm mal kurz mit runter, Edward. Wir müssen uns mal unterhalten.“
Ruth fasste Betty am Arm: „Komm, wir gehen in den Garten. Die Kinder kommen besser mit.“
Betty war etwas verwirrt: „Also ihr erzählt euch ja komische Dinge hier im Haus...“
Ruth wechselte schnell das Thema und sprach Kevin an: „Willst du den neuen Lamborghini sehen, den wir seit vorletzter Woche haben?“
Der Junge vergaß sofort die Geschichte von dem unheimlichen Keller und war begesistert: „Lamborghini? Ja klar, geil!“
„Er steht in der Garage. Kommt beide mal mit...“
Sie zog die Mutter des Jungen ein wenig hinter sich her, während der Sprößling vor Neugier auf das Traumauto fast zerplatzte.
Die beiden Ehemänner hatten nun Zeit für sich.

Gordon führte seinen Freund Edward hinunter in den geheimnisvollen Keller.
Noch während sie die Wendeltreppe hinab gingen, fragte Edward: „Sag mal Gordon, was ist das nun für eine Geschichte mit diesem Monster hier unten? Wie kommt deine Nichte auf so was?“
Gordon gab Auskunft: „Ach Eddie, du weißt doch, wie Kinder so sind. Man muss sie irgendwie ruhig stellen können, wenn sie unartig sind. Daher haben Ruth und ich uns das kleine Märchen ausgedacht.“
„Angst wollt ihr ihr damit machen? Ob das der richtige Weg ist...“
„Lass uns nicht streiten. Ich weiß, euer Sohn ist ein Goldjunge. Für den braucht ihr keine Tricks bei der Erziehung.“
Edward entgegnete leicht vorwurfsvoll: „Selbst wenn er das nicht wäre. Man sollte vorsichtig sein, was man mit den Kindern macht.“
Gordon heuchelte: „Ich weiß, ich weiß. Unsere Helen ist natürlich auch goldig. Braucht nur ab und zu mal einen kleinen Dämpfer.“
„So lang ihr sie nicht misshandelt...“
„Ach Unsinn! Bei uns gibt es keine häusliche Gewalt. Das wäre doch wirklich sehr schändlich. Wir sind in einem vornehmen Villenviertel zuhause und nicht in einer asozialen Gegend. Nur ungebildete Eltern aus der Unterschicht behandeln ihre Kinder schlecht. Reiche Leute machen so was doch nicht...“
„Wer sein Kind misshandelt, den wird es am Ende zehnmal so hart treffen. Und das zu Recht.“
Gordon steuerte bereits wieder die Treppe nach oben an und sprach mit gespielter Zustimmung: „Ja, das ist mir wohl bewusst. Ich sehe das genau wie du.“
Beide Männer ließen den alten Keller hinter sich. Der Kellerkomplex unter der über 150 Jahre alten Villa bestand aus vielen verwinkelten Tunneln. Erinnerte glatt ein wenig an Katakomben. Gordon und Ruth fühlten sich hier unten auch nicht unbedingt wohl, die Seitengänge mieden sie. Sie waren auch ihnen unheimlich. Ihre alten Möbel standen im Portal um die Wendeltreppe verteilt, dazu noch ein Regal, in dem Gordon seinen kostbaren Wein lagerte. Und das war es auch schon. Der Rest der Anlage hier unten war auch ihm nicht bekannt.

Ein paar Nächte später hielt Helen es abermals nicht aus, in der Villa fest zu sitzen und nicht auf den Friedhof gehen zu können. Die Sehnsucht danach, ihre begrabenen Eltern aufzusuchen, brodelte in ihr, und sie konnte einfach nicht anders. Die Sehnsucht war größer als die Angst.
Sie lief diesmal nicht durch die Stadt, sondern wählte den Wald. Das dauerte etwas länger, aber hier war die Wahrscheinlichkeit, erwischt und zu ihren Stiefeltern zurück gebracht zu werden, geringer.
Am Horizont sah sie schon den Friedhof und sie lief, als hätte sie den Leibhaftigen im Rücken.
Sie keuchte beim Laufen: „Meine Eltern... Ich muss sie besuchen... Nur noch einmal... Ein einziges Mal...“
Sie hoffte inständig, alles würde gut gehen. Sie betrat endlich den Friedhof. Der Mond schien heller als bei ihrem letzten heimlichen Besuch hier.
Sie überwand die Angst, die sie vor dem nächtlichen Friedhof überkam und ging an den Gräbern vorbei, bis sie das Familiengrab ihrer Eltern fand.
Abermals ging sie vor der großen Grabplatte auf die Knie.
Sie hockte so lange in dieser Stellung... Unendlich lange... bis ihre Knie vom harten Stein schmerzten. Dann stand sie kurz auf, nur um sich wenige Minuten später wieder hin zu knien. Sie trauerte dieses Mal leise vor sich hin. Tränen hatte sie in den letzten Monaten reichlich vergossen. Es schien so, als wären die Quellen ihrer Tränenflüssigkeit so gut wie versiegt.

Helen kam nach einer knappen Stunde vom Friedhof zurück und stand nun an der Gartenmauer zur Villa ihrer Stiefeltern.
Sie kletterte auf die Mauer und hielt entsetzt inne! Im Garten stand der übel gelaunte Onkel Gordon!
Sie kauerte auf der Mauer und stammelte erschrocken vor sich hin: „O nein... Onkel Gordon! Ich kann alles erklären...“
Der böse Onkel gab knappe Anweisungen: „Du Miststück! Jetzt reicht es! Runter von der Mauer! Hierher!“

Die Szene von einigen Nächten zuvor wiederholte sich. Gordon zerrte Helen Richtung Kellerluke, die Ruth schon kalt lächelnd offen hielt. Die Ausdrücke in den Gesichtern der bösen Stiefeltern waren wild entschlossen. Hart und unerbittlich!
Ruth zischte förmlich ihre boshaften Worte: „Das Ungeheuer wartet auf dich. Ungezogene kleine Mädchen hat es ganz besonders gerne.“
Helen schrie nur noch, Gordon gab ihr seine berühmte Ohrfeige mit den Worten: „Die Ohrfeige hast du verdient.“
Ruth schlug dem Kind ebenfalls ins Gesicht: „Wer sich nicht zusammen reißt, kassiert eine Ohrfeige. Und einen Besuch beim Ungeheuer!“
Helen sträubte sich verzweifelt, aber beide Erwachsene pressten sie durch die Luke hinunter, verschlossen den Ausgang aus dem Gewölbe mit einer Kette.
Man hörte Helens Schreie unter der Luke. Ruth und Gordon gingen mit kaltem Grinsen in den Gesichtern ohne ein weiteres Wort zu verlieren Richtung Wohnzimmer.

Helen lag auf der obersten Treppenstufe und bollerte mit den Fäusten gegen die felsenfest verriegelte Kellerluke.
Sie kreischte schrill vor Angst: „Lasst mich raus! Ich will nicht, dass das Monster zu mir kommt! Bittebittebitte!“
Jetzt liefen die Tränen ihr doch wieder übers Gesicht. Im Angesicht der scheinbaren Gefahr hier unten konnte sie diese nicht mehr an sich halten.
Sie schlug gegen die Luke, hielt aber von einer Sekunde zur nächsten inne. Hinter ihr war plötzlich ein leises Röcheln zu hören.
Sie flüsterte ängstlich: „Wer... Was... Ist da? Da ist doch was...“
Im Halbdunkel des Kellers aus einem Seitengang sah sie einen Schatten an der Wand. Etwas näherte sich der Treppe.
Helen schrie wieder auf. Wie erstarrt guckte sie in Richtung der zuckenden Schattenumrisse.
Entsetzt registrierte das Kind, dass sich etwas auf sie zu bewegte. Das Monster! Es kam, um sie zu holen! Sie war verloren!
Sie schrie wieder um Hilfe. Nach ihrer Tante und ihrem Onkel.
Sie stemmte sich verzweifelt hoch gegen die Kellerluke, die keinen Millimeter nachgeben wollte. Sie saß in der Falle. Und etwas Unheimliches näherte sich ihr, kam im Halbdunkel des Kellers auf die Treppe zu und keuchte dabei furchteinflößend.

Ruth und Gordon saßen zufrieden vor dem Fernseher im gemütlichen Wohnzimmer. Sie lauschten den Schreien aus dem Keller, die neben den Geräuschen aus dem Fernsehapperat nur dumpf zu vernehmen waren, aber trotzdem wie Musik in ihren Ohren klangen.
Gordon zog an seiner Havanna,als er sagte: „Hörst du, wie sie Angst hat? Das wird sie für immer einschüchtern.“
Ruth nickte zustimmend: „Wie man doch die Phantasie so eines dummen kleinen Kindes doch beflügeln kann...“
Beide lachten sich zu.

Helen war verzweifelt. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie die Treppe herab und sah an deren Fuße eine unheimliche Gestalt, die unaufhaltsam näher kam. Auf sie zu...
Sie schrie aus Leibeskräften: „Nein... Nein! Lass mich in Ruhe! Ich will auch immer ganz brav sein! Bitte tu mir nichts! Nein!“
Helen hämmerte gegen die Luke und schrie: „Lasst mich hier raus! Das Monster ist hier! Hilfe!! ich werde auch immer artig sein!! Ich verspreche es!!“

Gordon und Ruth saßen reglos im Wohnzimmer und beachteten die Hilferufe nicht. Schlagartig verstummten die Schreie jedoch. Nach ein paar Minuten guckten Ruth und Gordon sich verwundert an.
Ruth wurde etwas unruhig: „Seit ein paar Minuten ist die Göre ruhig. Nicht, dass noch was passiert ist. Das fehlte uns noch. Das gibt Ärger mit den Cops und scheiß Jugendamt... Wenn raus kommt, was wir dem Kind so erzählen, um es zum Schweigen zu bringen.“
Gordon winkte genervt ab: „Ach Unsinn. Das Luder hat sich wohl irgendwo zusammen gerollt und flennt vor sich hin.“
„Wenn die mal bloß nicht vor lauter Schiss die Treppe runter gestürzt ist und sich den Hals gebrochen hat...“
„Eigentlich nicht übel, die Vorstellung. Dann hätten wir ihr Vermögen ja schneller auf unseren Konten.“
„Quatsch. Wir wandern in den Bau. Du weißt doch, wie groß das Geschrei wegen Kindesmisshandlung immer ist in diesem Land.“
Gordon erhob sich stöhnend aus dem Sessel: „Ich guck einfach mal nach. Die hat eh genug. Die wird uns nie mehr nerven nach dieser kleinen Radikalkur...“

Gordon stand an der geöffneten Kellerluke und rief: „Helen? Helen!“
Er sah im Halbdunkeln des Kellers die leere Treppe, auch am Fuße der Treppe war alles menschenleer. Ruhig. Helen war verschwunden.
Gordon wurde lauter, unbeherrschter: „Helen! Wo bist du? Komm hierher!“
Als wiederum keine Reaktion kam, ging Gordon fluchend die Wendeltreppe hinab, wiederholte immer wieder den Namen des Mädchens und dass es sich endlich zeigen solle. Seine Wut stieg ins Unermessliche...
Als Gordon am Fuße der Treppe angelangt war, schaute er sich um. Grimmig blickte er auf die Seitengänge des Kellerkomplexes, die sich vor ihm ausbreiten.
Er war ungehalten, und purer Zorn war in seiner Stimme zu vernehmen: „Helen, verdammt! Wenn du jetzt nicht endlich herkommst, spürst du den Gürtel! Helen?“
Er murmelte wütend vor sich hin und hörte plötzlich aus einem der dunklen Seitengänge ein Geräusch.
Er hob ruckartig den Kopf: „Helen! Bist du das? Na warte, du kannst was erleben...“
Zornig betrat Gordon den tunnelartigen Gang, leise vor sich hin murmelnd: „Verdammt, dieser Kellerkomplex ist riesig. Wo steckt das Biest nur? Die kann was erleben...“
Er ging weiter hinein. Ein Schauer durchfuhr ihn bei dem Gedanken, dass jahrzehntelang niemand weiter in diese Gänge hinein gegangen war. Er kannte die Labyrinthartig verschachtelten Tunnel nicht. Seine Frau und er hatten die muffige Kelleranlage immer gemieden. Auch der Vorbesitzer der Villa, von dem er als ausgefuchster Makler das feudale Anwesen vor knapp 20 Jahren verhältnismäßig günstig erworben hatte, hatte sich hier wohl nie umgesehen.
Plötzlich stand Helen da. Am anderen Ende des Ganges, keine 15 Meter vor ihm. Sie lächelte ungewohnt zufrieden.
Gordon war irritiert: „Helen. Das bist du Mitbalg also. Was grinst du so blöd? Findest du das jetzt so witzig hier, oder was?“
Helen kicherte: „Witzig finde ich, dass du deinen eigenen Keller nicht richtig kennst, Onkel.“
Gordons Stimme wurde wieder aggressiver: „Was redest du da? Du bist schon wieder ungezogen!“
Helen kicherte unbeeindruckt weiter. Gordon schwoll eine Ader auf der Stirn wegen dieses Verhaltens ihm gegenüber. Er schritt bedrohlich langsam auf das Kind zu, öffnete dabei schon seine Gürtelschnalle.
Er sprach jetzt leise, aber nicht weniger wütend: „Das Spiel ist aus, kleine Ratte. Ich prügle dich windelweich...“
Helen ging ein paar Schritte rückwärts: „Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht versuchen, Onkelchen...“
„Wer sollte mich daran hindern?“
Das Kind deutete mit dem Zeigefinder hinter sich, wo ein Gerümpel aus alten Kisten stand, von Spinnenweben übersät, und sagte mit dem freundlichsten Ton der Welt in seiner Stimme: „Das.“
Hinter den gestapelten Kisten ertönte plötzlich ein Gebrüll, das Gordon durch Mark und Bein ging.
Die Kisten flogen zur Seite, und ein Untier kam zum Vorschein. Gordon wich entsetzt zurück und stieß einen gellenden Panikschrei aus.
Das Wesen sah aus wie aus seinen schlimmsten Alpträumen. Eine raubtierartige Kreatur starrte ihn aus rot leuchtenden Augen an. Geifer rann aus ihrem Maul.
Das Monster war zweibeinig und stand voll aufgerichtet da. Es war mindestens zweieinhalb Meter hoch, wenige Zentimeter fehlten noch bis zur Decke des Tunnels. Es wirkte ein wenig wie ein mutierter Grizzlybär. Der ganze Körper war von dichtem Fell bewachsen. Baumstammdicke Arme mit Pranken, die über scharfe Krallen verfügten, die wie Dolche wirkten und auch so blitzten.
Hinter dem Ungeheuer stand Helen und lächelte ihrem wie zu Stein erstarrten bösen Onkel zu.
Gordon war kreidebleich. Er stand mit dem Rücken zur Wand und drückte sich dagegen, als ob dies etwas nützte, als ob er sich durch sie hindurch drücken könnte.
Er rang nach Worten: "Helen... Meine Güte, Helen... Was ist das für ein Ding?"
Helen war quietschfidel und redete ganz vergnügt: "Nenn ihn nicht Ding, Onkel Gordon. Er ist nicht böse. Nicht so wie du. Du bist das wahre Böse hier. Du und Tante Ruth."
"Ich verstehe nicht... Was hat das zu bedeuten?"
"Onkel, du selbst hast doch immer von dem Ungeheuer im Keller hier unten erzählt."
"Aber... Das kann doch nicht sein... Das haben deine Tante und ich uns nur ausgedacht... Das gibt es nicht!!"
Das Ungetüm öffnet sein Maul. Es konnte tatsächlich reden.
Es hatte eine dämonische Stimme, die wie Donner in Gordons Ohren widerhallte: "Was hast du meiner kleinen Helen angetan, du Wurm? Das verdient eine harte Bestrafung."
Gordon war dem Wahnsinn nahe. Er fing kurz an, wild zu kichern über den Anblick, den er einfach nicht fassen konnte.
Er schüttelte den Kopf: "Das darf doch nicht wahr sein..."
Er wollte los laufen, bloß schnell weg von hier! Doch das Monster packte ihn am rechten Arm. Er schrie laut auf.
Helens lachte, als sie ihren Onkel in den Fängen des Monsters betrachtete.
Sie rief Gordon zu: "Aber Onkel Gordon, du weißt doch genau, wer nicht artig ist, bekommt seine Strafe. Und du warst sehr ungezogen mir gegenüber mit deinen Manieren."
Gordon versuchte vergeblich, sich los zu reißen: "Nein! Bitte nicht! Gnade!"
Das Monster sprach mit seiner dröhnenden Stimme: "Du sollst spüren, was es heißt, bestraft zu werden! Nie wieder wirst du deine Hand erheben!"
Gordon schrie und das Monster riss mit einem Ruck den rechten Arm heraus. Gordon torkelte durch den Raum.
Mit der linken Hand fasste Gordon sich an das riesige Loch an seiner rechten Schulter, aus dem das Blut sprudelte wie aus einer Pumpe. Er stieß Schreie aus und versuchte, weg zu kommen, humpelte den Tunnel entlang.
Helen lachte weiter.
Das Wesen an ihrer Seite griff abermals zu, bekam Gordons linken Arm zu packen und trennte auch ihn vom Körper seines Opfers. Blut sprudelte aus den beiden Löchern, die links und rechts anstelle der Gliedmaßen am Oberkörper Gordons klafften.
Beide Arme wurden vom Monster wie abgesägte Äste durch die Luft geschleudert. Aus ihren Stummeln spritzte Blut an die Decke, während die abgetrennten Körperteile sich beim Fliegen drehten und an die Wand krachten.
Gordon stand direkt vor der tobenden Kreatur. Das Monster holte mit seiner Pranke aus und schlug zu. Gordons Kopf wurde durch die übermächtige Wucht des Schlages regelrecht vom Rumpf gefegt. Aus dem Hals schoss eine rote Fontäne in die Höhe.
Helen lachte fröhlich: "Die Ohrfeige ist nur zu deinem Besten, Onkel Gordon! Jetzt wirst du nie mehr Wiederworte geben!"
Der abgeschlagene Kopf kullerte über den Boden. Da Gordons Gehirn noch mit Sauerstoff versorgt wurde, war er noch ein paar Sekunden bei Bewusstsein. Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen. Er lag seinem Torso genau gegenüber und musste mit ansehen, wie sein Körper leblos zusammen sackte. Seine Lippen formulierten noch Hilferufe, aber ohne Kehlkopf brachte er keinen Ton hervor. Ihm wurde endgültig schwarz vor den glasigen Augen.

Tante Ruth stand oben auf der Wendeltreppe.
Sie rief: „Gordon? Was ist los? Hast du das Kind? Alles in Ordnung?“
Sie wartete auf Antwort, horchte. Nichts.
Plötzlich jedoch ein Schrei! Aus einem der düsteren Seitengänge, die vom Bereich um die Wendeltreppe weg führten. War das... Gordon?
Ruth war verdutzt und rief: „Gordon! Verdammt!“
Das kam ihr alles komisch vor. Sie lief die Wendeltreppe hinab. Als sie unten angelangt war, vernahm sie ein Kichern.
Sie horchte. Funkstille.
Zaghaft fragte sie: „Helen? Helen, bist du das?“
Wieder nur Kichern. Ruth schaute sich um. Aus einem Seitengang hörte sie ein Geräusch. Das Kichern war schon penetrant.
Ruth lief wütend los zum Seitengang. Als sie hinein ging, schrie sie laut auf.
Das blutbesudelte Monster stand keine fünf Meter vor ihr im Gang. In der Pranke hielt es den abgetrennten Kopf von Gordon hoch. Einen seiner großen Füße stellte es auf den zerstückelten Torso vor sich. Alles schwamm in einer großen Blutlache. Neben dem Untier stand die kichernde Helen.
Ruth hielt sich die Hände vors Gesicht.
Dann schrie sie wieder: „Nein... Das gibt es doch nicht... Das kann nicht sein... Ein Alptraum!!“
Helen sagte ganz ruhig und freundlich: „Das ist kein Traum, Tante Ruth. Das ist die Strafe für dich, der du nicht entgehen wirst. Mein Freund ist hier, um mich zu retten.“
„Das kann nicht sein... Nein!!“
Ruth drehte sich um und floh, doch sie kam nicht weit. Sie erreichte nicht mal den Fuß der Wendeltreppe, denn im Kellerraum vor der Treppe blitzte plötzlich gleißendes Licht auf. Ruth war geblendet.
Eine dröhnende männliche Stimme erklang, und Helen blinzelte durch die Finger.
Die Stimme sprach: „Wir kommen also genau richtig.“
Ruth nahm die Hände runter, blinzelte, traute ihren Augen nicht.
Sie stammelte: „Das... Ist unmöglich! Phillip?“
Im Licht standen zwei schemenhafte Gestalten. Mann und Frau.
Helen, die ebenfalls den Raum vor der Treppe betreten hatte, freute sich: "Mum! Dad!"
Ruth stand wie zu Stein erstarrt im Raum.
Phillip Graham und seine Frau Linda manifestierten sich. Sie trugen die Kleidung, in der sie beerdigt worden waren. Phillip hob die Hand und zeigte mit dem Zeigefinger auf Ruth.
Er sprach laut und drohend: "Du bist genau so bösartig, wie ich immer gedacht habe, Schwesterherz. Das war schon so während unserer Kindheit."
Ruth versuchte, Worte zu formulieren, doch diese bleiben ihr im Halse stecken.
Phillip sprach weiter: "Wir wissen genau, was du und dein Gatte mit meiner Tochter angerichtet habt die letzten Monate."
Linda breitete die Arme aus und rief: "Komm rüber zu mir, Helen. Es wird dir nie wieder was passieren."
Das Kind jubelte und lief zu den Geistern, die in den letzten Sekunden feste Gestalt angenommen hatten. Das Licht blendete jetzt nicht mehr so stark, umgab die beiden treusorgenden Eltern aber weiterhin.
Phillip sprach seine verängstigte Schwester weiter streng an: "Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ruth, jetzt büßt du für deine Bosheit..."
Das Monster baute sich hinter Ruth auf und packte sie. Die böse Tante stieß spitze Schreie aus.
Das Ungeheuer, das die Frau vor sich um über einen dreiviertel Meter überragte, stellte einen seiner haarigen Füße auf die ihren, um sie am Boden zu fixieren. Die Knochen ihrer Füße brachen unter dem Gewicht des monströsen Angreifers. Das Monster legte seine Pranken an Ruths Kopf. Wollte er ihren Schädel zwischen seinen Tatzen zermalmen?
Helen und ihre Eltern schauten kalt lächelnd zu, was nun passierte.
Ruth schrie aus Leibeskräften: "Nein! Nein! Gnade!"
Die riesige Kreatur hielt ihren Kopf zwischen seinen beiden haarigen Pranken. Dann hob das Monster seine Arme an. Die am Boden fest gedrückte Ruth konnte die Aufwärtsbewegung nicht mit machen. Die Knochen an ihrem Oberkörper begannen gefährlich zu knacken. Unaufhaltsam hob das Monster seine Pranken weiter an. Ruth brüllte regelrecht vor Schmerz, ihre Stimme war jetzt unnatürlich heiser.
Die Haut an ihrem Hals riss durch die Überspannung, Blut rann heraus. Der Kopf löste sich vom Rest des Körpers. Es krachte laut, als der Schädel hoch gezogen wurde!
Die komplette Wirbelsäule befand sich noch fest an ihm, wanderte durch den halbierten Rachen aufwärts, bis der Körper seiner Wirbelknochen beraubt in sich zusammen fiel.
Das Monster brüllte ohrenbetäubend und hielt den Kopf mit der hin und her schwingenden Wirbelsäule vor sich in die Luft.
Der Rumpf lag ihm zu Füßen. Die Arme und Beine daran zuckten wild hin und her, letzten Nervenimpulsen gehorchend. Aus dem verstümmelten Hals schoss das Blut literweise und bildete eine Lache.
Helen und ihre Eltern blickten sich zufrieden und glücklich an. Die tyrannischen Stiefeltern hatten ihre gerechte Strafe erhalten. Nie wieder würden sie Helen oder ein anderes Kind misshandeln können.
Helen blickte an ihrer Mutter hoch, die ihre Hand schützend auf ihre Schulter gelegt hatte.
Linda und Phillip Graham bedauerten unendlich, nicht längerfristig im Diesseits mehr verweilen zu können. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit.
Phillip versuchte seiner Stimme einen festen Halt zu geben: „Wir konnten es nicht mehr ertragen, was dir hier angetan wurde.“
Helen war ganz aufgeregt: „Wie seid ihr überhaupt hierher gekommen? Und warum hilft das Monster euch?“
Mutter Linda ergriff das Wort: „Wer sich im Jenseits gut führt, der kann seinen Hinterbliebenen, die in Not geraten, einen Schutzdämon zur Seite schicken. Du bist also immer sicher. Dein Schutzdämon wird für immer über dich wachen und das Böse von dir abwenden. Jeden bestrafen, der dir etwas antut.“
Helen guckte verwundert zu dem Monster rüber, das durch und durch vom Blut der Getöteten besuhlt war, aber ganz ruhig da stand. Keinen Laut mehr von sich gab. Seine Aufgabe war erfüllt.
Phillip sagte: „Geh zur Polizei. Gib an, Einbrecher hätten die Mord an deinen Stiefeltern begangen. Ihr habt euch hier unten versteckt, und die Wahnsinnigen hätten euch gefunden. Du konntest fliehen.“
Linda fügte hinzu: „Lass dich zu meiner Mutter... Deiner Großmutter... bringen. Die soll sich weiter um dich kümmern. Du weißt doch, auf der Farm oben in Kanada. Wir waren zwei Male mit dir dort zu Besuch. Dort hat es dir doch gut gefallen. Dort wird es dir gut gehen.“
Helen nickte: „Ja, werde ich. Bestimmt.“
Ihr Vater strich ihr übers blonde Haar: „Genieße dein Leben. Dein Reichtum bietet dir alle Sicherheit. Trauer nicht weiter um uns. Eines Tages sehen wir uns wieder... Eines Tages...“
Linda wiederholte eindringlich: „Eines Tages...“
Während sie die letzten Sätze noch formulierten, lösten sich die Wiederkehrer allmählich auf. Helen erhaschte auch noch einen kurzen Blick auf das Monster, welches ebenfalls verblasste.
Diesmal liefen Helen nicht Tränen des Kummers, sondern der unendlichen Freude über die Wangen.
Sie flüsterte fast, den sich auflösenden Schemen zuwinkend: „Eines Tages... Ja, so ist es...“

Das Mädchen wurde tatsächlich in die Obhut seiner Großmutter übergeben und ihm stand nun ein sorgloses Leben als Millionenerbin bevor. Mit der Gewissheit, dass stets jemand über sie wachte, ihr alles Böse vom Leibe hielt. Und dass sie eines Tages wieder an der Seite ihrer Eltern sein würde.

ENDE

p/c September 2011

 

Hallo Marc Gore

Du hast da eine ausführliche Geschichte verfasst, die mich in vielen Zügen eher an ein Märchen erinnert.
Der Einstieg hemmte mich in der beschriebenen Form gleich etwas. Ich mag an sich ruhige, atmosphärische Einleitungen bei Geschichten, die dann zunehmend Tiefe entwickeln. Doch hier wirkt es mir klotzig berichtend, mit Schlagworten angefüllt: Boston, Rolls-Royce, Lamborghini. Die Blumentöpfe vom Tor bis zum Haus dann ein Stilbruch im Park einer Villa, den ein beauftragter Landschaftsgärtner kaum begehen würde. Auch wenn in Amerika nicht unbedingt die europäische Kultur im Detail widergespiegelt ist, klingt es so mehr parodistisch. Ich denke mal, dies war nicht Absicht.

Der direkte Einstieg mit der Szene im Wohnzimmer schiene mir hier von dem her angebrachter: Helena duckte sich verängstigt ins Sofa und hielt ihren Teddy fest umarmt. Dein Satz (leicht gekürzt) würde auf mich zumindest gleich Spannung erzeugen.

Die folgenden Szenen im Wohnzimmer sind dann überdramatisiert. Die Bosheit der Tante käme mir echter vor, wenn ihr Verhalten zwar cholerisch aber feiner rüberkommt. So hatte ich gleich Assoziationen zu Märchen, die knapp die bösen Figuren umschrieben.

Bei der Beschreibung von Helena fielen mir etwas widersprüchliche Reaktionen auf. Eine Neunjährige, die verängstigt ist, duckt sich nicht ängstlich ins Sofa und widerspricht im nächsten Moment. Sie hatte mit ihrer Tante ja schon schlechte Erfahrungen gemacht, die anscheinend recht happig sind. Daraus könnte sich durchaus Trotz und Widerstand ergeben, aber dann linear gezeichnet.

Den Rest habe ich dann mehr überflogen, da es mir insgesamt noch zu wenig ausgefeilt scheint. Auch der Schluss ist dann eher märchenhaft. Ich denke, du könntest viel mehr aus der Geschichte herausholen, wenn du die Handlung konzentrieren und Füllsel rauswerfen würdest. Das Thema an sich gibt es schon her.

So ein paar Sachen, die mir beispielsweise auffielen (nicht abschliessend):

Scheinbar ruhig und friedlich lag die Villa ziemlich einsam weitab der anderen Häuser in umgeben von üppigen Wäldern.

Das Fette ist überflüssig.

„Du missratenes kleines Biest gibst mir Wiederworte!“

Korrekt: Widerworte. Sonst ist es sinnentstellend. Das Wort an sich zu lesen, fällt für mein Empfinden jedoch schon etwas aus dem Rahmen. Auch ist die Tirade etwas stark ausgeschmückt. Natürlicher dünkte mich der Satz: Du kleines Biest wagst mir zu Widersprechen.

An der Wall Street wollten sie noch einmal einen weiteren großen Coup an der Börse landen, aber dazu kam es nicht mehr.

Unplausibel, da Kunden für Börsengeschäfte nicht direkt die New York Stock Exchange aufsuchen, sondern dies telefonisch oder elektronisch über ihre Bank abwickeln.

„Ihr seid böse! Ihr kümmert euch nur um mein Geld!“

Glaubst du, so spricht eine Neunjährige? Das sie böse sind ja, aber das mit dem Geld käme anders rüber.

Ein Familiengrab lag vor ihr. Das Grab ihrer beiden Eltern.

beiden ist überflüssig.

„Ja, jetzt bist du zu weit gegangen, kleines Mitbalg!

Mistbalg

Wenig Sinn sehe ich darin, dass du bei deinen Geschichten immer englische Titel wählst. Das macht sie keineswegs interessanter.

Das klingt nun negativ, doch finde ich sie nicht einfach schlecht. Aber du müsstest da noch sorgfältig daran arbeiten. Ich weiss, dass dies einem nicht leicht fällt, wenn man sich mal für eine Version entschieden hat. Aber ich denke, dies ist der Preis, wenn man möglichst viele Leser erreichen will. In diesem Sinne viel Glück.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hi Anakreon!

Dank für deien Anmerkungen.

Warum sollte die Neunjährige so nicht reden? Ist doch kein intellektuell so hoch gestochener Satz. Was Geld ist, wird sie ja wohl wissen. Und warum sollte sie nicht begreifen, dass sie persönlich ihren Zieheltern nix bedeutet? Dafür reicht ja ein IQ von 50 schon aus, denk ich mal...

Ja stimmt, die Story könnt so was wie eien Splatter-Variante von Grimm-Motiven sein. Hänsel und Gretel braten i9hre boshafte Hexe ja genüßlich, um sich ihrer zu entledigen. Die kleien Millionenerbin in meinem Falle heizt den bösen Stiefeltern mit Hilfe des Monsters kräftig ein.
War jetzt nicht generell beabsichtigt, unbedingt ein Horror-MÄRCHEN zu verfassen, sondern halt typischen Phantastik-Horror, wie er auch in einer Folge von CREEPSHOW konzipiert sein könnte.

Aber Interpretationen der Leser sind ja immer ganz interessant. Vielelicht gingen mir auch die alten Märchen im Unterbewußtsein um, als diese Story entstand. *gg*

Greethings
Marc

 

Hallo Marc

Warum sollte die Neunjährige so nicht reden? Ist doch kein intellektuell so hoch gestochener Satz. Was Geld ist, wird sie ja wohl wissen.

Es ist nicht eine Frage von Intelligenz, sondern mehr von Identität (Selbstwahrnehmung) eines Kindes, dass ich die von dir verwendeten Worte nicht einer Neunjährigen zurechnen würde. Ein Text zu Kindern muss ja nicht direkt entwicklungspsychologisch korrekt sein, aber doch plausibel. Dies schiene mir eher gegeben, wenn sie sich weniger als Kind sehr vermögender Eltern wahrnimmt, als vielmehr, dass ihre Stiefeltern deren Platz mit aller Macht und Gewalt einnehmen. Eine Wendung zu diesem Aspekt hin - mit böse deutest du es schon an - hätte für mein Empfinden zudem eine stärkere Wirkung.

Und warum sollte sie nicht begreifen, dass sie persönlich ihren Zieheltern nix bedeutet?

Dies hatte ich mit keinem Wort infrage gestellt. Diese Erfahrung macht sie in der Geschichte ja sehr drastisch.

Inwiefern du mit meinen Hinweisen etwas anfangen kannst oder nicht, ist natürlich allein dir überlassen. Es sollte auch nicht mehr oder weniger sein als eine subjektive Lesermeinung.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hi Anakreon!

Klar, die Meinungen der Leser interessieren mich schließlich immer. Ich gebe dann halt meine Einwende dazu.

Grüße zurück
Marc

 

Hi Marc,

ich muss Anakreon zustimmen. Es erinnert an ein Märchen. Es gibt die arme kleine Helen, von der du die Hintergrundgeschichte gut wiedergibst. Ich störe mich an der Darstellung des Onkels und der Tante, vlt. hättest du noch was über sie schreiben können, zumindest wie sie so wurden.
Wenn Helen ihrer Tante im Streit, trotz Angst, was ich für nicht für so unwahrscheinlich halte,ihrer Tante wiederspricht, warum kratzt sie nicht den Mut zusammen und sagt den Freunden ihres Onkels die Wahrheit? Denn später bricht sie ja wieder das Wort, das sie ihrem Onkel gegeben hatte. Also war ihre Angst doch nicht so groß? Diesen Konflikt hättest du ja vlt. darstellen können, denn so wirkt es wie, als ob sie das gerne in Kauf nimmt.
Das Ende ist ein richtiges Märchenende, die Bösen werden bestraft und die Armen werden belohnt, wobei das Mädchen ja nicht unbedingt eine richtig gute Position hat, da sie, wie in den meisten Märchen, die Bösen tötet.
Das ist meine subjektive Meinung, ich hoffe sie hilft dir etwas
Riccardo

 

Hi Riccardo!

Klaro, alle Meinungen interessieren mich!

Es war nicht konkret von Anfang an geplant, ein HorrorMÄRCHEn zu verfassen. Das hat sich zufällig so ergeben. Es war halt als klassisches Phantastik-Horror-Stück konzipiert.
Mit der Angst eines kleinen Kindes spielen. Die Angst, die ihm von seinen bösen Vormunden eingetrichtert wird. Man kennt das ja, wie manche mies gelaunten Sorgeberechtigte ihren Schützlingen einreden, sie würden bei Ungehorsam von bösen Monstern geholt. Was aber, wenn das Ganze dann real wird und die Eltern, Stiefeltern und sonstwas dann plötzlich vor ihrer eigenen geistigen Erfindung stehen?

Aber diese Interpretationen von wegen Märchen sind natürlich immer interessant.

Nun ja, sie bricht das Wort ja, weil sie von der Sehnsucht nach ihren Eltern geplagt wird. Und sie versucht es zu verheimlichen. Was überwiegt in so einer Situation? Die Angst vor den Stiefeltern oder der Drang, den leiblichen Eltern nahe zu sein?
Das wäre wohl bei jedem Kind unterschiedlich, denke ich mal...

Hat eigentlich BUTTERFLY LADIES auch so einen Märchencharakter für dich?

CYA
Marc Gore

 

Hi Marc!

Genau wie Anakreon habe ich den Großteil des Textes quergelesen. Ich bin auf zu viele Stolperstein-Formulierungen gestoßen, die mich einfach aus dem Lesefluss herausgerissen haben. Dazu gehört vor allem das bereits angesprochene, widersprüchliche Verhalten Helens, aber auch die für meinen Geschmack viel zu stark überzeichneten Charaktere. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, eine düstere Version von Mathilda mit etwas Splatter zu lesen. Nur war's mir eben nicht düster genug. Mir hätte z.B. auch ein weniger schmalziges Ende gefallen, vielleicht etwas offener. Könnte der Dämon nicht einen schlechten Einfluss auf Helen haben? Oder sie vielleicht die ihr zur Verfügung stehende Macht zu einem eigenen Vorteil ausnutzen, sich charakterlich zum Schlechten wenden? Das hätte ich interessanter gefunden. Und wo wir gerade beim Thema sind:

Wirklich? Hätte ich nicht gedacht. :D Eine meiner früheren Deutschlehrerinnen hat uns fast den Schädel eingeschlagen, wenn wir so etwas unter einen Text gesetzt haben. Das Textende ist offensichtlich und muss nicht extra erwähnt werden, das ist schließlich kein Film. Aber vielleicht ist das auch nur Haarspalterei meinerseits.

Gruß
Pale Man

 

Hi!

pardon für meine verspätete Rückmeldung...

Sorry, aber was ist Matilda? Entzieht sich momentan meiner Kenntnis...

Vielleicht gibt es ja irgendwann mal eine Fortsetzung der Geschichte, und darin wird erzählt, wie die gute Helen als Erwachsene dann die Unterstützung durch das Böse gewinnbringend anwendet. Das wäre dann ja so ähnlich wie Damian Thorn in den OMEN-Filmen. *g*
Schlecht sit die Idee jedenfalls in der Tat nicht. ;-)

CYA
Marc

 

Hallo!

Matilda ist ein US-amerikanischer Roman, der von und mit Danny DeVito verfilmt wurde. Darin geht es um ein hochintelligentes Mädchen namens Matilda (wer hätt's gedacht), das in einer desinteressierten, oberflächlichen Familie aufwächst und später in der Schule von der tyrannischen Direktorin misshandelt wird. Eines Tages entdeckt Matilda, dass sie telekinetische Fähigkeiten besitzt und setzt sich zur Wehr.
Allerdings ist dieser Film eine Komödie und hat absolut nichts mit Horror zu tun, deswegen empfand ich deine KG als eine düstere Variante des Themas "Kleines Mädchen wehrt sich gegen grausame Erwachsene". :)

Gruß
Pale Man

 

Hallo,

Ein idyllischer, wohlhabender Vorort von Boston.
Wie heißt er? Wirklich "Vorort"? Nicht doch lieber eine Vorstadt, ein Stadtteil?
Dieses "Suburbs" ist ziemlich amerikanisch.

Scheinbar ruhig und friedlich lag die Villa ziemlich einsam weitab der anderen Häuser in umgeben von üppigen Wäldern.
Scheinbar ruhig und friedlich = Dann liegt sie nicht ruhig und friedlich da? Ruhig und friedlich liegen, geographisch, ist doch absolut, was soll da das "scheinbar"?
"ziemlich einsam" - "ziemlich"? Warum "ziemlich?"
"weitab der anderen Häuser in umgeben" - "in" zu viel

Der Rasen war penibel geschnitten, am Kiesweg vom Eingangstor hin zur Haustür standen schmucke Blumentöpfe.
Zu viele Adverben. Und diese ganzen Konstruktionen stimmen einfach nicht: Am Kiesweg vom Eingangstor hin zur Haustür
die Konstruktion geht: Vom Eingangstor hin zur Haustür standen

Vor der geräumigen Garage standen ein schwarzer Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé und ein knallroter Lamborghini Gallardo.
Sorry, aber das ist doch einfach so richtig bescheuert. Ich kann da auch keine anderen Worte für finden. So auf dicke Hose gemacht in so einem Text, mit den Marken und das "amerikanische", so ein epigonaler Kram immer. Bah. Da kann ich den Text doch gar nicht ernst nehmen. Vor der geräumigen Garage - Natürlich muss die Garage erstmal riesig sein. Und dann steht da ein schwarzer Rolls-Royce, aber das reicht dem Autor nicht. Da steht ein schwarzer Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé! BAH! Wie sieht der denn aus? Bin ich als Leser verpflichtet sowas zu wissen?
Also ... was spricht da auch für eine Geisteshaltung raus: Ich will Horror schreiben und dazu verlege ich es in die USA, in ein reiches Setting, obwohl ich von beidem keine Ahnung hab, aber so ist es ja in den Filmen auf Pro7 auch immer!
Nee, echt nicht. Das macht mich auch richtig sauer.
Creature in the Cellar. Bah. Und in den ersten 3 Sätzen 3 dicke Grammatikfehler schon. Nee.
Ich versteh auch wirklich den ganzen Gedankengang nicht. Wenn du als Leser was lesen willst, was in der amerikanischen Vorstadt spielt, würdest du dann sagen: Jau, les ich mal was von einem deutschen Autor, wie er sich das so vorstellt, obwohl nach 3 Sätzen klar ist, dass er keinen Plan hat.
Nee, du würdest sagen: Les ich mal was von den zig Büchern, die im Drehkreuz in der Bahnhofshandlung hängen.

Wenn man sowas macht, dann muss so ein Text richtig Spaß machen, von der ersten Zeile an, muss es krachen. Aber nicht so.Und du schreibst ja jetzt auch schon seit einigen Jahren sowas. Das bringt doch echt nix.

Sorry, aber das hat mich echt geärgert
Quinn

 

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